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LG München I, Endurteil v. 18.06.2021 – 25 O 18549/18
Titel:

Zulässige Bezeichnung eines Werks als "Fälschung" in einem Gutachten

Normenketten:
EuGVVO Art. 7 Nr. 2
BGB § 823, § 824, § 1004
GG Art. 1, Art. 2, Art. 5
Leitsätze:
1. Eine zufällige Weiterleitung einer im Ausland getätigten Äußerung durch Dritte begründet keinen Deliktsgerichtsstand wegen eines Erfolgsorts im Inland. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die gutachterliche Stellungnahme, ein Kunstwerk sei eine Fälschung, ist ein Werturteil, das aufgrund von Indizien getroffen wird; bei vertretbarer Würdigung der Indizien kann eine Änderung der subjektiven Wertung nicht durch Einholung eines Gerichtsgutachtens erzwungen werden. (Rn. 46 und 71 – 73) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
internationale Zuständigkeit, Handlungsort, Erfolgsort, Tatsachenbehauptung, Werturteil, Meinungsfreiheit, Eigentumsrecht, Wahrheitsgehalt der Äußerung, Persönlichkeitsrecht, Gutachten, Wissenschaftlichkeit, Indizienbeweis, Beweislast
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Beschluss vom 11.02.2022 – 5 U 4892/21
Fundstelle:
GRUR-RS 2021, 64501

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 150.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Kläger machen gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch geltend.
2
Die Kläger sind Geschwister. Sie sind Miteigentümer des streitgegenständlichen Kunstwerks, das sie schenkweise von ihrem inzwischen verstorbenen Vater erhielten, der das streitgegenständliche Werk im Jahr 1969 von der Galleria F. in Florenz erwarb.
3
Die Beklagte ist eine Stiftung mit Sitz in Mailand, die den künstlerischen Nachlass des im Jahr 1968 verstorbenen Künstlers Lucio Fontana verwaltet und den Status einer rechtlich anerkannten gemeinnützigen Organisation hat. Die Beklagte gilt im Kunstmarkt als zentrale und weltweit einzige Instanz für die Begutachtung und Authentifizierung von Werken Lucio Fontanas und ist verantwortlich für dessen Werksverzeichnis. Das für die Begutachtung der Werke zuständige Expertengremium der Beklagten, die sog. Commissione Artistica, kommt dreimal im Jahr zusammen, um über die Authentifizierung der eingereichten Werke zu entscheiden. Bis zu dessen Tod 2018 verfasste der Kunsthistoriker Prof. Crispolti handschriftliche Einschätzungen hinsichtlich der eingelieferten Werke.
4
Am 11.07.2014 lieferten die Kläger das streitgegenständliche Werk, das nicht im Werkverzeichnis des Künstlers Lucio Fontana aufgeführt ist, bei dem Auktionshaus Sotheby’s in München ein und unterzeichneten einen von Sotheby’s vorbereiteten Versteigerungsvertrag. Bei Einlieferung des Werks wurden die Kläger von N. G. K1. in der Münchner Filiale von Sotheby’s betreut. Diese erklärte, es sei für einen Verkauf des Werks zwingend notwendig, dass dieses zuvor durch die Beklagte begutachtet werde, da das streitgegenständliche Werk nicht im Werkverzeichnis des Künstlers aufgeführt ist. Ohne eine Echtheitsbescheinigung durch die Beklagte, die im Kunstmarkt die alleinige Autorität habe, über die Echtheit des künstlerischen Werks Fontanas verbindlich zu entscheiden, könne Sotheby’s das Bild nicht in Versteigerung nehmen.
5
Mit Zustimmung der Kläger wurde das streitgegenständliche Werk sodann im Original nach Mailand an Sotheby’s Mailand als Mittelsmann und von dort an die Beklagte zum Zweck der Begutachtung gesandt. Dort fand am 22.10.2014 die Begutachtung statt.
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Im Zuge der Begutachtung des streitgegenständlichen Werks fertigte Prof. Crispolti eine Expertise (Anlage K 2) an, in der es (vom Italienischen ins Deutsche übersetzt) wie folgt heißt:
„Gesichtet am 22.10.2014 bei der F. L. F., Mailand, ist dies eine offensichtliche Fälschung des Werkes von Lucio Fontana, zudem eine Serienproduktion, aufgrund der vertikalen Komposition und der sogar wörtlichen Entsprechung der Inschriften des Titels, der ganz offensichtlich gefälscht ist, genauso wie Unterschrift und Titel.“
7
Auf die Anlage K 2 wird Bezug genommen.
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Daraufhin erstattete die Beklagte am 10.12.2014 Strafanzeige und ließ das Bild von den italienischen Polizeibehörden beschlagnahmen.
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Mit E-Mail vom 27.07.2015 (Anlage K 13) wandte sich Frau G. K1. folgendermaßen an die Kläger:
„(…) es tut mir sehr leid, dass ich mich so lange nicht bei Ihnen gemeldet habe, aber ich war wöchentlich in Kontakt mit meinen Kollegen in Mailand.
Nun hat sich endlich die F. F. entschieden und gemeldet. Sie hält das Bild für nicht von Fontana und hat es den italienischen Behörden übergeben. Sie werden in der nächsten Zeit diesbezüglich von Interpol kontaktiert werden, und damit auch einen genaueren Einblick in die Situation erhalten, als ich ihn habe.“
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Mit Dekret vom 02.03.2017 (Anlage K 15) ordnete der ermittelnde Staatsanwalt an, das streitgegenständliche Werk an die Kläger zurückzugeben, wobei auf der Rückseite ein Hinweis auf die Fälschung anzubringen sei. Die Rückseite des Werks weist nunmehr eine großflächige blaue Beschriftung auf, die das Werk als Fälschung deklariert, wobei zwischen den Parteien streitig ist, wann und von wem diese aufgebracht wurde. Aufgrund des Dekrets wurde das Werk dem italienischen Prozessbevollmächtigten der Kläger von den Carabinieri in Monza übergeben und von dem Kläger zu 2) am 04.04.2017 persönlich in Mailand abgeholt.
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Die Klagepartei trägt vor, die Beklagte habe zwischen dem 22.10.2014 und dem 13.11.2014 gegenüber Sotheby’s Mailand behauptet, dass das streitgegenständliche Werk eine Fälschung sei. Mit E-Mail vom 13.11.2014 habe eine Mitarbeiterin von Sotheby’s Mailand eine E-Mail unter anderem an Frau G. K1. von Sotheby’s München gesandt, in der es wörtlich geheißen habe, „.(…) the work is FAKE – (…)“.
12
Die internationale Zuständigkeit des hiesigen Gerichts sei gegeben. Die streitgegenständliche Äußerung sei gegenüber der Münchner Niederlassung des Auktionshauses Sotheby’s erfolgt. Direkter Erklärungsempfänger der streitgegenständlichen Äußerung sei das in mehreren Ländern tätige Auktionshaus Sotheby’s mit all seinen Dependancen. Die Beklagte habe aufgrund eines mit der Authentifizierungsanfrage einzureichenden Fragebogens mit Angaben unter anderem zum Eigentümer und dessen Wohnsitz sowie ihrer Kenntnis von der deutschen Provenienz des Bildes aufgrund ihres Archivmaterials gewusst, dass ihre Zuschreibung an die Kläger als Eigentümer des Werkes und Initiatoren der Authentifizierungsanfrage von Sotheby’s weitergeleitet werden würde. Die Kläger seien davon ausgegangen und hätten darauf vertrauen dürfen, dass das von ihnen beauftragte Auktionshaus Sotheby’s, das seit Jahrzehnten mit der Beklagten zu tun hat, eine Anforderung bei der Einsendung des streitgegenständlichen Werks beachtet und einen hierfür erforderlichen Fragebogen ausgefüllt an die Beklagte übermittelt hat.
13
Die Kläger sind der Ansicht, ihnen stehe ein Anspruch auf Unterlassung wegen Beeinträchtigung ihres Eigentums an dem streitgegenständlichen Werk sowie ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts sowie wegen Kreditgefährdung zu.
14
Bei der streitgegenständlichen Äußerung handele es sich aufgrund der von der Beklagten in Anspruch genommenen Monopolstellung und ihres Alleinstellungsmerkmal für die Authentifizierung von Werken Fontanas sowie des Umstands, dass diese die Wahrnehmungsberechtigte der Urheber- und postmortalen Persönlichkeitsrechte des Künstlers sei, um eine Tatsachenbehauptung. Diese sei unwahr. Das streitgegenständliche Bild sei echt. Für die Echtheit des Werks sprächen insbesondere die Ergebnisse der Begutachtung des Werks durch ausgewiesene Kunstsachverständige, Herrn A. v. B.-W. sowie Herrn P2. W., die Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen der Farbpigmente durch zwei unabhängige Gutachter, die Ergebnisse der Begutachtung der Signatur und der rückseitigen Schrift durch einen Schriftsachverständigen, die Provenienz des Werkes, die Übereinstimmungen mit unstreitig authentischen Werken bzw. typische Charakteristika wie z.B. der innovative Werktitel und die Farbnasen auf der Rückseite des Bildes, der Umstand, dass das streitgegenständliche Werk als Originalvorlage für die Anfertigung einer identischen Nachahmungsfälschung, eingetragen im Werksverzeichnis unter der Nr. 64 T 104, gedient habe, sowie die Einschätzung der Expertinnen von Sothebys und des künstlerischen Mitarbeiters Fontanas, H. T., als echt. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird insbesondere auf die Schriftsätze vom 20.12.2018, S. 9 ff. (Bl. 9 ff. d.A.) und vom 22.10.2019, S. 16 ff (Bl. 101 ff. d.A.) Bezug genommen.
15
Das Gutachten der Beklagten sei nicht lege artis. Die Beklagte habe insbesondere wesentliche Unterschiede zu Ucelletti-Fälschungen (Abweichungen der Rückseiten, insbesondere Stempel zweier renommierter Galerien, Abweichungen im Schriftverlauf, Abweichungen bei der Datierung, Konsistenz des Farbauftrags) verkannt. Die Schnittführung entspreche im Duktus und in der Tiefe der Schnittführung authentischer Schlitzbilder, insbesondere des Bilds 64 T 136. Die Besetzung der Commissione Artistica sei nicht vollständig gewesen, insbesondere bestreitet die Klagepartei, dass Prof. Crispolti und Prof. Barbero das Werk im Original begutachtet bzw. an der Begutachtung teilgenommen haben. Die Beklagte habe die Provenienz des Bildes beim Gutachten nicht berücksichtigt; diese sei jedoch ein zentrales Indiz für dessen Authentizität. Die Beklagte habe wesentliche Erkenntnisse aus den Archivmaterialien unter anderem auch zur Rückseite des Bilds 64 T 136 sowie zum Werk 64 T 104 unberücksichtigt gelassen. Andernfalls hätte ihr auffallen müssen, dass sich im Archiv Dokumente zu einem mit dem streitgegenständlichen Bild identischen Werk, dem Werk 64 T 104, befindet, das eine identische Signatur wie das streitgegenständliche Bild auf der jeweils oberen Hälfte der Rückseite und eine zweifelhafte Provenienz aufweise, was dafür spreche, dass es sich bei dem Werk 64 T 104 um eine Nachahmungsfälschung und bei den streitgegenständlichen Bild um das Original handele. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird insbesondere auf die Schriftsätze vom 22.10.2019, S. 16 ff (Bl. 101 ff. d.A.), vom 27.04.2020, S. 9 ff. (Bl. 178 ff. d.A.), vom 30.07.2020, S. 8 ff. (Bl. 239 ff d.A.) und vom 31.07.2020 (Bl. 253 ff. d.A.) Bezug genommen.
16
Die Begutachtungspraxis durch die Beklagte weiche erheblich vom Branchenstandard ab. Üblicherweise sei es so, dass eine Künstlerstiftung, die sich gegen die Aufnahme eines Werks in das Werkverzeichnis entscheide, dies in nachvollziehbarer Weise begründe, insbesondere um welches Werk es sich handele. Auch trage ein solches Schriftstück üblicherweise einen Briefkopf mit Angaben zum Verfasser. Bei den Gutachten von Prof. Crispolti handele es sich dagegen um knappe handschriftliche Erklärungen ohne Briefkopf, die in der Regel aus 2 bis 3 Sätzen bestehen und nicht erkennen lassen, auf welches Werk sich die Ausführungen beziehen. Auch bleibe unklar, ob Prof. Crispolti das Werk im Original oder nur als Reproduktion gesehen habe. Ebenso wenig lasse sich den Aufzeichnungen entnehmen, auf welche Techniken und Verfahrensarten sich Prof. Crispolti gestützt habe. Das Gutachten zum streitgegenständlichen Bild sei daher unzulänglich.
17
Die Beklagte könne sich nicht auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen, da sie eine unwahre Äußerung getätigt habe, ohne die ihr dabei obliegenden Sorgfaltspflichten einzuhalten. Eine Verwirkung sei nicht gegeben.
18
Die Klagepartei beantragt zuletzt:
19
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung von Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, gegenüber Dritten in Bezug auf das im Eigentum der Kläger stehende Werk „Concetto Spaziale, Attese – II telefono squilla gli uccelleti cantano“ (1964/66, 61,5 × 50,5 cm)
wörtlich und/oder sinngemäß zu behaupten,
„Das Werk ist eine Fälschung“,
wenn dies geschieht wie von der Beklagten zwischen dem 22. Oktober 2014 und dem 13. November 2014 gegenüber dem Auktionshaus Sotheby’s geäußert und mit E-Mail vom 13. November 2014 um 11:07 Uhr von der Mitarbeiterin des Auktionshauses Sotheby’s, Frau N. G. v. K., mitgeteilt.
20
Die Beklagte beantragt
Klageabweisung.
21
Die Beklagte trägt vor, dass sie mit erheblicher Wahrscheinlichkeit nicht eine eigene Einschätzung Prof. Crispoltis an Sotheby’s weitergeleitet hätte, sondern Sotheby’s lediglich auf Nachfrage darüber informiert hätte, dass die zuständige Polizeieinheit das Werk für eine Fälschung hielt und das Bild beschlagnahmt hatte.
22
Die Beklagte ist der Ansicht, der Klageantrag sei nicht hinreichend konkretisiert. Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts München I sei nicht gegeben. Sowohl der Handlungsort als auch der Erfolgsort lägen in Italien. Die Beklagte sei einzig in Kontakt mit Sotheby’s Mailand gestanden und habe sich demzufolge auch nur gegenüber dieser auf Italienisch geäußert. Wenn die gegenüber Sotheby’s Mailand getroffene Äußerung später über Sotheby’s München an die Kläger weitergeleitet worden sei, könne dies nicht zulasten der Beklagten einen deutschen Gerichtsstand begründen. Dies habe die Beklagte auch nicht vorhersehen können. Die Beklagte habe keine Informationen über die Person des Eigentümers des Bildes oder ihre Anschrift gehabt. Das klägerische Werk sei ohne die entsprechenden Informationen, insbesondere ohne einen Fragebogen eingeschickt worden. Auf die Übermittlung eines Fragebogens sei seitens der Beklagten bis 2016 bei Einsendungen durch große Auktionshäuser verzichtet worden. Die Beklagte habe auch nicht aus dem vorhandenen Archivmaterial aus den Jahren 1969/1970 darauf schließen müssen, dass die von ihr 2014 getätigte Aussage an deutsche Empfänger gerichtet sein würde. Aus der Person des Eigentümers damals könne nicht auf die Person des aktuellen Eigentümers geschlossen werden.
23
Der Schutzbereich der von der Klagepartei geltend gemachten Rechtspositionen sei schon jeweils nicht betroffen. Bei der streitgegenständlichen Äußerung handele es sich um eine Meinungsäußerung bzw. ein Werturteil. Als Werturteil im Rahmen eines wissenschaftlichen Gutachtens sei die Äußerung vor juristischen Angriffen geschützt. Ein Gutachten verliere seinen Charakter als Werturteil nur dann, wenn es den Anspruch von Wissenschaftlichkeit systematisch verfehlt, insbesondere die der Schlussfolgerung vorausgehende methodische Untersuchung oder die zum Ergebnis führende Anwendung spezieller Kenntnisse und Fähigkeiten nur vorgetäuscht oder grob leichtfertig vorgenommen worden ist. Dies sei hier nicht der Fall.
24
Das streitgegenständliche Bild sei eine Fälschung aus einer als sog. Uccelletti-Reihe bezeichneten Fälschungsserie. Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass die Vorderseite exakt dieselben Schnitte aufweise, die auch die Leinwände aller anderen Ucellettti-Fälschungen zieren. Die Schnitte seien von mangelhafter Qualität und entsprächen nicht der Technik Fontanas. Die Rückseite des streitgegenständlichen Bildes sei exakt identisch mit den Rückseiten der anderen Ucellettti-Fälschungen. Der auf den unteren Teil der Leinwand geschriebene Titel gebe das Bild entsprechend dem Kenntnisstand der Beklagten als Teil der Uccelletti-Fälschungsserie aus. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird insbesondere auf die Schriftsätze vom 12.07.2019, S. 7 ff (Bl. 54 ff d.A.) und vom 10.02.2020, S. 9 ff. (Bl. 145 ff. d.A.) Bezug genommen.
25
Das Gutachten sei lege artis. An der Begutachtung des streitgegenständlichen Bildes habe mit Ausnahme von Maria Villa die gesamte Commissione Artistica einschließlich Prof. Crispolti und Prof. Barbero teilgenommen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird insbesondere auf die Schriftsätze vom 26.03.2020, S. 2 ff (Bl. 166 ff. d.A.), vom 24.06.2020, S. 11 ff. (Bl. 223 ff. d.A.) und vom 25.08.2020 (Bl. 260 ff. d.A.) Bezug genommen.
26
Im Übrigen sei die Äußerung nicht rechtswidrig, da sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen erfolgt sei. Schließlich beruft sich die Beklagte auf Verwirkung.
27
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf sämtliches schriftliches Parteivorbringen nebst aller Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften vom 18.02.2020 und 08.06.2021 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.
28
Die Klage ist unzulässig. Eine internationale Zuständigkeit des hiesigen Gerichts bzw. der deutschen Gerichte nach Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO ist nicht gegeben.
29
Nach Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO ist international zuständig das Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis einer unerlaubten Handlung eingetreten ist oder einzutreten droht. Das schädigende Ereignis ist sowohl am Handlungs- als auch am Erfolgsort eingetreten, wobei der Ort des Geschehens als Handlungsort, der Ort des Schadenseintritts als Erfolgsort bezeichnet wird (BeckOK ZPO/Thode Brüssel Ia-VO Art. 7 Rn. 81 f.).
30
1. Der Handlungsort, der Ort des ursächlichen Geschehens (EuGH, NJW 1977, 493. Rn. 15 ff.) liegt dort, wo die Handlung ganz oder teilweise ausgeführt wurde oder deren Ausführung unmittelbar bevorsteht. Bei Distanzdelikten ist der Ort der Handlungsort, an dem das schädigende Ereignis seinen Ausgang nahm. Bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sowie bei Angriffen auf die Ehre, ist der Handlungsort an dem Ort, an dem die deliktische Handlung vorgenommen worden ist (EuGH, EuZW 1995, 248 Rn. 24; BeckOK ZPO/Thode Brüssel Ia-VO Art. 7 Rn. 84 f.)
31
Da die Beklagte die Begutachtung des streitgegenständlichen Bildes unstreitig in Italien vornahm, dort die Expertise (Anlage K2) verfasste und dort die streitgegenständliche Einschätzung, dass es sich bei dem Bild um eine Fälschung handele, äußerte, ist der Handlungsort Italien.
32
2. Der Erfolgsort liegt dort, wo das geschützte Rechtsgut tatsächlich oder voraussichtlich verletzt wird. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist Erfolgsort der Ort, an dem die schädigenden Auswirkungen des haftungsauslösenden Ereignisses zulasten des Betroffenen eintreten (EuGH, EuZW 1995, 248 Rn. 28). Der Ort der mittelbaren Folgeschäden ist für die Zuständigkeitsbegründung gemäß Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO nicht relevant (EuGH, EuZW 1995, 765 Rn. 14). Der Ort an dem der Schaden lediglich entdeckt wird, begründet ebenso keine Zuständigkeit nach der vorgenannten Vorschrift (EuGH, EuZW 1999, 56 Rn. 26; BeckOK ZPO/Thode Brüssel Ia-VO Art. 7 Rn. 92). Erfolgsort ist nur ein Ort, an dem der Handelnde mit einem Handlungserfolg rechnen musste (MüKoZPO/Gottwald Brüssel Ia-VO Art. 7 Rn. 57). In äußerungsrechtlichen Streitigkeiten ist Erfolgsort der Sitz des Adressaten der streitgegenständlichen Äußerung (BGH, GRUR 2006, 351).
33
Nach diesem Maßstab ist ein Erfolgsort in Deutschland nicht ersichtlich. Ausweislich der Anlagen K 13 und B 2 standen die Kläger allein mit Sotheby’s in München, die Beklagte einzig mit Sotheby’s Mailand in Kontakt. Die Äußerung der Beklagten erfolgte in italienischer Sprache gegenüber Sotheby’s Mailand. Dass die gegenüber Sotheby’s Italien getroffene Äußerung später an die Kläger in Deutschland weitergeleitet wurde, vermag einen deutschen Gerichtsstand nicht zu begründen. Die Beklagte musste nicht damit rechnen, dass ihre Äußerung auch nach Deutschland gelangte.
34
Der Umstand, dass es sich bei Sotheby’s um ein internationales Unternehmen mit Niederlassungen in mehreren Ländern, unter anderem Deutschland, handelt, ändert hieran nichts. Denn für die Begründung der internationalen Zuständigkeit kommt es nicht auf die theoretische Möglichkeit einer Verletzungshandlung aufgrund einer theoretischen Möglichkeit der Weiterleitung der streitgegenständlichen Äußerung an, sondern darauf, dass zum Zeitpunkt der Äußerung Anhaltspunkte bestanden, aufgrund derer die Beklagte davon ausgehen musste, dass ihre Äußerung Adressaten in Deutschland zur Kenntnis gelangen würde. Dies vermochte die Klagepartei jedoch nicht hinreichend darzulegen.
35
Soweit die Kläger die Behauptung der Beklagten, ihr habe in Bezug auf das streitgegenständliche Werk ein Fragebogen unter anderen mit den persönlichen Daten der Eigentümer nicht vorgelegen, mit Nichtwissen bestreiten, ist dieses unbeachtlich, § 138 Abs. 4 ZPO. Das Werk wurde von Sotheby’s im Auftrag der Kläger bei der Beklagten zur Authentifizierung eingereicht. Ob hierbei ein Fragebogen eingereicht wurde oder nicht, ist ein Umstand, den die Kläger durch entsprechende Nachfrage bei Sotheby’s in Erfahrung bringen können bzw. sich diesbezüglich zumindest bemühen müssten. Im Übrigen ist die Klagepartei für Umstände, die die internationale Zuständigkeit des hiesigen Gerichts begründen sollen, darlegungs- und beweisbelastet. Die Kläger behaupten die Einreichung eines Fragebogens im hiesigen Fall aber selbst nicht. Vielmehr tragen sie lediglich vor, dass sie davon ausgegangen seien und darauf vertrauen durften, dass das von ihnen beauftragte Auktionshaus Sotheby’s einen Fragebogen ausgefüllt an die Beklagte übermittelt hat.
36
Dass die Beklagte ihren früheren, möglicherweise anders verstandenen Vortrag im Laufe des hiesigen Rechtsstreits revidierten, vermag hieran nichts zu ändern. Der Beklagten steht es frei, ihren Vortrag zu korrigieren bzw. klarzustellen.
37
Die Beklagte musste auch nicht aus dem vorhandenen Archivmaterial sowie der hieraus ersichtlichen deutschen Provenienz darauf schließen, dass die von ihr 2014 getätigte Aussage an deutsche Empfänger gerichtet sein würde. Wie die Kläger selbst ausführen, stammte dieses Archivmaterial aus den Jahren 1969/1970. Aus der Person des Eigentümers vor mehr als 40 Jahren kann nicht auf die Person des aktuellen Eigentümers geschlossen werden. Über einen Zeitraum von über 40 Jahren sind mehrere Eigentümerwechsel keineswegs ausgeschlossen und finden diese auf dem international ausgerichteten Kunstmarkt regelmäßig auch grenzüberschreitend statt.
II.
38
Die Klage ist darüber hinaus unbegründet.
39
Der Klagepartei steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach §§ 823, 824, 1004 analog BGB nicht zu, da die streitgegenständliche Äußerung – falls sie denn so, wie von der Klagepartei vorgetragen überhaupt gefallen ist, was die Beklagte in Abrede stellt, letztlich aber dahingestellt bleiben kann – weder eine Kreditgefährdung im Sinne von § 824 Abs. 1 BGB darstellt noch die Kläger in ihrem Eigentumsrecht oder Persönlichkeitsrecht nach § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG verletzt.
40
1. Ausgangspunkt ist hierbei zunächst die zutreffende Sinndeutung der streitgegenständlichen Äußerung. Denn diese ist unabdingbare Voraussetzung für die richtige rechtliche Würdigung ihres Aussagegehalts. Ziel der Deutung ist stets, den objektiven Sinngehalt zu ermitteln. Dabei ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden maßgeblich noch das subjektive Verständnis des Betroffenen, sondern das Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Ausgehend vom Wortlaut, der allerdings den Sinn nicht abschließend festlegen kann, sind bei der Deutung der sprachliche Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und die Begleitumstände, unter denen sie fällt, zu berücksichtigen, soweit diese für die Leser, Hörer oder Zuschauer erkennbar sind. Hingegen wird die isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils den Anforderungen an eine zuverlässige Sinnermittlung regelmäßig nicht gerecht (vgl. BVerfGE 93, 266, 295; BGH VersR 1997, 842, 843 m.w.N.; VersR 2004, 343, 344). (BGH, Urteil vom 22. November 2005 – VI ZR 204/04 –, Rn. 14, juris).
41
Danach ist die streitgegenständliche Äußerung, das Bild sei eine Fälschung, dahingehend zu verstehen, dass dieses nicht von Lucio Fontana angefertigt wurde.
42
2. Entgegen der Ansicht der Klagepartei handelt es sich bei der streitgegenständlichen Äußerung nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um eine Schlussfolgerung aus einer kunstwissenschaftlichen Begutachtung, die als Werturteil zu qualifizieren ist.
43
Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert. Demgegenüber werden Werturteile und Meinungsäußerungen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt. Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist danach, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit Mitteln des Beweises zugänglich ist. Das scheidet bei Werturteilen und Meinungsäußerungen aus, weil sie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet sind und sich deshalb nicht als wahr und unwahr erweisen lassen (BGH, Urteil vom 01.03.2016, VI ZR 34/15).
44
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können Sachverständigengutachten sowohl Tatsachenbehauptungen als auch Werturteile enthalten. Gleichwohl ist rechtlich in der Regel der Schluss, den der Sachverständige aus seinem Gutachten zieht, ein Werturteil und nicht die Behauptung einer Tatsache. Denn es liegt im Wesen des Gutachtens, dass es auf der Grundlage bestimmter Verfahrensweisen zu einem Urteil kommen will, dass, selbst wenn es äußerlich als Tatsachenbehauptung formuliert worden ist, auf Wertungen beruht (BGH, Urteil vom 23.02.1999 – VI ZR 140/98; BGH, Urteil vom 18.10.1977 – VI ZR 171/76). Mit dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung lässt es sich aber nicht vereinbaren, den Verfasser eines solchen Gutachtens zum Widerruf dieser seiner subjektiven, auf seinen speziellen Kenntnissen, Erfahrungen und Untersuchungen beruhenden Überzeugung zu zwingen (BGH, Urteil vom 18.10.1977 – VI ZR 171/76).
45
Gleiches gilt für wissenschaftliche Stellungnahmen. Ebenso wie ein Sachverständiger die Existenz einer Tatsache, über die er aufgrund seiner Untersuchungen und Überlegungen Gewissheit erlangt zu haben meint, im Ergebnis uneingeschränkt behaupten wird und hiermit in der Regel ein Werturteil äußert, handelt es sich auch bei wissenschaftlichen Stellungnahmen in der Regel um Meinungsäußerungen bzw. Wertungen. Dem steht nicht entgegen, dass eine solche Behauptung im Einzelfall auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden kann, nämlich durch Verwendung besserer Erkenntnismittel oder die Aufdeckung von Irrtümern bei den dem Ergebnis vorangehenden Untersuchungen. Dies folgt unmittelbar aus der prinzipiellen Unabgeschlossenheit jeglicher wissenschaftlichen Erkenntnis (BGH, Urteil vom 02.07.2019 – VI ZR 494/17).
46
Gemessen daran, handelt es sich bei der streitgegenständlichen Äußerung, dass es sich bei dem Bild um eine Fälschung handele, um die auf ihrer kunstsachverständigen Einschätzung beruhende subjektive Meinung und Bewertung der Beklagten und ihrer Commissione Artistica (zur Einordnung einer Bezeichnung eines Kunstwerks als nicht echt vgl. auch LG Köln, Urteil vom 25.02.2013 – 24 O 374/12 und LG Berlin, Urteil vom 17.08.2006 – 23 O 201/06). Dies ergibt sich für den verständigen Empfänger der Äußerung bereits daraus, dass der Künstler Lucio Fontana nicht mehr lebt und daher seine Urheberschaft betreffend ihm zugeschriebener Werke weder bestätigen noch negieren kann. Sämtliche Versuche, die Authentizität eines Werkes des verstorbenen Künstlers festzustellen, erschöpfen sich daher von vornherein auf die Sammlung und Bewertung von Indizien, die Rückschlüsse auf die Echtheit bzw. Unechtheit eines ihm zugeschriebenen Werkes ermöglichen, wie z.B. typische Charakteristika, die Provenienz etc. Dass es sich bei dem Ergebnis dieser Untersuchungen und Bewertungen stets um subjektive Schlussfolgerungen des das Bild Begutachtenden handelt, liegt für jeden erkennbar auf der Hand. Insofern ist die von der Klagepartei angeführte Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 29.06.2011 – I-15 U 195/08, in der es um die Aussage eines Künstlers bezüglich seines eigenen Werkes ging, auf den hiesigen Fall nicht übertragbar. Auch die von der Klagepartei zitierte Entscheidung des OLG Frankfurt vom 28.11.1990 – 6 W 98/90 ist auf den hiesigen Fall nicht übertragbar da es in der dortigen Entscheidung nicht um ein Kunstwerk, sondern um ein Industrieprodukt mit standardisierten Produkteigenschaften ging.
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An der Beurteilung, dass es sich vorliegend nicht um Tatsachenbehauptungen, sondern um Wertungen handelt, ändert auch der Einwand der Klagepartei, das Gutachten der Beklagten sei nicht lege artis erfolgt bzw. die Begutachtenspraxis der Beklagten weiche erheblich vom Branchenstandard ab, nichts. Denn dies würde im Ergebnis nichts daran ändern, dass der Autor, der eine Untersuchung vorlegt und deren Ergebnisse darstellt, nur seine subjektive Wahrnehmung und das daraus gewonnene Urteil wiedergibt. Dem Wesen nach handelt es sich dann um die Kundgebung seiner subjektiven, gutachterlichen Überzeugung, die zwar angefochten und bestritten werden kann, auch unter dem Vorbehalt des Irrtums steht, aber immer ihrer Zielrichtung nach Wertung ist und von dem Empfänger auch so verstanden wird (BGH, Urteil vom 02.07.2019 – VI ZR 494/17).
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Auch aus der von der Beklagten in Anspruch genommenen Monopolstellung und deren Alleinstellungsmerkmal für die Authentifizierung von Werken des Künstlers Lucio Fontana auf dem Kunstmarkt folgt nichts anderes. Denn dies vermag zwar Äußerungen der Beklagten zur Authentizität von (vermeintlichen) Werken Fontanas ein besonderes Gewicht auf dem Kunstmarkt verleihen, ändert aber nichts daran, dass es sich bei ihrer Stellungnahme – wie bei Sachverständigen auf anderen Gebieten auch, denen aufgrund ihrer besonderen Sachkunde und Erfahrung besonderes Gewicht beigemessen wird – um eine subjektive Bewertung handelt.
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3. Da vorliegend schon keine Tatsachenbehauptung vorliegt, scheidet ein Anspruch aus § 824 BGB bereits aus diesem Grunde aus. Ob die streitgegenständliche Äußerung den Schutzbereich des Eigentums- bzw. allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Kläger berührt bzw. geeignet ist, das Eigentumsrecht der Kläger bzw. ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht zu verletzen, muss vorliegend nicht entschieden werden. Denn der Eingriff in die vorgenannten Rechte ist jedenfalls nicht rechtswidrig.
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Wegen der Eigenart des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als Rahmenrecht liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. Senatsurteile vom 29. April 2014 – VI ZR 137/13, AfP 2014, 325 Rn. 8; vom 17. Dezember 2013 – VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 22; vom 30. September 2014 – VI ZR 490/12, AfP 2014, 534, 536). In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind verschiedene Kriterien entwickelt worden, die Leitlinien für den konkreten Abwägungsvorgang vorgeben (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2014 – VI ZR 39/14, AfP 2015, 41 Rn. 21 m.w.N.). Danach fällt bei Tatsachenbehauptungen bei der Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen ihr Wahrheitsgehalt ins Gewicht. Denn an der Aufrechterhaltung und Weiterverbreitung herabsetzender Tatsachenbehauptungen, die unwahr sind, besteht unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Interesse (BVerfG, NJW 2012, 1643 Rn. 33; NJW 2013, 217, 218). Wahre Tatsachenbehauptungen müssen dagegen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind (vgl. Senatsurteile vom 30. Oktober 2012 – VI ZR 4/12, AfP 2013, 50 Rn. 12 m.w.N.; vom 16. Dezember 2014 – VI ZR 39/14, AfP 2015, 41 Rn. 21; BVerfG, NJW 2012, 1643 Rn. 33). Bei Werturteilen ist maßgebend, ob sie als Schmähung, Formalbeleidigung oder Verletzung der Menschenwürde anzusehen und deshalb zu unterlassen sind oder, wenn dies zu verneinen ist, ob sie im Rahmen einer Abwägung dem Persönlichkeitsschutz vorgehen (vgl. BVerfGE 90, 241 [248 f.]; BVerfGE 93, 266 [293 f.]).
51
Vorstehendes gilt entsprechend in Bezug auf das Eigentumsrecht der Kläger, wenn wie hier eine Beeinträchtigung der Eigentumspositionen durch Äußerungen geltend gemacht wird.
52
Danach überwiegt hier das Recht auf Meinungsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 GG, sowie die Wissenschaftsfreiheit, Art. 5 Abs. 3 GG, der Beklagten das grundrechtlich verbürgte Interesse der Kläger am Schutz ihrer Persönlichkeit bzw. ihres Eigentums.
53
a) Im Rahmen der gebotenen Abwägung der grundrechtlich geschützten Positionen war insbesondere zu berücksichtigen, dass sich die Äußerung als Bewertung im Rahmen einer kunstwissenschaftlichen Begutachtung des streitgegenständlichen Bilds durch die Beklagte bzw. ihre Commissione Artistica darstellt, die auf hinreichender wissenschaftlicher Grundlage erfolgt ist (vgl. hierzu näher nachfolgend). Zudem war in die Abwägung einzustellen, dass an dem Aufzeigen von vermeintlichen Fälschungen des Werks des Künstlers Fontana ein berechtigtes Interesse der Beklagten als Verwalterin des künstlerischen Nachlasses Fontanas besteht und die streitgegenständliche Äußerung erkennbar mit dem Zweck erfolgte, das künstlerische Schaffen Fontanas sowie den Kunstmarkt vor vermeintlichen Fälschungen zu schützen. Ebenfalls war zu berücksichtigen, dass die streitgegenständliche Äußerung die Klagepartei im Wesentlichen mittelbar beeinträchtigt. Die gerügte Äußerung bezieht sich allein auf das streitgegenständliche Werk und trifft keine Aussage zur Person der Kläger. Die Namen und die Person der Kläger werden weder genannt, noch sind sie aus der Äußerung erkennbar oder in sonstiger Weise herleitbar. Vielmehr wird allein das in ihrem Eigentum stehende Bild kritisch beleuchtet. Ein ihr Persönlichkeitsrecht beeinträchtigender Vorwurf, etwa sie würden wissentlich gefälschte Werke Fontanas auf den Markt bringen, ist hiermit nicht verbunden. Zudem erfolgte die Äußerung nicht öffentlich, sondern im Rahmen einer von den Klägern selbst initiierten Authentifizierungsanfrage. Gleiches gilt in Bezug auf ihr Eigentumsrecht an dem Bild. Das Eigentumsrecht der Kläger an dem Bild als solches wird durch die Äußerung nicht in Abrede gestellt oder in sonstiger Weise unmittelbar beeinträchtigt. Vielmehr werden in erster Linie die Vermögensinteressen der Kläger berührt, da – was das Gericht nicht verkennt – das streitgegenständliche Bild durch die Bewertung der Beklagten als Fälschung sowie des in der Folge auf der Rückseite des Bildes angebrachten Fälschungsvermerks auf dem Kunstmarkt praktisch unverkäuflich und damit in seinem Wert ganz erheblich gemindert ist. Insbesondere Letzteres streitet in der vorzunehmenden Abwägung für die Kläger, wobei das Gericht auch die übrigen von der Klagepartei insbesondere im Schriftsatz vom 22.10.2019, S. 44 ff. (Bl. 129 ff d.A.) vorgebrachten Aspekte durchaus Beachtung schenkt.
54
b) Der Einwand der Klagepartei, dass das Gutachten der Beklagten nicht lege artis erfolgt sei, die Beklagte insbesondere wesentliche für die Echtheit des streitgegenständlichen Bildes maßgebliche Umstände verkannt bzw. unberücksichtigt gelassen habe, greift ebenso wenig durch wie der Einwand, die Begutachtenspraxis der Beklagten weiche erheblich vom Branchenstandard ab, das Gutachten sei unzulänglich bzw. die Beklagte habe die ihre obliegenden Sorgfaltspflichten nicht eingehalten.
55
aa) Dabei ist zu berücksichtigen, dass jedem wissenschaftlichen Forschungsprozess ein erheblicher Freiraum inhärent ist, in den vor allem die auf wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beruhenden Abläufe, Verhaltensweisen und Entscheidungen bei dem Auffinden von Erkenntnissen, ihrer Deutung und Weitergabe fallen. Dieser Freiraum erstreckt sich auf jede wissenschaftliche Tätigkeit, d.h. auf alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist. Dies folgt unmittelbar aus der prinzipiellen Unabgeschlossenheit jeglicher wissenschaftlichen Erkenntnis. Der Begriff der Wissenschaft umfasst daher auch Mindermeinungen sowie Forschungsansätze und -ergebnisse, die sich als irrig oder fehlerhaft erweisen. Gleiches gilt für unorthodoxes oder intuitives Vorgehen. Dem Bereich der Wissenschaft ist ein Werk erst dann entzogen, wenn es den Anspruch von Wissenschaftlichkeit nicht nur im Einzelnen oder nach der Definition bestimmter Schulen, sondern systematisch verfehlt. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn es nicht auf Wahrheitserkenntnis gerichtet ist, sondern vorgefasste Meinungen oder Ergebnissen lediglich den Anschein wissenschaftlicher Gewinnung oder Nachweisbarkeit verleiht, wofür die systematische Ausblendung von Fakten, Quellen, Ansichten und Ergebnissen, die die Auffassung des Autors infrage stellen, ein Indiz sein kann. Die Wissenschaftlichkeit kann einem Werk aber nicht schon abgesprochen werden, weil es Einseitigkeiten und Lücken aufweist oder gegenteilige Auffassungen unzureichend berücksichtigt (BGH, Urteil vom 02.07.2019 – VI ZR 494/17).
56
Anhaltspunkte dafür, dass die Begutachtung des streitgegenständlichen Bildes durch die Beklagte bzw. ihre Commissione Artistica insgesamt bzw. bezüglich der hieraus gezogenen Schlussfolgerung, das streitgegenständliche Bild sei eine Fälschung, den Anspruch von Wissenschaftlichkeit systematisch verfehlt habe, sind auch unter Berücksichtigung des klägerischen Vorbringens nicht ersichtlich.
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bb) Daran vermögen Form und Inhalt der schriftlichen Expertise des Prof. Crispolti (Anlage K 2) nichts zu ändern. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass es sich bei der streitgegenständlichen handschriftlichen Expertise (Anlage K 2) erkennbar um eine kurze Zusammenfassung der aus Sicht der Commissione Artistica maßgeblichen Umstände, die für die Unechtheit des streitgegenständlichen Bildes sprechen, handelt. Dies wird für jeden Leser der Anlage K 2 bereits daraus ersichtlich, dass es sich um knappe handschriftliche Aufzeichnungen ohne Briefkopf und ohne weitere Ausführungen zum betroffenen Bild handelt. Diese sind damit erkennbar darauf gerichtet, lediglich einen kurzen Überblick über die maßgeblichen Gründe für die Einschätzung der Beklagten und ihrer Commissione Artistica, es handele sich bei dem Bild um eine Fälschung, zu geben. Aus der handschriftlichen Expertise (Anlage K 2) kann dagegen nicht abgeleitet werden, dass bei der Begutachtung des Bildes nicht mit der gebotenen Sorgfalt gearbeitet wurde. Wie eingehend und genau das Werturteil begründet ist, ist für die Anwendbarkeit von Art. 5 Abs. 1 GG unerheblich (vgl. BVerfGE 65, 1, 41). Zudem hat die Beklagte die Kürze der schriftlichen Begründung ihrer Einschätzungen damit erklärt, dass dies dem Schutz des Werkes Fontanas vor Fälschungen diene, da mit jeder neuen, ausführlich begründeten Negativeinschätzung Fälscher weitere Merkmale identifizieren könnten, mit deren Verwendung oder Nichtverwendung sie ihre Fälschung noch echter wirken lassen könnten. Dies würde die Arbeit der Commissione Artistica langfristig erheblich erschweren. Dies erscheint dem Gericht durchaus nachvollziehbar.
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cc) Die Beklagte hat begründet, warum sie davon ausgeht, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Bild um eine Fälschung aus der sog. Uccelletti-Serie handelt. Dabei hat sie insbesondere auf die mangelhafte Qualität der Schnitte, die nicht deutlich und tief genug gingen und das gesamte Werk optisch zu flach erscheinen ließen und den Vergleich mit weiteren, der Beklagten bekannten Fälschungen aus dieser Serie, insbesondere die identische Gestaltung der Rückseite des klägerischen Bildes mit anderen Ucelletti-Fälschungen und dem auf den unteren Teil der Leinwand geschriebenen Titel abgestellt.
59
Zudem hat die Beklagte im Rahmen dieses Rechtsstreits eingehend begründet, warum sie auch unter Berücksichtigung des klägerischen Vorbringens weiterhin von der Unechtheit des streitgegenständlichen Bildes ausgeht.
60
Soweit die Kläger auf die Provinienz des streitgegenständlichen Bildes verweisen, hat die Beklagte unter anderem ausgeführt, dass weder über die Galerie F. noch die Galerie V. eine unmittelbare Verbindung zu Lucio Fontana hergestellt werden könne, so dass allein aus dem früheren Besitz dieser Galerien nicht auf die Authentizität geschlossen werden könne. Hinsichtlich der von der Klagepartei vorgelegten Echtheitsbestätigung durch den Galeristen F. in seinem Schreiben vom 11.07.1970 (Anlage K 10) ist zu berücksichtigen, dass dieser ein erhebliches Eigeninteresse daran hatte, Zweifel an der Echtheit des streitgegenständlichen Bildes zu zerstreuen, da er sich andernfalls kaufrechtlichen Regressansprüchen des Vaters der Kläger ausgesetzt gesehen hätte.
61
Hinsichtlich des von der Klagepartei angeführten weiteren Werks, eines über das Auktionshaus Christie’s in London versteigerten sowie in der Cardi Gallery in London ausgestellten Werkes, bei dem es sich um eine Nachahmungsfälschung, eingetragen im Werksverzeichnis unter der Nr. 64 T 104 handele, verweist die Beklagte auf den Umstand, dass eine ganze Reihe zum Verwechseln ähnlich aussehender Bilder, nämlich die aus der Uccelletti-Fälschungsserie stammenden Bilder existiere. Aus einer von der Klagepartei angeführten vermeintlichen Unechtheit des im Werksverzeichnis unter der Nr. 64 T 104 geführten Werkes könne nicht auf die vermeintliche Echtheit des klägerischen Bildes geschlossen werden. Zudem habe der Künstler Lucio Fontana das im Werksverzeichnis unter der Nr. 64 T 104 eingetragene Werk persönlich mit dem Schriftzug „il quadro é autentico“ authentifiziert. Sämtliche sich auf der Rückseite dieses Werks befindliche Schriftzüge seien durch ein vor Aufnahme in das Werksverzeichnis eingeholte Gutachten eines Schriftsachverständigen als von der Hand Lucio Fontanas stammend beurteilt worden (Anlage B 13).
62
Der von der Klagepartei vorgetragenen Einschätzung des klägerischen Bildes als echt durch die Mitarbeiterinnen von Sothebys und des künstlerischen Mitarbeiters Fontanas, H. T., hält die Beklagte entgegen, dass es sich bei den Mitarbeiterinnen von Sotheby’s nicht um ausgewiesene Experten für die Kunst Fontanas handele und diese zudem keine Kenntnisse über die Historie der Uccelletti-Fälschungsserie hätten. Eine Einschätzung des H. T. (Anlage K 23), so er sie denn tatsächlich so getroffen habe, kranke daran, dass er das streitgegenständliche Bild unstreitig zu keinem Zeitpunkt in natura besichtigt hat.
63
Hinsichtlich der Einschätzungen des Herrn B2. und Herrn W. verweist die Beklagte darauf, dass von der Klagepartei nicht dargelegt werde, in welcher Form die Herren das Bild begutachtet haben und womit sie ihre Annahme als echt begründen. Zudem sei ihre Erfahrung nicht im Ansatz vergleichbar mit der Erfahrung der Mitglieder der Commissione Artistica hinsichtlich der Begutachtung von Fontana-Werken. Auch wenn die Klagepartei diesbezüglich unter anderem mit Schriftsatz vom 22.10.2019 weiter vorgetragen hat, ändert dies nichts daran, dass es sich bei den vorgenannten Einschätzungen letztlich wie auch die Einschätzung der Beklagten bzw. ihrer Commissione Artistica um subjektive Wertungen, wenn auch mit einem anderen Ergebnis, handelt. Dass die Bewertung der Beklagten unzutreffend ist, folgt hieraus gerade nicht.
64
Bezüglich der wissenschaftlichen Untersuchungen der Farbpigmente durch zwei unabhängige Gutachter (Anlagen K 24 und K 25) verweist die Beklagte unter anderem darauf, dass das streitgegenständliche Bild höchstwahrscheinlich schon zu Lebzeiten Fontanas angefertigt wurde, und der Fälscher der Uccelletti-Serie womöglich aus dem Umfeld des Künstlers Lucio Fontana stamme, es sich möglicherweise sogar um dessen Halbbruder gehandelt habe, so dass der Fälscher womöglich die Farbe aus dem Atelier Lucio Fontanas entwendet habe. Zudem liefern die vorgenannten Gutachten kein eindeutiges Ergebnis. So schreibt Dr. J. in seinem Gutachten vom 09.05.2017 (Anlage K 24) lediglich, dass „die in der Probe nachgewiesene Materialien nicht gegen eine Zuordnung des Objekts zu Lucio Fontana“ sprechen würden. Auch Professor Dr. K2. hält es nach seinem Gutachten vom 03.07.2017 (Anlage K 25) lediglich „für durchaus möglich, dass das Gemälde aus dem Atelier Fontanas stammt“.
65
Zu dem von der Klagepartei vorgelegten Gutachten des Schriftsachverständigen S. (Anlage K 22) betreffend die Signatur und der rückseitigen Schrift des streitgegenständlichen Bildes weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass nach den Ausführungen des Gutachters die Vergleichsproben keine optimalen Voraussetzungen zur Erhebung grafischer Befunde liefern würden. Sofern der Gutachter dennoch zu der Einschätzung gelangt, dass eine der ihm vorgelegten Schreibleistungen nicht als authentisch, sondern als Pausfälschung anzusehen sei, stütze dies vielmehr die Ansicht der Beklagten, dass es sich bei dem klägerischen Bild um ein solches aus der Reihe der Uccelletti-Fälschungen handele. Ganz offensichtlich habe es eine Vorlage gegen gegeben, von der alle Fontana-Unterschriften der Uccelletti-Bilder abgepaust wurden.
66
Bezüglich der von den Klägern angeführten Übereinstimmungen mit authentischen Werken bzw. typische Charakteristika wie z.B. der innovative Werktitel und die Farbnasen und Kieselsteine auf der Rückseite des Bildes, verweist die Beklagte darauf, dass – sofern man aus diesen Aspekten überhaupt etwas herleiten könne, was bezüglich der Farbnasen und Kieselsteine gerade nicht der Fall sei – sich der Fälscher mit Fontanes Werksverständnis offensichtlich gut ausgekannt habe, diese eine Echtheit des streitgegenständlichen Werks jedoch nicht beweisen könnten.
67
Auf die Ausführungen der Beklagten in den Schriftsätzen vom 12.07.2019, S. 7 ff (Bl. 54 ff d.A.) und vom 10.02.2020, S. 9 ff. (Bl. 145 ff. d.A.) wird Bezug genommen.
68
dd) Soweit die Kläger vortragen, das Gutachten der Beklagten sei nicht lege artis, weil die Beklagte insbesondere wesentliche Unterschiede zu Ucelletti-Fälschungen (Abweichungen der Rückseiten, insbesondere Stempel zweier renommierter Galerien, Abweichungen im Schriftverlauf, Abweichungen bei der Datierung, Konsistenz des Farbauftrags) sowie den Umstand, dass die Schnittführung im Duktus und in der Tiefe der Schnittführung authentischer Schlitzbilder, insbesondere des Bilds 64 T 136, entspreche, verkannt sowie die Provenienz des Bildes und wesentliche Erkenntnisse aus den Archivmaterialien unter anderem auch zur Rückseite des Bilds 64 T 136 unberücksichtigt gelassen habe, dringt sie hiermit ebenfalls nicht durch. Insoweit kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden.
69
Sofern die Klagepartei behauptet, die Besetzung der Commissione Artistica sei nicht vollständig gewesen und insbesondere bestreitet, dass Prof. Crispolti und Prof. Barbero das Werk im Original begutachtet haben bzw. an der Begutachtung teilgenommen haben, vermag auch dies ein anderes Ergebnis nicht zu rechtfertigen. Die Besetzung der Commissione Artistica einschließlich Prof. Crispolti und Prof. Barbero steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund des als Anlage B 33 vorgelegten Sitzungsprotokolls vom 22.10.2014 fest. Dieses wurde unter anderem sowohl von Prof. Crispolti als auch von Prof. Barbero unterzeichnet. Dass die Unterschriften Letzterer nicht mit einem blauen, sondern einem schwarzen Stift erfolgt sind und zwischen den Unterschriften der übrigen Mitglieder platziert sind, spricht nicht gegen deren persönlichen Teilnahme an der Begutachtung. Das Gericht vermag die Auffassung der Klagepartei, dass die Unterschriften der beiden Professoren auffällig eng zwischen den übrigen Unterschriften platziert seien, nicht zu folgen. Zudem erscheint es ganz und gar nicht ungewöhnlich, dass verschiedene Personen mit verschiedenen Stiften unterschreiben. Allein die Tatsache, dass Prof. Crispolti im Sitzungsprotokoll als externer Berater bezeichnet ist, vermag dessen Beteiligung an der Begutachtung des Bildes ebenfalls nicht in Frage zu stellen. Vielmehr bezieht sich diese Bezeichnung nach dem Vortrag der Beklagten auf seine Rolle innerhalb der Commissione Artistica als kunstwissenschaftlicher Experte. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die handschriftliche Expertise (Anlage K 2) diesen als Verfasser ausweist.
70
Bezüglich der übrigen von der Klagepartei angeführten Aspekte hat die Beklagte ausführlich begründet, warum diese aus ihrer Sicht nicht für die Echtheit des streitgegenständlichen Bildes sprechen und insoweit keine anderweitige Bewertung rechtfertigen. Auf die vorgenannten Ausführungen sowie auf die Ausführungen in den Schriftsätzen der Beklagten insbesondere vom 26.03.2020, S. 2 ff (Bl. 166 ff. d.A.), vom 24.06.2020, S. 11 ff. (Bl. 223 ff. d.A.) und vom 25.08.2020 (Bl. 260 ff. d.A.) wird Bezug genommen.
71
ee) Dabei liegt der streitgegenständlichen Bewertung der Beklagten eine jedenfalls vertretbare Würdigung der inmitten stehenden Aspekte zu Grunde. Etwas anderes ist auch unter Berücksichtigung des klägerischen Vorbringens nicht ersichtlich. Letztlich handelt es sich bei den von der Klagepartei erhobenen Einwände gegen die Bewertung der Beklagten und die von ihr vorgetragenen, aus ihrer Sicht für die Echtheit des streitgegenständlichen Werks streitenden Umstände um eine Interpretation und Bewertung von Indizien. Dies wird unter anderem daraus deutlich, dass zwischen den Parteien unter anderem in Streit steht, welche Aspekte für die Frage der Authentizität des streitgegenständlichen Bildes und aus welchen Gründen als relevant einzustufen sind oder nicht. Dies gilt etwa für den Vortrag zu Farbnasen, Kieselsteine und Galeriestempel auf der Rückseite des Bildes.
72
Die Auswahl, Interpretation und Bewertung von Quellen und Indizien ist jedoch Inbegriff des (kunst)wissenschaftlichen Forschungsprozesses, bei dem die grundsätzlich verbürgte Wissenschaftsfreiheit einen erheblichen Freiraum gewährt, der auch Missinterpretationen und Irrtümer deckt, solange der wissenschaftlichen Tätigkeit nach ihrem Inhalt und ihrer Form ein ernsthafter planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit zugrunde liegt. An Letzterem hat das Gericht auch unter Berücksichtigung des klägerischen Vorbringens keinen Zweifel. Insgesamt bestehen nach den vorgenannten Ausführungen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte systematisch Fakten, Quellen, Ansichten und Ergebnisse, die ihre Auffassung infrage stellen, ausgeblendet hätte.
73
Allein die Tatsache, das die Klagepartei für ihr streitiges, tatsächliches Vorbringen umfänglich Beweis, unter anderem durch Sachverständigengutachten angeboten hat, zeigt dass die Unrichtigkeit der Bewertung der Beklagten nicht ohne weitere Erforschung offen zutage tritt. Letztlich handelt es sich bei dem klägerischen Vorbringen um eigene Schlussfolgerungen der Klagepartei. Diese kann sie den Aussagen der Beklagten selbstverständlich entgegenhalten. Eine Änderung der subjektiven Wertung der Beklagten kann sie aber nicht erzwingen.
II.
74
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
III.
75
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO und entspricht dem mitgeteilten wirtschaftlichen Interesse der Klagepartei an der begehrten Unterlassung.