Titel:
Zulässige Datenverarbeitung durch Nennung des Familiennamens einer dritten Person in psychiatrischem Gutachten für sozialgerichtliches Verfahren
Normenketten:
DS-GVO Art. 2, Art. 4 Nr. 1 u. 2, Art. 9 Abs. 1 u. 2 lit. f
BGB § 823 Abs. 2, § 1004 Abs. 1 S. 2
Leitsatz:
Im Rahmen einer sozialgerichtlich beauftragten nervenärztlichen Begutachtung ist es in den überwiegenden Fällen wegen des Zwecks und für den Beweiswert erforderlich, dass Informationen über Dritte, die die begutachtete Person preisgibt, und über die Beziehung zu dieser Person sowie auch der geschilderte Familienname dieser Person in das Gutachten Einzug finden. (Rn. 28 – 38) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schmerzensgeld, Gutachten, Rechtsanwaltskosten, Unterlassung, Gerichtsbescheid, Streitwert, Sperrwirkung, Zustimmung, Offenbarung, Daten, Klage, Verpflichtung, Anspruch, Sicherheitsleistung, personenbezogene Daten, Kosten des Rechtsstreits, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten
Rechtsmittelinstanzen:
OLG Nürnberg, Beschluss vom 11.01.2023 – 6 U 4661/21
OLG Nürnberg, Beschluss vom 06.03.2023 – 6 U 4661/21
Fundstelle:
GRUR-RS 2021, 63136
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 25.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt Unterlassung und Schmerzensgeld wegen Namensnennung in einem vom Beklagten erstellten gerichtlichen Gutachten.
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Der Beklagte ist Nervenarzt und Facharzt für Psychosomatische Medizin. In dieser Funktion erstellte er, nach Beweisbeschluss des Sozialgerichts Regensburg (Az. S 13 VG 14/18), ein Gutachten auf nervenärztlichem und psychosomatischem Fachgebiet. Dieses übersendete er am 02.09.2020 an das Sozialgericht. In diesem Gutachten erwähnte der Beklagte, aufgrund von Angaben der Begutachteten im dortigen Prozess, die hiesige Klägerin an zwei Stellen unter Nennung ihres Nachnamens. Es handelt sich dabei um folgende Passagen auf S. 48 und 51 des Gutachtens:
„Damals habe ihre Freundin, Frau O., Zucker bekommen.“
„Sie habe seit 27 Jahren, seit ihrem 19. Lebensjahr, eine Freundin, die Frau O..“
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Das Gutachten erwähnte dabei Schilderungen der Begutachteten über ihre Beziehung zur Klägerin und über Details aus dem Leben der Klägerin. Die Klägerin trat an den Beklagten und das Sozialgericht heran und gab an, dass es sich bei der im Gutachten erwähnten Person um sie handle.
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Die Klägerin behauptet, dass ein unüberschaubarer Personenkreis von dem Gutachten Kenntnis erlange und sie durch die Nennung ihres Nachnamens und intimer Details aus ihrem Leben identifizierbar sei. Ihr Nachname sei nicht sehr geläufig. Daher lebe sie, seit sie von dem betreffenden Gutachten erfahren hat, in ständiger Angst erkannt zu werden. Dies habe erheblichen negativen Einfluss auf ihr Leben. Die Nennung des Nachnamens sei nicht notwendig gewesen.
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Die Klägerin meint, es handle sich bei den Erwähnungen im Gutachten um personenbezogene Daten und dass sie durch Nennung ihres Nachnamens erheblich in ihren Rechten verletzt sei. Der Beklagte habe den Datenminimierungsgrundsatz und den besonderen Schutz der Daten nach Art. 9 DSGVO nicht beachtet.
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Mit Zustimmung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 02.11.2021 und des Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom 20.10.2021 hat das Gericht im schriftlichen Verfahren entschieden.
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Die Klägerin beantragte,
I. Dem Beklagten wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, wegen jeder Zuwiderhandlung untersagt den vollen Nachnahmen der Klägerin in dem Gutachten nach Beweisanordnung des Sozialgerichts Regensburg vom 09.06.2020 Az. S 13 VG 14/18 wiederzugeben.
II. Der Beklagte wird verpflichtet bereits herausgegebene Gutachten wieder einzuholen und/oder eine Verpflichtung zur Pseudonymisierung des Namens der Klägerin auszusprechen, insbesondere im Hinblick auf das dem Sozialgericht Regensburg im Verfahren mit dem Aktenzeichen S 13 VG 14/18 eingereichtem Gutachten.
III. Der Beklagte wird verurteilt, ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens jedoch in Höhe von 5.000,00 €, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, zu zahlen
IV. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.375,88 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, zzgl. 5% Zinsen über den Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit, zu zahlen.
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Der Beklagte beantragte,
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Der Beklagte meint, dass die Angabe des Nachnamens bereits keine personenbezogenen Daten im Sinne von Art. 4 DSGVO darstellen würde. Zudem habe die Klägerin durch ihr Schreiben vom 12.02.2021 an das Sozialgericht Regensburg selbst ihre Identifizierung ermöglicht.
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Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst den jeweiligen Anlagen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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I. Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1 i. V. m. 1004 Abs. 1 S. 2 BGB i.V. m. Art. 9 DSGVO zu.
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Ob einem solchen Anspruch die Sperrwirkung des Art. 79 DSGVO entgegensteht (so VG Regensburg, Gerichtsbescheid v. 06.08.2020 – RN 9 K 19.1061; a.A. LG Frankfurt a. M., Beschluss v. 15.10.2020 – 2-03 O 356/20 m. w. N.) kann vorliegend dahinstehen, da jedenfalls keine unrechtmäßige Verarbeitung personenbezogener Daten vorliegt.
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1. Es handelt sich vorliegend um personenbezogene Daten im Sinne des Art. 9 Abs. 1 DSGVO.
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a) Nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO sind „personenbezogene Daten“ alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Als identifizierbar wird danach eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen identifiziert werden kann.
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Dies ergibt sich aus Erwägungsgrund 26 der DSGVO, der folgendes statuiert: „Um festzustellen, ob eine natürliche Person identifizierbar ist, sollten alle Mittel berücksichtigt werden, die von dem Verantwortlichen oder einer anderen Person nach allgemeinem Ermessen wahrscheinlich genutzt werden, um die natürliche Person direkt oder indirekt zu identifizieren, wie beispielsweise das Aussondern. Bei der Feststellung, ob Mittel nach allgemeinem Ermessen wahrscheinlich zur Identifizierung der natürlichen Person genutzt werden, sollten alle objektiven Faktoren, wie die Kosten der Identifizierung und der dafür erforderliche Zeitaufwand, herangezogen werden, wobei die zum Zeitpunkt der Verarbeitung verfügbare Technologie und technologische Entwicklungen zu berücksichtigen sind.“
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Die Nennung des Nachnamens der Klägerin in Verbindung mit den erwähnten Details wie der Religionszugehörigkeit und der Verbindung zur Begutachteten sprechen für eine Identifizierbarkeit. Für den Beklagten oder eine andere Person ist jedoch allein die Nennung des Nachnamens der Klägerin noch nicht ausreichend, um eine konkrete Zuordnung zu einer, dann identifizierten, Person vornehmen zu können. Vielmehr bedarf es, aufgrund der wenigen Angaben im Gutachten, eines Ausforschungsaufwandes, bei dem das Umfeld der Begutachteten nach der Klägerin „abgesucht“ werden müsste. Ob ein solcher Aufwand betrieben wird bzw. in Anlehnung an Erwägungsgrund 26 eine Identifizierung wahrscheinlich ist und auf wessen Wissen für eine Identifizierbarkeit abgestellt werden muss, kann jedoch vorliegend dahinstehen, da es sich, nach Offenbarung der Klägerin gegenüber dem Beklagten, im Gutachten unstreitig um diese handelt und sie damit identifiziert ist (so im Ergebnis auch OLG Düsseldorf Beschluss vom 16.2.2021 – 16 U 269/20, BeckRS 2021, 18726).
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b) Die im Gutachten erwähnten Daten sind solche im Sinne des Art. 9 Abs. 1 DSGVO, da aus ihnen religiöse Überzeugungen hervorgehen und es sich um Gesundheitsdaten bzw. Daten aus dem Sexualleben handelt.
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2. Auch liegt eine Verarbeitung der Daten im Sinne des Art. 9 Abs. 1 DSGVO vor.
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Ob eine Verarbeitung, die den Anwendungsbereich der DSGVO eröffnet, vorliegt, ist nach Art. 4 Nr. 2 DSGVO und Art. 2 DSGVO zu bestimmen.
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Dabei wird der Begriff der Verarbeitung, um dem hohen Datenschutzniveau (so z.B. Erwägungsgrund 10), das die DSGVO verwirklichen will, gerecht zu werden, weit ausgelegt.
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Indem der Beklagte die Informationen über die Klägerin in sein Gutachten aufgenommen und dieses an das Sozialgericht versandt hat, hat er personenbezogene Daten im Sinne der DSGVO verarbeitet.
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3. Jedoch ist die Verarbeitung der personenbezogene Daten der Klägerin zulässig gem. Art. 9 Abs. 2 lit. f) DSGVO.
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Danach ist die Verarbeitung von personenbezogene Daten, die in die Kategorien des Art. 9 Abs. 1 DSGVO fallen, zulässig, wenn die Verarbeitung zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen oder bei Handlungen der Gerichte im Rahmen ihrer justiziellen Tätigkeit erforderlich ist.
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a) Der Beklagte wurde durch Beweisbeschluss des Sozialgerichts zur Begutachtung der dortigen Klägerin bestellt. Dabei dient das streitgegenständliche Gutachten zum einen der Ausübung von Rechtsansprüchen der dortigen Klägerin, da sie dadurch eine fachliche Begutachtung mit Beweiswert erhält.
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Zum anderen unterstützt das Gutachten das Sozialgericht im Rahmen der Wahrung des Amtsermittlungsgrundsatzes gem. § 103 SGG, da eine Begutachtung den Sachverhalt weitergehend ausforscht und für die gerichtliche Entscheidung eine Grundlage schafft, die das Gericht mangels Fachkenntnis, nicht selbst erbringen kann. Der Beklagte handelte in Erfüllung seiner rechtlichen Verpflichtung für das Sozialgericht gem. Art. 6 Abs. 1 lit c) DSGVO. Der Beklagte war in seiner Eigenschaft als gerichtlich bestellte Sachverständige – und damit als Hilfsperson des Gerichts – verpflichtet, alle entscheidungsrelevanten Tatsachen zur Beurteilung der zu begutachtenden Punkte zu ermitteln.
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b) Die Verarbeitung der personenbezogen Daten der Klägerin war vorliegend auch erforderlich.
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Im Rahmen einer Begutachtung, vor allem einer nervenärztlichen und psychosomatischen, ist es in den überwiegenden Fällen erforderlich, dass Informationen über Dritte, die die Begutachtete preisgibt, in das Gutachten Einzug finden. Dies folgt schon aus der Natur solcher Gutachten. Werden Beziehungen geschildert, so kann auch ohne Namensnennung oder Abkürzung, sondern nur durch die Schilderung der Beziehung zwischen Begutachteter und Drittem, eine Identifizierbarkeit prinzipiell gegeben sein.
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Um den Beweiswert eines Gutachtens zu gewährleisten ist es erforderlich, dass die Informationen, die die Begutachtete schildert im Maß des Gutachtenauftrags in dieses einfließen.
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Die Daten der Klägerin ergeben sich aus einem Zusammenhang von Nachnamen und Schilderungen der Begutachteten über die Beziehungen zur Klägerin. Die Informationen über die Beziehungen der Begutachteten sind in solchen, wie dem vorliegenden, Gutachten vor dem Sozialgericht, für die Gesamtheit des Gutachtens essenziell.
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Auch um eine Zuordnung der Daten zu einer möglicherweise als Zeugin zu vernehmenden Person, zu erleichtern, auch ohne diese mit Sicherheit von vornherein identifizieren zu können, kann eine höhere Dichte an Daten erforderlich sein, die vorliegend durch die Erwähnung des Nachnamens der Klägerin gegeben ist, um eine Verwechselung der Personen im Gutachten abmildern bzw. ausschließen zu können. Dies liegt im Interesse des vom Gutachten als Ausfüllung des Amtsermittlungsgrundsatzes angestrebten Ziels.
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Einem Gutachter auf nervenärztlichem und psychosomatischem Gebiet eine weitergehend Verpflichtung aufzuerlegen, die jegliche Identifizierbarkeit ausschließt, erscheint nicht sachgerecht, da dies, legt man zur Identifizierbarkeit die sog. „objektive Theorie“ (Brauneck: DSGVO: Neue Anwendbarkeit durch neue Definition personenbezogener Da…, EuZW 2019, 680) als Maßstab an, den Beweiswert des Gutachtens zu beeinträchtigen vermag, weil der Gutachter dann auch Berichte der Begutachteten über persönliche Beziehungen zu Dritten nicht in einem Umfang einfließen lassen darf, der dem erforderlichen Beweiswerts gerecht werden würde.
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Die Erwähnung des Nachnamens steht der Erforderlichkeit daher nicht entgegen. Dies unterstreicht auch Erwägungsgrund 52 der DSGVO, der statuiert: „Ausnahmen vom Verbot der Verarbeitung besonderer Kategorien von personenbezogenen Daten sollten auch erlaubt sein, wenn sie im Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten vorgesehen sind, und – vorbehaltlich angemessener Garantien zum Schutz der personenbezogenen Daten und anderer Grundrechte – wenn dies durch das öffentliche Interesse gerechtfertigt ist […] Die Verarbeitung solcher personenbezogener Daten sollte zudem ausnahmsweise erlaubt sein, wenn sie erforderlich ist, um rechtliche Ansprüche, sei es in einem Gerichtsverfahren oder in einem Verwaltungsverfahren oder einem außergerichtlichen Verfahren, geltend zu machen, auszuüben oder zu verteidigen.“
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Die Ausforschung des Sachverhalts mittels Einholung von Gutachten nach dem Amtsermittlungsgrundsatzes gem. § 103 SGG durch das Sozialgericht liegt unzweifelhaft im öffentlichen Interesse.
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Zu berücksichtigen ist auch, dass die Klägerin ihre Privatsphäre nach außen geöffnet hatte und ihre eigenen Missbrauchserfahrungen als Kind gegenüber Dritten freiwillig preisgegeben hatte. Hervorzuheben ist, dass die von der Klägerin beanstandete Darstellung in dem von der Beklagten erstellten Gutachten ausschließlich wahre Tatsachenbehauptungen enthält. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind (OLG Düsseldorf Beschluss vom 16.2.2021 – 16 U 269/20, BeckRS 2021, 18726).
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Der Schutz der personenbezogen Daten und anderer Grundrechte der Klägerin folgt vorliegend aus der Geheimhaltungspflicht des Beklagten gem. § 203 Abs. 1 Nr. 1 (und Abs. 2 Nr. 2) StGB und regelmäßig auch nur die Verfahrensbeteiligten von dem Inhalt des Gutachtens Kenntnis erlangen.
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4. Die Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten nach Art. 5 DSGVO sind vorliegend nicht verletzt.
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a) Die Datenverarbeitung durch den Beklagten ist, wie aufgezeigt, rechtmäßig.
39
b) Insbesondere verstößt die Verarbeitung durch den Beklagten nicht gegen den Grundsatz der Datenminimierung gem. Art. 5 Abs. 1 lit. c) DSGVO.
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Danach müssen personenbezogene Daten dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein.
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In Ansehung der Erwägungsgründe 28 f. der DSGVO ist durch die ausdrückliche Einführung der „ Pseudonymisierung“ im Rahmen der DSGVO nicht beabsichtigt, andere Datenschutzmaßnahmen auszuschließen.
42
Die Daten der Klägerin sind wie aufgezeigt zum einen durch die Geheimhaltungspflicht des Beklagten geschützt. Zum anderen erlangt nur ein beschränkter Personenkreis von dem Gutachten und damit von den Daten der Klägerin rechtmäßig Kenntnis.
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Auch können in der Erwähnung nur des Nachnamens der Klägerin ohne Vornamen, Wohnort usw., sondern nur in Verbindung mit der geschilderten Beziehung der Klägerin zur Begutachteten, in Anwendung der sog. „relativen Theorie“ (vgl. EuGH Urt. v. 19.10.2016, Rs. C-582/14) bereits pseudonyme Daten gegeben sein.
44
Dies ist gem. Art. 4 Nr. 5 DSGVO der Fall, wenn die Verarbeitung personenbezogener Daten in einer Weise erfolgt, dass die personenbezogenen Daten ohne Hinzuziehung zusätzlicher Informationen nicht mehr einer spezifischen betroffenen Person zugeordnet werden können.
45
Ohne zusätzliche Informationen war es nicht ohne weiteres möglich die im Gutachten angegebenen Information eindeutig der Klägerin zuzuordnen.
46
Die eindeutige Zuordnung erfolgte erst durch die Selbstoffenbarung der Klägerin.
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Die Verarbeitung der, durch die Offenbarung der Klägerin als personenbezogen einzuordnenden, Daten ist, wie aufgezeigt, dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt.
48
c) Auch ist der Grundsatz der Integrität und Vertraulichkeit gem. Art. 5 Abs. 1 lit. f) DSGVO vorliegend gewahrt.
49
Danach müssen personenbezogen Daten in einer Weise verarbeitet werden, die eine angemessene Sicherheit der personenbezogenen Daten gewährleistet, einschließlich Schutz vor unbefugter oder unrechtmäßiger Verarbeitung und vor unbeabsichtigtem Verlust, unbeabsichtigter Zerstörung oder unbeabsichtigter Schädigung durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen.
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Aus der Geheimhaltungspflicht des Beklagten resultiert für ihn die Pflicht, das Gutachten und damit auch die personenbezogen Daten der Klägerin sorgfältig zu verarbeiten, d.h. nur dem Gericht und keinem Dritten zur Verfügung zu stellen.
51
Dass der Beklagte diese Pflichten verletzt hätte, ist nicht dargelegt.
52
II. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch gem. Art. 17 Abs. 1 und Abs. 2 DSGVO auf Löschung ihrer Daten, da diese Absätze vorliegend gem. Art. 17 Abs. 3 lit. b) und lit. e) DSGVO nicht anwendbar sind.
53
Nach Art. 17 Abs. 3 lit. b) DSGVO ist ein Recht auf Löschung nicht gegeben, wenn die Verarbeitung zur Wahrnehmung einer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde erforderlich ist.
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Der Beklagte unterstützt als bestellter Gutachter das Sozialgericht im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes gem. § 103 SGG. Die Verwirklichung des Amtsermittlungsgrundsatzes durch das Gutachten des Beklagten liegt unzweifelhaft im öffentlichen Interesse.
55
Nach Art. 17 Abs. 3 lit. e) DSGVO ist kein Recht auf Löschung gegeben, wenn die Verarbeitung zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen erforderlich ist.
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Die Verarbeitung, namentlich die Übersendung an das Sozialgericht, der im Gutachten erwähnten personenbezogen Daten dient der Ausübung der Rechtsansprüche der Begutachteten, da das Gutachten einen Beweis über die Ausführungen der Begutachteten erbringt.
57
III. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch gem. Art. 18 Abs. 1 DSGVO auf Einschränkung der Verarbeitung durch den Beklagten, da insbesondere keine unrechtmäßige Verarbeitung im Sinne des Art. 18 Abs. 1 lit. b) DSGVO gegeben ist.
58
IV. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schmerzensgeld gem. Art. 82 Abs. 1 DSGVO.
59
a) Es liegt, wie aufgezeigt, kein Verstoß gegen Vorschriften der DSGVO vor.
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b) Auch liegt kein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 bis 4 DSGVO vor, da diese Normen vorliegend gem. Art. 14 Abs. 5 lit. d) DSGVO keine Anwendung finden.
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Dies ist der Fall, wenn die personenbezogenen Daten gemäß dem Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten dem Berufsgeheimnis, einschließlich einer satzungsmäßigen Geheimhaltungspflicht, unterliegen und daher vertraulich behandelt werden müssen.
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Der Beklagte unterliegt als vom Sozialgericht Regensburg bestellter ärztlichen Gutachter der Geheimhaltungspflicht des § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB (vgl. dazu Schönke/Schröder/Eisele, 30. Aufl. 2019, StGB § 203 Rn. 16) und gegebenenfalls des § 203 Abs. 2 Nr. 2 StGB (vgl. dazu Schönke/Schröder/Eisele, 30. Aufl. 2019, StGB § 203 Rn. 91 und ebd., StGB § 11 Rn. 33).
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Die Geheimhaltungspflicht gem. § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB umfasst auch Angaben, die der Gutachter von der Begutachteten über Dritte erfährt (vgl. dazu auch Schönke/Schröder/Eisele, 30. Aufl. 2019, StGB § 203 Rn. 16).
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Mangels eines Anspruches in der Hauptsache hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten.
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V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.