Titel:
Werbung für ein homöopatisches Mittel zur Bekämpfung von Mittelohrbeschwerden
Normenkette:
HWG § 3, § 3a
Leitsatz:
Die Angabe „Erste Hilfe bei … Ohrenschmerzen“ für ein homöopatisches Präparat wird von den angesprochenen Verkehrskreisen so verstanden, dass das Mittel bei jeder Art von Ohrenschmerzen wirkt, und das auch schnell. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Rechtsbruch
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 03.12.2020 – 17 HK O 13927/19
Fundstellen:
MD 2022, 559
GRUR-RS 2022, 13040
LSK 2022, 13040
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 03.12.2020, Az. 17 HK O 13927/19 abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zur Euro 250.000, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für das Mittel „O.®“ wie folgt zu werben:
1. „Ohrenschmerzen natürlich weglöffeln“
2. „Erste Hilfe bei Mittelohrentzündung“,
3. „Erste Hilfe bei … Ohrenschmerzen“,
4. „lindert schnell die Schmerzen“,
5. „O. hilft bereits seit Generationen“,
6. „67% weniger Antibiotika“,
7. „die Heilpflanzen in O. …“
7.1 „… wirken entzündungshemmend“,
7.2 „… wirken …schmerzlindernd“
7.3 „…stärken die natürlichen Selbstheilungskräfte“
8. „Eine Studie bei Mittelohrentzündung zeigt: bei sofortiger Gabe von O. konnte der Antibiotika-Verbrauch um 67% gesenkt werden“,
9. „Wir sind auch mit dem Mittel total zufrieden.
Unsere HNO-Ärztin meinte, der Zustand meines Sohnes (5 J.) wäre an der Grenze Antibiotika zu nehmen. Trotzdem hatte sie erstmal O. verschrieben.
Nach nur 5 Gaben empfand mein Sohn keine Schmerzen mehr. In 2 Tagen kamen wir wieder zur Kontrolle - die Entzündung war fast weg. Insgesamt hatten wir O. 7 Tage genommen - die letzten 2 nur noch 3x am Tag.
Also, sehr empfehlenswert!“
10. „Ich bin begeistert von O.
Ich hatte am Sonntagabend plötzlich Schmerzen im rechten Ohr. Zuvor hatte ich eine starke Erkältung gehabt. Ich nahm noch am selben Abend O. ein. Nach der zweiten Einnahme ging mein Ohr auf und Flüssigkeit lief aus dem Ohr. Der Schmerz war weg und ich konnte einigermaßen schlafen. Auch meine Tochter nimmt für ihr Kind immer O. Man kann nur der alternativen Medizin danken.“
11. „Vom Kinderarzt kennen wir das Medikament.
Ein Antibiotikum war nicht nötig. Unsere kleine geht seit ein paar Wochen in den Kindergarten und bis jetzt ging der Schnupfen zügig weg. Am Freitag fing es an, am Wochenende bekam sie 4x ihre Tropfen. Nach 3 Tagen ist der Schnupfen fast weg. Wir sind begeistert - es wirkt wirklich sehr gut“,
12. „Vom Kinderarzt empfohlen Meine Tochter Selina ist 4 Jahre alt und klagte ganz arg über Ohrenschmerzen. Ich habe mich daraufhin beim Kinderarzt erkundigt, was man geben kann. Mir wurde O. empfohlen. Kannte ich vorher noch nicht, aber ich muss sagen: wir waren total begeistert. Nach nur 2 Tagen stellte sich eine deutliche Besserung dar. Wirklich sehr zu empfehlen.“,
13. „Bei Ohrenschmerzen und Mittelohrentzündung nichts anderes! Hallo! Ich hatte als Kind und Jugendliche bedingt durch meinen Schwimmsport regelmäßig Mandel und Mittelohr Entzündungen! Ich musste Gott sei Dank so gut wie nie Antibiotika nehmen da mir unsere HNO Ärztin damals schon O. verschrieben hat.
Heute bin ich selber Mama von 2 Kindern (8 und 4 Jahre alt) und habe durch die guten Erfahrungen mit O. meine Kinder bei Beschwerden immer zu Hause schnell behandeln können! Ich selbst nehme auch heute noch bei Ohrenschmerzen nichts anderes!“,
14. „Super Hilfe bei chronischer Mittelohrentzündung
Einfach klasse, das Zeug, hatte ein jahr lang chronische Mittelohrentzündung, das Zeug hilft super jetzt ist es weg“,
15. „Mehrmals vor Antibiotikum bewahrt
O. in Kombination mit Zwiebelsäckchen hat unsere 3-jährige Tochter bei einer Mittelohrentzündung bereits mehrmals vor einem Antibiotikum bewahrt. Ich bin froh, dass unser HNO-Arzt uns den Tip gab. Vielen Dank.“,
16. „Ohrenschmerzen einfach weg!
Ich bin 62 Jahre alt und habe reißende Ohrenschmerzen bekommen. Bestimmt durch Zugluft. Aber egal. Jedenfalls habe ich von der Apothekerin dieses Mittel verkauft bekommen mit dem Hinweis, dass das wirklich hilft. Es war zwar teuer, aber wenn es hilft. Zu Hause angekommen, wollte ich ins Ohr tropfen und lese mir aber zum Glück vorher den Beipackzettel durch. Häää? Zum Einnehmen? Habe ich noch nie gehört. Gut. Ich habe alle halbe Std. 15 Tropfen genommen und dann 10 Min. das Ohr mit einer Rotlichtlampe bestrahlt. Heute früh sind die Ohrenschmerzen weg. Einfach weg! Ich konnte es nicht glauben. Ein sehr wirksames Mittel, welches ich auch Erwachsenen sehr empfehlen möchte.“,
17. „O. immer in der Reiseapotheke.
Haben 3 Kinder, heute 16, 13 und 9. Alle 3 Kinder haben bis heute noch kein Antibiotikum bekommen. Dank O. konnten wir bei beginnenden und akuten Ohrenschmerzen innerhalb kürzester Zeit immer eine vollständige Heilung erreichen. Zum ersten Mal empfohlen wurde mir als Erwachsener O. vor 18 Jahren beim HNO Arzt, seit dem immer in der Reiseapotheke.“,
18. „Rasche Besserung mit O.
Mein Sohn klagte über so starke Ohrenschmerzen, dass ich ihn aus der Schule abholen musste. Kurzfristig war aber kein Termin beim HNO zu bekommen und wir wurden auf den nächsten Tag vertröstet. In der Apotheke O. empfohlen bekommen - eigentlich sollte es nur die Zeit bis zur Nachmittagssprechstunde des Kinderarztes überbrücken - aber nach nur vier Gaben kroch mein Sohn aus seinem Bett und wollte dann auch nicht mehr zum Kinderarzt. Die Ohrenärztin war am nächsten Tag total baff, dass er so entspannt und schmerzfrei war bei dem Befund! Die Mittelohrentzündung heilte dann super ab, ganz ohne Antibiotika oder andere Mittel“,
20. „O. ist einfach unschlagbar
Unsere Tochter geht selbst ein leichter Schnupfen sofort auf die Ohren. Jahrelang bekam sie dann letztlich immer ein Antibiotikum. Dann endlich riet uns ein HNO-Arzt, es mit O. zu versuchen. Beim leichtesten Schnupfen früh verabreicht, ist O. einfach unschlagbar - Antibiotikum ade. Wir sind begeistert und froh, dieses Mittel zu kennen.“,
21. „O. gleich beim Schnupfen Ich habe eine 10-jährige Wasserratte, der O. bei Mittelohrentzündungen schon viele Jahre geholfen hat. Sie bekommt es immer gleich, wenn ein Schnupfen da ist. Superprodukt.“,
22. „Unser jüngster ist vier und leidet mit den Ohren und hatte schon mal Paukenerguss. Uns hat O. dabei gut geholfen. Hat aber zeitlang gedauert. Jetzt fangen wir gleich beim Schnupfen damit an, damit es erst gar nicht so weit kommt und das funktioniert seit einem Jahr ganz gut.“,
jeweils wenn dies geschieht wie aus Anlage K1 ersichtlich.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Euro 178,50 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 06.11.2019 zu bezahlen.
III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV. Die Kosten des Rechtsstreits 1. Instanz trägt die Beklagte.
III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Das vorliegende Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung hinsichtlich des Unterlassungsgebots des landgerichtlichen Urteils in der obigen Fassung durch Sicherheitsleistung in Höhe von Euro 2.500,- je Ziffer des Urteilstenors abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im übrigen kann die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über wettbewerbsrechtliche Ansprüche.
2
Der Kläger ist ein Wettbewerbsverein im Sinne von § 8 Abs. 3 Nummer 2 UWG. Die Beklagte wirbt im Internet auf der Seite otovowen.de für das Arzneimittel O.Tropfen mit folgenden, sich aus dem Screenshot vom 25.04.2019 (Anlage K1) ergebenden Angaben (die jeweils vom Kläger angegriffenen Angaben wurden von der Klagepartei mit Ziffern gekennzeichnet, lediglich „7.“ befindet sich an der falschen Stelle):
3
Bei O.-Tropfen handelt es sich um ein zugelassenes homöopathisches Arzneimittel. Die Fachinformation gemäß § 11a AMG zu O. lautet wie folgt (B 1):
4
Bei O.-Tropfen handelt es sich um ein zugelassenes homöopathisches Arzneimittel. Die Fachinformation gemäß § 11a AMG zu O. lautet wie folgt (B 1):
5
Der Kläger hat vorgetragen,
dass die Wirksamkeit homöopathischer Arzneimittel wissenschaftlich nicht bewiesen sei, sie seien grundsätzlich pharmakologisch wirkungslos. Bei Homöopathie handle es sich um einen Irrweg der Pharmazie.
6
Bei zugelassenen homöopathischen Arzneimitteln dürfe zwar mit dem Anwendungsgebiet geworben werden, es gelte aber trotzdem das allgemeine Irreführungsverbot. Diesen Mitteln dürfe keine Wirkung beigelegt werden, die sie tatsächlich nicht hätten.
7
Zusätzlich gelte § 3a Satz 2 HWG, die angegriffene Werbung beziehe sich aber auf Anwendungsgebiete, die nicht von der Zulassung des Mittels umfasst seien. Mittelohrentzündungen würden in der Regel ohne Behandlung wieder verschwinden, es seien allenfalls schmerzlindernde Mittel erforderlich, in seltenen Fällen Antibiotika. Die in der Regel eintretende Selbstheilung schreibe die Beklagte sich als Erfolg ihres Mittels zu. Sämtliche angegriffenen Werbeangaben seien nicht von der Indikation des Mittels erfasst. Wirksamkeitsbelege lägen nicht vor.
8
Die angegriffene Werbung betreffe Anwendungsgebiete außerhalb der Zulassung, die Beklagte stelle durch die angegriffenen Werbeangaben sachlich falsche Behauptungen auf. Der Beklagten sei zwar die wortwörtliche oder sinngemäße Wiedergabe der zugelassenen Indikation in der Werbung zuzugestehen, dies aber nur in engen Grenzen, weil § 5 HWG streng auszulegen sei. Die mit der Klage angegriffenen Werbeangaben seien allesamt nicht von der zugelassenen Indikation des streitgegenständlichen Mittels erfasst. Während der Zulassungsbescheid lediglich eine Werbung mit der Besserung der Beschwerden bei Mittelohrentzündung und Schnupfen erlaube, werbe die Beklagte mit einer Wirksamkeit dahingehend, dass die Gabe des Mittels bei Mittelohrentzündung und Schnupfen eine sofortige und vollständige Genesung bewirke und den AntibiotikaEinsatz drastisch verringern könne. Ferner werde eine Wirksamkeit bei Ohrenschmerzen ganz allgemein behauptet, ganz gleich ob diese auf eine Mittelohrentzündung, eine Entzündung des Außenohrs oder des Innenohrs oder ganz andere Ursachen zurückgehe. Zudem bewerbe die Beklagte das Mittel auch noch mit der Auslobung, dass es allgemein schmerzlindernd wirke bzw. die enthaltenen Heilpflanzen allgemein entzündungshemmend und schmerzlindernd wirkten und die natürlichen Selbstheilungskräfte stärkten. Über die formale Unzulässigkeit hinaus seien die Angaben auch inhaltlich unzutreffend, da die Beklagte sie nicht mit geeigneten wissenschaftlichen Nachweisen untermauern könne. Die weiteren Werbeangaben in Gestalt von tatsächlichen oder angeblichen Bewertungen von Anwendern des beworbenen Mittels seien aus den genannten Gründen ebenfalls offenkundig unzulässig und verstießen darüber hinaus gegen § 11 Abs. 1 Nummer 11 HWG, da die mit diesen Werbeangaben geschilderten Dankes- oder Anerkennungsschreiben von Dritten zur Irreführung des angesprochenen medizinischen Laien geeignet seien.
9
Die Beklagte hat vorgetragen,
homöopathische Arzneimittel seien durch das Gesetz geschützt. Allein der Umstand, dass es sich um ein homöopathisches Arzneimittel handle, rechtfertige Unterlassungsansprüche des Klägers nicht. Mit der erfolgten Zulassung des Mittels sei die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Mittels geprüft. § 5 HWG sei nicht anwendbar, da es sich nicht um ein registriertes, sondern um ein zugelassenes Arzneimittel handle. Sämtliche seitens des Klägers angegriffenen Aussagen seien von der Zulassung gedeckt. Soweit mit der Klage Aussagen Dritter angegriffen würden, stünden dem Kläger Unterlassungsansprüche nicht zu, weil die Beklagte zu ihrer Wiedergabe berechtigt sei gemäß § 11 Abs. 1 Nummer 11 HWG.
10
Mit Urteil vom 03.12.2020, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, hat das Landgericht München I die Beklagte verurteilt,
I. es bei Meidung der näher bezeichneten Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für das Mittel „O.®“ zu werben:
1. „Ohrenschmerzen natürlich weg löffeln“,
2. „die Heilpflanzen von O. … stärken die natürlichen Selbstheilungskräfte“ jeweils wenn dies geschieht wie aus Anlage K1 ersichtlich (dort Seiten 1 bzw. 7).
II. an den Kläger Euro 178,50 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 06.11.2019 zu bezahlen.
11
Die weitergehenden Anträge (vgl. Ziffern I. 2. bis I. 6., I.7.1, I.7.2, I.8 bis I.22., gemäß LGU, S. 4/8) hat das Erstgericht als unbegründet abgewiesen.
12
Der Kläger hat gegen dieses ihm am 07.12.2020 zugestellte Urteil mit Schriftsatz vom 29.12.2020 (Bl. 111 d. A.), bei Gericht am 30.12.2020 eingegangen, Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Fristverlängerung (Verfügung vom 01.02.2021, Bl. 117 d. A.) mit am selben Tag bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 08.03.2021 (Bl. 118 d. A.) begründet.
13
Er verfolgt seine erstinstanzlich abgewiesen Klageansprüche überwiegend weiter, wiederholt zur Begründung der Berufung sein Vorbringen aus dem ersten Rechtszug und vertieft es wie folgt:
14
Der in der angegriffenen Werbung verwendete Begriff „Erste Hilfe“ und „lindert schnell die Schmerzen“ (Klageanträge Ziffern 2 bis 4) impliziere nicht nur, dass bei Misserfolg andere Mittel zum Einsatz kämen, sondern er drücke als feststehende Redewendung auch und besonders aus, dass eine besonders schnelle Hilfe in akuten Notsituationen geleistet werde. In der typischen Arzneimittelterminologie bezeichne man eine solche besonders schnell einsetzende Wirksamkeit mit akut. Auch wenn bei Homöopathika immer mit einer Erstverschlechterung gerechnet werden müsse, werde offenkundig, dass diese Auslobung deutlich über die zugelassene Indikation hinausgehe.
15
Die Aussage „Erste Hilfe bei Ohrenschmerzen“ (Klageantrag Ziffer 3) gehe noch deutlicher als die Angabe „Erste Hilfe bei Mittelohrentzündung“ (Klageantrag Ziffer 2) über die zugelassene Indikation hinaus, weil sie eine Wirksamkeit bei Ohrenschmerzen im allgemeinen und nicht nur bei Mittelohrentzündungen beanspruche. Die Angabe werde von den angesprochenen Verkehrskreisen so verstanden, dass das Mittel bei jeder Art von Ohrenschmerzen wirksam sei, und das auch schnell.
16
Die Angabe „O. hilft bereits seit Generationen“ (Klageantrag Ziffer 5) impliziere, dass das Mittel zuverlässig und regelmäßig wirksam sei. Nach der gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnislage zu Homöopathika verhalte es sich jedoch nicht so, dass über einen Placeboeffekt hinausgehende Wirksamkeit gegeben sei.
17
Mit „die Heilpflanzen in O. …“; „…wirken entzündungshemmend“; „…wirken …schmerzlindernd“ (Klageanträge Ziffern 7, 7.1 und 7.2) beschränke sich die Beklagte nicht auf die zugelassene Indikation Mittelohrentzündung und Schnupfen.
18
Soweit die Beklagte in ihrer Werbung Äußerungen Dritter wiedergebe (Klageanträge Ziffern 9 bis 22), mache sie sich diese zu eigen und erkläre, dass diese Aussagen im Hinblick auf die Wirkung des streitgegenständlichen Produkts richtig seien. Die Aussage „Wir sind auch mit dem Mittel total zufrieden. Unsere HNO-Ärztin meinte, der Zustand meines Sohnes (5 J.) wäre an der Grenze Antibiotika zu nehmen. Trotzdem hatte sie erstmal O. verschrieben. Nach nur 5 Gaben empfand mein Sohn keine Schmerzen mehr. In 2 Tagen kamen wir wieder zur Kontrolle - die Entzündung war fast weg. Insgesamt hatten wir O. 7 Tage genommen - die letzten 2 nur noch 3 am Tag. Also, sehr empfehlenswert!“ (Klageantrag Ziffer 9) verstünden die Verkehrskreise so, dass selbst in Fällen schwerer Mittelohrentzündungen, die aus ärztlicher Sicht ausnahmsweise eine antibiotische Behandlung angezeigt erscheinen ließen, bei Einnahme des Mittels, dieses schnell und durchschlagend wirksam sei und eine vollständige Heilung binnen einer Woche bewirken könne. Eine derart übertriebene Wirksamkeitsauslobung sei irreführend und auch missbräuchlich im Sinne von § 11 Abs. 1 Nummer 11 HWG.
19
Die Angabe „Ich bin begeistert von O.“ Ich hatte am Sonntagabend plötzlich Schmerzen im rechten Ohr. Zuvor hatte ich eine starke Erkältung gehabt. Ich nahm noch am selben Abend O. ein. Nach der zweiten Einnahme ging mein Ohr auf und Flüssigkeit lief aus dem Ohr. Der Schmerz war weg und ich konnte einigermaßen schlafen. Auch meine Tochter nimmt für ihr Kind immer O. Man kann nur der alternativen Medizin danken“ (Klageantrag Ziffer 10) beanspruche eine Wirkung jenseits der zugelassenen Indikation und sei irreführend.
20
Die Angabe gemäß Klageantrag Ziffer 11 „Vom Kinderarzt kennen wir das Medikament. Ein Antibiotikum war nicht nötig. Unsere kleine geht seit ein paar Wochen in den kindergarten und bis jetzt ging der Schnupfen zügig weg. Am Freitag fing es an, am Wochenende bekam sie 4x ihre Tropfen. Nach 3 Tagen ist der Schnupfen fast weg. Wir sind begeistert - es wirkt wirklich sehr gut“ (Klageantrag Ziffer 11) suggeriere Verbrauchern, dass das streitgegenständliche Mittel vor einer medikamentösen Therapie bewahre, die ohnehin nicht nötig sei. Die Angaben gemäß Klageanträge 12, 13, 16 und 17 beanspruchten eine Wirksamkeit auch bei Ohrenschmerzen anderer Ursache als die Mittelohrentzündung. Mit dieser Angabe reklamiere die Beklagte eine Wirksamkeit des streitgegenständlichen Mittels für alle Arten von Ohrenschmerzen und überschreite damit den Sinngehalt der zugelassenen Indikation.
21
Mit „Bei Ohrenschmerzen und Mittelohrentzündung nichts anderes! Hallo! Ich hatte als Kind und Jugendliche bedingt durch meinen Schwimmsport regelmäßig Mandel und Mittelohr Entzündungen! Ich musste Gott sei Dank so gut wie nie Antibiotika nehmen da mir unsere HNO Ärztin damals schon O. verschrieben hat. Heute bin ich selber Mama von 2 Kindern (8 und 4 Jahre alt) und habe durch die guten Erfahrungen mit O. meine Kinder bei Beschwerden immer zu Hause schnell behandeln können! Ich selbst nehme auch heute noch bei Ohrenschmerzen nichts anderes!“ (Klageantrag Ziffer 13) nehme die Beklagte ebenfalls auf Ohrenschmerzen aller Art und nicht nur auf durch Mittelohrentzündungen verursachte Ohrenschmerzen Bezug. Außerdem werde dem Mittel eine Wirksamkeit bei Mandelentzündungen beigelegt, die über den zugelassenen Anwendungsbereich hinausgehe.
22
„Super Hilfe bei chronischer Mittelohrentzündung Einfach klasse, das Zeug, hatte ein jahr lang chronische Mittelohrentzündung, das Zeug hilft super jetzt ist es weg“ (Klageantrag Ziffer 14) beanspruche eine durchschlagende Wirksamkeit auch bei besonders hartnäckigen, chronischen Formen von Mittelohrentzündungen und gehe damit über das zugelassene Anwendungsgebiet hinaus. Zugleich verleite sie die angesprochenen Verkehrskreise zu einer gefährlichen Selbstmedikation, denn bei einer chronischen Mittelohrentzündung liege bereits ein erheblicher Defekt des Trommelfells vor, der nicht spontan heile. Verbraucher durch eine derart euphorische Erfolgsbehauptung dazu anzuhalten, eine von vornherein zum Scheitern verurteilte Therapie mit Homöopathika zu versuchen, anstatt sich in kompetente ärztliche Behandlung zu begeben, sei besonders bedenklich.
23
Auch mit „Ohrenschmerzen einfach weg! Ich bin 62 Jahre alt und habe reißende Ohrenschmerzen bekommen. Bestimmt durch Zugluft. Aber egal. Jedenfalls habe ich von der Apothekerin dieses Mittel verkauft bekommen mit dem Hinweis, dass das wirklich hilft. Es war zwar teuer, aber wenn es hilft. Zu Hause angekommen, wollte ich ins Ohr tropfen und lese mir aber zum Glück vorher den Beipackzettel durch. Häää? Zum Einnehmen? Habe ich noch nie gehört. Gut. Ich habe alle halbe Std. 15 Tropfen genommen und dann 10 Min. das Ohr mit einer Rotlichtlampe bestrahlt. Heute früh sind die Ohrenschmerzen weg. Einfach weg! Ich konnte es nicht glauben. Ein sehr wirksames Mittel, welches ich auch Erwachsenen sehr empfehlen möchte“ (Klageantrag Ziffer 16) lobe die Beklagte eine besonders schnelle und durchschlagende Wirksamkeit des Mittels aus, die nicht belegt sei und die zugelassene Indikation überschreite.
24
Ein absolutes Wirkversprechen („innerhalb kürzester Zeit immer eine vollständige Heilung erreichen“) wie Gegenstand von Klageantrag Ziffer 17 sei kaum denkbar, diese Angabe verstoße gegen § 3 Satz 2 Nummer 2a HWG.
25
Auch die Angabe gemäß Klageantrag Ziffer 18 („Rasche Besserung mit O. Mein Sohn klagte über so starke Ohrenschmerzen, dass ich ihn aus der Schule abholen musste. Kurzfristig war aber kein Termin beim HNO zu bekommen und wir wurden auf den nächsten Tag vertröstet. In der Apotheke O. empfohlen bekommen - eigentlich sollte es nur die Zeit bis zur Nachmittagssprechstunde des Kinderarztes überbrücken - aber nach nur vier Gaben kroch mein Sohn aus seinem Bett und wollte dann auch nicht mehr zum Kinderarzt. Die Ohrenärztin war am nächsten Tag total baff, dass er so entspannt und schmerzfrei war bei dem Befund! Die Mittelohrentzündung heilte dann super ab, ganz ohne Antibiotika oder andere Mittel“,) suggeriere eine nahezu sofortige und vollständige Heilung durch das streitgegenständliche Mittel. Die Beklagte lasse diese Schilderung unkommentiert in ihre Werbung einfließen und suggeriere, dass derartige Heilungserfolge allgemein zu erwarten seien.
26
Mit den Angaben gemäß Klageanträgen Ziffer 20 („O. ist einfach unschlagbar Unsere Tochter geht selbst ein leichter Schnupfen sofort auf die Ohren. Jahrelang bekam sie dann letztlich immer ein Antibiotikum. Dann endlich riet uns ein HNO-Arzt, es mit O. zu versuchen. Beim leichtesten Schnupfen früh verabreicht, ist O. einfach unschlagbar - Antibiotikum ade. Wir sind begeistert und froh, dieses Mittel zu kennen.“, Ziffer 21 („O. gleich beim Schnupfen Ich habe eine 10-jährige Wasserratte, der O. bei Mittelohrentzündungen schon viele Jahre geholfen hat. Sie bekommt es immer gleich, wenn ein Schnupfen da ist. Superprodukt.“) und Ziffer 22 („Unser jüngster ist vier und leidet mit den Ohren und hatte schon mal Paukenerguss. Uns hat O. dabei gut geholfen. Hat aber Zeit lang gedauert. Jetzt fangen wir gleich beim Schnupfen damit an, damit es erst gar nicht so weit kommt und das funktioniert seit einem Jahr ganz gut.“) suggeriere die Beklagte, dass das Mittel auch für eine zuverlässige vorbeugende Behandlung gegen Mittelohrentzündungen geeignet und wirksam sei. Damit liege sie wieder außerhalb des zugelassenen Anwendungsbereichs. Zudem stelle sie eine Wirksamkeitsbehauptung auf, die nicht belegt sei.
die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zur Euro 250.000, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für das Mittel „O.®“ zu werben:
2. „Erste Hilfe bei Mittelohrentzündung“,
3. „Erste Hilfe bei … Ohrenschmerzen“,
4. „lindert schnell die Schmerzen“,
5. „O. hilft bereits seit Generationen“,
6. „67% weniger Antibiotika“,
7. „die Heilpflanzen in O. …“
7.1 „… wirken entzündungshemmend“,
7.2 „… wirken …schmerzlindernd“
8. „Eine Studie bei Mittelohrentzündung zeigt: bei sofortiger Gabe von O. konnte der Antibiotika-Verbrauch um 67% gesenkt werden“,
9. „Wir sind auch mit dem Mittel total zufrieden.
Unsere HNO-Ärztin meinte, der Zustand meines Sohnes (5 J.) wäre an der Grenze Antibiotika zu nehmen. Trotzdem hatte sie erstmal O. verschrieben. Nach nur 5 Gaben empfand mein Sohn keine Schmerzen mehr. In 2 Tagen kamen wir wieder zur Kontrolle - die Entzündung war fast weg. Insgesamt hatten wir O. 7 Tage genommen - die letzten 2 nur noch 3x am Tag.
Also, sehr empfehlenswert!“
10. „Ich bin begeistert von O.
Ich hatte am Sonntagabend plötzlich Schmerzen im rechten Ohr. Zuvor hatte ich eine starke Erkältung gehabt. Ich nahm noch am selben Abend O. ein. Nach der zweiten Einnahme ging mein Ohr auf und Flüssigkeit lief aus dem Ohr. Der Schmerz war weg und ich konnte einigermaßen schlafen. Auch meine Tochter nimmt für ihr Kind immer O. Man kann nur der alternativen Medizin danken.“
11. „Vom Kinderarzt kennen wir das Medikament.
Ein Antibiotikum war nicht nötig. Unsere kleine geht seit ein paar Wochen in den kindergarten und bis jetzt ging der Schnupfen zügig weg. Am Freitag fing es an, am Wochenende bekam sie 4x ihre Tropfen. Nach 3 Tagen ist der Schnupfen fast weg. Wir sind begeistert - es wirkt wirklich sehr gut“,
12. „Vom Kinderarzt empfohlen
Meine Tochter S.elina ist 4 Jahre alt und klagte ganz arg über Ohrenschmerzen. Ich habe mich daraufhin beim Kinderarzt erkundigt, was man geben kann. Mir wurde O. empfohlen. Kannte ich vorher noch nicht, aber ich muss sagen: wir waren total begeistert. Nach nur 2 Tagen stellte sich eine deutliche Besserung dar. Wirklich sehr zu empfehlen“,
13. „Bei Ohrenschmerzen und Mittelohrentzündung nichts anderes!
Hallo! Ich hatte als Kind und Jugendliche bedingt durch meinen Schwimmsport regelmäßig Mandel und Mittelohr Entzündungen! Ich musste Gott sei Dank so gut wie nie Antibiotika nehmen da mir unsere HNO Ärztin damals schon O. verschrieben hat.
Heute bin ich selber Mama von 2 Kindern (8 und 4 Jahre alt) und habe durch die guten Erfahrungen mit O. meine Kinder bei Beschwerden immer zu Hause schnell behandeln können! Ich selbst nehme auch heute noch bei Ohrenschmerzen nichts anderes!“,
14. „Super Hilfe bei chronischer Mittelohrentzündung Einfach klasse, das Zeug, hatte ein jahr lang chronische Mittelohrentzündung, das Zeug hilft super jetzt ist es weg“,
15. „Mehrmals vor Antibiotikum bewahrt
O. in Kombination mit Zwiebelsäckchen hat unsere 3-jährige Tochter bei einer Mittelohrentzündung bereits mehrmals vor einem Antibiotikum bewahrt. Ich bin froh, dass unser HNO-Arzt uns den Tip gab. Vielen Dank.“,
16. „Ohrenschmerzen einfach weg! Ich bin 62 Jahre alt und habe reißende Ohrenschmerzen bekommen. Bestimmt durch Zugluft. Aber egal. Jedenfalls habe ich von der Apothekerin dieses Mittel verkauft bekommen mit dem Hinweis, dass das wirklich hilft. Es war zwar teuer, aber wenn es hilft. Zu Hause angekommen, wollte ich ins Ohr tropfen und lese mir aber zum Glück vorher den Beipackzettel durch.
Häää? Zum Einnehmen? Habe ich noch nie gehört. Gut. Ich habe alle halbe Std. 15 Tropfen genommen und dann 10 Min. das Ohr mit einer Rotlichtlampe bestrahlt. Heute früh sind die Ohrenschmerzen weg. Einfach weg! Ich konnte es nicht glauben. Ein sehr wirksames Mittel, welches ich auch Erwachsenen sehr empfehlen möchte.“,
17. „O. immer in der Reiseapotheke.
Haben 3 Kinder, heute 16, 13 und 9. Alle 3 Kinder haben bis heute noch kein Antibiotikum bekommen. Dank O. konnten wir bei beginnenden und akuten Ohrenschmerzen innerhalb kürzester Zeit immer eine vollständige Heilung erreichen. Zum ersten Mal empfohlen wurde mir als Erwachsener O. vor 18 Jahren beim HNO Arzt, seit dem immer in der Reiseapotheke.“,
18. „Rasche Besserung mit O.
Mein Sohn klagte über so starke Ohrenschmerzen, dass ich ihn aus der Schule abholen musste. Kurzfristig war aber kein Termin beim HNO zu bekommen und wir wurden auf den nächsten Tag vertröstet. In der Apotheke O. empfohlen bekommen - eigentlich sollte es nur die Zeit bis zur Nachmittagssprechstunde des Kinderarztes überbrücken - aber nach nur vier Gaben kroch mein Sohn aus seinem Bett und wollte dann auch nicht mehr zum Kinderarzt. Die Ohrenärztin war am nächsten Tag total baff, dass er so entspannt und schmerzfrei war bei dem Befund! Die Mittelohrentzündung heilte dann super ab, ganz ohne Antibiotika oder andere Mittel“,
20. „O. ist einfach unschlagbar Unsere Tochter geht selbst ein leichter Schnupfen sofort auf die Ohren. Jahrelang bekam sie dann letztlich immer ein Antibiotikum. Dann endlich riet uns ein HNOArzt, es mit O. zu versuchen. Beim leichtesten Schnupfen früh verabreicht, ist O. einfach unschlagbar - Antibiotikum ade. Wir sind begeistert und froh, dieses Mittel zu kennen.“,
21. „O. gleich beim Schnupfen Ich habe eine 10-jährige Wasserratte, der O. bei Mittelohrentzündungen schon viele Jahre geholfen hat. Sie bekommt es immer gleich, wenn ein Schnupfen da ist. Superprodukt.“,
22. „Unser jüngster ist vier und leidet mit den Ohren und hatte schon mal Paukenerguss.
Uns hat O. dabei gut geholfen. Hat aber zeitlang gedauert. Jetzt fangen wir gleich beim Schnupfen damit an, damit es erst gar nicht so weit kommt und das funktioniert seit einem Jahr ganz gut.“
Jeweils wenn dies geschieht wie aus Anlage K1 ersichtlich.
28
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
29
Die Beklagte verteidigt das Ersturteil und macht geltend, der Kläger trage nun erstmals und verspätet zum Verkehrsverständnis von den von ihm angegriffenen Werbeaussagen vor. Er verkenne in Bezug auf Klageanträge Ziffern 2 bis 4, dass das streitgegenständliche Mittel nach der Fachinformation eine sogenannte Akutdosierung aufweise. Dies rechtfertige eine Auslobung als „Erste Hilfe“.
30
Es treffe zu, dass das streitgegenständliche Mittel seit Generationen helfe (Klageantrag Ziffer 5). Auch sei es richtig, dass bei Einnahme des Mittels 67% weniger Antibiotika benötigt würden (Klageanträge Ziffern 6, 8). Auch die Angaben zur entzündungshemmenden und schmerzlindernden Wirkung des Mittels (Klageanträge Ziffern 7., 7.1, 7.2) seien zutreffend, dies ergebe sich aus der amtlich genehmigten Fachinformation.
31
Soweit sich die Klage gegen die Werbung mit Aussagen Dritter wende, seien diese so getätigt worden. Die Angaben seien auch nicht irreführend und nicht abstoßend oder missbräuchlich.
32
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25.02.2022 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
33
Die nach § 511 Abs. 1, Abs. 2 Nummer 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere gemäß § 519 Abs. 1, Abs. 2, § 517 ZPO form- und fristgerecht eingelegte und gemäß § 520 Abs. 2, Abs. 3 ZPO begründete Berufung des Klägers hat Erfolg.
34
Dem Kläger stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche aus § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2, § 3, § 3a UWG zu. Die hier zu bejahenden Verstöße gegen die Werberegelungen des HWG sind unlauter im Sinne des § 3a UWG, weil sie geeignet sind, die Interessen der Verbraucher und Mitbewerber spürbar zu beeinträchtigen (BGH GRUR 2019, 1071 Rn. 57 - Brötchen-Gutschein; BGH GRUR 2009, 1082 Rn. 22 - DeguSmiles & more; BGH GRUR 2009, 984 Rn. 34 - Festbetragsfestsetzung; BGH GRUR 2011, 843 Rn. 16 - Vorrichtung zur Schädlingsbekämpfung; BGH GRUR 2012, 647 Rn. 42 - INJECTIO). Das von der streitgegenständlichen Werbung angesprochene Laienpublikum wird durch sie unsachlich beeinflusst, was zumindest eine mittelbare Gesundheitsgefährdung bewirkt (BGH GRUR 2004, 799, 800 - Lebertrankapseln; BGH GRUR 2007, 809 Rn. 19 - Krankenhauswerbung). Bei den verletzten Werberegelungen des HWG handelt es sich um Marktverhaltensregelungen i.S.d. § 3a UWG, da sie den Schutz der menschlichen Gesundheit und damit den Verbraucherschutz bezwecken (BGH GRUR 2015, 1244 Tz. 13 - Äquipotenzangabe in Fachinformation).
35
Die für die Beurteilung von Werbeaussagen stets erforderliche Feststellung der Verkehrsauffassung stützt sich auf Erfahrungswissen, nicht auf Tatsachen (BGH GRUR 2004, 244 - Marktführerschaft). Vor diesem Hintergrund dringt die Beklagte mit ihrem Einwand nicht durch, der Kläger habe verspätet, weil erstmals in der Berufungsinstanz zum Verkehrsverständnis der angegriffenen Werbeaussagen vorgetragen. Die angegriffene Werbung auf der Internetseite otovowen.de richtet sich an den allgemeinen Verkehr. Die Mitglieder des erkennenden Senats können das Verkehrsverständnis beurteilen, weil sie selbst zu den angesprochenen Verkehrskreisen zählen. Vorliegend ist auf das Verständnis eines durchschnittlich informierten, für Gesundheitsfragen angemessen aufmerksamen und verständigen Verbrauchers abzustellen. Bei Werbeaussagen über Heilmittel wie hier streitgegenständlich, ist zu beachten, dass Verbraucher als medizinische Laien nicht die notwendige Sachkenntnis haben, diese Aussagen zutreffend zu beurteilen, und bei Erkrankungen häufig geneigt sind, Werbeaussagen blind zu vertrauen (vgl. Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 40. Auflage, § 3a UWG Rn. 1.218).
36
Das streitgegenständliche Mittel ist unstreitig zugelassen und nicht nach § 38, § 39 AMG registriert oder nach § 39 Abs. 3 AMG von der Registrierung freigestellt. Mit der Zulassung gilt § 5 HWG nicht mehr, wonach für homöopathische Arzneimittel, die nach dem Arzneimittelgesetz registriert oder von der Registrierung freigestellt sind, mit der Angabe von Anwendungsgebieten nicht geworben werden darf. Vielmehr ist etwa die Werbung mit Anwendungsgebieten zulässig, sofern sie nicht irreführend erfolgt (OLG Hamburg PharmR 2002, 287).
37
Allerdings sind überall dort, wo die Gesundheit in der Werbung ins Spiel gebracht wird, besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Aussagen zu stellen. Dies gilt insbesondere für Publikumswerbung, wie mit der Klage angegriffen und rechtfertigt sich hier in erster Linie daraus, dass die eigene Gesundheit in der Wertschätzung des Verbrauchers einen hohen Stellenwert hat und sich deshalb an die Gesundheit anknüpfende Werbemaßnahmen erfahrungsgemäß als besonders wirksam erweisen, ferner daraus, dass mit irreführenden gesundheitsbezogenen Werbeangaben erhebliche Gefahren für das hohe Schutzgut der Gesundheit des Einzelnen sowie der Bevölkerung verbunden sein können (BGH GRUR 2021, 513 Rn. 17 - Sinupret; BGH GRUR 2013, 649 Rn. 15 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil; BGH GRUR 2002, 182, 185 - Das Beste jeden Morgen; BGH 1980, 797, 799 - Topfit). Werbeangaben auf dem Gebiet des Gesundheitswesens sind daher mit Blick auf das Irreführungsverbot nur zuzulassen, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen (BGH GRUR 1971, 153, 155 - Tampax; BGH GRUR 2013, 649 Rn. 16 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil).
38
Zwar trägt grundsätzlich die Klagepartei die Darlegungs- und Beweislast für die tatbestandlichen Voraussetzung irreführender Werbung. Es greifen aber Darlegungsund Beweiserleichterungen, wenn es um die Aufklärung von Tatsachen geht, die in den Verantwortungsbereich der beklagten Partei fallen. Bei Werbeangaben auf dem Gebiet des Gesundheitswesens muss der Werbende darlegen können, dass er über wissenschaftliche Erkenntnisse verfügt, die die Werbeaussage belegen. Nicht ausreichend ist es, dass er sich erst im Prozess - wie hier etwa in der Berufungserwiderung (dort S. 4, Bl. 144 d. A.) - auf ein Sachverständigengutachten beruft, aus dem sich die behauptete Wirkungsweise ergeben soll (Bornkamm/Feddersen in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Auflage, Rz. 1.248 zu § 5).
39
Ein Verstoß gegen das Verbot gemäß § 3 Satz 2 Nr. 2a HWG, fälschlich den Eindruck zu erwecken, dass ein Erfolg mit Sicherheit erwartet werden kann, setzt nicht voraus, dass ausdrücklich ein sicherer Erfolg versprochen wird. Es genügt vielmehr, dass die fraglichen Werbeaussagen einen solchen Eindruck hervorrufen (vgl. Artz in: Bülow/Ring/Artz/Brixius, HWG, 5. Auflage, Rz. 65 zu § 3). Auch ist nicht erforderlich, dass ein absoluter Heilungserfolg für alle denkbaren Krankheitsbilder versprochen wird. Ausreichend ist vielmehr, wenn damit geworben wird, dass im Regelfall ein sicherer Erfolg erwartet werden kann, da § 3 Satz 2 Nr. 2a HWG andernfalls keinen Anwendungsbereich hätte. Denn bestimmte (schwere) Erscheinungsformen eines Krankheitsbildes können die Anwendung von Spezialpräparaten erfordern, wie beispielsweise hier die Gabe von Antibiotika bei Mittelohrentzündung. Schutzbedürftig sind die jeweils angesprochenen Verkehrskreise bereits dann, wenn ihnen fälschlich ein sicherer Erfolg im Regelfall des entsprechenden Krankheitsbildes versprochen wird.
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Sofern die Beklagte geltend macht, der Kläger trage in der Berufungsinstanz erstmals und damit verspätet zum Verkehrsverständnis zu den angegriffenen Werbeaussagen vor (Berufungserwiderung, S. 3, Bl. 142 d.A.) und weiter einwendet, die Ausführungen des Klägers zum Inhalt und Verständnis der einzelnen Äußerungen der Verbraucher in 2. Instanz erfolgten verspätet (Berufungserwiderung, S. 6, Bl. 145 d.A.), dringt sie nicht durch. Denn der Kläger hat schon in der 1. Instanz (Klageschrift, S. 23) ausgeführt, dass die angegriffene Werbung Anwendungsgebiete außerhalb der Zulassung betreffe (Klageschrift, S. 23; Replik, S. 3, Bl. 43) und weiter, dass die Beklagte durch die angegriffenen Werbeangaben sachlich falsche Behauptungen aufstelle (Replik, S. 1, Bl. 41 d.A.). Auch hat der Kläger bereits in der 1. Instanz die Behauptung einer sofortigen und vollständigen Genesung durch das angegriffene Mittel sowie einer allgemeinen Wirksamkeit bei Ohrenschmerzen und die Auslobung einer schmerzlindernden Wirkung als inhaltlich unzutreffend (Replik, S. 4, Bl. 44 d.A.) beanstandet. Diese Angriffe vertieft der Beklagte in der Berufungsinstanz, sein Vorbringen ist daher nicht als verspätet gemäß § 531 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
41
A. Mit seinen Klageanträgen Ziffern 2 bis 4 wendet sich der Kläger gegen die Angaben „Erste Hilfe bei Mittelohrentzündung“, „Erste Hilfe bei … Ohrenschmerzen“ und „lindert schnell die Schmerzen“ in:
42
Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass das streitgegenständliche Mittel nach der Fachinformation eine sogenannte Akutdosierung aufweist. So heißt es dort unter 4.2 zu „Dosierung und Art der Anwendung“:
(Auszug aus Anlage B1). „Akut“ meint aber hier das Gegenstück zu „chronisch“, wie sich aus dem Zusammenhang erschließt und bezieht sich nicht auf eine schnelle Wirkung.
43
Mit dem Begriff „Erste Hilfe“ und „lindert schnell die Schmerzen“ geht die Beklagte zudem darüber hinaus, denn dies drückt als feststehende Redewendung aus, dass eine besonders schnelle Hilfe in akuten Notsituationen geleistet wird, was nicht durch Studien belegt ist. Die Angabe ist daher irreführend gemäß § 3 HWG.
44
Auch ist zu bedenken, dass aus folgender Ziffer 4.8 der Fachinformationen
hervorgeht, dass sich bei der Einnahme von O. die vorhandenen Beschwerden vorübergehend verschlimmern können. Insofern kann nicht in jedem Fall - wie durch die angegriffenen Aussagen suggeriert - mit einer schnellen Hilfe gerechnet werden kann.
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Außerdem sind die Anwendungsgebiete des streitgegenständlichen Mittels laut Fachinformation auf Beschwerden bei Mittelohrentzündung und Schnupfen beschränkt. Umfasst sind nicht auch Ohrenschmerzen. Die Angaben „Erste Hilfe bei … Ohrenschmerzen“ wird von den angesprochenen Verkehrskreisen aber so verstanden, dass das Mittel bei jeder Art von Ohrenschmerzen wirkt, und das auch schnell. Dies ändert sich auch nicht dadurch, dass der betreffende Satz lautet „O. ist die Erste Hilfe bei Mittelohrentzündungen und Ohrenschmerzen“. Denn schließlich stellt die Beklagte Ohrenschmerzen neben Mittelohrentzündungen und misst dem Mittel damit bei Ohrenschmerzen generell die gleiche Wirkung bei. Es liegt daher auch ein Verstoß gegen § 3a Satz 2 HWG vor, wonach es unzulässig ist, sich in der Werbung auf Anwendungsgebiete oder Darreichungsformen zu beziehen, die nicht von der Zulassung erfasst sind.
46
B. Klageanträge Ziffern 5, 6 und 8 richten sich gegen die Angabe „O. hilft bereits seit Generationen“ (Ziffer 5), „67% weniger Antibiotika“ (Ziffer 6) sowie „Eine Studie bei Mittelohrentzündungen zeigt: bei sofortiger Gabe von O. konnte der Antibiotika-Verbrauch um 67% gesenkt werden“ (Ziffer 8) wie folgt:
47
I. Die Angabe „O. hilft bereits seit Generationen“ (Ziffer 5) impliziert, dass das Mittel zuverlässig und regelmäßig wirksam ist im Sinne einer naturgesetzlichen Zwangsläufigkeit, einer Kausalität. Damit verstößt die Beklagte gegen das Verbot gemäß § 3 Satz 2 Nr. 2a HWG, fälschlich den Eindruck zu erwecken, dass ein Erfolg mit Sicherheit erwartet werden kann. Schließlich geht aus der Fachinformation (dort Ziffer 5) selbst hervor, dass 14% der Kinder auch unter Behandlung mit O. Antibiotika benötigten.
48
II. Die Angaben „67% weniger Antibiotika“ (Ziffer 6) und „Eine Studie bei Mittelohrentzündung zeigt: bei sofortiger Gabe von O. konnte der AntibiotikaVerbrauch um 67% gesenkt werden“ (Ziffer 8) sind irreführend gemäß § 3 Satz 1 HWG.
49
Die Beklagte beruft sich zwar nur mit der Angabe gemäß Klageantrag Ziffer 8 ausdrücklich auf eine Studie. Aber auch die Angabe gemäß Klageantrag Ziffer 6 versteht der angesprochene Verkehr wegen der präzisen Prozentangabe so, dass diese das Ergebnis einer Studie ist. Dieses Verständnis hat offensichtlich auch die Beklagte, nachdem sie sich auf in Ziffer 5 der Fachinformation genannte Studien bezieht (dazu sogleich).
50
Dass eine Studie eine um 67% reduzierte Notwendigkeit der Antibiotikumgabe ergeben hätten, hat die Beklagte aber nicht dargetan, was ihr aber nach den oben dargestellten, hier geltenden Grundsätzen zur Darlegungs- und Beweislast oblegen hätte. Die Beklagte beruft sich insoweit lediglich auf die Fachinformation, in der es unter Ziffer 5 heißt:
51
Sie bezieht sich dabei insbesondere auf die Angaben zu „Klinische Studien“ und macht geltend, die in der Werbung angegebenen 67% seien die Differenz zwischen den 81% der Kinder, die unter konventioneller Therapie ein Antibiotikum benötigt hätten und nur 14% der Kinder die mit O. behandelt worden seien, sie zieht also schlicht 14% von 81% ab. Abgesehen von dieser zweifelhaften Vorgehensweise ist zu bedenken, dass die Beklagte mit dieser Werbeaussage uneingeschränkt in Anspruch nimmt, dass 67% weniger Patienten jeglicher Altersgruppe Antibiotika benötigen würden. Dabei bezieht sich die in der Fachinformation angegebene Studie nur auf Kinder. Eine solche Einschränkung findet sich in der Werbeaussage nicht, sie ist damit auch deshalb irreführend.
52
Außerdem hält die Beklagte keinen Vortrag dazu, dass dieses Studienergebnis den Anforderungen an einen hinreichenden wissenschaftlichen Beleg entspricht, dass die Studie insbesondere nach den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung durchgeführt und ausgewertet wurden. Dafür ist im Regelfall erforderlich, dass eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung vorliegt, die durch die Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist.
53
C. Auch die folgende Angabe, die Heilpflanzen in O. wirkten entzündungshemmend und schmerzlindernd (Klageanträge Ziffern 7.1 und 7.2) sind wettbewerbswidrig (die Kennzeichnung mit „7.“ ist an der falschen Stelle angebracht):
54
Die Beklagte beschränkt sich hier entgegen § 3a Satz 2 HWG nicht auf die zugelassene Indikation „Besserung der Beschwerden bei Mittelohrentzündung, Schnupfen“, sondern behauptet eine allgemeine und generelle schmerzlindernde und entzündungshemmende Wirkung, die im Zulassungsverfahren weder geprüft noch nachgewiesen wurde. Denn die Angaben zur entzündungshemmenden und schmerzlindernden Wirkung in Ziffer 5 der Fachinformation, auf die sich die Beklagte hier beruft, ist im Zusammenhang mit dem Anwendungsbereich „Besserung der Beschwerden bei Mittelohrentzündung, Schnupfen“ zu lesen. Die Angabe ist zudem irreführend gemäß § 3 Satz 1 HWG.
55
D. Mit seinen Klageanträgen Ziffern 9 bis 22 greift der Kläger Äußerungen Dritter an, die die Beklagte im Rahmen des Internetauftritts auf Otovowen.de wiedergibt. Mit diesen Angaben verstößt die Klägerin gegen § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 HWG, weil sie außerhalb der Fachkreise wie hier in irreführender Weise für Arzneimittel mit Äußerungen Dritter, insbesondere mit Dank-, Anerkennungs- oder Empfehlungsschreiben, oder mit Hinweisen auf solche Äußerungen wirbt.
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Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass die Beklagte mit den Kundenbewertungen nicht selbst geworben hat - insbesondere hat der Kläger nicht geltend gemacht, dass die Beklagte die beanstandeten Angaben (mittelbar) veranlasst hätte - so sind sie der Beklagten als eigene Werbehandlung zuzurechnen, weil die Beklagte sie sich zu eigen macht. Für die Beurteilung, ob sich ein Werbender fremde Äußerungen zu eigen macht, kommt es entscheidend darauf an, ob er nach außen erkennbar die inhaltliche Verantwortung für die Äußerungen Dritter übernimmt oder den zurechenbaren Anschein erweckt, er identifiziere sich mit ihnen. Ob dies der Fall ist, ist aus der Sicht eines verständigen Durchschnittsnutzers auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände zu beurteilen. Dieser Maßstab gilt auch im Heilmittelwerberecht (BGH GRUR 2020, 543, 545 - Kundenbewertungen auf Amazon).
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Gemessen an diesen Grundsätzen sind die angegriffenen Angaben gemäß Klageantrag Ziffern 9 bis 22 der Beklagten zuzurechnen. Die streitgegenständlichen Kundenbewertungen sind - anders als in der Entscheidung „Kundenbewertungen auf Amazon“ des BGH (BGH GRUR 2020, 543) - nicht getrennt vom Angebot der Beklagten dargestellt. Sie werden von den Nutzern der Sphäre der Beklagten als Herstellerin und Verkäuferin des beworbenen Produkts zugerechnet. Die Beklagte bindet sie in ihren Werbeauftritt als Zitate ein. Es handelt sich nicht um Bewertungen im Rahmen eines Bewertungssystems, das einer unabhängigen Verbraucherbefragung nahekommen soll. Die Bewertungen können hier von den Nutzern nicht selbstständig veröffentlicht werden und erscheinen nicht unmittelbar online auf der Website der Beklagten. Im Gegenteil eröffnete die Beklagte auf Otovowen.de die Möglichkeit, ihr über ein Kontaktformular persönliche Erfahrungen mitzuteilen (vgl. K1). Auch wäre es einem Kundenbewertungssystem immanent, dass es neben positiven auch negative Bewertungen hervorbringt. Negative Bewertungen fehlen hier aber vollends.
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I. Die Werbung mit der Angabe (Klageantrag Ziffer 9)
„Wir sind auch mit dem Mittel total zufrieden.
„Ich bin begeistert von O.
Ich hatte am Sonntagabend plötzlich Schmerzen im rechten Ohr. Zuvor hatte ich eine starke Erkältung gehabt. Ich nahm noch am selben Abend O. ein. Nach de zweiten Einnahme ging mein Ohr auf und Flüssigkeit lief aus dem Ohr. De Schmerz war weg und ich konnte einigermaßen schlafen. Auch meine Tochte nimmt für ihr Kind immer O. Man kann nur der alternativen Medizin danken“
beansprucht die Beklagte eine Wirkung jenseits der zugelassenen Indikation, nämlich für Ohrenschmerzen allgemein und nicht nur Mittelohrentzündung und Schnupfen, sie ist irreführend gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Nummer 11 HWG. Vo diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, ob die Zulassung eines homöopathischen Arzneimittels indizielle Bedeutung hat und sich die Beklagte zum (wissenschaftlichen) Nachweis der Richtigkeit ihrer werblichen Behauptung in Bezug auf die therapeutische Wirksamkeit grundsätzlich auf den Inhalt de Zulassung berufen kann.
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II. Mit der folgenden Angabe (Klageantrag Ziffer 10)
„Ich bin begeistert von O.
Ich hatte am Sonntagabend plötzlich Schmerzen im rechten Ohr. Zuvor hatte ich eine starke Erkältung gehabt. Ich nahm noch am selben Abend O. ein. Nach de zweiten Einnahme ging mein Ohr auf und Flüssigkeit lief aus dem Ohr. De Schmerz war weg und ich konnte einigermaßen schlafen. Auch meine Tochte nimmt für ihr Kind immer O. Man kann nur der alternativen Medizin danken“
beansprucht die Beklagte eine Wirkung jenseits der zugelassenen Indikation, nämlich für Ohrenschmerzen allgemein und nicht nur Mittelohrentzündung und Schnupfen, sie ist irreführend gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Nummer 11 HWG. Vo diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, ob die Zulassung eines homöopathischen Arzneimittels indizielle Bedeutung hat und sich die Beklagte zum (wissenschaftlichen) Nachweis der Richtigkeit ihrer werblichen Behauptung in Bezug auf die therapeutische Wirksamkeit grundsätzlich auf den Inhalt de Zulassung berufen kann.
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III. Die mit Klageantrag Ziffer 11 angegriffene Angabe
„Vom Kinderarzt kennen wir das Medikament. Ein Antibiotikum war nicht nötig. Unsere kleine geht seit ein paar Wochen in den kindergarten und bis jetzt ging der Schnupfen zügig weg. Am Freitag fing es an, am Wochenende bekam sie 4x ihre Tropfen. Nach 3 Tagen ist der Schnupfen fast weg. Wir sind begeistert - es wirkt wirklich sehr gut“,
suggeriert Verbrauchern, dass das streitgegenständliche Mittel vor eine Antibiotikatherapie bewahrt. Dies ist nicht belegt, denn auch nach de Fachinformation benötigten im Rahmen einer Studie 14% der Kinder ein Antibiotikum. Die Aussage ist daher irreführend gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Nummer 11 HWG.
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IV. Klageantrag Ziffer 12 richtet sich gegen die Aussage
„Vom Kinderarzt empfohlen
Meine Tochter Selina ist 4 Jahre alt und klagte ganz arg über Ohrenschmerzen. Ich habe mich daraufhin beim Kinderarzt erkundigt, was man geben kann. Mi wurde O. empfohlen. Kannte ich vorher noch nicht, aber ich muss sagen: wi waren total begeistert. Nach nur 2 Tagen stellte sich eine deutliche Besserung dar. Wirklich sehr zum empfehlen“:
Damit reklamierte die Beklagte eine Wirksamkeit des streitgegenständlichen Mittels für alle Arten von Ohrenschmerzen und überschreitet damit die zugelassene Indikation. Hierin liegt ein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 Satz 1 Nummer 11 HWG.
62
V. Die Angabe (Klageantrag Ziffer 13)
"Bei Ohrenschmerzen und Mittelohrentzündung nichts anderes! Hallo! Ich hatte als Kind und Jugendliche bedingt durch meinen Schwimmsport regelmäßig Mandel und Mittelohr Entzündungen! Ich musste Gott sei Dank so gut wie nie Antibiotika nehmen da mir unsere HNO Ärztin damals schon O. verschrieben hat.
Heute bin ich selber Mama von 2 Kindern (8 und 4 Jahre alt) und habe durch die guten Erfahrungen mit O. meine Kinder bei Beschwerden immer zu Hause schnell behandeln können! Ich selbst nehme auch heute noch bei Ohrenschmerzen nichts anderes!“,
nimmt ebenfalls auf Ohrenschmerzen aller Art und nicht nur auf Mittelohrentzündungen Bezug und überschreitet die zugelassene Indikation. Außerdem wird dem Mittel eine Wirksamkeit bei Mandelentzündungen beigelegt, die ebenfalls über den zugelassenen Anwendungsbereich hinausgeht. Mit diese Angabe verstößt die Klägerin daher gegen § 11 Abs. 1 Satz 1 Nummer 11 HWG.
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VI. Mit der mit Klageantrag Ziffer 14 angegriffenen Angabe
"Super Hilfe bei chronischer Mittelohrentzündung Einfach klasse, das Zeug, hatte ein jahr lang chronische Mittelohrentzündung, das Zeug hilft super jetzt ist es weg“,
beansprucht die Beklagte eine durchschlagende Wirksamkeit auch bei besonders hartnäckigen („ein jahr (sic!) lang“), chronischen Formen de Mittelohrentzündung und geht damit entgegen § 3a Satz 2 HWG über das zugelassene Anwendungsgebiet hinaus.
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VII. Für die Werbung gemäß Klageantrag Ziffer 15
„Mehrmals vor Antibiotikum bewahrt
O. in Kombination mit Zwiebelsäckchen hat unsere 3-jährige Tochter bei eine Mittelohrentzündung bereits mehrmals vor einem Antibiotikum bewahrt. Ich bin froh, dass unser HNO-Arzt uns den Tip gab. Vielen Dank.“,
gilt das zum Antrag Ziffer 11 Gesagte zur vermeintlich reduzierten Antibiotikagabe entsprechend. Die Aussage ist irreführend gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Nummer 11 HWG.
65
VIII. Mit folgender Angabe (Klageantrag Ziffer 16)
„Ohrenschmerzen einfach weg!
Ich bin 62 Jahre alt und habe reißende Ohrenschmerzen bekommen. Bestimmt durch Zugluft. Aber egal. Jedenfalls habe ich von der Apothekerin dieses Mittel verkauft bekommen mit dem Hinweis, dass das wirklich hilft. Es war zwar teuer, aber wenn es hilft. Zu Hause angekommen, wollte ich ins Ohr tropfen und lese mir aber zum Glück vorher den Beipackzettel durch.
Häää? Zum Einnehmen? Habe ich noch nie gehört. Gut. Ich habe alle halbe Std. 15 Tropfen genommen und dann 10 Min. das Ohr mit einer Rotlichtlampe bestrahlt. Heute früh sind die Ohrenschmerzen weg. Einfach weg! Ich konnte es nicht glauben. Ein sehr wirksames Mittel, welches ich auch Erwachsenen seh empfehlen möchte“,
behauptet die Beklagte eine besonders schnelle und durchschlagende Wirksamkeit des Mittels, die nicht belegt und entgegen § 11 Abs. 1 Satz 1 Nummer 11 HWG irreführend ist (vgl. oben zu Klageanträgen Ziffer 2 bis 4). Außerdem überschreitet die Beklagte mit der Wirkbehauptung bei Ohrenschmerzen die zugelassene Indikation für Mittelohrentzündungen, was gemäß § 3a Satz 2 HWG unzulässig ist.
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IX. Das zu Klageantrag Ziffer 16 Gesagte gilt auch für folgende, mit Klageantrag Ziffer 17 angegriffene Angabe:
„O. immer in der Reiseapotheke. Haben 3 Kinder, heute 16, 13 und 9. Alle 3 Kinder haben bis heute noch kein Antibiotikum bekommen. Dank O. konnten wir bei beginnenden und akuten Ohrenschmerzen innerhalb kürzester Zeit immer eine vollständige Heilung erreichen. Zum ersten Mal empfohlen wurde mir als Erwachsener O. vor 18 Jahren beim HNO Arzt, seit dem immer in der Reiseapotheke.“
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X. Mit folgender Angabe (Klageantrag Ziffer 18)
suggeriert die Beklagte irreführend im Sinn von § 11 Abs. 1 Satz 1 Nummer 11 HWG eine nahezu sofortige und vollständige Heilung durch das streitgegenständliche Mittel:
Mein Sohn klagte über so starke Ohrenschmerzen, dass ich ihn aus der Schule abholen musste. Kurzfristig war aber kein Termin beim HNO zu bekommen und wir wurden auf den nächsten Tag vertröstet. In der Apotheke O. empfohlen bekommen - eigentlich sollte es nur die Zeit bis zur Nachmittagssprechstunde des Kinderarztes überbrücken - aber nach nur vier Gaben kroch mein Sohn aus seinem Bett und wollte dann auch nicht mehr zum Kinderarzt. Die Ohrenärztin war am nächsten Tag total baff, dass er so entspannt und schmerzfrei war bei dem Befund! Die Mittelohrentzündung heilte dann super ab, ganz ohne Antibiotika oder andere Mittel“,
Die Beklagte lässt diese Schilderung unkommentiert in ihre Werbung einfließen und suggeriert, dass derartige Heilungserfolge allgemein zu erwarten seien.
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XI. Mit den mit Klageantrag Ziffern 20 bis 22 angegriffenen folgenden Angabe
"O. ist einfach unschlagbar
Unsere Tochter geht selbst ein leichter Schnupfen sofort auf die Ohren. Jahrelang bekam sie dann letztlich immer ein Antibiotikum. Dann endlich riet uns ein HNO-Arzt, es mit O. zu versuchen. Beim leichtesten Schnupfen früh verabreicht, ist O. einfach unschlagbar – Antibiotikum ade. Wir sind begeistert und froh, dieses Mittel zu kennen.“,
"O. gleich beim Schnupfen
Ich habe eine 10-jährige Wasserratte, der O. bei Mittelohrentzündungen schon viele Jahre geholfen hat. Sie bekommt es immer gleich, wenn ein Schnupfen da ist. Superprodukt.“, „Unser jüngster ist vier und leidet mit den Ohren und hatte schon mal Paukenerguss. Uns hat O. dabei gut geholfen. Hat aber Zeit lang gedauert. Jetzt fangen wir gleich beim Schnupfen damit an, damit es erst gar nicht so weit kommt und das funktioniert seit einem Jahr ganz gut.“
suggeriert die Beklagte wiederum irreführend gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Numme 11 HWG, dass das Mittel auch für eine zuverlässige vorbeugende Behandlung gegen Mittelohrentzündungen geeignet und wirksam sei. Damit liegt sie außerhalb des zugelassenen Anwendungsbereichs. Zudem stellt sie Behauptungen zur Wirksamkeit des Mittels auf, die nicht belegt sind. Diese Angaben sind daher irreführend.
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Die Angabe gemäß Klageantrag Ziffer 20 bezieht sich zudem allgemein auf Ohrenschmerzen und liegt damit außerhalb der zugelassenen Indikation. Auch wird damit suggeriert, die Gabe von Antibiotika sei bei Einnahme von O. imme unnötig, was nicht zutrifft (vgl. oben zu Klageantrag Ziffer 11).
70
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nummer 10 S. 1 ZPO, § 711 Satz 1, Satz 2, § 709 Satz 2 ZPO.
71
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 auf Satz 2 Satz 1 Nummer 1 ZPO) hat und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nummer 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache erfordert, wie die Ausführungen zeigen, lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.