Inhalt

LG München I, Endurteil v. 27.05.2021 – 17 HK O 8876/20
Titel:

Marktverhaltensregelung, Unterlassungsanspruch, Geschäftliche Handlung, Rechnungserteilung, Lieferverhältnis, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Verbraucherzentrale, Verbraucherverband, Höhe der Sicherheitsleistung, Marktverhaltensnorm, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, Wiederholungsgefahr, Zuwiderhandlung, Aktivlegitimation, Zahlungsanspruch, Stromliefervertrag, Energieversorgungsunternehmen, Abschlagszahlungen, Ordnungshaft, Erstbegehungsgefahr

Schlagworte:
Unterlassungsanspruch, Klagebegründetheit, Klagezulässigkeit, Bestimmtheit des Antrags, Marktverhaltensregelung, Wiederholungsgefahr, Zahlungsanspruch
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Urteil vom 20.04.2023 – 29 U 3369/21
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 19.03.2024 – EnZR 62/23
Fundstelle:
GRUR-RS 2021, 65522

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgelds bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollstrecken an dem gesetzlichen Vertreter der Beklagten, zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern im Zusammenhang mit der Beendigung eines Vertrags über die Belieferung mit Strom die Abschlussrechnung nicht innerhalb von sechs Wochen nach Beendigung des Lieferverhältnisses zu erteilen und/oder erteilen zu lassen, wenn dies geschieht wie in Anlagen K1 und K4 wiedergegeben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 214 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11. August 2020 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
5. Das Urteil ist wie folgt vorläufig vollstreckbar:
- hinsichtlich Ziffer 1 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000 €,
- hinsichtlich Ziffer 2 (ohne Sicherheitsleistung) und
- hinsichtlich Ziffer 4 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrags.
Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers gemäß Ziffer 2 durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger macht gegen die Beklagte wettbewerbsrechtliche Ansprüche auf Unterlassung und Zahlung von Abmahnkosten (Auslagenerstattung) geltend.
2
Der Kläger ist der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. Die Beklagte ist ein Energieversorgungsunternehmen mit Sitz in … Sie versorgt auch private Haushalte mit Strom.
3
Die Beklagte erteilte in mindestens zwei Fällen die Schlussrechnung den betroffenen Verbrauchern nicht innerhalb von sechs Wochen nach Beendigung des Stromliefervertrages (Anlage K1 und Anlage K4, jeweils nur Seite 1 eingeblendet).
… …
4
Der Kläger macht geltend, die Beklagte habe mit der nicht innerhalb von sechs Wochen nach Beendigung des Lieferverhältnisses, also mit der verspäteten, Erteilung der Abschlussrechnung gegen § 40 Abs. 4 EnWG verstoßen, was die geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Folgen habe.
5
Der Kläger beantragt:
I. die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollstrecken an dem Geschäftsführer, zu unterlassen,
im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern im Zusammenhang mit dem Abschluss, der Durchführung und der Beendigung eines Vertrags über die Belieferung mit Strom die Abschlussrechnung nicht innerhalb von 6 Wochen nach Beendigung des Lieferverhältnisses zu erteilen und/oder erteilen zu lassen,
wenn dies geschieht wie in Anlagen K1 und K4 wiedergegeben;
II. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 214 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
6
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
7
Neben Bedenken im Rahmen der Bestimmtheit des Klageantrags macht die Beklagte vor allem geltend, dass § 40 Abs. 4 EnWG keine Regelung des Marktverhaltens im Sinne von § 3 a UWG sei und ein Verstoß hiergegen jedenfalls nicht spürbar wäre, so dass wettbewerbsrechtliche Ansprüche ausgeschlossen seien.
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Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestands auf die Schriftsätze der Parteien samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 1. April 2021 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist begründet.
A.
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Die Klage ist zulässig. Die Sachurteilsvoraussetzungen sind gegeben.
11
I. Das Landgericht München I ist sachlich und örtlich zuständig. Die funktionale Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen ergibt sich aus § 95 Abs. 1 Nr. 5 GVG.
12
II. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Verbotsantrag in Ziffer 1 hinreichend bestimmt, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
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1. Hiernach darf ein Verbotsantrag – und nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung – nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand sowie der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht mehr klar umrissen sind, der Beklagte sich deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was den Beklagten verboten ist (st. Rspr.; vgl. Zigann/Werner in: Cepl/Voß, Prozesskommentar, 2. Auflage 2018, § 253 Rn. 196). Es ist aber weder nur ein eindeutiger und unmittelbar klarer Antrag hinreichend bestimmt, noch sind vermeidbare Unklarheiten einfach so hinzunehmen. Vielmehr muss der Antrag so bestimmt wie möglich sein und darf lediglich dann weniger bestimmt sein, wenn sich die Ungenauigkeit nicht vermeiden lässt; diese ist dann hinzunehmen (vgl. Zigann/Werner, a.a.O., § 253 Rn. 197).
14
Wiederholt der Verbotsantrag lediglich den Wortlaut eines Gesetzes, dann genügt dies in der Regel nicht, um die an die Bestimmtheit eines Antrags zu stellenden Anforderungen zu erfüllen. Ein solcher Antrag ist indes dann nicht unbestimmt, wenn der gesetzliche Verbotstatbestand bereits selbst entsprechend eindeutig und konkret ist, der Anwendungsbereich der abgeschriebenen Rechtsnorm durch eine gefestigte Auslegung geklärt ist oder wenn der Kläger hinreichend deutlich macht, dass er nicht ein Verbot im Umfang des Gesetzeswortlauts beansprucht, sondern sich mit seinem Unterlassungsbegehren an der konkreten Verletzungshandlung orientiert (st. Rspr.; vgl. Zigann/Werner, a.a.O., § 253 Rn. 210 f.).
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2. Nach diesen Maßstäben ist der streitige Verbotsantrag hinreichend bestimmt.
16
a) Durch den Bezug auf die Anlagen K1 und K4, aus denen sich jeweils der Abrechnungszeitraum und das jeweilige Datum der jeweiligen Rechnung ergibt, ist das Verbot hinreichend bestimmt. Aus dem Inhalt von Seite 1 dieser Dokumente folgt jeweils, dass der streitgegenständliche Zeitraum von sechs Wochen überschritten worden ist.
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b) Sofern die Beklagte meint, der Teil des Antrags mit der Passage „im Rahmen geschäftlicher Handlungen“ sei unbestimmt, weil hierdurch mehr als eine vertragliche Beziehung erfasst werde, greift diese Rüge nicht durch.
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Denn der Klageantrag (und entsprechend der Verbotstenor) sind in ihrer Gesamtheit in den Blick zu nehmen. Hieraus ergibt sich zum einen, dass nicht sämtliche geschäftliche Handlungen erfasst werden sollen oder erfasst werden, sondern allein solche gegenüber Verbrauchern betroffen sind. Zum anderen folgt daraus weiterhin beschränkend und damit bestimmend, dass diese im Zusammenhang mit der Beendigung eines Vertrages über die Belieferung mit Strom stehen müssen.
19
c) Schließlich führt die Rüge der Beklagten ebenfalls nicht zur Unbestimmtheit, wonach die Passage „im Zusammenhang mit dem Abschluss und der Durchführung“ im Antrag enthalten ist.
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Zwar hat sich hiermit der Kläger von der konkreten Verletzungsform gelöst, die auf die Beendigung des Stromliefervertrages gerichtet ist, und hat den gesamten geschäftlichen Vorgang eines Stromliefervertrags: also den Abschluss des Vertrags und seine Durchführung adressiert. Doch führt diese Verallgemeinerung nach Überzeugung der Kammer nicht zur Unbestimmtheit des Antrags und damit entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zur Unzulässigkeit, sondern betrifft die Frage, ob diese Erweiterung berechtigt ist. Es geht damit nicht um die Zulässigkeit, sondern um die Begründetheit der Klage.
B.
21
Der Verbotsantrag ist weit überwiegend, im Umfang des Tenors gemäß Ziffer 1, begründet. Lediglich hinsichtlich der Passage „im Zusammenhang mit dem Abschluss und der Durchführung“ eines Vertrags über die Belieferung mit Strom ist er unbegründet. Gleichfalls ist der Zahlungsanspruch begründet.
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I. Der Unterlassungsanspruch ergibt sich aus § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG in Verbindung mit §§ 3, 3 a UWG in Verbindung mit § 40 Abs. 4 EnWG.
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1. Zu Recht ist die Aktivlegitimation des Klägers nicht umstritten. Diese folgt aus § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG.
24
2. Bei der angegriffenen verspäteten Erteilung der Rechnung handelt es sich, was zwischen den Parteien gleichfalls zu Recht nicht streitig ist, um eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG.
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3. Indem die Beklagte Abschlussrechnungen später als sechs Wochen nach Beendigung des Stromlieferverhältnisses erteilt hat, liegt ein Verstoß gegen § 40 Abs. 4 EnWG vor. Diese Vorschrift ist eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3 a UWG.
26
Gemäß § 3 a UWG handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, sofern der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen. Hieran fehlt es, wenn eine Vorschrift lediglich bestimmte Unternehmen von bestimmten Märkten fernhalten oder die Rahmenbedingungen des Wettbewerbs festlegen soll (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2020, 755 Rn. 76 m.w.N. – WarnWetter-App).
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a) § 40 Abs. 4 EnWG betrifft unstreitig eine gesetzliche Vorschrift.
28
b) Diese Regelung dient als Schutzzweck dem Marktverhalten.
29
aa) Unlauter sind nur Verstöße gegen Gesetze, die eine zumindest sekundäre wettbewerbsbezogene Schutzfunktion aufweisen.
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§ 3 a konkretisiert diese Vorgabe dahingehend, dass das Gesetz dazu bestimmt sein muss, zumindest auch das Marktverhalten zu regeln. Damit werden insbesondere Marktzutrittsregeln und Vorschriften aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift ausgeschlossen, die Verhalten im Vorfeld des Marktgeschehens betreffen (Ohly in: Ohly/Sosnitza, UWG, 7. Auflage 2016, § 3 a Rn. 14). Zum Marktverhalten zählen das Angebot von und die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen, aber auch das Anbahnen von Geschäften durch Werbung sowie – in Anbetracht von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG – der Abschluss und die Durchführung von Verträgen (vgl. Ohly, a.a.O., § 3 a Rn. 15).
31
Eine gesetzliche Vorschrift regelt das Marktverhalten, wenn sie die genannten Verhaltensweisen Handlungs- oder Unterlassungspflichten unterwirft (Ohly, a.a.O., § 3 a Rn. 15). Dabei muss es sich nicht um den einzigen oder primären Zweck handeln, eine sekundäre Schutzfunktion genügt. Informationspflichten ermöglichen eine rationale, „informierte“ Verbraucherentscheidung und entlasten den Abnehmer von den Kosten der eigenen Informationsbeschaffung, es handelt sich daher um typische Marktverhaltensregeln (Ohly, a.a.O., § 3 a Rn. 75).
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bb) Nach diesen Maßstäben regelt § 40 Abs. 4 EnWG das Marktverhalten und legt nicht nur die Rahmenbedingungen des Wettbewerbs fest. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist ebenfalls nicht lediglich eine rein zivilrechtliche oder (wegen der Zuständigkeit der Bundesnetzagentur bei Verstößen) aufsichtsrechtliche Thematik betroffen.
33
Innerhalb welcher Frist die Abschlussrechnung zu erteilen ist, regelt (gleichfalls) das Verhalten auf dem Markt. Dass hier vertragliche Rechte und Pflichten betroffen sind, steht der Einordnung als Marktverhaltensnorm nicht entgegen. Denn jedenfalls in seiner sekundären Schutzfunktion soll § 40 Abs. 4 EnWG dieses regeln. Insofern ergibt sich auch aus dem von der Beklagten in Bezug genommenen Art. 10 Abs. 12 der neugefassten „Elektrizitätsrichtlinie“ (RL 2019/944 vom 5. Juni 2019) nichts Entgegenstehendes. Dass in der Überschrift von Art. 10 von grundlegenden vertraglichen Rechten die Rede ist, bedeutet aber nicht, dass es sich hierbei nicht um eine Marktverhaltensnorm im Sinne des § 3 a UWG handeln kann. Entgegen der Annahme der Beklagten ergibt sich auch aus der Kommentarliteratur (Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 38. Auflage 2020, § 3 a Rn. 1.62) zwingend nichts anderes. Denn eine Marktverhaltensnorm ist entgegen dieser Auffassung in ihrem Gegenstand nicht darauf beschränkt, dass sie der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen dienen muss. Wie § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG zeigt, nimmt das Wettbewerbsrecht (mittlerweile) mehr in den Blick, als es vor der Einführung dieser Regelung der Fall gewesen sein mag.
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Der Regelungsgegenstand von § 40 Abs. 4 EnWG betrifft die Beendigung und damit den letzten Teil der Durchführung des Vertrags. Die Vorschrift dient der Umsetzung der Vorgabe des Anhangs I Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 2009/72/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG (ABl. Nr. L 211 S. 55, Stromrichtlinie) sowie der entsprechenden Gasrichtlinie 2009/73/EU (BT-Drucks. 17/6072 S. 84). Nach Anhang I Abs. 1 Buchst. j soll sichergestellt werden, dass Kunden spätestens sechs Wochen nach einem Wechsel des Stromversorgers eine Abschlussrechnung erhalten. Durch die kurze Frist und klare Regelungen zu Verträgen und Rechnungen sollen die Rechte der Verbraucher beim Lieferantenwechsel gestärkt sowie für sie die Transparenz erhöht werden (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2019 – VIII ZR 224/18 = EnWZ 2019, 349 Rn. 25 f.).
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c) Der Regelungsgegenstand von § 40 Abs. 4 EnWG liegt im Interesse der Verbraucher. Als Kunden des von der Beklagten angebotenen Stromliefervertrags und damit als Betroffene der verspäteten Rechnungserteilung sind die Verbraucher aufgrund ihrer Marktteilnahme in ihren Interessen betroffen.
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d) Überdies sind die Sanktionen der Norm nicht abschließend.
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Zu Recht verweist die Beklagte darauf, dass die Bundesnetzagentur für Verstöße zuständig ist, § 65 EnWG. Allerdings handelt es sich hierbei nicht um eine abschließende Zuständigkeit dieser Behörde. Diese Wertung kann die Kammer jedenfalls dem Gesetz nicht entnehmen. Sie ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte meint, dass es wegen der Zuständigkeit der Bundesnetzagentur keine Schutzlücke gebe. Insofern ist allgemein anerkannt, dass bei einem Verstoß gegen Normen öffentlich-rechtliche und wettbewerbsrechtliche Folgen unabhängig voneinander eintreten können.
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e) Die erforderliche Spürbarkeit der Zuwiderhandlung der Beklagten ist gegeben. Die maßgeblichen Interessen der Verbraucher werden durch die verspätete Rechnungserteilung hinreichend stark beeinträchtigt.
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Entgegen der Annahme der Beklagten kommt es hierbei nicht entscheidend darauf an, ob der Verstoß dazu geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen. Denn die Zuwiderhandlung wirkt sich in weiterer Hinsicht aus. Erhält der Verbraucher die Informationen aus der Abschlussrechnung nicht innerhalb der gesetzlichen Frist, kann ihm der Lieferantenwechsel insofern erschwert werden, dass er beim neuen Anbieter keine hinreichenden Angaben über seinen bisherigen Stromverbrauch machen und entsprechend aktuelle Belege vorzeigen kann, so dass er insofern den Schätzungen des neuen Lieferanten über seinen Stromverbrauch, die der neue Lieferant den künftigen Abschlagszahlungen zugrunde legt, keine Abschlussrechnung seines vorherigen Stromanbieters (der Beklagten) entgegenhalten kann, um gegebenenfalls eine niedrigere Abschlagszahlung zu erreichen.
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Nach Überzeugung der Kammer ist es unerheblich, ob – wie die Beklagte meint – eine hierdurch entstehende Beeinträchtigung des Verbrauchers zivilrechtlich durch Schadensersatz der Beklagten ausgeglichen werden könne. Zum einen sind die Schäden, die (nur) einem betroffenen Verbraucher entstehen, relativ gering. Ein einzelner Verbraucher wird damit (vernünftigerweise) das Risiko einer Inanspruchnahme der Beklagten oder gar das eines Gerichtsprozesses nicht eingehen. Zu einer Schadensersatzleistung der Beklagten an den betroffenen Verbraucher wird es daher in aller Regel nicht kommen. Zum anderen erscheint der Kammer eine wettbewerbsrechtliche Sanktionierung der Beklagten aufgrund des gegebenen Summeneffekts geboten. Denn wenn eine Vielzahl von Verbrauchern, was der Kläger geltend macht, von den Verstößen gegen § 40 Abs. 4 EnWG betroffen ist, bietet besonders das hier geltend gemachte wettbewerbsrechtliche Vorgehen hinreichende Aussicht auf Erfolg und auf Unterlassung verspäteter Rechnungserteilungen.
41
Sofern die Beklagte schließlich noch anführt, sie habe es nicht zu vertreten, ob die Abschlussrechnung rechtzeitig erteilt werden, weil sie mitunter die erforderlichen Informationen über den Zählerstand von den Verbrauchern oder von ihren Vertragspartnern selbst nicht rechtzeitig erhalte, betrifft dies vor allem das Verschulden. Auf dieses kommt es aber im Rahmen des Unterlassungsanspruchs nicht an.
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4. Die übrigen Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs sind im Hinblick auf die nicht rechtzeitige Erteilung der Abschlussrechnung gemäß § 40 Abs. 4 EnWG erfüllt. Insofern liegt insbesondere Wiederholungsgefahr vor. Diese wird durch die konkret benannten und unstreitigen Verstöße indiziert.
43
5. Die Klage ist jedoch teilweise unbegründet. Der Verbotstenor ist auf die Beendigung des Vertrags zu beschränken und die zeitlich vorgelagerten Handlungen bezüglich des Abschlusses und der (weiteren) Durchführung des Vertrags sind vom Verbot auszunehmen.
44
Entgegen der Annahme des Klägers besteht keine Erstbegehungsgefahr für andere Verstöße der Beklagten vor Belieferungsende, also bei Abschluss und Durchführung des Vertrags über die Belieferung mit Strom. Aus der streitgegenständlichen Zuwiderhandlung kann insofern keine hinreichende Begehungsgefahr für Verstöße „im Zusammenhang mit dem Abschluss und der Durchführung des Stromliefervertrags“ abgeleitet werden, jedenfalls ist hierfür nichts Konkretes dargetan oder ersichtlich.
45
6. Die von der Kammer im Übrigen vorgenommenen Umformulierungen im Tenor (gegenüber dem Klageantrag in Ziffer 1) dienen allein der Anpassung an die hiesige Praxis. Sie betreffen keine inhaltliche Änderung des Klagebegehrens.
46
II. Rechtsgrundlage für den Zahlungsanspruch ist § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG in der bis 1. Dezember 2020 geltenden Fassung. Dies ergibt sich aus § 15 a Abs. 2 UWG, wonach § 13 UWG (in der aktuellen Fassung) keine Anwendung auf Abmahnungen findet, die vor dem 2. Dezember 2020 zugegangen sind. Die Beklagten am 20. Mai 2020 zugegangen.
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1. Der Anspruch besteht der Höhe nach.
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Denn dem Kläger steht nach ständiger Rechtsprechung eine Aufwandspauschale in Höhe von 200 € netto als angemessener Ersatz für seine Personal- und Sachkosten zu.
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2. Der Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
C.
50
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 ZPO.
51
Als unterlegene Partei hat, die Beklagte die Kosten zu tragen. Dies gilt auch für die Kosten, die gegebenenfalls durch die abgewiesene zu viel Forderung des Klägers entstanden sein könnten. Insofern greift § 92 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 ZPO ein. Denn die Zuvielforderung ist jedenfalls verhältnismäßig gering.
D.
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Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO für Ziffer 1 und 4 des Tenors sowie für Ziffer 2 des Tenors aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Höhe der Sicherheitsleistung in Ziffer 1 orientiert sich am Streitwert.