Titel:
Zulässigkeit einer anwaltlichen Androhung rechtlicher Maßnahmen gegen etwaige Presseberichterstattung nach konkreter Anfrage
Normenketten:
BGB § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 S. 2
GG Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 12 Abs. 1, 14 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG
Leitsätze:
1. Liegt die als beeinträchtigend angegriffene Handlung in der Übersendung eines rechtsanwaltlichen Schreibens, welches ein Rechtsanwalt für seinen Mandanten übersandt hat, so kann regelmäßig nicht der Rechtsanwalt als Störer in Anspruch genommen werden, sondern die beeinträchtigende Handlung ist dem Mandanten als Vertretenem gem. §§ 164, 166, 278 BGB zuzurechnen. Eine Ausnahme kann gegeben sein, wenn angesichts der Gesamtumstände des Einzelfalls der Rechtsanwalt hierfür alleine die Verantwortung übernimmt. (Rn. 16 – 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Anwaltsschreiben, mit dem ein Prominenter ein Medienunternehmen nach dessen Anfrage über das bestehende Verhältnis zwischen dem Prominenten und einer jungen Frau, in deren Begleitung er gesehen worden sei, für den Fall einer Berichterstattung darüber mit zivil- und strafrechtlichen Maßnahmen drohen lässt, stellt keinen rechtswidrigen Eingriff in den Gewerbebetrieb des Medienunternehmens dar. (Rn. 33 – 37) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Unterlassung
Fundstellen:
AfP 2022, 362
GRUR-RS 2022, 19505
LSK 2022, 19505
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagten – hinsichtlich der Kosten – gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt von den Beklagten, es zu unterlassen, ihr Anwaltsschreiben wie das als Anlage 1 vorgelegte zu übersenden.
2
Die Klägerin betreibt einem Presseverlag, in dem u.a. die Zeitschrift … erscheint. Der Beklagte zu 2) ist ein bekannter Schauspieler, die Beklagte zu 1) eine in Form einer Partnerschaft organisierte Rechtsanwaltskanzlei.
3
Am 06.10.2021 wandet sich eine Mitarbeiterin der Klägerin, … im Zuge einer Recherche an die Managerin des Beklagten zu 2) mit der Behauptung, dass der Beklagte zu 2) in sehr vertrautem Umgang mit einer jungen Frau bei einem Spaziergang gesehen worden sei, und fragte in diesem Zusammenhang – zumindest insoweit unstreitig – nach dem Verhältnis des Beklagten zu 2) zu der jungen Frau; die Managerin des Beklagten zu 2) gab indessen keine Auskünfte. Der weitere Inhalt des Telefonates ist zwischen den Parteien streitig.
4
Mit Schreiben vom gleichen Tag teilte die Beklagte zu 1) – durch Rechtsanwalt … der Klägerin mit, den Beklagten zu 2) in seinen presserechtlichen Angelegenheiten anwaltlich zu vertreten, und forderte sie auf, von „jedweder Veröffentlichung in dem vorgenannten Sachzusammenhang Abstand zu nehmen“. Im Einzelnen heißt es in dem Schreiben:
„Das Management meines Mandanten informiert mich, dass es mit Fragen Ihrer Mitarbeitern, … zu dem Privatleben meines Mandanten konfrontiert wurde und diese selbstverständlich nicht beantwortet hat. Der Inhalt der Fragen ist Ihrer Mitarbeiterin hinreichend bekannt. Insofern muss ich das hier nicht weiter ausführen. Die Privatsphäre unseres Mandanten ist absolut geschützt. Insbesondere die Veröffentlichung von Fotos, die unseren Mandanten in einem rein privaten Moment zeigen, wären eine eklatante Persönlichkeitsrechtsverletzung sowie eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild. Letzteres ist gem. § 33 KUG strafbar.
Wir gehen daher davon aus, dass Sie von jedweder Veröffentlichung in dem vorgenannten Sachzusammenhang Abstand nehmen und würden bei Nichtbeachtung dieses klaren rechtlichen Hinweises sämtliche denkbaren presserechtlichen Schritte einleiten.“
5
Auf das als Anlage 1 vorgelegte Schreiben wird Bezug genommen. Die Klägerin ließ daraufhin die Beklagte zu 1) mit anwaltlichem Schreiben vom 07.10.2021 zur Unterlassung der Übersendung solcher Schreiben und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auffordern. Dem kam die Beklagte zu 1) nicht nach.
6
Mit Schriftsatz vom 11.10.2021 beantragte die Klägerin die Untersagung der Übersendung von Schreiben wie dem als Anlage 1 vorgelegten im Wege der einstweiligen Verfügung. Der Antrag wurde von der erkennenden Kammer mit Beschluss vom 26.10.2021 zurückgewiesen (Az.: 26 O 13539/21). Auch die dagegen erhobene sofortige Beschwerde zum OLG München blieb ohne Erfolg (Az. 18 W 1529/21).
7
Die Klägerin trägt vor, es handele sich bei dem Schreiben vom 06.10.2021 um ein sog. „Presserechtliches Informationsschreiben“, wie die Beklagte zu 1) es regelmäßig versende, um Redaktionen einzuschüchtern und zu bedrohen. Dies verletze die Klägerin in ihren Rechten und namentlich dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Die Rechtswidrigkeit solcher Schreiben sei auch bereits sowohl vom LG München I (Az. 9 O 14070/20) und zweitinstanzlich dem OLG München (Az. 18 U 988/21) als auch – in einem weiteren Verfahren – dem BGH (Az. VI ZR 506/17) festgestellt worden. Gleichwohl setze die Beklagte zu 1) – wie in dem streitgegenständlichen Verfahren – ihre rechtswidrige Praxis fort und versende Schreiben, die keinerlei sachliche Angaben zu einer rechtlichen Beurteilung, sondern lediglich die Behauptung von Ansprüchen und die Androhung rechtlicher, gar strafrechtlicher Schritte enthielten. Die Klägerin habe deshalb einen Anspruch darauf, solche Schreiben nicht mehr zugesandt zu erhalten, und dieser Anspruch bestehe sowohl gegenüber der Beklagten zu 1) – die, wenn man die Rechtsprechung des BGH zutreffend würdige, nicht nur als Vertreterin für den Beklagten zu 2) aufgetreten sei sondern auch selbst als Störerin hafte – als auch gegenüber dem Beklagten zu 2).
8
Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 05.11.2021 Klage gegen die Beklagte zu 1) erhoben, auf Grund des dann ergangenen Beschlusses des OLG München im einstweiligen Verfügungsverfahren die Klage allerdings mit Schriftsatz vom 16.11.2021 gegen den Beklagten zu 2) erweitert.
9
Die Klägerin beantragt,
es den Beklagten unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 € oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – Ordnungshaft auch für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann – zu untersagen, der Klägerin Schreiben zuzusenden, wenn dies geschieht wie mit Schreiben der Beklagten zu 1) vom 06.10.2021 (Anlage 1).
10
Die Beklagten beantragen,
11
Die Beklagten tragen vor, auf Grund der Anfrage der Journalistin … und insbesondere auch der glaubhaften Information, die Zeitschrift „…“ habe Paparazzifotos angekauft, habe eine entsprechende, die Privatsphäre des Beklagten zu 2) verletzende Berichterstattung gedroht. Daher sei die Beklagte zu 1) von diesem mit der Wahrnehmung seiner Interessen konfrontiert worden und habe in dem Schreiben und auf der Grundlage der auch der Klägerin bekannten Anfrage ihrer Journalistin einen rechtlichen Hinweis sowohl zu der Unzulässigkeit einer Wort- als auch einer Bildberichterstattung erteilt. Es habe sich somit bereits nicht um ein „Presserechtliches Informationsschreiben“ im Sinne der von der Klägerin zitierten Rechtsprechung, sondern um die anwaltliche Wahrnehmung der Rechte des Beklagten zu 2) in Anbetracht einer konkreten, durch die Klägerin drohenden Berichterstattung gehandelt. Zudem sei die Beklagte zu 1) auch nicht passivlegitimiert, weil sie – gleichfalls anders als in den von der Klägerin in Bezug genommenen Verfahren – hier ausdrücklich im Namen ihres Mandanten, des Beklagten zu 2), tätig geworden sei.
12
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze mit Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07.04.2022 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
13
Die zulässige Klage erweist sich als unbegründet. Die Klägerin hat weder gegen die Beklagte zu 1) noch gegen die Beklagte zu 2) einen Anspruch auf Unterlassung gem. §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1, 14 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG, weil die Beklagte zu 1) sich mit dem streitgegenständlichen Schreiben im Interesse und als Vertreterin ihres Mandanten geäußert hat und damit schon nicht als Störerin in Anspruch genommen werden kann, und weil das im Namen des Beklagten zu 2) versandte Schreiben die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.
14
1. Die Klage ist gegen die Beklagte zu 1) bereits deshalb unbegründet, weil die Beklagte zu 1) als Vertreterin des Beklagten zu 2) gehandelt hat und vorliegend nicht selbst als Störerin gem. §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB in Anspruch genommen werden kann.
15
1.1 Nach §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB kann derjenige, dessen von dem Schutzbereich des § 823 Abs. 1 BGB umfasstes Recht beeinträchtigt wird, von dem Störer, wenn weitere Beeinträchtigungen zu besorgen sind, Unterlassung verlangen. Zu diesen durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechten gehört das aus Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 BGB abgeleitete Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, das gem. Art. 19 Abs. 3 GG auch einer juristischen Person zustehen kann (BGH v. 15.01.2019 – Az.: VI ZR 506/17 – Rz. 16; alle Entscheidungen, auch im Folgenden und soweit nicht anders gekennzeichnet, zitiert nach juris-Datenbank). „Störer“ ist insbesondere derjenige, der als sog. unmittelbarer Handlungsstörer die Beeinträchtigung durch seine eine Handlung oder pflichtwidrige Unterlassung selbst verursacht hat, oder der als sog. Mittelbarer Handlungsstörer die Beeinträchtigung durch einen Dritten veranlasst bzw. pflichtwidrig nicht verhindert hat (vgl. statt vieler Grüneberg/Herrler, BGB, 81. Aufl., München 2022, § 1004, Rz. 16 ff.).
16
Liegt die als beeinträchtigend angegriffene Handlung in der Übersendung eines rechtsanwaltlichen Schreibens, welches ein Rechtsanwalt für seinen Mandanten übersandt hat, so kann regelmäßig nicht der Rechtsanwalt als Störer in Anspruch genommen werden, sondern die beeinträchtigende Handlung ist dem Mandanten als Vertretenem gem. §§ 164, 166, 278 BGB zuzurechnen. Denn wie der BGH in dem bereits zitierten Urteil vom 15.01.2019 (Az. VI ZR 506/21 – Rz. 28; so auch BGH v. 16.11.2004 – Az. VI ZR 298/03 – Rz. 20; OLG München v. 04.11.2021 – Az.: 18 W 1529/21 – unter Nr. II Ziff. 1 lit. a – vorgelegt als Anlage B7) ausgeführt hat, „ist es Aufgabe des Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege, die Interessen seines Mandanten unabhängig zu vertreten und wahrzunehmen, um dessen Rechte zu wahren und zu verfolgen. Soweit er sich im Interesse eines Mandanten äußert, wird er nicht als Privatperson tätig, sondern in seiner Funktion als Rechtsanwalt und Vertreter seines Mandanten. Regelmäßig macht er sich Äußerungen im Namen und in Vollmacht seines Mandanten nicht als persönliche zu Eigen. Materiell-rechtlich ist in diesen Fällen gegebenenfalls nicht er, sondern sein Mandant als Störer anzusehen. Nur im Ausnahmefall kann die Berücksichtigung der Gesamtumstände eine persönliche Verantwortung des Rechtsanwalts nahelegen.“
17
Dies ist letztlich Ausdruck des für den Rechtsanwalt durch Art. 12 Abs. 1 GG vermittelten Schutz, denn „müsste ein Rechtsanwalt befürchten, regelmäßig persönlich belangt zu werden, wenn er in seiner beruflichen Funktion Informationen seines Mandanten in gehöriger Form weitergibt, würde die ordnungsgemäße Interessenvertretung und damit ein wesentlicher Teil anwaltlicher Berufsausübung unterbunden. Nur im Ausnahmefall kann die Berücksichtigung der Gesamtumstände eine persönliche Verantwortung nahe legen. Wird ein Rechtsanwalt indessen für seinen Mandanten tätig und führt er dazu wörtlich ‚nach Auskunft unserer Mandantschaft‘ aus, geht es nicht um einen Quellennachweis, sondern um die Durchsetzung eben dieser Mandantenposition im Namen des Mandanten. Einem Rechtsanwalt als berufenem Berater und Vertreter muss in allen Rechtsangelegenheiten die unerlässliche Äußerungsfreiheit zukommen, die seine Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege erfordert“ (BVerfG v. 16.07.2003 – Az. 1 BvR 801/03 – Rz. 12).
18
Vor diesem Hintergrund kann ein unmittelbarer Anspruch gegen den anwaltlichen Vertreter nur ausnahmsweise dann anzunehmen sein, wenn dieser „im Vorfeld und unabhängig von einer Vertretung eines bestimmten Mandanten für sich in Anspruch genommen [hat], in der von der Klägerin beanstandeten Art und Weise vorgehen zu dürfen.“ (BGH v. 15.01.2019 – Az.: VI ZR 506/17 – Rz. 29). Der BGH hat das in seinem Urteil vom 15.01.2019 (Az.: VI ZR 506/17 – Rz. 29) namentlich für den Fall bejaht, dass die dortige beklagte Anwaltskanzlei – zugleich auch die hiesige Beklagte zu 1) – „sogar ausdrücklich angeregt [hat], nicht einen konkreten Mandanten, sondern sie selbst zu verklagen. Damit hat sie zum Ausdruck gebracht, für diese Vorgehensweise – bis zur vorliegend erfolgten gerichtlichen Klärung – persönlich die Verantwortung zu übernehmen.“
19
1.2 Vorliegend ist die Beklagte zu 1) – durch den für sie handelnden Rechtsanwalt … – ausdrücklich als anwaltliche Vertreterin für den Beklagten zu 2) und „zur presserechtlichen Interessenvertretung“ für ihren Mandanten tätig geworden. Es handelt sich um ein konkretes Tätigwerden in Reaktion auf eine konkrete Anfrage durch eine Mitarbeiterin der Klägerin, so dass Rechtsanwalt … „nicht als Privatperson tätig [geworden ist], sondern in seiner Funktion als Rechtsanwalt und Vertreter seines Mandanten“, wie der BGH es formuliert hat (a.a.O.). Entsprechend ist sein Handeln auch dem Mandanten gem. §§ 164 ff., 278 BGB zuzurechnen, nicht er selbst als Störer und damit Schuldner eines Unterlassungsanspruchs gem. § 1004 BGB anzusehen.
20
1.3 Vorliegend sind auch nicht die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Inanspruchnahme der anwaltlichen Vertreter als Störer nach den oben dargelegten Grundsätzen gegeben. Anders, als in dem von der Klägerin in Bezug genommenen, bereits zitierten Urteil des BGH v. 15.01.2019 hat die Beklagte zu 1) nämlich hier keine Erklärung abgegeben, für das streitgegenständliche Schreiben vom 06.10.2021 die persönliche Verantwortung zu übernehmen und selbst verklagt werden zu wollen. Sie hat vielmehr ausdrücklich mitgeteilt, sich im Namen und in Vollmacht ihres Mandanten zu bestellen.
21
Auch aus anderen, früheren Bestellungen und Verfahren zwischen der hiesigen Klägerin (bzw. ihren Prozessbevollmächtigten) und der hiesigen Beklagten zu 1) lassen sich keine Umstände entnehmen, aus denen sich eine ausnahmsweise Abweichung von dem Grundsatz, dass regelmäßig eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt in Tätigkeit für ihre Mandantschaft nicht als Störer in Anspruch genommen werden können, ergäbe.
22
Soweit der BGH in seinem Urteil vom 15.01.2019 eine abstrakte Verantwortungsübernahme der dortigen Beklagten bis zur gerichtlichen Klärung angenommen hat, bezog sich diese gerichtliche Klärung gerade auf das dortige Verfahren, d.h. eben diese zitierte Entscheidung, so dass insoweit nicht von einer fortwirkenden Verantwortungsübernahme ausgegangen werden kann.
23
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Klägerin im Anlangenkonvolut K1 vorgelegten Beschluss des OLG München vom 02.07.2021 (Az. 18 U 988/21). Darin hat das OLG München eine Ausnahme von dem Grundsatz der fehlenden Störereigenschaft deshalb bejaht, weil die dortige Beklagte – und hiesige Beklagte zu 1) – weder im Zusammenhang mit früheren Schreiben und Abmahnungen gegenüber der dortigen Klägerin noch in dem laufenden Prozess frühzeitig und eindeutig darauf hingewiesen habe, dass sie die Übernahme der Verantwortung für „Presserechtliche Informationsschreiben“, wie sie Grundlage der Entscheidung des BGH gewesen sei, nicht mehr aufrecht erhalte. Das OLG München hat deshalb die Störerhaftung der Beklagten bejaht, weil es „einen frühzeitigen und eindeutigen Hinweis im hier zu entscheidenden Fall gebraucht [hätte], wenn die Verfügungsbeklagte die streitgegenständlichen Schreiben nicht gegen sich hätte gelten lassen wollen“ (OLG v. 02.07.2021 – Az. 18 U 988/21 – Nr. 1 lit. b Ziff. 2 – Anlagenkonvolut K1). Hier liegt die Situation aber anders: Die Beklagte zu 1) hat sich ausdrücklich und in einem konkreten, bereits laufenden Recherchevorgang der Klägerin an diese gewandt und dabei erklärt, im Namen und in Vollmacht ihres Mandanten – des Beklagten zu 2) – tätig zu werden. Sie hat auch in dem vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren deutlich gemacht, gerade nicht – ggf. neben ihrem Mandanten – in Anspruch genommen werden zu wollen; anders als in dem vor dem LG München I unter dem Az. 9 O 14070/20 geführten Rechtsstreit, in dem ausweislich des von der Klägerin gleichfalls im Anlagenkonvolut K1 vorgelegten Urteils erstinstanzlich die Passivlegitimation gar nicht thematisiert, sondern dann wohl erstmals in dem Berufungsverfahren vor dem OLG München unter dem Az. 18 U 988/21 in Abrede gestellt wurde.
24
Darauf hat auch das OLG München bereits in dem einstweiligen Verfügungsverfahren, welches der jetzigen Hauptsacheklage vorausgegangen ist, in dem Beschluss vom 04.11.2021 (Az. 18 W 1529/21 – Nr. II Ziff. 1 lit. b – vorgelegt als Anlage B7) hingewiesen und in Bezug auf das hier streitgegenständliche Schreiben vom 06.10.2021 ausgeführt: „Anders als in dem vorausgegangenen Berufungsverfahren zwischen den Parteien vor dem Senat mit dem Aktenzeichen 18 U 988/21 Pre durfte die Antragstellerin im vorliegenden Fall auch nicht mehr aufgrund früherer Äußerungen der Antragsgegnerin davon ausgehen, dass diese die persönliche Verantwortung für den Inhalt des Schreibens vom 06.10.2021 übernehmen wollte. Denn in dem genannten Berufungsverfahren hatte sich die Antragsgegnerin – erstmals – ausdrücklich auf ihre fehlende Störereigenschaft berufen. Das verspätete Verteidigungsvorbringen konnte zwar ihre durch frühere Äußerungen begründete Störereigenschaft in Bezug auf den damals streitgegenständlichen Unterlassungsanspruch nicht mehr beseitigen. Für die Zukunft brachte die Antragsgegnerin aber zum Ausdruck, dass sie sich an ihrer früheren Ankündigung, weiterhin in eigener Verantwortung presserechtliche Informationsschreiben zu versenden, nicht mehr festhalten lassen wolle.“ Entgegen der Ansicht der Klägerin handelt es sich bei diesen Erwägungen, keineswegs um eine „rechtliche Fiktion“, die „strikt unzulässig“ sei (Schriftsatz vom 14.03.2021, S. 7), sondern um die Klarstellung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses: In der Regel kann ein Rechtsanwalt nicht selbst als Störer für seinen Mandanten in Anspruch genommen, seine Haftung ist die strikte Ausnahme, die im Einzelfall aus konkreten Umständen resultiert. Und dies ist hier gerade nicht der Fall.
25
Damit sind aber gerade die vom BGH (Urteil v. 15.01.2019 – Az.: VI ZR 506/17) und dem OLG München (Beschluss v. 02.07.2021 – Az. 18 U 988/21) als Ausnahmen benannten Konstellationen mit dem vorliegenden Schreiben vom 06.10.2021 und dem vorliegenden Rechtsstreit nicht vergleichbar. Es muss daher bei dem – sich bereits aus Art. 12 Abs. 1 GG ergebenden – Grundsatz verbleiben, dass der Rechtsanwalt, der für seinen Mandanten auftritt, sich regelmäßig nicht dessen Position zu eigen macht und entsprechend regelmäßig nicht selbst auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann; andernfalls wäre eine effektive Rechtsverteidigung für den Mandanten beeinträchtigt, müsste der Rechtsanwalt stets eine eigene Inanspruchnahme fürchten.
26
1.4 Im vorliegenden Fall ist die Beklagte zu 1) daher nicht passivlegitimiert und der Klägerin steht schon deshalb kein Unterlassungsanspruch gegen sie zu. Dieser wäre im Übrigen allerdings auch deshalb zu verneinen gewesen, weil im vorliegenden Fall in Anbetracht der konkreten Umstände des Einzelfalles das streitgegenständliche Schreiben vom 06.10.2021 die Klägerin in der Abwägung zwischen ihren Interessen einerseits und dem Berufsausübungsinteresse der Beklagten zu 1) andererseits nicht in ihrem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verletzt; insoweit kann entsprechend auf die nachfolgenden Ausführungen (unter 2.2) Bezug genommen werden.
27
1.5 Die Klage gegen die Beklagte zu 1) ist daher als unbegründet abzuweisen.
28
2. Auch gegen den Beklagten zu 2) hat die Klägerin keinen Anspruch auf Unterlassung gem. §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1, 14 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG, weil es sich bei dem Schreiben vom 06.10.2021 um ein zulässiges Schreiben zur Wahrung der rechtlichen Interessen des Beklagten zu 2) auf eine konkrete Anfrage hin handelt, welches die Beklagte zu 2) hinnehmen muss, weil es zwar in ihr Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingreift, aber in Wahrnehmung berechtigter Interessen erfolgt und sie daher in diesem Recht nicht verletzt.
29
2.1 Das Schreiben vom 06.10.2021 stellt einen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin dar, der vom Schutzbereich des § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1, 14 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG umfasst ist. Denn durch den dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gewährten Schutz soll das Unternehmen in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit und in seinem Funktionieren vor widerrechtlichen Eingriffen bewahrt bleiben, wobei bei Presseunternehmen insbesondere auch die durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG grundrechtlich gewährten Rechtspositionen zu berücksichtigen sind; allerdings muss sich die Verletzungshandlung gerade gegen den Betrieb und seine Organisation oder gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit richten und über eine bloße Belästigung oder eine sozial übliche Behinderung hinausgehen (BGH v. 15.01.2019 – Az.: VI ZR 506/17 – Rz. 16 m.w.N.).
30
In diesen Schutzbereich greift die Übermittlung des anwaltlichen Schreibens vom 06.10.2021 unmittelbar ein, weil das Schreiben auf eine Beeinflussung der redaktionellen Tätigkeit der Klägerin als Presseunternehmen abzielt und diese Beeinflussung, indem sie eine Sichtung und Prüfung erfordert, auch einen zusätzlichen Arbeitsaufwand auf Seiten der Klägerin erfordert, der über eine bloße Belästigung hinausgeht (vgl. so schon BGH v. 15.01.2019 – Az.: VI ZR 506/17 – Rz. 17).
31
2.2 Der Eingriff stellt sich indessen nicht als rechtswidrig dar. Denn in Abwägung mit dem durch Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Beklagten zu 2) muss vorliegend das Interesse der Klägerin, keine Schreiben dieser Art zu erhalten, zurücktreten.
32
2.2.1 Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stellt einen offenen Tatbestand dar, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Abwägung mit den im Einzelfall konkret kollidierenden Interessen anderer ergeben, wobei auch die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in den Schutzbereich ist nur dann rechtswidrig, wenn das Interesse der Betroffenen – hier das Interesse der Klägerin, wie es durch die Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1, 14 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG und Art. 5 GG geschützt ist – die schutzwürdigen Belange der anderen Seite – hier namentlich das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beklagten gem. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG – überwiegt (BGH v. 15.01.2019 – Az.: VI ZR 506/17 – Rz. 19 m.w.N.).
33
2.2.2 Vorliegend ist zwar einerseits zu berücksichtigen, dass ein anwaltliches Schreiben, durch welches für den Fall der Veröffentlichung einer bestimmten Berichterstattung zivil- und strafrechtliche Schritte angedroht werden, nicht nur einen Prüfungsaufwand auf Seiten der Klägerin auslöst, sondern geeignet ist, eine beabsichtigte Berichterstattung über den Beklagten zu 2) zu verhindern, zumindest aber zu beeinflussen und zu ändern, indem es eine einschüchternde, jedenfalls aber zur vorsichtig abwägenden Darstellung gemahnende Wirkung auf die Betroffenen auf Seiten der Klägerin ausübt.
34
Andererseits ist zu berücksichtigen, dass das anwaltliche Schreiben als konkrete Stellungnahme auf eine Anfrage von Seiten der Klägerin bei dem Management des Beklagten zu 2) hin ergangen ist. Die Anfrage bezog sich – insoweit unstreitig – auf das zwischen dem Beklagten zu 2) und einer jungen Frau bestehende Verhältnis und hatte eine private Begegnung dieser beiden zum Ausgangspunkt. Damit bezog sich die Anfrage jedenfalls auf die Privatsphäre des Beklagten zu 2) und war daher geeignet, dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht, hier insbesondere in der Ausprägung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, zu berühren. Wenn der Beklagte zu 2) in dieser Situation – durch die Beklagte zu 1) anwaltlich vertreten – versucht, zum Schutze seiner Privatsphäre eine von ihm nicht gewünschte Berichterstattung bereits im Vorfeld zu verhindern, so handelt er insoweit in Wahrnehmung eigener, durchaus berechtigter Interessen. Er ist in dieser Situation auch nicht gehalten, über das bereits Bekannte hinaus weitere Informationen aus seiner Privatsphäre, um deren Schutz es ihm ja gerade geht, preiszugeben, sondern er kann das der Klägerin auf Grund der Anfrage Bekannte zugrunde legen und seine rechtliche Wertung – hier: Unzulässigkeit einer Berichterstattung – mitteilen. Denn andernfalls liefe er Gefahr, dass zusätzliche Informationen den Weg in die Öffentlichkeit finden, etwa weil die Klägerin seine rechtliche Einordnung nach eigener juristischer Prüfung nicht teilt und eine Veröffentlichung vornimmt. Will der Beklagte zu 2) eine Berichterstattung über Aspekte seiner Privatsphäre verhindern und hält er sie aus rechtlichen Gründen für unzulässig, so bleibt ihm daher nur, rechtzeitig vor der Veröffentlichung seine eigene juristische Bewertung zu übermitteln und die Konsequenzen einer rechtswidrigen Berichterstattung in Aussicht zu stellen – nach Veröffentlichung kann er nicht mehr in vergleichbar effektiver Weise seine Privatsphäre schützen.
35
Berücksichtigt man zudem, dass der Klägerin ihrerseits bereits eine Reihe von Tatsachen bekannt waren, welche überhaupt erst die Anfrage bei der Managerin des Beklagten zu 2) ausgelöst haben, und dass ihr auf dieser Grundlage eine rechtliche Prüfung möglich war, auf Grund derer sie entweder sich für eine Veröffentlichung oder für eine anderweitige, tiefergehende Recherche oder für eine Abstandnahme von der Berichterstattung entscheiden konnte, so erscheint die durch das Schreiben ausgelöste Beeinträchtigung als nachrangig gegenüber der Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Beklagten zu 2) im Falle einer Berichterstattung, wenn sie sich – wie von ihm angenommen – als unzulässig herausstellen sollte.
36
Lediglich am Rande sei angemerkt, dass das Androhen zivil- oder strafrechtlicher Schritte für den Fall, dass der Adressat eines anwaltlichen Schreibens den in diesem Schreiben aufgestellten Forderungen nicht nachkommen sollte, wie der gerichtliche Alltag zeigt, keineswegs eine außergewöhnliche Form der Bedrohung darstellt, sondern – in Verbindung mit Fristsetzungen – sogar sehr häufig zu Tage tritt, ohne dass hieraus eine besondere Einschüchterungsabsicht zu schließen wäre; arbeitet doch die Klägerin ausweislich ihrer als Anlage B2 vorgelegten Abmahnung gegenüber der Beklagten zu 1) vom 07.10.2021 selbst mit diesem Mittel, ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen („Sollte die Erklärung nicht oder nicht fristgerecht eingehen, werden wir Ihnen diese rechtswidrige Praxis – ein weiteres Mal – gerichtlich untersagen lassen.“ – Anlage B2, S. 2).
37
In Abwägung dieser Gesichtspunkte stellt sich das Schreiben vom 06.10.2021, welches auf eine konkrete Recherche-Anfrage der Klägerin erfolgte, als ein zulässiges Mittel dar, um die Interessen des Beklagten zu 2) wahrzunehmen, so dass die Klägerin die durch das konkrete Schreiben im konkreten Einzelfall ausgelösten Beeinträchtigungen in ihrem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb hinnehmen muss.
38
2.3 Etwas anderes ergibt sich auch nach den vom BGH und dem OLG München aufgestellten Grundsätzen zu sog. „presserechtlichen Informationsschreiben“ nicht.
39
2.3.1 „Presserechtlichen Informationsschreiben“ zielen auf einen möglichst bereits vor einer Verletzung wirksam werdenden und daher umso effektiveren Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und „dienen – vergleichbar einer Schutzschrift – dazu, dem von einer befürchteten Rechtsverletzung Betroffenen bereits im Vorfeld Gehör zu gewähren und dadurch persönlichkeitsrechtsverletzende Rechtsverstöße von vorneherein zu verhindern oder jedenfalls ihre Weiterverbreitung einzuschränken (BGH v. 15.01.2019 – Az.: VI ZR 506/17 – Rz. 21 m.w.N.; BGH v. 02.05.2017 – Az.: VI ZR 262/16 – Rz. 33).
40
Der BGH hat dazu bereits in der von der Klägerin in Bezug genommenen Entscheidung vom 15.01.2019 (Az. VI ZR 506/17 – Rz. 21) ausgeführt: „Die Übermittlung presserechtlicher Informationsschreiben bereits im Vorfeld einer möglichen Presseberichterstattung kann für den Betroffenen von besonderer Bedeutung sein, da sich aufgrund der Schwierigkeit, die für einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch erforderliche Erstbegehungsgefahr konkret darzutun (vgl. Senat, Urteile vom 15. September 2015 – VI ZR 175/14, BGHZ 206, 347 Rn. 36; vom 30. Juni 2009 – VI ZR 210/08, NJW-RR 2009, 1413 Rn. 30), auch durch eine einstweilige Verfügung in der Regel nur der weiteren Verbreitung einer bereits veröffentlichten persönlichkeitsrechtsverletzenden Berichterstattung entgegen wirken lässt. Je länger die Verbreitung angedauert hat, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der persönlichkeitsrechtsverletzende Inhalt bereits zur Kenntnis genommen und weiterverbreitet worden ist. Dem Interesse des [dortigen – Anm. der Kammer] Beklagten zu 2 am Schutz seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts korrespondiert das von Art. 12 geschützte Interesse der [wiederum: dortigen – Anm. der Kammer] Beklagten zu 1, die Rechtsposition ihres Mandanten in der Weise wahrzunehmen, die sie für richtig hält“. Hinter diesen schutzwürdigen Interessen eines Betroffenen hat daher das Interesse eines Presseunternehmens, presserechtliche Informationsschreiben nicht zu erhalten, in der Regel zurückzutreten, weil die Übersendung durch Aufwand, Sichtung und Zuordnung zwar einen gewissen Aufwand und Kosten verursacht, das Presseunternehmen es darüber hinaus aber selbst in der Hand hat, ob und inwieweit es sich weiter damit befasst. „Abgesehen davon liegt die Übersendung derartiger Informationsschreiben auch im Interesse des Presseunternehmens, da sie es ihm aufgrund des mit einer Befassung mit dem Schreiben zu erwartenden Erkenntnisgewinns ermöglicht, Rechtsverletzungen zu vermeiden. Zwar mag die Übersendung eines Informationsschreibens dazu führen, dass das betroffene Presseunternehmen bei der Berichterstattung besondere Vorsicht walten lässt. Angesichts des Umstands, dass es zur Aufgabe der Presse gehört, beabsichtigte Berichterstattungen daraufhin zu überprüfen, ob sie Persönlichkeitsrechte davon Betroffener verletzen würden, kann hierin aber jedenfalls grundsätzlich nicht der Versuch einer unzulässigen Einflussnahme gesehen werden“ (BGH v. 15.01.2019 – Az.: VI ZR 506/17 – Rz. 22 m.w.N.).
41
Von dieser Regel – grundsätzlich sind „presserechtliche Informationsschreiben“ hinzunehmen und damit zulässig – kommt eine Ausnahme nur dann in Betracht, wenn das übersandte Informationsschreiben von vornherein ungeeignet ist, präventiven Rechtsschutz zu bewirken, namentlich weil es „keine Informationen enthält, die dem Presseunternehmen die Beurteilung erlauben, ob Persönlichkeitsrechte durch eine etwaige Berichterstattung verletzt würden“ (BGH v. 15.01.2019 – Az.: VI ZR 506/17 – Rz. 23).
42
2.3.2 Diese Erwägungen zugrunde gelegt, handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Schreiben vom 06.10.2021 zum einen bereits nicht um ein solches „presserechtliches Informationsschreiben“, und dies natürlich ungeachtet der Frage, ob es als solches bezeichnet ist oder nicht. Denn das Schreiben ist – anders als in den Ausgangsentscheidungen (BGH v. 15.01.2019 – Az.: VI ZR 506/17; OLG München 02.07.2021 – Az. 18 U 988/21 – Anlage K5) – bereits nicht ungefragt und ohne Veranlassung durch die Klägerin präventiv ergangen, um einer für möglich erachteten Berichterstattung vorzubeugen, sondern es stellt sich – wie bereits oben dargelegt – als konkrete Reaktion auf eine konkrete Anfrage durch eine Mitarbeiterin der Klägerin bei dem Management des Beklagten zu 2) dar. Dabei kann auch dahingestellt bleiben, ob die Mitarbeiterin der Klägerin (wie von den Beklagten vorgetragen) angab, Fotos erworben zu haben, und mit deren Veröffentlichung drohte, oder ob die Mitarbeiterin (wie von der Klägerin vorgetragen) „angesichts der kursierenden Fotos lediglich [habe] wissen [wollen], in welchem Verhältnis der Beklagte zu 2) zu seiner Begleiterin steht“ (Schriftsatz vom 12.04.2022, S. 2). Denn in jedem Fall stand das Schreiben vom 06.10.2021 damit in einer bereits von der Klägerin angebahnten Kommunikation.
43
Zum andern standen der Klägerin auch – ausgehend von der eigenen Anfrage – ausreichende Tatsacheninformationen (Beklagter zu 2 und junge Begleiterin in privater Situation und privatem Umfeld) zur Verfügung, um beurteilen zu können, ob eine Berichterstattung im konkreten Fall in Abwägung der widerstreitenden Interessen zulässig sein würde. Der Klägerin war der Inhalt des von ihr initiierten Telefonates bekannt (sie muss sich ja insoweit die Kenntnis ihrer Mitarbeiterin zurechnen lassen) und das Schreiben vom 06.10.2021 nimmt auf dieses Telefonat selbst ausdrücklich Bezug, um dann die eigene rechtliche Würdigung der Beklagten mitzuteilen. Damit standen aber auch der Beklagten die notwendigen Informationen zur Verfügung, um sich mit dieser rechtlichen Würdigung auseinanderzusetzen und sich ihr entweder anzuschließen oder zu einem anderen Ergebnis zu gelangen. Anders als bei den „presserechtlichen Informationsschreiben“, die den von der Klägerin zitierten Ausgangsentscheidungen (BGH v. 15.01.2019 – Az.: VI ZR 506/17; OLG München 02.07.2021 – Az. 18 U 988/21 – Anlage K5) zugrunde lagen, bedurfte es daher vorliegend keiner zusätzlichen Informationen, deren Vorliegen es der Klägerin erst die Beurteilung erlauben würden, ob Persönlichkeitsrechte durch die Berichterstattung verletzt würden.
44
Bei der Mitteilung einer rechtlichen Würdigung handelt es sich jedenfalls dann, wenn wie hier die Tatsachen zur eigenen Beurteilung bekannt sind, auch nicht um das „bloße Aufzwingen einer Rechtsmeinung und das Androhen von Sanktionen bei Nichtbeachtung“, das als solches unzulässig sei, wie die Klägerin meint (Schriftsatz vom 12.04.2022, S. 2). Vielmehr ist die Kommunikation rechtlicher Auffassungen und der Austausch juristischer Wertungen der Kern der juristischen Kommunikation und der – sogar gewünschte – Inhalt einer Vielzahl von Rechtsgesprächen, etwa in der Erörterung der Rechtslage während einer mündlichen Verhandlung. Nur die Kenntnis von abweichenden rechtlichen Beurteilungen anderer ermöglicht es, eine bereits gefasste rechtliche Wertung zu überprüfen und ggf. auch zu ändern. Recht eigentlich handelt es sich dabei um den Kern der juristischen Diskussion als Ausdruck der – von der Klägerin selbst zurecht in Anspruch genommenen – Meinungsfreiheit. Diese Auseinandersetzung mit juristischen Würdigungen anderer mag im konkreten Fall störend sein, aber sie stellt keine Rechtsverletzung dar.
45
2.4 Somit verletzt das Schreiben vom 06.10.2021 die Klägerin unter Abwägung der konkreten Umstände des Einzelfalles nicht in ihrem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als Presseunternehmen, so dass sie auch keinen Anspruch auf Unterlassung gegen den Beklagten zu 2) hat.
46
3. Da die Klägerin somit weder gegen die Beklagte zu 1) noch gegen die Beklagte zu 2) einen Anspruch auf Unterlassung hat, ist die Klage als unbegründet abzuweisen.
47
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit (hinsichtlich der Kosten) beruht auf § 709 ZPO.