Titel:
Wettbewerbswidrige Aufforderung zur Angabe eines Kontos in Deutschland
Normenketten:
UWG § 3a, § 8 Abs. 1
VO (EU) 260/2012 Art. 9 Abs. 2
Leitsätze:
1. Die Aufforderung eines Unternehmens an einen Kunden, für ein Lastschriftverfahren eine Kontoverbindung in Deutschland anzugeben, stellt einen Verstoß gegen Art.9 Abs. 2 VO (EU) 260/2012 dar. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Zuwiderhandlung gegen Art.9 Abs. 2 VO (EU) 260/2012 muss nicht gezielt oder planmäßig erfolgt sein, um Unterlassungsansprüche auszulösen. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3. Beruht ein Wettbewerbsverstoß auf einem Missverständnis eines Mitarbeiters in einem Einzelfall, entfällt hierdurch weder Spürbarkeit des Verstoßes noch die Wiederholungsgefahr. (Rn. 32 – 38) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
SEPA-Diskriminierung
Fundstellen:
WRP 2022, 919
LSK 2022, 13070
GRUR-RS 2022, 13070
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung
fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an dem Geschäftsführer,
im geschäftlichen Verkehr im Rahmen der Durchführung von Energielieferungsverträgen die Möglichkeit der Zahlung per Lastschrift von Konten im SEPA-Raum einzuschränken, indem die Zahlungsmöglichkeit per Lastschrift auf den Einzug von deutschen Bankkonten beschränkt wird.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 374,50 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit 21.01.2022 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 25.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Der Kläger macht Ansprüche wegen Wettbewerbsverstoß geltend.
2
Der Kläger ist eingetragener qualifizierter Wirtschaftsverband nach § 8b UWG.
3
Die Beklagte ist ein deutscher Engergielieferant, der u.a unter der Marke „“ Endkunden mit Strom, Ökostrom und Erdgas versorgt.
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Mit E-Mail vom 10.08.2021 bat Herr , ein Kunde der Beklagten, die Beklagte darum, sein Lastschriftmandat auf eine spanische IBAN umzustellen. Insoweit wird auf die Darstellung wie Bl.15 d.A. verwiesen.
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Am 19.08.2022 übersandte die Beklagte Herrn einen schriftlichen Vordruck für ein SEPA-Lastschriftmandat, welches dieser vollständig ausfüllte, unterschrieb und an die Beklagte sowohl per E-Mail als auch schriftlich zurückschickte. Für die Einzelheiten wird auf Anlage B1 verwiesen.
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Mit Schreiben vom 28.08.2021 teilte die Beklagte Herrn mit, dass sie von ihm eine Kontoverbindung benötige, die in Deutschland, sei. Für die Einzelheiten wird auf die Anlage K4 verwiesen.
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Am 30.08.2021 meldete Herrden Vorfall beim Kläger. Für die Einzelheiten wird auf Anlage B2 verwiesen.
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Mit Schreiben vom 13.09.2021 teilte die Beklagte Herrn mit, dass sie zukünftig Einziehungen vom spanischen Konto vornehmen werde. Für die Einzelheiten wird auf die Anlage B3 verwiesen.
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Mit Schreiben vom 14.09.2021 mahnte der Kläger die Beklagte ab. Er forderte die Abgabe einer Unterlassungserklärung und die Begleichung einer Abmahnpauschale in Höhe von 374,50 € brutto. Für die Einzelheiten wird auf die Anlage K5 verwiesen.
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Mit Schreiben vom 27.09.2021 lehnte die Beklagte dies ab. Sie verwies darauf, dass das Schreiben vom 28.08.2021 auf einem Missverständnis der internen Sachbearbeiterin beruhe und sie die Forderung wunschgemäß am 16.09.2021 eingezogen habe. Für die Einzelheiten wird auf die Anlage K6 verwiesen.
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Mit Schriftsatz vom 06.12.2021, der Beklagten am 20.01.2022 zugestellt, hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben, mit welcher er sein Anliegen weiterverfolgt. Die Forderung nach einem deutschen Konto im Schreiben vom 28.08.2021 stelle einen Verstoß gegen Art.9 Abs. 2 der SEPA-Verordnung dar. Deswegen könne er Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 374,50 € verlangen. Bei dem Betrag handele es sich um eine Kostenpauschale, die deutlich unter den tatsächlich anfallenden Kosten liege. Für die Einzelheiten des klägerischen Vortrags insoweit wird auf Bl.5ff d.A. verwiesen.
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Auf gerichtlichen Hinweis hat der Kläger seinen Unterlassungsantrag in der Verhandlung vom 05.04.2022 konkretisiert.
die Beklagte zu verurteilen,
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bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an dem Geschäftsführer, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr im Rahmen der Durchführung von Energielieferungsverträgen die Möglichkeit der Zahlung per Lastschrift von Konten im SEPA-Raum einzuschränken, indem die Zahlungsmöglichkeit per Lastschrift auf den Einzug von deutschen Bankkonten beschränkt wird,
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an den Kläger 374,50 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit 21.01.2022 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
Die Klage wird abgewiesen.
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Es liege kein Verstoß vor. Die Mitteilung vom 28.08.2021 beruhe auf einem beachtlichen Tatsachenirrtum. Zu dem Schreiben sei es gekommen, weil die interne Sachbearbeiterin die in der E-Mail angegebene IBAN im System eingegeben habe und dann eine Fehlermeldung bekommen habe, eine BIC einzugeben. Deswegen habe sie dem Kunden am 19.08.2021 den Vordruck geschickt. Beim Übertragen der im ausgefüllten Vordruck angegebenen Daten habe dann eine andere Sachbearbeiterin versehentlich die angegebene BIC nicht eingetragen. Deswegen habe die Lastschrift nicht erfolgreich durchgeführt werden können. Da sie sie sich parallel nicht sicher gewesen sei, ob sie die ausländische Kontoverbindung einfach so übernehmen dürfe, habe sie das Schreiben vom 28.08.2021 mit der manuell eingefügten Aufforderung zur Angabe eines deutschen Kontos verschickt. Insoweit sei bewiesen, dass im Schreiben nicht der allgemeine Wille zum Ausdruck gebracht werde, man akzeptiere nur deutsche Bankverbindungen. Jedenfalls liege kein spürbarer Verstoß nach § 3a UWG vor und bestehe keine Wiederholungsgefahr. Zuletzt sei der Antrag nicht an der konkreten Verletzungsform ausgerichtet und deshalb (auch nach Präzisierung) zu weitgehend.
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Der Kläger bestreitet das tatsächliche Vorbringen der Beklagten, hält es aber auch nicht für relevant. Er macht geltend, dass ein bewusster und gezielter Verstoß nicht erforderlich sei.
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Darüber hinaus behauptet er, eine Mitarbeiterin der Beklagten habe im Rahmen eines Telefonats am 30.08.2021 zudem nochmals bestätigt, dass eine deutsche Bankverbindung erforderlich sei.
Entscheidungsgründe
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Der Klage war stattzugeben. Sie ist zulässig und begründet.
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A) Die Klage ist zulässig. Insbesondere sind die Anträge ausreichend bestimmt im Sinne von § 253 ZPO. Dass der Antrag zu 1. nicht auf den konkreten Verletzungsvorfall Bezug nimmt, ist unschädlich. Der Antrag bringt das Charakteristische der gerügten Verletzung (die Vorgabe einer deutschen Bankverbindung bei Durchführung der Energielieferungsverträge der Beklagten) hinreichend zum Ausdruck. Unsicherheit, welches Verhalten von ihr erwartet wird, kann bei der Beklagten nicht bestehen.
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B) Die Klage ist auch begründet. Der Kläger kann wie beantragt Unterlassung und Zahlung verlangen.
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I. Der Unterlassungsanspruch ergibt sich aus §§ 8 Abs. 1 S.1, Abs. 3 Nr.2, 3 Abs. 1, 3a UWG i.V.m. Art.9 Abs. 2 der VO (EU) 260/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.03.2012 zur Festlegung der technischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungen für Überweisungen und Lastschriften in Euro und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr.924/2009 (sog. SEPA-Verordnung) . Der Kläger ist diesbezüglich anspruchsberechtigt nach § 8 Abs. 3 Nr.2 UWG.
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Nach § 8 Abs. 1 S.1 UWG kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt. Zudem muss Wiederholungsgefahr bestehen. Beides ist vorliegend zu bejahen.
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1. Die Beklagte hat eine nach § 3 unzulässige geschäftliche Handlung vorgenommen.
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Nach § 3 i.V.m. § 3a UWG liegt eine unzulässige geschäftliche Handlung vor, wenn jemand einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.
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1.1. Die Beklagte hat hier Art.9 Abs. 2 SEPA-Verordnung zuwidergehandelt.
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Nach Art.9 Abs. 2 SEPA-Verordnung darf ein Zahlungsempfänger, der Inhaber eines Zahlungskontos innerhalb der Europäischen Union ist und eine Überweisung annimmt oder eine Lastschrift verwendet, um Geldbeträge von einem Zahler einzuziehen, nämlich nicht vorgeben, in welchem Mitgliedstaat dieses Zahlungskonto zu führen ist, sofern das Zahlungskonto gemäß Artikel 3 der SEPA-Verordnung erreichbar ist.
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Die Aufforderung der Beklagten in ihrem Schreiben vom 28.08.2021 an ihren Kunden, eine Kontoverbindung in Deutschland anzugeben, stellt danach einen Verstoß gegen Art.9 Abs. 2 SEPA-Verordnung dar. Der musste die Aufforderung so verstehen, dass ihm vorgegeben wird, für das Lastschriftverfahren ein deutsches Konto zu verwenden. Dass die Beklagte dem zuvor auf seine E-Mail einen Vordruck zugesandt hatte, nimmt dem Schreiben vom 28.08.2021 diesen Erklärungsgehalt nicht.
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Eine Zuwiderhandlung muss zudem auch nicht gezielt oder planmäßig erfolgt sein, um Unterlassungsansprüche auszulösen (vgl. OLG Stuttgart WRP 2018, 1252; MüKoUWG/Schaffert, § 3a Rn. 101).
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1.2. Art.9 Abs. 2 SEPA-Verordnung ist nach der Rechtsprechung des BGH zudem eine Vorschrift, die zumindest auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, also eine Marktverhaltensregel im Sinne des § 3a UWG (vgl. BGH, GRUR 2020, 654).
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1.3. Der Verstoß der Beklagten ist auch geeignet, die Interessen von Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen.
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Ist nach dem Zweck der Marktverhaltensregelung die Spürbarkeit konkret festzustellen, ist eine spürbare Beeinträchtigung der Interessen der Verbraucher bzw. von Verbrauchergruppen grundsätzlich zu bejahen, wenn der Verstoß geeignet ist, den durchschnittlichen Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Für den durchschnittlichen Verbraucher ist die Frage, welche Kontoverbindung er für die Vertragsdurchführung benutzen kann bzw. der Umstand, dass er eine bestimmte Kontoverbindung nicht benutzen, zweifellos von wesentlicher Bedeutung und in der Lage, auf seine geschäftlichen Entscheidungen bezüglich des Vertrags Einfluss zu nehmen.
32
Die Spürbarkeit entfällt hier auch nicht aufgrund der Umstände des Einzelfalls. Denn es kommt für die Spürbarkeit (auch insoweit) nicht auf die Verhältnisse im Unternehmen des Verletzers an, sondern auf die Auswirkung seines Verhaltens auf konkrete Marktteilnehmer (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 40. Aufl. 2022, UWG § 3a Rn. 1.105). Verschulden oder Verschuldensgrad sind ebenso unerheblich wie die Frage, ob es sich um ein Versehen oder eine Ausreißer gehandelt hat.
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Die Beklagte kann sich hier deshalb nicht erfolgreich darauf berufen, dass Schreiben vom 28.08.2021 und ihr damit im Zusammenhang stehendes Verhalten beruhten auf Missverständnissen ihrer (verschiedenen) Mitarbeiter. Wie die Mitarbeiter der Beklagten zu der Auffassung gelangt sind, dass sie vom Kunden (vorsorglich) eine deutsche Kontoverbindung verlangen, spielt keine Rolle.
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2. Es besteht auch Wiederholungsgefahr.
35
Die Wiederholungsgefahr wird durch den Verstoß indiziert. Sie entfällt im Regelfall nur dadurch, dass der Verletzer gegenüber dem anspruchsberechtigten Gläubiger eine bedingungslose, unwiderrufliche und durch eine Vertragsstrafe angemessen strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung (sog. Unterwerfungserklärung) abgibt (vgl. HarteBavendamm/ Henning-Bodewig/Goldmann, 5. Aufl. 2021, UWG § 8 Rn. 87). Das einfache, nicht durch eine Vertragsstrafe bei Zuwiderhandlung bewehrte Versprechen künftiger Unterlassung genügt dagegen nicht, um die Wiederholungsgefahr entfallen zu lassen. Das gilt auch für ein am Geschäftsverkehr teilnehmendes Unternehmen der öffentlichen Hand oder sonstige Schuldner, deren Seriosität und Vertrauenswürdigkeit an sich keinen Zweifel an der Redlichkeit und Ernsthaftigkeit ihrer Absichten aufkommen lassen sollte (vgl. HarteBavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann, 5. Aufl. 2021, UWG § 8 Rn. 112)
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Die Beklagte hat hier die Abgabe einer Unterwerfungserklärung verweigert.
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Die Wiederholungsgefahr ist auch nicht ausnahmsweise aus anderen Gründen entfallen. Ein Prozessvergleich, rechtskräftiger Titel oder Ähnliches liegt hier nicht vor. Auch § 13a Abs. 2 UWG ist nicht einschlägig.
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Dass die Beklagte in ihrem Antwortschreiben auf die Abmahnung darauf hingewiesen hat, dass ein Missverständnis vorgelegen habe, genügt ebenfalls nicht. Auf Erklärungen, wie es zum Wettbewerbsverstoß gekommen ist, muss keine Rücksicht genommen werden. Es ist am Verletzer, seine lautere Absicht durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung glaubhaft zu machen.
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II. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung von 374,50 € ergibt sich aus § 13 Abs. 3 UWG.
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Der Abmahnende kann im Falle einer berechtigten Abmahnung die erforderlichen Aufwendungen ersetzt verlangen. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
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Die Abmahnung des Klägers war berechtigt. Es ist unter Berücksichtigung von § 287 ZPO auf Basis des klägerischen Vortrags von erforderlichen Aufwendungen in Höhe von 374,50 € auszugehen.
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C) Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit (wegen der Kosten) aus § 709 S.2 ZPO.