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LG Nürnberg-Fürth, Endurteil v. 24.02.2022 – 3 HK O 6313/21
Titel:

Irreführende Werbung ohne ausreichende Richtigstellung in einer Fußnote

Normenkette:
UWG § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 2
Leitsätze:
1. Die Richtigstellung einer irreführenden Aussage durch eine Fußnote, die mit einer hochstellten "1" gekennzeichnet ist, kann unzureichend sein, wenn die Fußnote mit dieser Ziffer mehrfach vergeben ist. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wird eine richtigstellende Information einer für sich gesehen irreführenden Werbung am Ende eines umfangreichen Textes versteckt, erfolgt die Richtigstellung nicht hinreichend. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine erforderliche Richtigstellung einer irreführenden Aussage muss gleichzeitig mit dieser wahrnehmbar sein, sodass eine Richtigstellung nicht hinreichend erfolgt, wenn umfangreiches Scrollen erforderlich ist. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Werbung, Werbeaussage, Unterlassungsanspruch, Verbraucher, Streitwert, Wettbewerbswidrigkeit, Internet, Berechnung, werben, Sicherheitsleistung, Blickfang, Klage, Bestellung, Ordnungshaft, Kosten des Rechtsstreits, Rechtsprechung des BGH, All Net Flat
Rechtsmittelinstanz:
OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss vom 16.08.2022 – 3 U 747/22
Fundstelle:
GRUR-RS 2022, 21402

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, es zu unterlassen, im Internet und/oder auf sonstigen Werbeträgern zu Zwecken des Wettbewerbs mit der Aussage „33% auf alle Küchen1“ zu werben und/oder werben zu lassen und hiervon die folgenden Ausnahmen zu machen: „1Beim Kauf einer frei geplanten Einbauküche bei … erhalten Sie ab einem Gesamtpreis der Küche von 6.900 € 33% Rabatt. Dieser Rabatt errechnet sich aus dem Gesamtpreis abzgl. Montagekosten, abzgl. des Kaufpreises für … und …-Geräte sowie dem Material Stein. Zusätzlich erhalten Sie einen … Backofen (…) ohne Berechnung…“, wenn dies wie aus der Anlage zum Urteil (= K 1) ersichtlich geschieht.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 220,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.09.2021 zu zahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,00 € vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 25.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Mit der Klage wird ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch geltend gemacht.
2
Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 UWG. Die am … gegründete, unter HRB … beim AG … eingetragene Beklagte produziert, plant und verkauft Küchen, die sie sowohl im Internet auf ihrer eigenen Homepage unter der URL … als auch in ihren Küchenstudios anbietet.
3
Am 06.07.2021 warb die Beklagte auf ihrer … mit der Aussage: „33% AUF ALLE KÜCHEN1 + GRATIS …-BACKOFEN1“; der Text zur Fußnote 1 am Ende der Seite lautete: „Beim Kauf einer frei geplanten Einbauküche bei … erhalten Sie ab einem Gesamtpreis der Küche von 6.900 € 33% Rabatt. Dieser Rabatt errechnet sich aus dem Gesamtpreis abzgl. Montagekosten, abzgl. des Kaufpreises für … und …Geräte sowie dem Material Stein. Zusätzlich erhalten Sie einen … Backofen … ohne Berechnung …“; neben dieser Werbeaussage befand sich eine Spalte mit der Überschrift „Jetzt Aktion sichern!“, in der bei Interesse unter Eingabe des Namens und der Telefonnummer ein „Gratis-Termin“ angefordert werden konnte (K 1).
4
Der Kläger mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 30.08.2021 (K 2) wegen dieser Werbung mit der Begründung ab, der angesprochene Verkehrskreis habe aufgrund der blickfangmäßig herausgestellten Behauptung „33% auf alle Küchen1“ die Vorstellung, die Beklagte gewähre 33% auf alle Küchen.
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Mit anwaltlichem Schreiben vom 17.09.2021 (K 3) bestritt die Beklagte das Vorliegen einer irreführenden geschäftlichen Handlung unter Verweis auf die Fußnote in der Werbung, gemäß der Küchen mit einem Wert von unter 6.900, - € von der Aktion ausgenommen waren, und zum anderen mit der Begründung, der Verbraucher würde auch nicht zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst werden, die er sonst nicht getroffen hätte.
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Der Kläger trägt vor, die beanstandete Blickfangwerbung sowie die dazugehörige Fußnote am Ende der Website sei wettbewerbswidrig gem. § 5 UWG. Die Beklagte sei auch zur Erstattung der Abmahnkosten verpflichtet.
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Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, es zu unterlassen, im Internet und/oder auf sonstigen Werbeträgern zu Zwecken des Wettbewerbs mit der Aussage „33% auf alle Küchen1“ zu werben und/oder werben zu lassen und hiervon die folgenden Ausnahmen zu machen: „1Beim Kauf einer frei geplanten Einbauküche bei … erhalten Sie ab einem Gesamtpreis der Küche von 6.900 € 33% Rabatt. Dieser Rabatt errechnet sich aus dem Gesamtpreis abzgl. Montagekosten, abzgl. des Kaufpreises für … und …Geräte sowie dem Material Stein. Zusätzlich erhalten Sie einen … Backofen (…) ohne Berechnung…“, wenn dies wie aus der Anlage K 1 ersichtlich geschieht.
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 220,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.09.2021 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte bestreitet die Wettbewerbswidrigkeit ihrer Werbung. Die Website-Besucher würden zum Ende der Website scrollen und die Fußnotenauflösung dort lesen. Die Fußnote sei einfach für den Verbraucher aufzufinden. Die Auffassung, dass die Aussagen „33% auf alle Küchen 1“ und „+ Gratis … Backofen 1“ für sich genommen unmissverständlich und abschließend seien, nicht nachvollziehbar. Auch wenn zwischen der Aussage „33% auf alle Küchen“ und der Fußnotenauflösung 1 der … Backofen näher beschrieben wird und eine Erläuterung zum allgemeinen Ablauf einer Küchenplanung bei der Beklagten erfolgt, bestehe zwischen der Fußnote und der Fußnotenauflösung kein so großer Abstand, dass der Verbraucher verwirrt oder das Finden der Auflösung erschwert wird. Die Fußnotenauflösung sei übersichtlich gestaltet, da die Fußnote nur drei Zeilen erfasse und nicht kleiner geschrieben sei als die anderen Angaben auf der Seite, also weder versteckt, noch unleserlich oder zu klein sei. Bei Einbauküchen sei der Aufmerksamkeitsgrad der Kunden, die die Anzeige lesen, sehr hoch, sodass die gesamte Werbung genau geprüft und durchgelesen würde. Die Rabattvoraussetzung von 6.900, - € betreffe nicht eine „Vielzahl“ von Küchen, sondern lediglich einen kleinen Teil der Küchen im Angebot der Beklagten.
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Außerdem sei das Relevanzkriterium nicht erfüllt; die Angabe sei nicht geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Nach der Entscheidung des BGH „Schlafzimmer komplett“ ist eine bloße Einladung, sich mit einem beworbenen Angebot in einer Werbeanzeige näher zu befassen, keine geschäftliche Entscheidung im Sinne von Art. 2 lit. k) und Art. 6 Abs. 1 der RL 2005/29/EG. Der Aussage fehle der konkrete Informationsgehalt; bloße Kaufappelle hätten keinen eigenen Aussagegehalt, der auf angebotene Waren Bezug nimmt.
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Der Kläger trägt vor, die Werbeaussage „33% auf alle Küchen“ sei eine geschäftliche Handlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG, nämlich ein Verhalten bei oder nach Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes objektiv zusammenhänge. Die Aussage weise auch einen eigenen Aussagegehalt auf und sei geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Die Auflösung der Fußnote erst am Ende der Seite nach ausführlichen Angaben zum Ablauf der Bestellung und zu dem …-Backofen mit Lichtbildern sei nicht geeignet, die durch die falsche Werbeaussage verursachte Fehlvorstellung der angesprochenen Verkehrskreise zu beseitigen; außerdem betreffe die Rechtsprechung zur „Fußnote“ Printwerbung und könne nicht auf Internetwerbung übertragen werden, weil zahlreiche weitere Seiten zwischen der falschen Aussage und der Auflösung der Fußnote lägen und gerade kein einfacher Blick an den unteren Rand des Dokuments dem Verbraucher zu einem zutreffenden Verständnis der unzutreffenden Werbeaussage verhelfe.
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Hinsichtlich des Sach- und Streitstands im übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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A. Die Klage ist zulässig.
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I. Die Klagebefugnis des Klägers resultiert aus § 8 Abs. 3 UWG.
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II. Das LG Nürnberg-Fürth ist sachlich und örtlich zuständig.
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Die funktionelle Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen beruht auf § 95 Abs. 1 Nr. 1 und 5 GVG; die Antragsstellung und Verhandlung vor der Vorsitzenden ist als Einverständnis gem. § 349 Abs. 3 ZPO zu werten.
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B. Die Klage ist auch begründet.
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I. Der Unterlassungsanspruch ergibt sich aus §§ 8 Abs. 1, 3, 5 Abs. 1 S. 2 Ziff. 2 UWG; die vom Kläger beanstandete Werbeaussage stellt eine irreführende geschäftliche Handlung dar.
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1. Die Werbung der Beklagten auf ihrer Internetseite stellt eine geschäftliche Handlung gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1, 5 Abs. 1 S. 1 UWG dar.
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Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist unter geschäftlicher Handlung jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens zu verstehen, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Die streitgegenständliche Werbung ist ein der Absatzförderung dienendes Verhalten im Vorfeld von Geschäftsabschlüssen und erfüllt diese Voraussetzungen.
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2. Die Beklagte handelte unlauter nach §§ 3, 5 Abs. 1 UWG.
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Die auf ihrer Homepage … verwendete Werbeaussage „33% AUF ALLE KÜCHEN1 + GRATIS …-BACKOFEN1“ ist unrichtig und irreführend, da der Rabatt von 33% unstreitig eben nicht auf alle von ihr angebotenen Küchen gewährt wird. Die Beklagte handelte unlauter gem. § 5 Abs. 1 S. 1 und 2 UWG, weil die Werbung unwahre Angaben enthielt und geeignet war, die angesprochenen Verkehrskreise über das Vorhandensein eines besonderen Preisvorteils hinsichtlich aller angebotener Küchen zu täuschen.
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Nach der von der Beklagten zitierten Rechtsprechung des BGH muss „in Fällen, in denen der Blickfang für sich genommen eine fehlerhafte Vorstellung vermittelt, der dadurch veranlasste Irrtum regelmäßig durch einen klaren und unmissverständlichen Hinweis ausgeschlossen werden muss, der selbst am Blickfang teilhat“; bei einer Werbung für verhältnismäßig langlebige und kostspielige Güter - wie Möbel und Küchen -, mit der sich der Verbraucher eingehend und nicht nur flüchtig befasst und die er aufgrund einer kurzen und übersichtlichen Gestaltung insgesamt erfassen kann, wird der Verbraucher auch eine erst am Ende der Texte und in nicht hervorgehobener Schrift enthaltene, aber in den kurzen und übersichtlich gestalteten Texten nicht versteckte Information zur Kenntnis nehmen, durch die unzweideutig der zuvor erweckte Eindruck richtig gestellt wird (BGH 18.12.2014 - I ZR 129/13 - GRUR 2015, 698 - Schlafzimmer komplett).
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Diese Voraussetzungen an die Richtigstellung einer irreführenden blickfangmäßige Werbung sind im vorliegenden Fall nicht gewahrt.
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Der Text der kleingedruckten Fußnote am Ende der Werbung ist zwar bezüglich der Einschränkung der Blickfangwerbung klar und unmissverständlich; er hat aber nicht selbst am Blickfang teil und kann selbst von einem Verbraucher, der sich mit dem Angebot eingehend und nicht nur flüchtig befasst, nicht unproblematisch zur Kenntnis genommen werden.
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Das Angebot ist - anders als bei der vom BGH entschiedenen Schlafzimmerwerbung - nicht kurz und übersichtlich gestaltet. Sowohl durch die mehrfache Verwendung der „1“ als dem Wort „Küchen“ und dem Wort „Backofen“ zugeordnete Fußnote als auch durch die detaillierte Beschreibung des …-Ofens und die Punkte „Exklusiv bei …: Die Mixed-Reality-Küchenplanung“ und „Fast geschafft: 3 Schritte trennen Sie von Ihrer individuellen Küche“ sowie des Hinweises auf die „Gratis-Serviceleistungen“ wird der Verbraucher abgelenkt und die Kenntnisnahme der Richtigstellung des blickfangmäßig erweckten falschen Eindrucks vom Umfang der Rabattaktion ganz am Schluss der Werbung erschwert. Auch wenn der Verbraucher aufgrund der hochgestellten „1“ in der Aussage „33% AUF ALLE KÜCHEN1 + GRATIS …-BACKOFEN1“ damit rechnet, dass im folgenden Text eine - möglicherweise auch einschränkende - genauere Definition der rabattierten Küchen erfolgen wird, ist das Auffinden der Auflösung der Fußnote im unübersichtlichen und langen Text erschwert und allenfalls einem besonders hartnäckigen Leser möglich.
27
Der Verbraucher wird bereits in die Irre geleitet, indem dieselbe Fußnote „1“ sowohl hinsichtlich der angebotenen Küchen, als auch hinsichtlich des …-Backofens verwendet wird und im anschließenden Text ausschließlich der Backofen ausführlichst beschrieben wird, sodass er während der Lektüre des auf den Ofen bezogenen Textes die Suche nach der auf die Küchen bezogenen Fußnote aus dem Auge verliert. Sodann folgt nach dem Punkt „Exklusiv bei …: Die Mixed-Reality-Küchenplanung“ und dem zugehörigen Text unter dem Punkt „Fast geschafft: 3 Schritte trennen Sie von Ihrer individuellen Küche“ eine in „1.“, „2.“ und „3.“ untergliederte Beschreibung der Vorgehensweise bei der Bestellung einer rabattierten Küche im Rahmen einer Erläuterung zum allgemeinen Ablauf einer Küchenplanung; auch hier besteht die Möglichkeit, dass der Verbraucher wähnt, die Auflösung der Fußnote gefunden zu haben. Die „1“ in der Aussage „33% AUF ALLE KÜCHEN1“ stellt damit keinen klaren und unmissverständlichen Hinweis auf die am Ende der Seite stehende Einschränkung der Werbeaussage dar, wie er vom BGH verlangt wird (s. Urteil vom 15.10.2015 - I ZR 260/14 - GRUR 2016, 207 - All Net Flat). Die Behauptung der Beklagten, die Fußnote sei geeignet, um die Aufmerksamkeit des Verbrauchers auf den Hinweis zu lenken und ihm alle relevanten Informationen zu verschaffen, sodass Fehlvorstellungen vermieden würden, ist aufgrund der nicht eindeutigen Zuordenbarkeit der „1“ und der konkreten Gestaltung und der erheblichen Länge der Werbung unzutreffend.
28
Auch die ganz am Ende des umfangreichen Textes versteckte Information zur Fußnotenauflösung ist nicht „ordnungsgemäß“, da weder der Bezug zur Fußnote in der Aussage „33% AUF ALLE KÜCHEN1“ deutlich ist, noch die Auflösung unübersehbar oder Teil des Blickfangs ist. Selbst wenn zu erwarten ist, dass ein aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher, § 3 Abs. 4 Satz 1 UWG, sich mit dem gesamten Text befassen wird (OLG Nürnberg, Urt. v. 11.12.2018 - 3 U 881/18) und selbst wenn vielleicht prinzipiell die Auflösung einer Fußnote am Ende der Werbung erwartet wird, ist ein unübersichtlich gegliederter, langer Text mit ablenkenden Lichtbildern und mit einer Vielzahl von Details zur Zugabe, zur „Mixed-Reality-Küchenplanung“ und zu den drei erforderlichen Verfahrensschritten zwischen der Blickfangwerbung und der Fußnotenauflösung nicht geeignet, den durch die Aussage „33% AUF ALLE KÜCHEN1“ veranlassten Irrtum richtigzustellen, vor allem weil - anders als bei einer Fußnotenauflösung am Ende einer gedruckten Seite - die Gleichzeitigkeit der Wahrnehmbarkeit sowohl der irreführenden Werbeaussage als auch des richtigstellenden Fußnotentextes nicht gewahrt ist.
29
Der Verbraucher erwartet jedoch - entsprechend der Rechtsprechung zur Richtigstellung einer irreführenden Werbung durch Fußnoten und Sternchen (BGH, Versäumnisurteil vom 21.09.2017 - I ZR 53/16 -, juris Festzins Plus-; BGH, GRUR 2015, 698 Rn. 19 - Schlafzimmer komplett; LG Dortmund WRP 2019, 526), dass - falls eine Richtigstellung einer unzutreffenden Aussage erforderlich sein sollte - diese in engen räumlichen Zusammenhang mit der Aussage oder zumindest in einem mit zumutbarem Aufwand auffindbaren und deutlich angebrachten, prägnanten Hinweis erfolgt, und geht nicht davon aus, dass er bis zum Ende einer umfangreichen Werbung scrollen muss, um die Auflösung zu finden (Toussaint in: Teplitzky/Peifer/Leistner, UWG, 3. Aufl. 2020, § 5 Rdnr. 103). Auch nach der von der Beklagten zitierten Definition des Begriffs Fußnote in Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Fu%C3%9Fnote) darf diese nicht beliebig am Textende positioniert werden.
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Zu berücksichtigen ist auch, dass sich ein aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher zwar vor der Entscheidung über den Kauf einer Kücheneinrichtung oder anderer höherwertiger Konsumgüter mit dem gesamten Angebotstext befassen wird, dass der Grad an Aufmerksamkeit und Gründlichkeit bei der Lektüre einer Internetwerbung aber dann reduziert ist, wenn noch nicht die Kaufentscheidung selbst zu treffen ist, sondern nur die Entscheidung, ob als erster Schritt die Anforderung eines Gratis-Beratungstermins vorgenommen wird, um sich die Vorteile der auf den Zeitraum vom … beschränkten Rabattaktion zu sichern.
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3. Die angegriffene Werbung ist auch geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
32
Dass sich die Werbung auf „alle Küchen“ bezog und noch nicht auf eine konkrete Küche, die nach dem in der Werbung geschilderten Prozedere vom Verbraucher und vom Kundenberater aus den von der Beklagten angebotenen Küchenbestandteilen im Rahmen eines zu vereinbarenden Beratungstermins erst zusammengestellt werden musste, sodass die essentialia negotii - nämlich der konkrete Kaufgegenstand und der Kaufpreis - zum Zeitpunkt der Kenntnisnahme von der Werbeaussage noch nicht definiert war, führt nicht dazu, dass die Relevanz der Werbung i.S.v. § 5 Abs. 1 S. 1 UWG entfallen würde.
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Unter einer geschäftlichen Entscheidung ist nämlich nicht nur eine Kaufentscheidung zu verstehen, sondern auch die vor der endgültigen Entscheidung zum Kauf einer bestimmten Küche vom Verbraucher zu treffenden, unmittelbar mit der Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb eines Produkts zusammenhängenden Entscheidungen wie insbesondere die Entscheidung zum Betreten eines Geschäfts (EuGH, GRUR 2014, 196 - Trento Sviluppo; BGH, Versäumnisurteil vom 21.09.2017 - I ZR 53/16 -, juris Festzins Plus; BGH, Urteil vom 2. März 2017 - I ZR 41/16, GRUR 2017, 922 - Komplettküchen).
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Bereits die Eingabe der persönlichen Daten in die neben der unrichtigen Werbeaussage befindliche Spalte mit der Überschrift „Jetzt Aktion sichern!“, in der bei Interesse unter Eingabe des Namens und der Telefonnummer ein „Gratis-Termin“ angefordert werden kann (K 1), ist als geschäftliche Entscheidung zu qualifizieren, weil damit bereits der erforderliche erste Schritt von dreien, die den Verbraucher noch von seiner individuellen Küche trennen, vollzogen wird. Die Werbung stellt also nicht „eine reine Einladung an die angesprochenen Verkehrskreise, sich mit dem Angebot näher zu befassen“ dar, sondern ist geeignet, den Verbraucher zur Preisgabe persönlicher Daten und zur Vornahme des für den Erwerbsvorgang erforderlichen ersten Schrittes zu veranlassen. Insoweit ist der vorliegende Fall nicht mit der vom BGH (Urt.v. 18.12.2014, I ZR 129/13, Schlafzimmer komplett) entschiedenen Konstellation vergleichbar.
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II. Die Klage ist auch hinsichtlich des Anspruchs auf Erstattung der Abmahnkosten begründet, § 12 Abs. 1 S. 2 UWG. Die Abmahnung war berechtigt.
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C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.