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LG München I, Endurteil v. 29.03.2022 – 33 O 1972/21
Titel:

Irreführende Werbung für die Wirkungen eines Anti-Zeckenhalsbandes

Normenkette:
UWG § 3a, § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1
Leitsätze:
1. Die Werbung für ein Tier-Halsband, dass dieses Zeckenbefall vorbeuge, ist irreführend, wenn es keine wissenschaftlichen Nachweise für die Wirksamkeit gibt. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
2. Soweit eine Aufklärung über einen zuvor erzeugten Irrtum erst im Rahmen einer weiteren Internetseite unter der Überschrift "Fragen" erfolgt, beseitigt dies die Irreführung jedenfalls dann nicht, wenn kein Verweis in Form eines Links o.ä. erfolgt. (Rn. 49 – 51) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Irreführung
Fundstellen:
MD 2022, 750
LSK 2022, 18703
GRUR-RS 2022, 18703

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Gesellschaftern zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr
für „Paracord Zeckenschutzhalsbänder EM Keramik“ für Hunde und Katzen zu werben:
1. mit der Angabe und/oder Bezeichnung:
„Zeckenschutz“,
2. mit der Angabe:
„die EM Keramik Pipes an Hund oder Katze erzeugen ein Milieu das Zecken nicht mögen. Somit wirken die effektiven Mikroorganismen also abschreckend auf Zecken und sorgen dafür, dass diese erst gar nicht auf deinem Vierbeiner landen“,
3. mit der Abbildung:
jeweils sofern dies geschieht wie in der Anlage K 3 wiedergegeben:
II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 238,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.03.2021 zu zahlen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
IV. Das Urteil ist in Ziffer I. 1., I. 2. und I. 3. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 10.000 Euro und in Ziffer II. und Ziffer III. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Der Kläger macht gegen die Beklagte lauterkeitsrechtliche Unterlassungsansprüche sowie vorgerichtliche Abmahnkosten geltend.
2
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Achtung darauf gehört, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbes eingehalten werden.
3
Zu den Mitgliedern des Klägers gehören u.a. 21 Anbieter von Tierbedarf, 25 Händler, die Handel mit Waren aller Art betreiben (Mitgliedsnummern: 0… z.B. … GmbH & Co. KG, … und … GmbH, drei Lebensmittel- und Einzelhandelfilialbetriebe oder der … e.V. (Mitgliederliste, Anlage K1, eidesstattliche Versicherung Anlage K2).
4
Zum regelmäßigem Angebot der Versandhandelsunternehmer … GmbH & Co. KG, …, und … GmbH gehört auch Zeckenschutz. Auch drei bekannte Lebensmittel- und Einzelhandelfilialbetriebe (Mitgliedsnummer … haben in ihrem ständigen Sortiment Zeckenschutz.
5
Die Beklagte betreibt die Webseite www…..de, auf der sie Anti-Zeckenhalsbänder namens „Paracord Zeckenschutzband/Zeckenschutzhalsband EM Keramik“ für Hunde und Katzen vertreibt. „EM“ steht für effektive Mikroorganismen.
6
Die Beklagte wirbt im Internet über ihre auf der Homepage www.ganzoo.de verlinkten, dort abrufbaren genannten Unterseiten für von ihr hergestellte und vertriebene Anti-Zeckenhalsbänder namens „Paracord Zeckenhalsband EM Keramik“ für Hunde und Katzen mit den streitgegenständlichen Aussagen bzw. der streitgegenständlichen Abbildung:
1.
„Zeckenschutz“,
2.2.
„die EM Keramik Pipes an Hund oder Katze erzeugen ein Milieu das Zecken nicht mögen. Somit wirken die effektiven Mikroorganismen also abschreckend auf Zecken und sorgen dafür, dass diese erst gar nicht auf deinem Vierbeiner landen“,
sowie mit
3.3.
der Abbildung:
u.a. in folgender Ausgestaltung:
(vgl. Auszug aus Anlage K3):
7
Unter der Überschrift „Fragen?“ wird darauf ausgeführt:
8
Die Beklagte hat noch am 13.01.2021 wie beanstandet geworben.
9
Ein wissenschaftlicher Nachweis über die Wirkung der Keramik-Pipes für die Abwehr von Zecken existiert nicht.
10
Der Kläger mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 19.01.2021 (Anlage K4) ab, was diese mit Schrieben vom 29.01.2021 (Anlage K5) zurückwies.
11
Der Kläger führt aus, es sei nicht klar, welche Mikroorganismen auf Keramik vorkommen sollen. Ebenfalls unklar sei, welche Mikroorganismen derart wirkten, dass sie für die Zecken abschreckend seien. Als zeckenfeindliches Milieu könnten sie nicht wirken und seien sie insoweit nicht vergleichbar mit Keramik Pipes in Aquarien, die dort nur einen natürlichen Filterprozess von Fischkot und Futterresten (Nitrat und Nitrit) verstoffwechselten und einen natürlichen Prozess beschleunigten.
12
Es sei zwar denkbar, dass sich auch auf den beworbenen Halsbändern mit der Zeit Bakterien ansiedelten. Zum Zeitpunkt des Erwerbs seien die Halsbänder jedoch sauber und rein und lieferten irgendwelchen Mikroorganismen keine Nahrung. Und selbst wenn sich nach einiger Zeit mit zunehmender Dauer des Einsatzes das ein oder andere Bakterium in der Keramik ansiedeln sollte, könne es nichts anderes bewirken, als all jene Bakterien, welche auch direkt auf der Haut des Tieres lebten, denn diese wären identisch. Es gebe für sie nichts anderes zum Ernähren als für alle anderen dort ebenfalls vorkommenden Bakterien auch, nämlich Schweiß, Fell- und Hautschuppen. Dementsprechend würden auch die sich in solchen Keramikröhrchen ansiedelnden Mikroorganismen genauso wenig über eine repellierende Wirkung auf Zecken verfügen, wie diejenigen Mikroorganismen, welche auch sonst auf der Tierhaut vorhanden seien.
13
Der Kläger meint, der Unterlassungsanspruch ergebe sich aus §§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, §§ 2, 3 Abs. 1 Ziff. 2 UKlaG wegen eines Verstoßes gegen §§ 3, 3 a UWG, i.V.m. § 3 HWG, 4 Abs. 2 MPG.
14
Er sei zur Geltendmachung der Ansprüche aktivlegitimiert, da seine Mitglieder Mitbewerber der Beklagten seien. Die Klagebefugnis folge aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG (unter Verweis auf u.a. BGH WRP 82, 270 - Barauszahlungsscheck, BGH WRP 82, 411 - Sonnenring, BGH WRP 85, 19 - Mischverband II) sowie aus §§ 2, 3 Abs. 1 Ziff. 2 UKlaG.
15
Die streitgegenständlichen Angaben bzw. die streitgegenständliche Abbildung seien irreführend, denn die darin enthaltenen angegriffenen Aussagen würden seitens der angesprochenen Verbraucher dahingehend verstanden, die beworbenen Halsbänder würden - lege man sie seinen Katzen oder Hunden an - diese vor Zeckenbefall und Zeckenbissen schützen. Insoweit fehle es - was zwischen den Parteien nicht streitig ist - jedoch an wissenschaftlichen Studien, welche die behauptete Wirkung bestätigten.
16
Darüber hinaus entbehre die behauptete Wirkung aber auch an einem nachvollziehbaren Erklärungsversuch und liege weit außerhalb dessen, was nach aktuellem Wissensstand über Mikroorganismen vorstellbar sei.
17
Insoweit kläre die Beklagte die Verbraucher nicht ausreichend, sondern nur versteckt darüber auf, dass sie sich außerhalb des wissenschaftlich Nachweisbaren bewege.
18
Hunde- und Katzenhalter seien Durchschnittsverbraucher und nicht, wie die Beklagte vortrage, „unglaublich aufmerksame Marktteilnehmer“.
19
Der Anspruch auf Erstattung von Aufwendungen sei gem. §§ 12 Abs. 1 Satz 2 UWG a.F. / § 13 Abs. 3 UWG n.F. begründet und errechne sich aus dem Anteil aller Abmahnungen aus den Gesamtkosten des Klägers im Jahr 2019 (283.385,99 Euro / 1300 Abmahnungen = 217, 99 Euro), mithin in Höhe einer Kostenpauschale pro Abmahnung von 200 Euro zuzüglich Umsatzsteuer.
20
Der Kläger beantragt zuletzt:
I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Gesellschaftern, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für „Paracord Zeckenschutzhalsbänder EM Keramik“ Halsbänder für Hunde und Katzen zu werben:
1.1.
mit der Angabe und/oder Bezeichnung:
„Zeckenschutz“,
2.2.
mit der Angabe:
„die EM Keramik Pipes an Hund oder Katze erzeugen ein Milieu das Zecken nicht mögen. Somit wirken die effektiven Mikroorganismen also abschreckend auf Zecken und sorgen dafür, dass diese erst gar nicht auf deinem Vierbeiner landen“,
3.3.
mit der Abbildung:
jeweils sofern dies geschieht wie in der Anlage K 3 wiedergegeben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 238,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen.
21
Die Beklagte beantragt:
Klageabweisung.
22
Die Beklagte bestreitet, dass es sich bei den Mitgliedern des Klägers um Mitbewerber der Beklagten handele. Die Beklagte biete ein spezielles Produkt zur Nutzung bei Tieren an, so dass lediglich entsprechende Unternehmen Mitbewerber seien, die im Bereich Tierfürsorge tätig seien.
23
Die Beklagte ist der Auffassung, der Kläger sei nicht aktivlegitimiert, da seine Mitglieder keine Mitbewerber der Beklagten seien, da sie nicht im Bereich der Tierfürsorge tätig seien.
24
Bei den angegriffenen Aussagen handele es sich nicht um gesundheitsbezogene Wirkungsaussagen, die eines wissenschaftlichen Nachweises bedürften.
25
Die Aussage 1 - Zeckenschutz - verstehe der Verkehr nicht so, dass ein 100 %-iger Schutz vor Zecken als Tatsache dargestellt werde, sondern nur mitgeteilt werde, dass das Zeckenschutzband eine positive Wirkung haben könne. Dies sei bei „Autan“ oder „BrummBrumm“ ebenfalls so, der Verkehr wisse, dass Zeckenschutz evtl. helfe, aber nicht absolut schütze. Dies gelte umso mehr bei Aussagen in Bezug auf Hunde und Katzen.
26
In der Aussage 2 werde ebenfalls nicht von 100 % wirksamem Zeckenschutz gesprochen, sondern davon, dass Produkte abschreckend wirkten.
27
Das Abbild der durchgestrichenen Zecke sei keine absolute Wirkaussage, sondern zeige den Anwendungsbereich und werde vom Verkehr auch nicht so verstanden, dass es sich um 100 % wissenschaftlich nachweisbaren Zeckenschutz handele.
28
Der angesprochene Verkehr seien Hunde- und Katzenhalter, diese hätten die Besonderheit, dass sie unglaublich aufmerksame Marktteilnehmer seien.
29
Die Aussagen des Klägers zur Wirkweise der Pipes seien bloße Spekulationen.
30
Die Beklagte trägt weiter vor, es werde auf der Webseite unter der Überschrift „Fragen und Glaubhaftigkeit“ - in gleicher Größe und in gleicher Aufmachung - darauf hingewiesen und aufgeklärt, dass eine Wirkungsaussage gerade nicht getroffen werde, da jeder selber ausprobieren müsse, ob die entsprechenden Produkte bei dem Hund helfen. Es werde darauf hingewiesen und aufgeklärt, dass es keinen wissenschaftlichen Nachweis gebe.
31
Des Weiteren sei Zeckenbefall keine Krankheit. Es werde keine Medizin gegen die Folgen eines Zeckenbisses beworben, sondern solle dem Befall von Zecken entgegengewirkt werden. Es handele sich bei den Halsbändern weder um ein Medizinprodukt nach § 2 MPG noch um ein Arzneimittel oder sonstigen Gegenstand im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG. Das MPG und das HWG seien nicht anwendbar.
32
Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.
33
Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18.01.2022 (Bl. 36/39 d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

34
Die zulässige Klage ist begründet.
A.
35
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist für den OLG-Bezirk München das Landgericht München I gem. § 2 UKlaG i.V.m. § 6 Abs. 1 und 2 UKlaG örtlich zuständig (§ 6 GZVJu, BayGVBl 2012, 295), weswegen der Beklagtenvertreter an der Rüge der örtlichen Zuständigkeit zu Recht nicht festgehalten hat (Bl. 38 d.A.).
B.
36
Die Klage ist begründet.
37
I. Dem Kläger steht der gegen die Beklagte geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach § 2 Abs. 1, Abs. 2 UKlaG i.V.m. § 5 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1 UWG zu. Die von der Beklagten verwendeten Aussagen und die verwendete Abbildung zum Zeckenschutz der damit beworbenen Halsbänder stellen unlautere, weil irreführende geschäftlichen Handlungen dar.
38
1. Der Kläger ist gem. § 3 Abs. 1 Nr. 2 UKlaG zur Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs aktivlegitimiert.
39
Die Beklagte und Mitglieder des Klägers stehen auf dem Markt für Zeckenschutz für Tiere im Wettbewerb, da eine erhebliche Zahl von Mitgliedern des Klägers ebenso wie die Beklagte Zeckenschutzprodukte an Endverbraucher verkaufen.
40
Anders als die Beklagte meint, ist es daher nicht entscheidend, ob die Mitglieder des Klägers ausschließlich im Bereich Tierfürsorge tätig sind und in diesem Rahmen gleichartige Waren anbieten, oder ob es sich bei den Mitgliedern des Klägers auch um Geschäfte handelt, die ein umfassenderes Warensortiment bedienen als den Tierbedarf allein. Denn ein konkretes Wettbewerbsverhältnis ist bereits dann gegeben, wenn - wie im Streitfall - gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abgesetzt werden (vgl. Goldmann, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Auflage, § 8, Rn. 344).
41
2. § 5 UWG ist eine Verbraucherschutznorm im Sinne des § 2 UKlaG (vgl. Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Auflage, § 2 UKlaG, Rn. 30 a).
42
3. Die streitgegenständlichen Aussagen und die streitgegenständliche Abbildung (Anlage K3) der Beklagten stellen geschäftliche Handlungen im Sinne des § 5 Abs. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar, da sie mit der Förderung des Absatzes der Waren der Beklagten objektiv zusammenhängen.
43
3. Die streitgegenständliche Werbung ist irreführend im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 UWG.
44
Für die Prüfung der streitgegenständlichen Werbung ist diese so in den Blick zu nehmen, wie sie dem angesprochenen Durchschnittsverbraucher gegenübertritt (OLG München GRUR-RR 2021, 500 - Von uns für Sie geprüft!), hier vorgelegt in der Anlage K 3.
45
a. Durch die streitgegenständlichen Aussagen gem. Ziffer 1 und Ziffer 2 ebenso wie durch das Bild Ziffer 3 wird den beworbenen Halsbändern eine konkrete Wirkung zugewiesen, nämlich ein Schutz der Tiere vor Zeckenbefall. Diese Wirkung ist - was zwischen den Parteien unstreitig ist - wissenschaftlich nicht nachweisbar. Insoweit ist die Aussage irreführend.
46
Dass die Beklagte nicht damit wirbt, dass die Produkte eine 100 % Wirksamkeit hätten, ändert an der vorbenannten Irreführung nichts. Denn der Verkehr, zu dem auch die Mitglieder der erkennenden Kammer als normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher und potenzielle Käufer von Zeckenschutzprodukten für Tiere gehören, wird mit der Bezeichnung „Zeckenschutz“ - auch in den entsprechenden Abwandlungen in der Aussage 2 und der Abbildung 3 - annehmen, dass es einen direkten Wirkzusammenhang zwischen dem Tragen der Bänder und dem Schutz vor Zecken gibt und nicht, wie die Beklagte meint, das Band „eventuell“ gegen den Befall von Zecken hilft.
47
b. Die Hinweise der Beklagten auf der Seite mit der Überschrift „Fragen?“ z.B. auf den Umstand, dass „Erfolge nicht wiederholbar“ seien und „ob die EM Pipes … helfen, musst Du selbst ausprobieren“ und diesbezüglichen weiteren Ausführungen auf der Seite (vgl. Anlage K3) beseitigen die Irreführung nicht.
48
Denn fehlt es, wie hier, an jeglichem Nachweis einer Wirksamkeit, entfällt durch die benannten Hinweise schließlich nicht die Behauptung irgendeiner Wirksamkeit (vgl. LG Hildesheim, BeckRS 2010, 937; vgl. auch: Spickhoff, Medizinrecht, 3. Auflage, § 3 HWG, Rn. 7-11).
49
c. Nicht zuletzt kann der Hinweis - auch wenn er ausreichend aufklärend wäre - aufgrund seiner Platzierung auf der Webseite nicht aus der Irreführung der Verbraucher hinausführen.
50
Der Werbende kann eine Irreführung des Verkehrs dadurch verhindern, dass er einen aufklärenden Hinweis gibt, der für den Durchschnittsverbraucher klar und unmissverständlich ist. Auch ist es so, dass ein Durchschnittsverbraucher, der aktiv die Internetseite des Werbenden aufgesucht hat, erfahrungsgemäß auch über die Fähigkeit besitzt, einen elektronischen Verweis zu erkennen und zu bedienen.
51
An einem solchen Verweis in Form eines Links, einer Fußnote oder eines Sternchens fehlt es aber im Streitfall. Der Hinweis der Beklagten findet sich auf einer „Fragen?“-Seite eines umfassenden Webauftritts der Beklagten (vgl. Anlage K3). Das Aufsuchen dieser Seite kann vom Verbraucher, auch dem beim Internet-Einkauf versierten, nicht erwartet werden. Ihm ist nicht abzuverlangen, diverse Seiten des Internetauftritts des anbietenden Unternehmens aufzurufen. Ebenso wenig hat er Veranlassung, wenn er - wie hier - aus seiner Sicht die erforderlichen Angaben erhalten hat, noch weitere Seiten darauf hin zu untersuchen, ob sie für ihn zusätzliche brauchbare Informationen enthalten (Helm/Sonntag/Burger, in: Gloy/Loschelder/Danckwerts, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage, § 59, Rn. 96, 97).
52
d. Im Ergebnis sind die streitgegenständlichen Angaben und die streitgegenständliche Abbildung als irreführend über die Wirksamkeit der Bänder zur Abwehr von Zecken anzusehen, ohne dass insoweit eine ausreichende Aufklärung des Verbrauchers über den fehlenden wissenschaftlichen Nachweis einer Wirksamkeit erfolgt ist.
53
4. Der Verstoß ist wettbewerblich relevant, denn die streitgegenständlichen Aussagen und die beanstandete Abbildung sind geeignet, den potenziellen Kunden zum Kauf der Zeckenschutzbänder zu verleiten.
54
5. Durch die erfolgte Verletzungshandlung ist die für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr gegeben. Eine die Wiederholungsgefahr ausräumende strafbewehrte Unterlassungserklärung hat die Beklagte nicht abgegeben.
55
6. Der Anspruch des Klägers ist nicht verjährt, da am 13.01.2021 eine Bewerbung der streitgegenständlichen Aussagen noch bestand und die Klage mithin rechtzeitig eingereicht und zugestellt worden ist. Ohnehin greift die kurze Verjährungsfrist des § 11 UWG für die Ansprüche nach § 2 UKlaG auch dann nicht, wenn Verstöße gegen verbraucherschützende Vorschriften des UWG geltend gemacht werden, für die bei einer Verfolgung nach § 8 Abs. 1 UWG die kurze Verjährungsfrist des § 11 UWG eingreifen würde (MüKo/Micklitz/Rott, ZPO, 6. Auflage, § 2 UKlaG Rdnr. 73).
56
II. Da der Unterlassungsanspruch schon nach der verbraucherschützenden Norm des § 5 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 1 UWG begründet ist, bedarf die Frage, ob das HWG, dessen Geltungszeit bis zum 27.01.2022 bzw. 25.05.2022 begrenzt war bzw. ist, auf ein Produkt zur Vorbeugung einer Krankheit überhaupt Anwendung findet (ablehnend etwa Spickhoff/Fritzsche, Medizinrecht, 3. Auflage, § 1 HWG Rdnr. 27 und Zipfel/Rathke/Sosnitza, Lebensmittelrecht, Werkstand: 179. EL März 2021, § 1 HWG Rdnr. 40), ebenso wenig der Entscheidung wie die Frage, ob das MPG, das zum 26.05.2021 aufgehoben wurde, auch die Bewerbung eines Produkts erfasst (ablehnend etwa Rehmann/Wagner/Wagner, MPG, 3. Auflage, § 4 Rdnr. 46 und 47). Denn die verschiedenen Unlauterkeitstatbestände, aus denen der Kläger vorliegend die Unzulässigkeit der Verwendung der Werbeaussagen der Beklagten ableitet, betreffen nur unterschiedliche rechtliche Gesichtspunkte bei der Beurteilung eines einheitlichen Streitgegenstands.
57
III. Der Klägerin kann von der Beklagten die Erstattung von Abmahnkosten in Höhe der geforderten Pauschale, die der Höhe nach von der Beklagten zu Recht nicht beanstandet wird, aus §§ 5 UKlaG, 13 Abs. 3 UWG verlangen, denn die Abmahnung des Klägers vom 19.01.2021 (Anlage K4) war nach dem oben Gesagten berechtigt und begründet.
58
Der zuerkannte Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen ist gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 286, 288 Abs. 1 BGB begründet.
C.
59
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 S. 1 und 2 ZPO.