Titel:
Haftung des Rundfunkveranstalters bei der Verletzung von Prüfpflichten i.R. der Ausstrahlung von Werbesendungen für unerlaubte Glücksspielangebote
Normenketten:
UWG § 3a, § 8 II
GlüStV 2012 § 5 V
GlüStV 2021 § 5 VI
Leitsatz:
Da der Kläger die beklagte Rundfunkanstalt darauf hingewiesen hat, dass die von ihm beanstandeten Werbespots für unerlaubte Glücksspielangebote rechtswidrig seien, wurde hierdurch eine Prüfplicht der Beklagten begründet, so dass sie Veranlassung gehabt hätte, die von ihr ausgestrahlte Werbung einer Prüfung auf deren Wettbewerbskonformität zu unterziehen und hiervon Abstand zu nehmen, um mögliches weiteres wettbewerbswidriges Verhalten zu verhindern (vgl. bereits Senat 27.04.2021, 6 U 4751/20). (Rn. 73) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nichtzulassungsbeschwerde, Rechtsmißbrauch, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Kostenentscheidung, Bestimmtheit des Klageantrags, Eintragung der Verschmelzung, Prozeßbevollmächtigter, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, Wettbewerbsverstoß, Wegfall der Wiederholungsgefahr, Werbung für unerlaubtes Glücksspiel, Untersagungsverfügung, Wettbewerbsverhältnis, Aktivlegitimation, Schluss der mündlichen Verhandlung, Unterlassungsanspruch, Klagebefugnis, Wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, Wettbewerbsverstöße
Vorinstanz:
LG München I, Urteil vom 09.11.2020 – 39 O 11031/19
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 23.02.2023 – I ZR 155/21
Fundstelle:
GRUR-RS 2021, 61543
Tenor
I. Die Berufung der Beklagtenpartei gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 09.11.2020, Az. 39 O 11031/19, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor zu Ziff. 1. lautet wie folgt:
„1. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, es bei Meidung […] zu unterlassen, in der Bundesrepublik Deutschland für nicht erlaubte Online-Casino- und -Automatenspiele zu werben, wenn dies geschieht, wie nachstehend wiedergegeben:
a) TV-Werbespots für Drückglück.de
aa) TV-Spot „Vikings Go Berzerk“
„Nur im drückglück.de-Online-Casino:“
„10 € einzahlen und mit 60 € spielen.“
[gesungen] „Dein Spiel. Dein Glück. Drückglück.“
bb) TV-Spot „Spinning Wilds“
„Nur im drückglück.de-Online-Casino:“
„10 € einzahlen und mit 60 € spielen.“
[gesungen] „Dein Spiel. Dein Glück. Drückglück.“
cc) TV-Spot „Book of Dead“
„Nur im drückglück.de-Online-Casino:“
„10 € einzahlen und mit 60 € spielen.“
[gesungen] „Dein Spiel. Dein Glück. Drückglück.“
b) TV-Werbespots für Wunderino.de
aa) TV-Spot: „Willkommen in der wunderbaren Casirowelt“
„Willkommen in der wunderbaren Casinowelt von wunderino.de.“
„Mit wunderino.de hast du die beliebtesten Casinospiele immer dabei, direkt auf deinem Handy.“
„Mit einer Riesenauswahl der spannendsten Casinospiele …“
„Starte heute mit deinem Wunderino-Schnellstart-Bonus. Zahle 10 Euro ein und spiele mit 50.“
„Jetzt bei wunderino.de.“
bb) Kurzspots: Wunderino.de präsentiert
Mit den folgenden Textalternativen:
• „Jetzt geht es weiter mit wunderino.de. Dein mobiles Casino.“
• „Die Sendung wird präsentiert von wunderino.de. Dein mobiles Casino.“
• „Die Sendung wurde präsentiert von wunderino.de. Dein mobiles Casino.“
c) TV-Werbespot für MrGreen.de
„Hey Mister, Mister Green.“ [gesungen]
d) TV-Werbespots für Rizkcasino.de
aa) TV-Spot „Rizk – Der Name sagt doch schon alles …“
„Rizk … der Name sagt doch schon alles, oder?“
„Kostenlos spielen auf rizkcasino.de“
bb) TV-Spot „Denk an eine Zahl …“
„Kostenlos spielen auf rizkcasino.de“
cc) TV-Spot „Starburst Mega … Was spielst du?“
„Starburst … Mega Fortune … Gonzo’s Quest.
„Kostenlos spielen auf rizkcasino.de“
dd) TV-Spot „Spiele, Spaß, Nervenkitzel“
„Spiele, Spaß, Nervenkitzel“
„Das hat schon immer zum Leben gehört“
„Aber dazu Geld verbraten, vergeuden, verpulvern“
„Spiel doch lieber auf rizkcasino.de“
„Kostenlos und ohne Registrierung“
„Riszkcasino.de. Riskieren ohne Risiko,“
II. Die Beklagtenpartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Endurteil des Landgerichts München I vom 09.11.2020, Az. 39 O 11031/19, sowie das vorliegende Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung hinsichtlich Ziff. 1. (Unterlassung) durch Sicherheitsleistung in Höhe 100.000,- EUR und im Übrigen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Entscheidungsgründe
1
Der Kläger macht wettbewerbsrechtliche Ansprüche auf Unterlassung des Ausstrahlens von Werbespots für Online-Casino- und Automatenspiele wegen behaupteten Verstoßes gegen den Glücksspielstaatsvertrag geltend.
2
Der Kläger ist der Bundesverband der deutschen Glücksspielunternehmen (vgl. Satzung, Anlage CBH 33).
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Die Beklagte zu 1) ist eine private Rundfunkveranstalterin und programmverantwortlich für die Free-TV-Sender PRO7, PRO7 MAXX, SAT1 Gold, Kabel 1 und Kabel 1 Doku und SAT1. Die vormalige Beklagte zu 2) wurde auf die Beklagte zu 1) im Wege der Verschmelzung durch Aufnahme (§ 2 Nr. 1 UmwG) verschmolzen, die Eintragung dieser Verschmelzung in das Handelsregister erfolgte am 15.09.2020. Bis zum 15.08.2020 war die Beklagte zu 2) programmverantwortlich für den Sender SAT1. Die Beklagten haben die im landgerichtlichen Urteilstenor wiedergegebenen Werbespots für Glücksspielangebote drückglück.de, wunderino.de, mrgreen.de und rizkcasino.de ausgestrahlt.
4
Der Kläger hatte mit Schreiben vom 06.02.2019 und vom 20.02.2019 (Anlagen CBH 15, CBH 17) die zentrale Rechtsabteilung der Beklagten auf die seiner Auffassung nach rechtswidrige Ausstrahlung der Werbung hingewiesen und die Beklagte mit Schreiben vom 03.04.2019 (Anlage CBH 19) abgemahnt. Eine Rechtsverletzung wurde mit den als Anlagen CBH 16, CBH 18 und CBH 20 vorgelegten Antwortschreiben zurückgewiesen.
5
Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt,
es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, in der Bundesrepublik Deutschland für nicht erlaubte Online-Casino- und -Automatenspiele zu werben, wenn dies geschieht, wie im landgerichtlichen Urteilstenor unter Ziff. 1 wiedergegeben.
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Zur Begründung hat das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, Folgendes ausgeführt:
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Die Klageanträge seien hinreichend bestimmt, indem sie auf die konkrete Verletzungsform Bezug nähmen. Hierdurch werde sichergestellt, dass Gegenstand des Antrags allein die konkret in Bezug genommenen Werbespots und kerngleiche Verstöße seien. Eine hinreichende Konkretisierung des Klageantrags durch Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform liege auch dann vor, wenn der Klageantrag – wie im vorliegenden Fall – die Handlung zunächst abstrakt beschreibe, sie aber mit einem „wie“-Zusatz konkretisiere. Auch der Einwand der Beklagten, es wäre für sie bei antragsgemäßer Verurteilung künftig praktisch unmöglich, überhaupt noch Werbespots für unstreitig zugelassene Glücksspielangebote oder sogar nicht genehmigungspflichtige Angebote auszustrahlen, verfange nicht, denn der Antrag sei nicht isoliert, sondern in der Zusammenschau mit der Klagebegründung auszulegen. Daraus ergebe sich, dass sich der Kläger dagegen wende, dass die Beklagten Werbespots ausstrahlten, in denen mittelbar auch für die in Deutschland unstreitig gegen den aktuell noch geltenden Glücksspielstaatsvertrag verstoßenden „.com“-Angebote geworben werde.
8
Die Klage sei nicht rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG. Zwar könne sich ein Anhaltspunkt für eine missbräuchliche Rechtsverfolgung daraus ergeben, dass ein nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugter Verband dauerhaft selektiv gegen Nichtmitglieder vorgehe, den unlauteren Wettbewerb durch gleichartige Verletzungshandlungen der eigenen Mitglieder jedoch planmäßig dulde. Da es einem Verband aber grundsätzlich nicht verwehrt sei, nur gegen bestimmte Verletzer gerichtlich vorzugehen, reiche der Vortrag der Beklagten, wonach den im Kläger verbundenen Landeslotteriegesellschaften möglicherweise bestimmte Kartellrechtsverstöße anzulasten seien, oder diese in anderem Kontext gegen glücksspielrechtliche Werbevorgaben verstießen, für die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Vorgehens nicht aus. Die Beklagten hätten nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, dass der Kläger gleichartige – wie die hier angegriffenen – Wettbewerbsverletzungen wegen Verstoßes gegen § 5 Abs. 5 GlüStV (a.F.), die durch eigene Mitglieder begangen würden, planmäßig dulde.
9
Der Kläger sei nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt. Wie sich aus der als Anlage CBH 33 vorgelegten aktuellen Satzung ergebe, sei er ein rechtsfähiger Verband zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen seiner Mitglieder, der auch hinreichend personell, sachlich und finanziell ausgestattet sei, um Wettbewerbsverstöße, wie den hier geltend gemachten, zu verfolgen. Nach insoweit nicht bestrittenem Vortrag des Klägers gehörten zu seinen Mitgliedern einzelne Landeslotteriegesellschaften sowie private Anbieter wie die Deutsche Fernsehlotterie oder der Bundesverband der Lotto-Toto-Verkaufsstellen in Deutschland an. Ebenfalls unstreitig sei der Kläger bereits in mehreren anderen Fällen wegen Verstößen gegen das Glücksspielrecht vorgegangen, so dass kein Zweifel daran bestehe, dass er nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sei, seine satzungsgemäßen Aufgaben tatsachlich wahrzunehmen. Dass in der als Anlage CBH 33 vorgelegten Satzung weiterhin u.a. auch der Verbraucherschutz erwähnt sei, lasse nicht die Gefahr von Interessenkollisionen und die Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit des Verbandes erkennen. Aufgrund seiner Mitgliederstruktur sei der Kläger erkennbar als Interessenverband im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG und nicht als Mischverband konstituiert. Seine Mitglieder vertrieben auch Waren gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt und stünden daher im Wettbewerb zu den mit den streitgegenständlichen Werbespots beworbenen Unternehmen. Das Wettbewerbsverhältnis zu den Werbekunden der Beklagten werde nicht dadurch in Frage gestellt, dass diese Online-Casinos unterhielten, während Mitglieder des Klägers Lotterien veranstalteten. Beide Dienstleistungen seien ohne Weiteres substituierbar. Bei beiden Angeboten handele es sich um Glücksspiele, die einen sich überschneidenden Verkehrskreis ansprächen. Der Adressatenkreis der Mitglieder des Klägers und der Werbekunden der Beklagten überschnitten sich auch in räumlicher Hinsicht. Dabei komme es nicht darauf an, ob der Kläger im Bundesland Schleswig-Holstein beheimatete oder tätige Mitglieder habe, denn er wende sich gerade dagegen, dass mit der streitgegenständlichen Werbung mittelbar für Angebote mit der Top-Level-Domain „.com“ geworben werde, die sich mit ihrer deutschen Website an Adressaten in allen Bundesländern richte.
10
Die streitgegenständlichen Werbespots seien als Werbung für unerlaubte Glücksspiele im Sinne des § 5 Abs. 5 GlüStV (a.F.), der eine Marktverhaltensregelung nach § 3 a UWG darstelle, zu qualifizieren. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob die Betreiber für die Angebote auf drückglück.de und wunderino.de über eine im Zeitraum der Ausstrahlung der Werbespots sowie aktuell gültige Glücksspiellizenz im Bundesland Schleswig-Holstein verfügten. Ebenfalls könne dahingestellt bleiben, ob die in einem Bundesland empfangbare bundesweite Ausstrahlung von Werbung für Online-Casinos das Werbeverbot des § 5 Abs. 5 GlückStV (a.F.) verletze, wenn der Betreiber in einem anderen Bundesland über eine gültige Glücksspiellizenz verfüge. Die angegriffenen Werbespots seien nämlich bereits deshalb unter Verletzung gegen § 5 Abs. 5 GlüStV (a.F.) ausgestrahlt worden, weil sie eine unzulässige mittelbare Werbung für die Angebote unter www.drueckglueck.com, www.wunderino.com, www.mrgreen.com und www.rizk.com beinhalteten. Die jeweiligen Angebote auf der „.de“-Domain und der „.com“-Domain seien hinsichtlich der graphischen Ausgestaltung, der verwendeten Logos und der angebotenen Spiele dergestalt ähnlich, dass der Verbraucher die streitgegenständlichen Werbespots auch für die unter der Top-Level-Domain angebotenen Glücksspiele ansehe. Dies gelte umso mehr, als eine entsprechende Google-Suche bei Eingabe der Suchwörter „DrückGlück“, „Wunderino“, „Mr Green“ und „Rizk-Casino“ als allererstes die Angebote auf der Top-Level-Domain anzeige, auf die der Verbraucher dadurch in erster Linie geleitet werde. Der Einwand der Beklagten, dass in den entsprechenden Werbespots die gesamte URL, also auch die „.de“-Domain angegeben werde, verfange nicht. Angesichts der verschiedenen, sich auf dem Markt befindlichen Domains werde der Verbraucher sich beim Betrachten der streitgegenständlichen Werbespots nicht die jeweilige Domain, sondern die Schlagwörter „DrückGlück“, „Wunderino“, „Mr Green“ und „Rizk-Casino“ merken, um nach dem Angebot der beworbenen Online-Casinos zu suchen. Da die Betreiber dieser Angebote unter den Top-Level-Domains unstreitig über keine gültige Glücksspiellizenz in Deutschland verfügten, verstießen die streitgegenständlichen Werbespots gegen § 5 Abs. 5 GlüStV (a.F.).
11
Die Beklagten seien für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch passivlegitimiert. Durch die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Werbespots förderten sie den Wettbewerb der Betreiber der „.com“-Domains, ohne dass ihnen dabei das sog. Anzeigenprivileg zugute komme. Das Verbot des § 5 Abs. 5 GlüStV (a.F.) gelte nicht nur für die Veranstalter unerlaubten Glücksspiels bzw. für die Auftraggeber der streitgegenständlichen Werbespots, sondern auch für den ausstrahlenden Sender. Zwar treffe bei der Verbreitung wettbewerbswidriger Anzeigen den Verleger und den Anzeigenredakteur wegen des Zeitdrucks und zur Gewährleistung der Pressefreiheit nur eine grundsätzlich auf grobe und unschwer zu erkennende Verstöße beschränkte Prüfpflicht. Werde das Presseunternehmen allerdings auf eine Anzeige hingewiesen, deren Wettbewerbswidrigkeit sich ihm aufgrund der in der Abmahnung mitgeteilten, oder sonst bekannt gewordenen Umstände unschwer erschließe, löse dies eine erhöhte Kontrollpflicht und damit eine Verantwortlichkeit für weitere derartige Verstöße aus. Diese erhöhte Kontrollpflicht habe vorliegend spätestens nach Ausspruch der Abmahnung und des sich daran anschließenden Schriftverkehrs bestanden. Ab diesem Zeitpunkt habe sich die Beklagtenseite nicht mehr auf das sog. Anzeigenprivileg berufen können, da sie ohne Weiteres in der Lage gewesen sei, sicherzustellen, dass die Fernsehsender Werbung der streitgegenständlichen Art grundsätzlich nicht mehr veröffentlichten. Dies hätten die Beklagten nicht getan. Auch hinsichtlich der Werbespots, die die Drück-Glück- und Wunderino-Angebote beträfen, seien die Beklagten dem klägerischen Vortrag, wonach die streitgegenständlichen Werbespots in nur leicht veränderter, aber kerngleicher Form auch nach Ausspruch der Abmahnungen weiter ausgestrahlt worden seien (Anlage CBH 34), nicht substantiiert entgegen getreten. Ihr Einwand, die Werbespots seien insbesondere dadurch abgeändert worden, dass ein ausdrücklicher Hinweis darauf erfolgt sei, dass sich das Angebot nur an Glücksspielteilnehmer in Schleswig-Holstein wende, verfange nicht. Die Unzulässigkeit der streitgegenständlichen Werbung ergebe sich nämlich daraus, dass mit ihr mittelbar auch die „.com“-Domains und die darauf befindlichen Angebote beworben würden. Diese Werbewirkung werde durch den nunmehr eingefügten Hinweis nicht beseitigt.
12
Dem Unterlassungsanspruch des Klägers stehe auch nicht entgegen, dass die Ausstrahlung der streitgegenständlichen Werbespots bislang weder von den Landesmedienanstalten noch von den Glücksspielaufsichten beanstandet worden seien und die zuständigen Behörden möglicherweise sogar vereinbart hätten, bis zum Inkrafttreten des beabsichtigten Glücksspielstaatsvertrags 2021 Verstöße gegen § 5 Abs. 5 GlüStV (a.F.) unter bestimmten Bedingungen nicht mehr zu ahnden. Die Rechtsauffassung der zuständigen Verwaltungsbehörden sei für die Beurteilung der objektiven Rechtswidrigkeit eines Verhaltens nicht maßgeblich. Ein Marktverhalten könne lediglich dann lauterkeitsrechtlich nicht mehr beanstandet werden, wenn es durch einen Verwaltungsakt der zuständigen Behörde ausdrücklich erlaubt worden sei und der Verwaltungsakt nicht nichtig sei; ein solcher sei hier nicht vorgelegt worden, insbesondere enthalte die als Anlage CBH 29 vorgelegte Kommunikation des schleswig-holsteinischen Ministeriums für Inneres einen solchen Verwaltungsakt nicht. Dem Einwand der Beklagten, die Bundesländer hätten sich darauf geeinigt, Online-Glücksspielunternehmen, die sich bereits jetzt an die Regeln des neuen Glücksspielstaatsvertrages hielten, nicht mehr verwaltungsrechtlich zu verfolgen, sei zum einen entgegenzuhalten, dass in keiner Weise klar sei, ob die in den streitgegenständlichen Werbespots beworbenen Unternehmen diese Regeln tatsachlich einhielten. Zum anderen gelte auch hier kein Vorrang des Aufsichtsrechts. Eine möglicherweise von der Exekutive getroffene Entscheidung, im Augenblick rechtswidriges Handeln nicht mehr zu verfolgen, ändere nichts an der Verpflichtung der Rechtsprechung, bestehende Gesetze so anzuwenden, wie sie erlassen worden seien und in Kraft stünden.
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Die Beklagtenseite hat gegen das ihr am 13.11.2020 (Samstag) zugestellte Endurteil mit Schriftsatz vom 14.12.2020 (Bl. 306/307 d.A.) Berufung eingelegt, die sie nach antragsgemäßer Fristverlängerung (Bl. 314 d.A.) mit Schriftsatz vom 15.02.2021 (Bl. 315/357 d.A.) begründet hat.
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Sie führt zur Begründung ihrer Berufung Folgendes aus:
15
Die Beurteilung des Landgerichts, das eine lauterkeitsrechtlich unzulässige, „mittelbare“ Werbung für Glücksspielangebote unter der – namentlich nicht beworbenen – Top-Level-Domain „.com“ angenommen habe, basiere auf der wertenden Berücksichtigung von gleich mehreren – vorrangig außerhalb der Werbespots – liegenden (vermeintlichen) Indizien. Im Verbotstenor fänden sich all diese (vermeintlichen) Indizien indes nicht. Und auch aus den Entscheidungsgründen ergäben sich keinerlei Kriterien dafür, wann diese außerhalb der Werbespots liegenden (vermeintlichen) Indizien nach (rechtsfehlerhafter) Ansicht des Landgerichts so stark sein sollten, dass sie zur Rechtswidrigkeit der Werbespots führten. Vielmehr lasse es das Landgericht völlig offen, unter welchen Voraussetzungen die (vermeintliche) „Ähnlichkeit“ zwischen den beworbenen .de-Angeboten und den von Dritten betriebenen .com-Angeboten so groß sein solle, dass die Werbespots (vermeintlich) mittelbar auch diese .com-Angebote bewerben würden. Damit sei es für die Beklagte praktisch unmöglich zu erkennen, ob eine künftige Ausstrahlung von Werbespots mit dem Verbotstenor vereinbar sei. Über die Rechtmäßigkeit der Werbespots entschieden vielmehr Faktoren, die der Tenor nicht aufführe und die auch nicht dem Einfluss der Beklagten unterlägen, nämlich die Gestaltung der beworbenen .de-Angebote und parallel betriebener .com-Domains. Dies sei umso problematischer, als sich Art und Gestaltung dieser Angebote jederzeit ändern könnten, worauf die Beklagte keinen Einfluss habe. Das zeige beispielsweise der Umstand, dass es sich inzwischen auch bei RizkCasino.de – neben DrückGlück.de und Wunderino.de – um ein in Schleswig-Holstein zugelassenes Onlinecasino handele (siehe Anlagen BK 1 bis BK4).
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Das Landgericht habe fehlerhaft angenommen, die Klageanträge zu 1. a) bis d) seien hinreichend bestimmt. Der Bezug der Anträge auf die streitgegenständliche konkrete Verletzungsform führe nicht zu deren hinreichenden Bestimmtheit. Denn die vermeintliche Unlauterkeit der Spots beruhe auch nach Ansicht des Klägers nicht auf der Gestaltung der Werbespots selbst. Vielmehr solle sich deren Rechtswidrigkeit erst aus externen, von den Glücksspielanbietern zu verantwortenden Umständen ergeben, nämlich aus der (angeblichen) starken Ähnlichkeit zwischen den Websites der beworbenen .de-Angeboten und denen von parallelen .com-Angeboten; maßgeblich und daher konkretisierungsbedürftig sei daher die genaue Gestaltung der .de- und .com-Angebote. Zur Bestimmtheit des Klageantrags zu 1. wäre es daher erforderlich gewesen, dass der Kläger seinen Antrag (auch) auf diese .de- und .com-Angebote als konkrete Verletzungsform beziehe und dadurch zugleich beschränke. Entgegen der Ansicht der Landgerichts lasse sich auch nicht der Klagebegründung entnehmen, in welchem Maß und unter welchem Gesichtspunkt die betreffenden Websites einander „ähnlich“ sein müssten, damit ein Werbespot für ein .de-Angebot zugleich als mittelbare Werbung für das parallele .com-Angebot anzusehen sei., denn die dortigen Ausführungen (vgl. S. 29 ff. der Klageschrift) seien rein deskriptiv gehalten. Es bleibe etwa offen, ob alle genannten Aspekte (optische Gestaltung der Seite, Spracheinstellung, Art und Anzahl der Spiele etc.) kumulativ vorliegen müssten oder nicht, ob es noch weitere relevante Aspekte gebe und welches Maß an Ähnlichkeit erforderlich sei. Weiterhin führe hier das Anzeigenprivileg dazu, dass besonders hohe Anforderungen an die Bestimmtheit des Klageantrags zu stellen seien, denn Rundfunkveranstalter wie auch die Sender, die die streitgegenständlichen Werbespots ausgestrahlt hätten, seien darauf angewiesen, schnell und einfach zu entscheiden, ob sie eine Werbung ausstrahlen dürften oder nicht. Daher sei der vorliegende Klageantrag – aufgrund der mittelbaren Drittwirkung der Medienfreiheiten – im Lichte gesteigerter, verfassungsrechtlich gebotener Bestimmtheitsanforderungen auszulegen. Auch seien die Anforderungen an die Konkretisierung des Klageantrags hier deshalb besonders hoch, weil der Antrag praktisch nur aus auslegungsbedürftigen Begriffen bestehe, bei denen die Parteien darüber stritten, ob das beanstandete Verhalten unter diese auslegungsbedürftigen Begriffe falle oder nicht. Dies gelte hier in besonderem Maße für die Begriffe „werben“ und „nicht erlaubte“ Online-Casino- und -Automatenspiele. Anhand des Klageantrags lasse sich nicht bestimmen, ob die streitgegenständlichen Werbespots für „nicht erlaubte“ Online-Casino- und -Automatenspiele „werben“ würden oder nicht.
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Zudem habe das Landgericht rechtsfehlerhaft angenommen, die Klage sei nicht rechtsmissbräuchlich i.S.v. § 8 Abs. 4 UWG. Entgegen der Auffassung des Landgerichts habe die Beklagte substantiiert vorgetragen und durch zahlreiche Beispiele belegt, dass der Kläger ständig selektiv gegen Nichtmitglieder vorgehe, aber die systematisch unzulässige Werbung der Landeslotteriegesellschaften – also der Hauptmitglieder des Klägers – fortwährend dulde. Im Übrigen komme es – entgegen der Ansicht des Landgerichts – auch nicht darauf an, ob die Beklagte Verstöße des Klägers speziell gegen die Vorschrift des § 5 Abs. 5 GlüStV (bzw. deren Duldung) belege. Entscheidend sei vielmehr, dass auch alle von der Beklagten aufgeführten Beispiele von Werbeverstößen gegen die Ziele verstießen, die sich der Kläger in § 2 seiner Satzung selbst gesetzt habe.
18
Das Landgericht habe weiterhin rechtsfehlerhaft die Aktivlegitimation des Klägers gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG angenommen, indem es – ausgehend von einem fehlerhaften rechtlichen Maßstab – verkannt habe, dass es sich beim Kläger um einen unzulässigen Mischverband handele. Dass das Landgericht für das Vorliegen eines Mischverbands allein auf die Mitgliederstruktur des Verbands abstelle und die satzungsgemäßen Ziele des Verbands nur in Extremfällen berücksichtigen wolle, finde in der Rechtsprechung des BGH keine Stütze. Anders als das Erstgericht suggeriere, sei der Verbraucherschutz auch nicht nur ein in der Satzung genanntes Ziel unter vielen, sondern werde vom Kläger dort – vgl. die Bezugnahme in § 2 Abs. 1 der Satzung auf § 1 Nr. 1 bis 5 GlüStV – zu seinem zentralen und wichtigsten Ziel erklärt, wie bereits erstinstanzlich ausführlich dargelegt worden sei (vgl. Schriftsatz vom 03.07.2020, S. 1 ff.). Zudem habe das Landgericht verkannt, dass der Kläger gerade auch seine konkrete wettbewerbsrechtliche Tätigkeit explizit zum Zweck des Verbraucherschutzes betreibe (vgl. Schriftsatz vom 03.07.2020, S. 2 f.), wie sich aus der Formulierung von § 2 Abs. 1 der Satzung ergebe, wo der Kläger ausdrücklich erkläre, dass seine wettbewerbsrechtliche Tätigkeit gerade dazu diene, die zuvor definierten (Verbraucherschutz-)Zwecke zu verwirklichen. An diesem Gesamtbild ändere auch die Mitgliederstruktur des Klägers nichts (vgl. bereits Schriftsatz vom 03.07.2020, S. 4), denn diese sage schon generell wenig darüber aus, ob ein Verband nur auf die Förderung gewerblicher Interessen gerichtet sei oder ob er zumindest gleichrangig auch Verbraucherinteressen verfolge. Hätte das Landgericht die Maßstäbe des BGH angelegt bzw. fehlerfrei angewandt und das Gesamtbild des Verbands aufgrund zusammenfassender Betrachtung der satzungsgemäßen Ziele, der Mitgliederstruktur und der konkret ausgeübten Tätigkeiten des Verbands ermittelt, so hätte es zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass der Kläger Verbraucherinteressen (mindestens) gleichrangig mit beruflichen Interessen verfolge, so dass er als unzulässiger Mischverband einzustufen sei.
19
In der Sache habe das Landgericht rechtsfehlerhaft angenommen, die angegriffenen Werbespots seien unter Verstoß gegen § 3 a UWG i.V.m. § 5 Abs. 5 GlüStV (a.F.) ausgestrahlt worden. Dabei habe sich das Landgericht mit dem Einwand der Beklagten, dass die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages auf sie schon nicht anwendbar seien (vgl. Schriftsatz vom 27.11.2019, S. 20 f.), nicht auseinandergesetzt. Die Beklagte veranstalte weder Glücksspiele, noch führe sie diese durch oder vermittele solche im Sinne der den Anwendungsbereich bestimmenden Regelung des § 2 Abs. 1 GlüStV.
20
In Erwartung der Neuregelung des Staatsvertrags zur Neuregulierung des Glücksspielwesens (GlüStV 2021), der ab dem 01.07.2021 gelte (§ 35 Abs. 1) und das bisherige Verbot von Onlinecasinos durch ein Erlaubnismodell ersetze (§§ 4 Abs. 4, 22a, 22b und 22c GlüStV 2021), hätten sich die Länder auf eine Übergangsregelung verständigt, wonach der Vollzug gegen unerlaubte Glücksspielangebote bis zum 30.06.2021 auf diejenigen Anbieter konzentriert werde, die sich der voraussichtlichen zukünftigen Regulierung entziehen wollten (Umlaufbeschluss, Anlage BK 6). Darüber hinaus hätten die obersten Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder am 30.09.2020 Gemeinsame Leitlinien in Bezug auf Angebote von virtuellen Automatenspielen und Online-Poker erlassen (Anlage BK 7), in denen allgemeine (Nr. 1 der Leitlinien) und besondere (Nr. 2 der Leitlinien) Anforderungen bzw. Vorgaben für u.a. Anbieter virtueller Automatenspiele aufgestellt würden, die bis zum bzw. ab dem 15.10.2020 umzusetzen gewesen seien, wobei in den vorangestellten allgemeinen Erwägungen klargestellt werde, dass die Anbieter, die sich ab dem 15.10.2020 an diese Detailvorgaben hielten, im Vollzug „nicht aufgegriffen“ würden (siehe Vorbemerkung der Leitlinien). In einer Schlussbemerkung werde dargelegt, dass Anbietern, die die Anforderungen der Leitlinien erfüllten, in der Regel auch nicht die Zuverlässigkeit wegen des Eigenvertriebs oder der Veranstaltung von virtuellen Automatenspielen oder Online-Poker abzusprechen sein werde, wobei klargestellt werde, dass ein Anspruch auf Lizenzerteilung nach Inkrafttreten des GlüStV 2021 „durch diese Ausübung des Vollzugsermessens“ nicht begründet werden solle. Damit würden virtuelle Automatenspiele seit dem 15.10.2020 offiziell in Deutschland geduldet, wenn sie sich an die Vorgaben des Umlaufbeschlusses und der Gemeinsamen Leitlinien hielten.
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Das Landgericht gehe rechtsfehlerhaft davon aus, dass es der Prüfung eines (vermeintlichen) Verstoßes gegen das Werbeverbot gem. § 5 Abs. 5 GlüStV (a.F.) nicht entgegenstehe, dass die Ausstrahlung der beanstandeten Werbespots bislang weder von den Landesmedienanstalten noch von den Glücksspielaufsichten beanstandet worden seien. Das Landgericht vertrete dabei rechtsfehlerhaft die Ansicht, dass der aufsichtsrechtlichen Einschätzung der Verwaltungsbehörden allein dann Vorrang vor dem Lauterkeitsrecht zukomme, wenn ein Verwaltungsakt vorliege, was angesichts der bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung unzutreffend sei; vielmehr sei auch die Rechtsansicht der zuständigen Behörden zu berücksichtigen. Die Beklagte habe ihr Verhalten entscheidend an der Praxis der zuständigen Behörden ausgerichtet. Insbesondere habe sie berücksichtigt, dass es nach ihrer Kenntnis weder aufsichtsrechtliche Maßnahmen der zuständigen Glücksspielbehörden in Schleswig-Holstein gegenüber der Veranstaltung und Bewerbung dieser Angebote noch der Medienaufsicht gegenüber der Ausstrahlung dieser Werbung durch die Rundfunkveranstalter auf Basis des Vorwurfs der „mittelbaren“ Werbung gebe. Zudem gingen nach Kenntnis der Beklagten auch die Glücksspielaufsichten in den anderen Bundesländern, darunter z.B. in Bayern und Nordrhein-Westfalen, nicht gegen die Bewerbung oder die beworbenen Angebote vor. Wenn aber die Anbieter der hier betroffenen .de-Angebote sich lauterkeitsrechtlich auf diese behördliche Ansicht berufen könnten, so müsse dies auch für Unternehmen gelten, die lediglich Werbung für diese Angebote ausstrahlten. Anderenfalls würde der – als Ausfluss des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – im Aufsichtsrecht anerkannt Grundsatz, dass zunächst Maßnahmen gegenüber dem Glücksspielanbieter zu ergreifen seien, bevor Maßnahmen gegen die werbenden Medienunternehmen erlassen werden dürften, in sein Gegenteil verkehrt, wenn vorliegend nach Lauterkeitsrecht das werbende Unternehmen sanktioniert werden könnte, während der Glücksspielanbieter selbst sich gegenüber Wettbewerbern auf die behördliche Ansicht der Zulässigkeit berufen könnte.
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Im Übrigen sei aber auch der strenge Maßstab, den das Landgericht anlege, wonach ein Marktverhalten nur dann nicht lauterkeitsrechtlich beanstandet werden könne, wenn es durch einen Verwaltungsakt der zuständigen Behörde ausdrücklich erlaubt worden und der Verwaltungsakt nicht nichtig sei, vorliegend erfüllt. Denn im Hinblick auf die in Schleswig-Holstein zugelassenen Onlinecasinos sei ausdrücklich durch Verwaltungsakt festgestellt worden, dass eine bundesweit ausgestrahlte Werbung zulässig sei, selbst wenn es ein paralleles (unterstellt: in Deutschland unzulässiges) .com-Angebot gebe. Durch die gesetzliche Neuregelung in Schleswig-Holstein gem. § 1 des Gesetzes zur Übergangsregelung für Online-Casinospiele vom 11.06.2019 (GVBl. Nr. 9 vom 27. Juni 2019, S. 145, siehe Anlage BK 5) gälten die alten Genehmigungen aus 2012/2013 nun bis zum 30.06.2021 fort. Der Glücksspielstaatsvertrag 2021 sehe als Übergangsregelung in § 29 Abs. 7 GlüStV 2021 darüber hinaus noch eine weitere Verlängerung dieser Erlaubnisse bis Ende 2024 vor. Auf Grundlage dieses Glücksspielgesetzes Schleswig-Holstein seien die vom Kläger als Anlage CBH 29 vorgelegten „Regelungen für die kommerzielle Kommunikation im Rahmen der Veranstaltung und Vermittlung von Online-Casinospielen“ als neue Nebenbestimmungen der gesetzlich fortgeltenden Genehmigungen für die Veranstaltung und den Vertrieb von Online-Casinospielen erlassen worden – und zwar auch für die Angebote von DrückGlück.de (siehe Anlage BK 2), von Wunderino.de (siehe Anlage BK 3) und inzwischen auch für das Angebot von RizkCasino.de (siehe Anlage BK 4), die alle bestandskräftig seien. Diese Nebenbestimmungen umfassten gerade die Möglichkeit der kommerziellen Kommunikation in Form bundesweit empfangbarer Kommunikationsmittel, wie z.B. dem bundesweiten Fernsehen (vgl. Nr. 2 jeweils Anlage BK 2, 3 und 4). Ferner ergebe sich aus der Nebenbestimmung Nr. 11 Satz 1 auch, dass Dachmarkenwerbung zu Imagezwecken für in Schleswig-Holstein lizenzierte Angebote zulässig sei. In den Sätzen 3 und 4 der Nebenbestimmung Nr. 11 sei explizit geregelt, dass eine Differenzierung zwischen lizenzierten und unlizenzierten Produkten durch gestalterisch bzw. farblich deutlich unterschiedliche Logos oder durch einen deutlich erkennbaren Textzusatz (bspw. Schleswig-Holstein) erfolgen solle. Die gleiche Vorgabe und Differenzierung gelte gem. Nr. 12 auch für kostenlose Angebote. Diesen Vorgaben in den erst im Juni 2019 erlassenen Nebenbestimmungen Nr. 11 und Nr. 12 sei in der hier streitgegenständlichen Werbung antizipierend nachgekommen worden, indem sich das Logo der beworbenen .de-Angebote deutlich von dem der nicht beworbenen .com-Angebote unterscheide, nämlich dadurch, dass der Dachmarke (z.B. Wunderino) jeweils das „.de“ beigefügt worden sei (also z.B. bei Wunderino im Logo selbst „Wunderino.de“ angegeben sei), womit sich die Logos schon durch diesen deutlich erkennbaren Textzusatz unterschieden.
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Außerdem sei auch die weitere Feststellung des Landgerichts rechtsfehlerhaft, dass es sich bei den streitgegenständlichen Werbespots für die zulässigen .de-Angebote um „mittelbare“ Werbung für die angeblich unerlaubten .com-Angebote handeln solle. Das Landgericht gehe offenbar davon aus, dass „mittelbare“ Werbung einerseits vom im Glücksspielrecht grundsätzlich geltenden wettbewerbsrechtlichen Werbebegriff umfasst sei, dass aber andererseits für die Annahme einer unerlaubten Werbung nicht erforderlich sei, dass in dem Werbespot das geförderte Produkt kenntlich gemacht werde und deshalb auch die unstreitig in den streitgegenständlichen Spots nicht erwähnten .com-Angebote Gegenstand dieser Werbung sein könnten. Nach dem Wortlaut von Art. 2 lit. a der Werbe-Richtlinie (RL 2006/114/EG) sei „Werbung“ nur eine Äußerung mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern. Der Werbebegriff verlange also, dass dem Äußernden die Absicht der Absatzförderung zugerechnet werden könne. Damit sei es unvereinbar, eine Äußerung immer schon dann als „Werbung“ anzusehen, wenn sie irgendeinen objektiven Werbeeffekt zugunsten bestimmter Waren oder Dienstleistungen erziele. Zudem würde ein solches Verständnis auch dem Zweck der Regelung widersprechen. Denn eine so weite Fassung des Werbebegriffs hätte eine völlig uferlose Haftung von Wettbewerbern zur Folge, nachdem es unmöglich sei, sicher vorherzusehen, ob und inwieweit eine Äußerung absatzfördernde Wirkung haben könnte. Rechtsfehlerhaft stelle das Landgericht auf die wertende Berücksichtigung mehrerer außerhalb der Werbespots liegender Umständen ab und verlasse damit den wettbewerbsrechtlich zulässigen Bewertungsmaßstab für die Werbewirkung einer Sendung, die sich allein aus den auszulegenden Werbeinhalten selbst ergeben müsse. Die Nutzung der jeweiligen .de-Domain führe ausschließlich und zwingend zum jeweiligen .de-Angebot. Weder in den Werbespots noch auf den .de-Domains würden die .com-Angebote verlinkt oder auch nur angesprochen oder erwähnt. Auch könne das Ziel der Absatzförderung hier nicht auf die Ergebnisse einer Google-Suche gestützt werden, da diese Ergebnisse sich naturbedingt der Kontrolle und Verantwortung der Werbung ausstrahlenden Rundfunkveranstalter entzögen. Derartige Suchergebnisse seien daher der Beklagten schon gar nicht zurechenbar. Damit bestünden keinerlei objektiven Umstände, die für eine Absatzförderung der .com-Angebote sprechen würden. Die Werbespots seien ersichtlich keine Werbung für die .com-Angebote gewesen. Doch selbst wenn man mit dem Landgericht „mittelbare“ Werbung vom Werbebegriff umfasst ansehen würde, gehe das Landgericht rechtsfehlerhaft davon aus, dass die Angebote „dergestalt ähnlich“ seien, dass es sich hier um „mittelbare“ Werbung für die .com-Angebote handele. In den ausgestrahlten Werbespots Werbung für die .de-Angebote DrückGlueck.de, Wunderino.de, MrGreen.de und RizkCasino.de würden (gleich mehrfach) ausdrücklich – und ausschließlich – diese deutschen Internetseiten genannt und der Aufruf der angegebenen Internet-Adressen führe jeweils nur zu den deutschen Angeboten. Selbst bei einer Google-Suche nach den in den streitgegenständlichen Werbespots explizit beworbenen .de-Angeboten bzw. Internetseiten würden diese jeweils als erste Treffer angezeigt. Die .com-Angebote seien in den streitgegenständlichen Werbespots weder erwähnt worden, noch werde darauf von den .de-Angeboten aus verlinkt oder weitergeleitet. Soweit das Landgericht demgegenüber darauf abstelle, dass die Angebote dergestalt ähnlich seien, dass der Verbraucher die streitgegenständlichen Werbespots auch für die unter der Top-Level-Domain angebotenen Glücksspiele ansehe, sei das nicht überzeugend und ändere nichts daran, dass diese Unterschiede gerade wesentlich seien. Denn gerade der Aufruf von z.B. DrückGlueck.de führe nun einmal unstreitig und zwingend zum zulässigen deutschen Angebot und nicht zum Angebot unter DrueckGlueck.com. Daran ändere sich auch nichts dadurch – worauf das Landgericht weiter abstelle – dass die .de- und .com-Angebote hinsichtlich der graphischen Ausgestaltung, der verwendeten Logos und der angebotenen Spiele dergestalt ähnlich seien, denn hierauf komme es nicht an. Entscheidend sei vielmehr das, was in den Werbespots zu sehen sei, nämlich ausschließlich der Verweis auf das jeweilige .de-Angebot. Dabei werde insbesondere auch nicht auf die „Dachmarke“ bzw. die „Schlagwörter“ ohne die jeweilige Domain verwiesen, auf die das Landgericht ergänzend abstelle, sondern es werde immer nur das konkrete Logo mit Hinweis auf „.de“ grafisch dargestellt.
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An der Zulässigkeit der streitgegenständlichen Werbung ändere sich entgegen der rechtsfehlerhaften Ansicht des Landgerichts zudem auch nichts dadurch, dass die anderen .com-Angebote bei Google auffindbar seien. Zum einen lege das Erstgericht schon nicht dar, warum für den interessierten Nutzer überhaupt die Notwendigkeit bestehen sollte, das in den Spots beworbene Angebot mit Hilfe der Suchmaschine Google ausfindig zu machen und dann dort auch nur Teile der URL einzugeben. Dagegen spreche bereits, dass in den streitgegenständlichen Spots ausdrücklich das .de-Angebot beworben werde, während das andere .com-Angebot noch nicht einmal erwähnt werde. In tatsächlicher Hinsicht unzutreffend sei weiter, soweit das Landgericht darauf abstelle, dass bei einer entsprechenden Google-Suche bei der Eingabe der Suchwörter „DrückGlück“, „Wunderino“, „Mr Green“ und „Rizk-Casino“ als allererstes die Angebote auf der Top-Level-Domain – gemeint offenbar .com – angezeigt würden, richtig sei vielmehr, dass bei der Suche nach „Mr Green“ als erster Suchtreffer MrGreen.de angezeigt werde; bei den anderen Angeboten sei das jeweilige .de-Angebot in der Regel der zweite Suchtreffer. Es entziehe sich im Übrigen auch der Kontrolle und Verantwortung der Beklagten, was bei Google auffindbar sei oder nicht und seien Mutmaßungen über die Benutzung der durch mehrere Algorithmen gesteuerten Suchmaschine Google bzw. Treffer- und Reihenfolge-Rankings auch in rechtlicher Hinsicht nicht geeignet, die Werbewirkung eines im Rundfunk ausgestrahlten Werbespots zu bestimmen.
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Rechtsfehlerhaft habe das Landgericht auch gegen die einschlägigen (ober-)verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen des BayVGH „Fulltiltpoker“ (Urteil vom 9. 03.2015 – 7 BV 13.2153) und „lottoland.gratis“ (Beschluss vom 21.08.2018 – 10 CS 18.1211) entschieden, ohne sich mit diesen auseinanderzusetzen. Wende man die Kriterien der Rechtsprechung des BayVGH im vorliegenden Fall sachgerecht an, werde deutlich, dass hier allein eine zum „Fulltiltpoker“-Fall vergleichbare Konstellation vorliege, in der die Voraussetzungen für eine (mittelbare) Werbung nicht erfüllt seien. Die Teilnahme an den jeweils beworbenen Angeboten sei nämlich unbegrenzt möglich und nicht auf nur einmal pro Monat beschränkt. Schon insoweit handele es sich bei allen vier beworbenen Angeboten um (gegenüber den .com-Angeboten) eigenständige Angebote i.S.d. Fulltiltpoker-Rechtsprechung, von denen reflexartig gerade keine „besondere Anreizwirkung“ zur Teilnahme an dem .com-Angebot i.S.d. Lottoland.gratis-Entscheidungen ausgehe. Hinzukomme bei den drei beworbenen Schleswig-Holstein-Casinos, dass diese schon deshalb eigenständige Angebote darstellten, weil sie auf Basis einer Genehmigung aus Schleswig-Holstein eigenständig lizenziert seien. Bei dem beworbenen kostenlosen de.-Angebot komme wiederum hinzu, dass dieses sich sowohl durch die Entgeltlichkeit von den kostenpflichtigen Angeboten unterschieden habe, als auch durch die fehlende Gewinnmöglichkeit.
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Doch selbst wenn man (rechtsfehlerhaft) davon ausgehe, dass in der streitgegenständlichen Werbung für die .de-Angebote „mittelbare“ Werbung für die .com-Angebote liege, sei auch die weitere Feststellung des Landgerichts rechtsfehlerhaft, dass es sich dann um Werbung für unerlaubte Glücksspiele entgegen § 5 Abs. 5 GlüStV (a.F.) handele, da die angeblich „mittelbar“ beworbenen .com-Angebote von den deutschen Glücksspielaufsichtsbehörden geduldet würden und damit behördlicherseits erlaubt bzw. jedenfalls so zu behandeln seien. Dabei liege hier nicht „nur“ eine passive Duldung in dem Sinne vor, dass die Glücksspielbehörden lediglich gegen die Onlinecasinos nicht vorgingen, vielmehr erfolge mittlerweile sogar eine aktive Duldung durch Verwaltungsakt in Form einer Allgemeinverfügung, die zusätzlich einen Vertrauenstatbestand dahingehend begründe, dass auch zukünftig bei Vorliegen der Voraussetzungen nicht eingeschritten werde. Es sei gleich auf verschiedenen Ebenen – und zwar aus zwingenden Gründen der Verhältnismäßigkeit – erklärt worden, gegen den den Behörden bekannten Zustand (Angebot von Onlinecasinos) unter bestimmten Voraussetzungen nicht einzuschreiten, diese also aktiv zu dulden. So handele es sich bei dem Umlaufbeschluss vom 08.09.2020 (Anlage BK 6) um eine aktive Duldungsentscheidung, in dessen Nr. 5 explizit dargelegt werde, unter welchen Voraussetzungen gegen bestimmte Anbieter vorgegangen und im Umkehrschluss, welche Anbieter und welches Anbieterverhalten bis zur Neuregelung geduldet werden sollten. Glücksspielanbieter könnten insbesondere den Nrn. 4 und 5 des Beschlusses konkrete Handlungsweisen entnehmen, nach denen sie ihre jeweiligen Angebote gestalten könnten und sollten, um Untersagungsverfügungen der Behörden zu vermeiden. Der Beschluss sei auch im Ministerialblatt des Landes Nordrhein-Westfalen amtlich bekannt gemacht worden (Anlage BK 8), worauf im Bundesanzeiger hingewiesen worden sei (Anlage BK 9). Unschädlich sei, dass die Form eines „Beschlusses“ gewählt worden sei, denn auch eine aktive Duldungsentscheidung bedürfe keiner besonderen Form, insbesondere müsse sie sich nicht als Verwaltungsakt darstellen. Jedenfalls liege eine aktive Duldung (spätestens) in den Gemeinsamen Leitlinien der obersten Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder vom 30.09.2020 (Anlage BK 7). Dabei handele es sich um einen an die Anbieter gerichteten Verwaltungsakt in Form einer Allgemeinverfügung gem. § 35 Satz 2 VwVfG. Ein verbindlicher Regelungswille der zuständigen Glücksspielbehörden liege vor – Rechtssicherheit für die Übergangsphase lasse sich nur erreichen, wenn sich die Behörden mit diesen Vorgaben selbst binden wollten. Die sehr konkreten technischen Regelungen und die explizit genannten Umsetzungsfristen der Leitlinien könnten ohne einen Bindungswillen nicht sinnvoll gedacht werden. Die angeblich mittelbar beworbenen Angebote unter DrueckGlueck.com, Wunderino.com, MrGreen.com und Rizk.com seien auch von dieser Duldung erfasst. Soweit das Landgericht demgegenüber ausführe, dass in keiner Weise klar sei, ob die Angebote die Regeln der (auch vom Landgericht nicht in Abrede gestellten) Duldung tatsächlich einhielten, habe es schon die allgemeinen Regeln zur Darlegungs- und Beweislast verkannt, wonach es dem Kläger obliege, die Voraussetzungen eines Wettbewerbsverstoßes der Beklagten darzulegen und zu beweisen, also insbesondere, dass Angebote die Duldungsvorgaben nach Ansicht der zuständigen Aufsicht nicht einhielten. Nach Kenntnis der Beklagten hätten die Anbieter von DrueckGlueck.com, Wunderino.com, MrGreen.com bzw. Rizk.com ihre Angebote auf die Vorgaben der Duldung hin angepasst und strebten eine Genehmigung in Deutschland unter dem GlüStV 2021 an. Auch die Tatsache, dass es nach Kenntnis der Beklagten (der bislang auch der Kläger nicht substantiiert widersprochen habe) weiterhin kein aufsichtliches Vorgehen gegen die Anbieter dieser Glücksspielangebote seit dem Umsetzungsstichtag des 15.10.2020 gebe, bestätige gerade, dass die Vorgaben der Duldung nach dem Verständnis der zuständigen Aufsichtsbehörden eingehalten würden. Diese aktive (rechtmäßige) Duldung sei vorliegend auch wettbewerbsrechtlich zu beachten, da auch die .com-Angebote mit Blick auf die Duldung nicht als „unerlaubt“ i.S.d. § 5 Abs. 5 GlüStV (a.F.) anzusehen seien, so dass selbst eine (unterstellte) mittelbare Werbung für diese nicht nach § 5 Abs. 5 GlüStV (a.F.) rechtswidrig wäre. Dem könne auch nicht pauschal entgegengehalten werden, dass vorliegend „kein Vorrang des Aufsichtsrechts“ gelte. Anderenfalls wäre etwas verwaltungsrechtlich erlaubt, aber wettbewerbsrechtlich verboten. Dieser Widerspruch werde besonders deutlich am Fall der rechtlich gebotenen Duldung: Wenn eine Untersagungsverfügung unverhältnismäßig wäre und die Behörde deshalb ein (unterstellt) rechtswidriges Verhalten dulde, würde das Wettbewerbsrecht etwas durchsetzen, was verwaltungsrechtlich nicht durchgesetzt werden dürfe. Sowohl wegen der Verwaltungsakzessorietät der Frage der Unerlaubtheit eines Glücksspiels als auch wegen des Gebots der Einheit der Rechtsordnung seien Duldungsentscheidungen der Behörde auch im Wettbewerbsrecht anzuerkennen. Selbst (fälschlich) unterstellt, dass die Duldung hier als rechtswidrig anzusehen sei, wäre sie trotzdem wirksam und vorliegend zu beachten, solange sie nicht von den dafür zuständigen Behörden oder Verwaltungsgerichten widerrufen worden sei (vgl. § 43 Abs. 2 VwVfG).
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Zudem habe das Landgericht zu Unrecht die Passivlegitimation der Beklagten angenommen. Hinsichtlich der mit Urteilstenor zu 1. a) untersagten Werbespots für drückglück.de liege keine Verkehrspflichtverletzung vor, denn unstreitig seien diese nur bis zum 13.02.2019 ausgestrahlt worden, seien also bereits eingestellt gewesen, bevor die Beklagte hinreichend konkret auf vermeintliche Rechtsverstöße hingewiesen worden sei (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 01.07.2020, S. 10 ff.). Entgegen der Ansicht des Landgerichts seien die danach in abgeänderter Form ausgestrahlten Werbespots nicht kerngleich zu den ursprünglichen Versionen. Zudem seien kerngleiche Verstöße im vorliegenden Fall gar nicht vom Klageantrag erfasst, denn der Klageantrag zu 1. a) lasse den maßgeblichen „Kern“, d.h. das für seinen Gehalt Charakteristische, gerade nicht zweifelsfrei erkennen. Schließlich werde die erhöhte Prüfpflicht gar nicht ausgelöst, denn die Hinweise des Klägers auf angebliche Rechtsverstöße der Spots genügten nicht den Anforderungen der Rechtsprechung des BGH zur Haftung von Presseunternehmen, wonach der Hinweis so konkret gefasst sein müsse, dass der Adressat des Hinweises den Rechtsverstoß unschwer – das heißt ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung – feststellen könne. Vorliegend habe der Kläger in der Abmahnung lediglich seine Rechtsauffassung dargestellt, die jedoch nicht unstreitig sei, sondern insbesondere von der Rechtsprechung mit gewichtigen Argumenten bezweifelt werde. Dies könne aber nicht genügen, um es der Beklagten zu ermöglichen, unschwer zu beurteilen, ob ein Wettbewerbsverstoß vorliege. Auch hinsichtlich der mit Urteilstenor zu 1. b) untersagten Werbespots für wunderino.de liege keine Verkehrspflichtverletzung vor. Denn die streitgegenständlichen Werbespots selbst seien unstreitig nur bis zum 08.02.2019 (Klageantrag zu 1. b) aa)) bzw. sogar nur bis zum 16.12.2018 (Klageantrag zu 1. b) bb)) ausgestrahlt worden und auch die Annahme kerngleicher Verstöße durch Ausstrahlung der als Anlage CBH 34 überreichten Werbespots sei aus den bereits genannten Gesichtspunkten rechtlich fehlerhaft. Hinsichtlich des mit Urteilstenor zu 1. c) untersagten Werbespots für MrGreen.de habe das Landgericht ebenfalls verkannt, dass die Beklagte keine Verkehrspflicht verletzt habe, nachdem der (vermeintliche) Rechtsverstoß auch aufgrund der klägerischen Abmahnung nicht unschwer festzustellen gewesen sei. Ferner habe das Landgericht zu Unrecht angenommen, dass die Beklagte hinsichtlich der mit Urteilstenor zu 1. d) untersagten Werbespots für Rizkcasino.de eine Verkehrspflicht verletzt habe. Hinsichtlich des mit Tenor zu 1. d) dd) verbotenen Werbespots für Rizkcasino.de habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass der Kläger die Beklagten vor Klageerhebung überhaupt nicht auf den vermeintlichen Rechtsverstoß hingewiesen habe.
28
Soweit das Landgericht rechtsfehlerhaft davon ausgehe, dass die Wiederholungsgefahr auch im Hinblick auf die Beklagte zu 2) weiterhin bestehe, lasse es dabei unbeachtet, dass die Beklagte zu 2) zwischenzeitlich durch Verschmelzung auf die Beklagte zu 1) nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 UmwG mit Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister am 15.09.2020 erloschen sei.
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Die Beklagtenpartei beantragt:
Die Klage wird unter Abänderung des am 9.11.2020 verkündeten Urteils des Landgerichts München I (Az.: 39 O 11031/19) abgewiesen.
die Berufung zurückzuweisen.
31
Der Kläger führt in Erwiderung auf die Berufung Folgendes aus:
32
Der austenorierte Unterlassungsanspruch sei hinreichend bestimmt und mache das verbotene Verhalten erkennbar. Wie vom Landgericht zutreffend ausgeführt, sei der gesamte Antrag durch die unbedingte Inbezugnahme der abgebildeten Werbespots auf die konkrete Verletzungsform bezogen. Durch diesen bestimmten Bezug wäre auch ein etwaiges Vollstreckungsgericht gebunden, so dass nicht ersichtlich sei, wie hierdurch das Anzeigenprivileg der Beklagten tangiert sein sollte. Insbesondere ergäben sich die Kriterien der unzulässigen Mitbewerbung der Parallelangebote klar aus den mit heranzuziehenden Feststellungen und Gründen des Urteils. Soweit die Beklagte anführe, die Gestaltung der beworbenen Glücksspielangebote könne sich jederzeit ändern, ohne dass sie darauf Einfluss hätte, ändere auch dieser Einwand nichts an der Bestimmtheit von Klageanträgen und Tenor, denn die Verurteilung erfolge ausdrücklich nur hinsichtlich der Bewerbung nicht erlaubter Glücksspiele. Sollte sich hieran in Bezug auf die beworbenen Angebote etwas ändern, wäre das Urteil insoweit nicht mehr vollstreckbar und die Beklagte hierdurch vor einer unberechtigten Inanspruchnahme geschützt.
33
Das Landgericht habe auch zu Recht keinerlei Anhaltspunkte für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen des Klägers gesehen. Es fehle bereits an hinreichend substantiiertem Vortrag der Beklagten hinsichtlich planmäßig geduldeter gleichartiger Verstöße. Etliche der im Schriftsatz vom 20.05.2020 angeführten Werbemaßnahmen seien bereits nicht Mitgliedern des Klägers zuzurechnen, im Übrigen belege der dortige Vortrag auch in keiner Weise ein planmäßiges Dulden gleichartiger Verletzungshandlungen der eigenen Mitglieder.
34
Das Landgericht habe auch zutreffend die Aktivlegitimation des Klägers bejaht, wobei es gleichrangig auf die Mitgliederstruktur des Klägers, die unstreitig keine Verbraucher umfasse, sowie auf die Satzung des Klägers abgestellt habe, die entgegen der Behauptung der Beklagten gerade nicht den Verbraucherschutz als wichtigstes satzungsgemäßes Ziel benenne, sondern ausweislich § 2 Abs. 1 die Wahrnehmung der „allgemeinen, ideellen und wirtschaftlichen Interessen der deutschen Glücksspielunternehmen“. Der Kläger vertrete ausweislich seiner Satzung und auch tatsächlich die Kollektivinteressen aller legal am deutschen Markt agierenden Glücksspielunternehmen, darunter im Übrigen unstreitig auch private Unternehmen.
35
Die Feststellung des Landgerichts, dass mit den ausgestrahlten Werbespots gegen das Werbeverbot des § 5 Abs. 5 GlüStV (a.F.) verstoßen werde, sei rechtsfehlerfrei. Zutreffend sei insbesondere, dass zivilrechtlicher Wettbewerbsrechtsschutz und verwaltungsrechtliche Ahndung unabhängig nebeneinander stünden und insofern keine vermeintlich entgegenstehende Behördenansicht zu berücksichtigen gewesen sei. Unabhängig davon, dass der Vortrag der Beklagten, wonach angeblich keine Aufsichtsbehörde die streitgegenständliche Werbung beanstandet habe, unzutreffend sei, könne sich die Beklagte auch nicht auf Vertrauensschutz berufen, wenn eine einzige, nicht deutschlandweit zuständige Behörde – die Glücksspielaufsicht Schleswig-Holstein – ihr eine anderweitige Rechtsauslegung mitteile. Aus dem Grundsatz der Unabhängigkeit von zivilgerichtlichen Wettbewerbsrechtsschutz und behördlicher Ahndung erwachse auch kein Wertungswiderspruch. Das Gebot der Verhältnismäßigkeit sei kein Element des zivilrechtlichen Wettbewerbsschutzes, ebenso wenig wie eine Subsidiarität der Haftung verschiedener an einem Wettbewerbsverstoß beteiligter Akteure. Entgegen der Ansicht der Beklagten liege auch kein die Werbung ausdrücklich erlaubender Verwaltungsakt der zuständigen Behörden vor. Ferner sei weder unstreitig, dass rechtlich gültige Erlaubnisse für die „.de-Angebote“ vorlägen, noch, dass die Werbung bundesweit durch das Bundesland Schleswig-Holstein erlaubt worden wäre. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt habe, könnten interne Vollzugsleitlinien der Exekutive, um die es sich bei dem Umlaufbeschluss und den Gemeinsamen Leitlinien (Anlagen BK 6 und 7) lediglich handele, geltendes Recht nicht außer Kraft setzen, an welches die Judikative gemäß Art. 20 Abs. 3 GG gebunden sei. Um eine – wettbewerbsrechtlich ohnehin irrelevante – behördliche „Duldung“ handele es sich entgegen des Vortrags der Beklagten nicht. Im Übrigen sei auf Ziffer 1. lit. r) der Gemeinsamen Leitlinien (Anlage BK 7) hinzuweisen, wonach das Werbeverbot für unerlaubte Glücksspiele einschließlich virtueller Automatespiele und Online-Poker nach § 5 Abs. 5 GlüStV (a.F.) zu beachten sei. Selbst nach diesen Vollzugsleitlinien sei die streitgegenständliche Werbung mithin nach wie vor unzulässig. Ohne dass es darauf ankäme, würden im Übrigen zumindest beim Angebot unter wunderino.com die Anforderungen des Umlaufbeschlusses und der Gemeinsamen Leitlinien durch die Betreiberin auch nach dem 15.10.2020 nicht eingehalten.
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Zutreffend habe das Landgericht – in Übereinstimmung mit der ganz einheitlichen Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte – auch eine mittelbare Bewerbung der in Deutschland nicht erlaubten aber dennoch spielbaren „.com-Glücksspielangebote“ bejaht. Insbesondere habe das Landgericht dabei zutreffend darauf abgestellt, dass die Internetseiten der Parallelangebote nahezu identische Adressen aufwiesen, die sich primär aus der beworbenen Dachmarke zusammensetzten, prägnant die beworbene Dachmarke mit hochgradig ähnlich gestalteten Logos einsetzten, wie auch sonst starke grafische Übereinstimmungen aufwiesen und ein in hohem Maße ähnliches Produktangebot bereithielten. Hinsichtlich „Fulltiltpoker“-Entscheidung des BayVGH habe der Kläger bereits erstinstanzlich darauf hingewiesen, dass der BayVGH selbst diese Rechtsprechung im Sinne der landgerichtlichen Entscheidung revidiert habe.
37
Schließlich sei das Landgericht zu Recht von einer Passivlegitimation der Beklagten ausgegangen, insbesondere auch hinsichtlich der Werbespots für „DrückGlück“ und „Wunderino“, denn unzweifelhaft handele es sich bei den in Anlage CBH 34 abgebildeten Werbespots um kerngleiche Verstöße.
38
Es bestehe nach wie vor Wiederholungsgefahr. Eine sich in der Zukunft ändernde Rechtslage, die zudem weiterhin die vorherige Erteilung einer – hier nicht vorliegenden und einer auch zukünftig auf bestimmte Spieltypen beschränkten – behördlichen Erlaubnis für Glücksspielangebote festschreibe und überdies strenge Werberestriktionen enthalte, lasse diese nicht entfallen. Die Behauptung der Beklagten, das bisherige Verbot von Online-Casinos werde durch den neuen GlüStV 2021 abgeschafft, sei jedenfalls in dieser Pauschalität schlicht unzutreffend.
39
Der Kläger hat im Termin vor dem Senat am 12.08.2021 die Klage mit Zustimmung der Beklagtenseite in Bezug auf die Beklagte zu 2) für erledigt erklärt.
40
Ergänzend wird auf die von den Prozessbevollmächtigten eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 12.08.2021 Bezug genommen.
41
Die gemäß § 511 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere gemäß §§ 519 Abs. 1, Abs. 2, 517 ZPO form- und fristgerecht eingelegte und gemäß § 520 Abs. 2, Abs. 3 ZPO begründete Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
42
Lediglich hinsichtlich der Tenorierung zu Ziff. 1 war die Nummerierung klarstellend zu berichtigen sowie dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Parteien den Rechtsstreit in der Berufungsinstanz in Bezug auf die Beklagte zu 2) übereinstimmend für erledigt erklärt haben (§ 91 a ZPO).
43
Die Klage ist zulässig.
44
1. Die Unterlassungsanträge sind hinreichend bestimmt i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
45
a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Verbotsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich die Beklagtenpartei deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was ihr verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bliebe (st. Rspr; vgl. BGH GRUR 2018, 1161 Rn. 16 – Hohlfasermembranspinnanlage II; BGH GRUR 2018, 203 Rn. 10 – Betriebspsychologe). Eine hinreichende Bestimmtheit ist für gewöhnlich gegeben, wenn eine Bezugnahme auf die konkrete Verletzungshandlung oder die konkret angegriffene Verletzungsform antragsgegenständlich ist und der Klageantrag zumindest unter Heranziehung des Klagevortrags unzweideutig erkennen lässt, was Grundlage und Anknüpfungspunkt des Wettbewerbsverstoßes und damit des Unterlassungsgebots sein soll (BGH a.a.O. – Hohlfasermembranspinnanlage II m.w.N.; BGH GRUR 2013, 1052 Rn. 12 – Einkaufswagen III m.w.N.; BGH GRUR 2002, 86, 88 – Laubhefter).
46
b) Das Landgericht hat die Klageanträge zutreffend als hinreichend bestimmt angesehen, weil sich diese durch die Wahl des Zusatzes „wenn dies geschieht wie…“ gegen die konkret im Antrag wiedergegebenen Werbespots richten (s.a. Senat, Urt. vom 27.04.2021, Az. 6 U 4751/20, Seite 42 unter Ziff. 2. und OLG Köln, GRUR-RS 2020, 28888 Rn. 19). Damit bezieht sich das beantragte Verbot jeweils auf die hier angegriffene Werbung für Online-Casino- und Automatenspiele, wie aus der Fassung des Antrags ersichtlich. Dabei ist im Hinblick auf die untersagte mittelbare Werbung für unerlaubte Online-Casino- und Automatenspielangebote unter den parallel betriebenen .com-Domains unter Heranziehung der Klagebegründung (vgl. die Darstellungen auf den Seiten 29 ff. der Klage zu den Inhalten und Gestaltungen der jeweiligen .de- und .com-Domains) und der Urteilsgründe (vgl. LGU Seite 34, 2. Abs. unter Bezugnahme auf die tatbestandlichen Feststellungen auf Seiten 25 bis 27) sowohl für die Beklagte, als auch für das Vollstreckungsgericht ersichtlich, was Grundlage und Anknüpfungspunkt des Wettbewerbsverstoßes und damit des Unterlassungsgebots ist. Soweit die Beklagte unter Berufung auf das sog. Anzeigenprivileg geltend macht, über die Rechtmäßigkeit der Werbespots entschieden Faktoren, die nicht ihrem Einflussbereich unterlägen – wie insbesondere die Gestaltung der beworbenen .de-Angebote und parallel betriebener .com-Domains – ist dies für die Frage der Bestimmtheit des Klageantrags nicht relevant. Für die Beklagte ist vielmehr klar erkennbar, dass sie die hier konkret angegriffene Werbung zu unterlassen hat. Sollten sich Inhalt und Gestaltung der beworbenen Angebote ändern, fällt deren Bewerbung nur unter das ausgesprochene Verbot, wenn diese sich im kerngleichen Bereich bewegt (vgl. BGH GRUR 2010, 749 Rn. 42 – Erinnerungswerbung im Internet). Sollten die beworbenen Angebote nachträglich eine Erlaubnis erhalten, würde dies aus dem Verbotstenor herausführen, da dieser sich ausdrücklich nur auf Werbung für nicht erlaubte Online-Casino- und Automatenspiele bezieht. Die Frage, welche Prüfpflichten die Beklagte als Rundfunkveranstalterin trifft, stellt sich im Übrigen erst im Rahmen der Begründetheit (siehe die Ausführungen unter B. 4.).
47
c) Eine mangelnde Bestimmtheit der Klageanträge ergibt sich entgegen dem Vorbringen der Beklagten auch nicht aus der Verwendung auslegungsbedürftiger Begriffe (vgl. dazu allgem. Köhler/Bornkamm/Feddersen, 39. Aufl. 2021, UWG, § 12 Rn. 1.38 m.w.N.). Die Verwendung auslegungsbedürftiger Begriffe im Klageantrag zur Bezeichnung der zu untersagenden Handlung ist grundsätzlich hinnehmbar und im Interesse einer sachgerechten Verurteilung zweckmäßig oder sogar geboten, wenn über den Sinngehalt der verwendeten Begriffe kein Zweifel besteht, so dass die Reichweite von Antrag und Urteil feststeht. Davon ist im Regelfall auszugehen, wenn über die Bedeutung des an sich auslegungsbedürftigen Begriffs zwischen den Parteien kein Streit besteht und objektive Maßstäbe zur Abgrenzung vorliegen (st. Rspr. vgl. BGH GRUR 2018, 417 Rn. 26 – Resistograph m.w.N.; BGH GRUR 2011, 539 Rn. 13 – Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker m.w.N.). Vorliegend hat die Beklagte unstreitig für Online-Casino- und Automatenspiele – wie im Klageantrag konkret wiedergegeben – geworben, so dass über die Bedeutung des Begriffs „zu werben“ keine Unklarheiten bestehen. Ebenso wenig steht zwischen den Parteien im Streit, dass mit „nicht erlaubten“ Online-Casino- und Automatenspielen antragsgemäß solche gemeint sind, die über keine glücksspielrechtliche Erlaubnis verfügen. Die zwischen den Parteien streitigen Fragen, ob im Streitfall eine mittelbare Bewerbung der gegenständlichen .com-Angebote vorliegt und inwieweit die beworbenen Spielangebote über eine behördliche Erlaubnis verfügen, sind im Rahmen der zu beurteilenden Begründetheit der Anträge festzustellen, dies hindert aber die Bestimmtheit der Anträge im Hinblick auf die Reichweite der Anträge bzw. des Urteilstenors nicht.
48
2. Das Landgericht ist rechtsfehlerfrei von der Klagebefugnis bzw. Aktivlegitimation des Klägers ausgegangen (zur Doppelnatur des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG vgl. Köhler/Bonkamm/Feddersen, a.a.O., § 8 Rn. 3.9 m.w.N.).
49
a) Die Feststellung des Landgerichts, wonach der Kläger nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung in der Lage ist, seine satzungsmäßigen Aufgaben wahrzunehmen im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG (in der vom 24.02.2016 bis 01.12.2020 geltenden Fassung, § 15 a Abs. 1 UWG), wurde mit der Berufung nicht angegriffen.
50
b) Die Beurteilung des Ersturteils, wonach die Mitglieder des Klägers Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, wie die mit den streitgegenständlichen Werbespots in ihrem Absatz geförderten Unternehmen im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 3 UWG (a.F.), lassen keinen Rechtsfehler erkennen und wurden von Beklagtenseite mit der Berufung auch nicht beanstandet. Erforderlich ist nach § 8 Abs. 2 Nr. 3 UWG (a.F.), dass sich die Mitglieder des Klägers und die mit der angegriffenen Werbung geförderten Unternehmen auf demselben sachlich und räumlich relevanten Markt als Wettbewerber begegnen, also um Kunden konkurrieren können. Es muss also ein Wettbewerbsverhältnis (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG) zwischen den Mitgliedsunternehmen und dem Verletzer bestehen (Köhler/Bornkamm/Feddersen. a.a.O., § 8 Rn. 3.36). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichthofs besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis auch dann, wenn zwischen den Vorteilen, die eine Partei durch eine Maßnahme für ihr Unternehmen oder das eines Dritten zu erreichen sucht, und den Nachteilen, die die andere Partei dadurch erleidet, eine Wechselwirkung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann (st. Rspr., z.B. BGH WRP 2018, 1322 Rn. 17 – Werbeblocker II; BGH WRP 2017, 1085 Rn. 16 – Wettbewerbsbezug; BGH WRP 2014, 1307 Rn. 32 – nickelfrei). Dabei reicht es aus, dass die Mitgliedsunternehmen eine zumindest nicht gänzlich unbedeutende Beeinträchtigung durch die Wettbewerbsmaßnahme mit einer gewissen, wenn auch nur geringen Wahrscheinlichkeit zu befürchten haben (vgl. BGH GRUR 2006, 778 Rn. 19 – Sammelmitgliedschaft IV; BGH GRUR 2007, 610 Rn. 17 – Sammelmitgliedschaft V; BGH GRUR 2007, 809 Rn. 14 – Krankenhauswerbung). Zwischen den hier geförderten Unternehmen und den Mitgliedern des Klägers besteht insoweit ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, als beide sich an Personen wenden, welche ein Interesse daran haben, an einem Glücksspiel – bei dem für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt – teilzunehmen. Dabei spielt es keine Rolle, dass sich hier ein legales und ein illegales Glücksspielangebot gegenüberstehen und dass die hier beworbenen Glückspielangebote zusätzlich unterhaltende Elemente aufweisen, vielmehr sind die jeweiligen Angebote substituierbar (vgl. bereits Senat, Urt. vom 27.04.2021, Az. 6 U 4751/20, Seiten 43/44 und OLG Köln, a.a.O., Rn. 27; vgl. auch BGH GRUR 2012, 201 Rn. 20 – Poker im Internet).
51
c) Soweit die Beklagtenseite vorträgt, dem Kläger fehle die Klagebefugnis bzw. Aktivlegitimation, weil er als Mischverband sowohl die Interessen seiner Mitgliedsunternehmen, als auch die Interessen der Verbraucher vertrete, ist das Landgericht dem zu Recht nicht gefolgt. Zwar spricht die Satzung des Klägers unter § 2 „Zweck und Aufgaben des Verbandes“ die Förderung von Verbraucherberatung und Verbraucherschutz an. Allerdings lautet es einleitend hierzu auch (Anl. CBH 33): „Der Verband nimmt die allgemeinen, ideellen und wirtschaftlichen Interessen der deutschen Glücksspielunternehmen wahr, die gemäß § 10 Abs. 2 Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) die öffentliche Aufgabe der Bundesländer erfüllen, ein ausreichendes Glücksspielangebot sicherzustellen („staatliche Glücksspielunternehmen“)“. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs würde allein eine – klägerseits bestrittene – satzungsmäßige Gleichstellung der Verfolgung von Gewerbe- und Verbraucherinteressen nicht ausreichen, um dem Kläger die Klagebefugnis bzw. Aktivlegitimation im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG zu versagen. Eine hiervon abweichende Beurteilung wäre nur angezeigt bei bestehender Gefahr einer Interessenkollision und der Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Verbandes (vgl. BGH GRUR 1983, 129, 130 – Mischverband; s.a. KG GRUR 1991, 618, 619). Hierfür bietet der Streitfall keine hinreichenden Anhaltspunkte, zumal der Kläger insoweit unwidersprochen vorgetragen hat, dass ihm keine Verbraucher als Mitglieder angehören (s. a. bereits Senat, Urt. vom 27.04.2021, 6 U 4751/209, S. 42/43; ebenso OLG Köln, GRUR-RS 2020, 28888 Rn. 24). Inwiefern der in § 2 der klägerischen Satzung genannte Zweck der Unterstützung der Mitgliedsunternehmen des Klägers bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben, wie sie in § 1 GlüStV niedergelegt sind – insbesondere bei der Förderung des Verbraucherschutzes – zu Interessenkollisionen führen soll, die eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Klägers befürchten ließen, ist weder dargetan, noch ersichtlich.
52
d) Nicht durchgreifend ist auch der Einwand der Beklagten, der Kläger gehe in rechtsmissbräuchlicher Weise nicht gegen seine eigenen Mitglieder trotz zahlreicher wettbewerbsrelevanter Verstöße vor (vgl. Schriftsatz vom 20.05.2020, S. 20 ff.; Klageerwiderung vom 27.11.2019, S. 17 ff.). Zwar kommt ein Missbrauch der Klagebefugnis und damit ein Zulässigkeitshindernis für die Unterlassungsklage (§ 8 c Abs. 1 UWG) in Betracht, wenn der Kläger nach einer Gesamtwürdigung im Kern sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt (BGH GRUR 2000, 1089, 1990 – Missbräuchliche Mehrfachabmahnung). Als Indiz dafür kann neben den in § 8 c Abs. 2 UWG genannten Fällen auch ein selektives Vorgehen in Betracht kommen (vgl. BGH GRUR 1987, 430, 432 – Grabsteinaufträge; GRUR 1985, 58, 59 – Mischverband II). Allerdings steht es einem Verband durchaus frei, gegen einen oder mehrere einzelne Verletzer vorzugehen, und zwar schon deswegen, weil dem Abgemahnten seinerseits die Möglichkeit offensteht, gegen Mitglieder des abmahnenden Verbandes vorzugehen (vgl. BGH GRUR 2012, 411 Rn. 19 – Glücksspielverband; OLG Köln, GRUR-RS 2020, 28888 Rn. 21). Es kann aber als rechtsmissbräuchlich anzusehen sein, wenn ein Verband gegen außenstehende Dritte vorgeht, den unlauteren Wettbewerb durch gleichartige Verletzungshandlungen der eigenen Mitglieder jedoch planmäßig duldet (BGH, a.a.O., Rn. 22 – Glücksspielverband). Dabei ist es eine Frage der Gesamtumstände des Einzelfalls, ob das dauerhaft selektive Vorgehen eines Verbands ausschließlich gegen Nichtmitglieder als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist (BGH, a.a.O., Rn. 23 – Glücksspielverband). Dass Mitglieder des Klägers in hier streitgegenständlicher Weise verbotene Werbung für Online-Glücksspiele betreiben würden, behauptet die Beklagte schon nicht. Auch sind im Streitfall keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass der Kläger Wettbewerbsverstöße seiner Mitglieder planmäßig dulde, etwa indem er mit einem selektiven Vorgehen ausschließlich gegen Nichtmitglieder bezweckt, neue Mitglieder zu werben, denen er nach einem Beitritt Schutz vor Verfolgung verspricht (BGH, a.a.O., Rn. 23 – Glücksspielverband). Eine Obliegenheit eines Verbands, gegen eigene Mitglieder vorzugehen, auf die sich außenstehende Dritte berufen könnten, besteht demgegenüber grundsätzlich nicht (BGH, a.a.O., Rn. 23 – Glücksspielverband; BGH GRUR 2020, 294 Rn. 60 – Culatello di Parma). Der Vortrag der Beklagten zur vermeintlichen Nichtverfolgung von anderweitigen Wettbewerbsverstößen der Mitglieder des Klägers vermag daher hier den Vorwurf rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nicht zu begründen.
53
Die Klage ist begründet.
54
Dem Kläger stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche aus §§ 8 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 1 S. 1, 3 a UWG i.V.m. § 5 Abs. 5 GlüStV a.F./Abs. 7 GlüStV 2021 zu.
55
1. Da der Unterlassungsanspruch in die Zukunft gerichtet ist, muss das als wettbewerbswidrig gerügte Verhalten grundsätzlich sowohl nach dem zur Zeit der beanstandeten Werbung geltenden Recht als auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats wettbewerbswidrig sein (st. Rspr. vgl. BGH GRUR-RS 2021, 11840 Rn. 9 – Testsiegel auf Produktabbildung; BGH GRUR 2016, 1076 Rn. 18 – LGA tested; BGH GRUR 2018, 438 Rn. 9 – Energieausweis m.w.N.). Mit dem zum 01.07.2021 in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrag 2021 gilt für Online-Casino- und -Automatenspiele (siehe Definition in § 3 Abs. 1a GlüStV 2021) ein Erlaubnismodell gem. §§ 4 Abs. 4, 22a und 22c GlüStV 2021, wobei gem. § 5 Abs. 1 GlüStV 2021 die Inhaber einer Erlaubnis (vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelungen) für die erlaubten Glücksspiele werben bzw. Dritte mit der Durchführung der Werbung beauftragen können. Auch nach dieser geänderten Rechtslage ist aber die Werbung für nicht erlaubte Online-Casino- und -Automatenspiele, wie sie hier antragsgegenständlich ist, nach wie vor gem. § 5 Abs. 7 GlüStV 2021 verboten.
56
2. Die Werberegeln des GlüStV, insbesondere § 5 Abs. 5 GlüStV a.F./Abs. 7 GlüStV 2021, stellen Marktverhaltensnormen im Sinne von § 3a UWG dar. Der Glücksspielstaatsvertrag bezweckt nach § 1 GlüStV unter anderem das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern, das Glücksspielangebot zu begrenzen und den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken, insbes. ein Ausweichen auf nicht erlaubte Glücksspiele zu verhindern und den Jugend- und Spielerschutz zu gewährleisten. Dieser Zweck soll insbes. durch die Beschränkung der Veranstaltung und Vermittlung von öffentlichen Glücksspielen (§ 4 GlüStV), durch Werbebeschränkungen und Werbeverbote für öffentliche Glücksspiele (§ 5 GlüStV) und durch die Statuierung von Aufklärungspflichten für öffentliche Glücksspiele (§ 7 GlüStV) erreicht werden (Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 3 a Rn. 1.244). Die Regelungen der §§ 4 bis 8 GlüStV, insbesondere § 5 Abs. 5 GlüStV/Abs. 7 GlüStV 2021, stellen somit Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3 a UWG im Interesse der Spielteilnehmer dar (OLG Köln a.a.O., Rn. 30, zu § 5 Abs. 5 GlüStV a.F.; BGH GRUR 2013, 527 Rn. 11 – digibet zu § 4 Abs. 4 und § 5 Abs. 3 GlüStV a.F.; BGH GRUR 2012, 193 Rn. 21 – Sportwetten im Internet II zu § 4 Abs. 4 GlüStV a.F.). Verstöße gegen die Bestimmungen des GlüStV sind auch regelmäßig geeignet, die Interessen der Mitbewerber und der Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen (Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 3 a Rn. 1.245).
57
3. Die angegriffene Werbung verstößt gegen § 5 Abs. 5 GlüStV a.F. bzw. § 5 Abs. 7 GlüStV 2021.
58
a) Die Normen des GlüStV stehen mit dem Unionsrecht in Einklang, was auch die Berufung nicht in Abrede stellt (vgl. BGH, Beschl. vom 22.07.2021, Az. I ZR 199/20; BVerwGE 160, 193, juris Rn. 30 ff. – Internetverbot für drei Glücksspielarten; KG, Urt. vom 12.11.2020, Az. 5 U 72/19, Seiten 7 ff.; Senat, Urt. vom 27.04.2021, Az. 6 U 4751/20, Seite 49 unter aa)).
59
b) Ein Verstoß gegen das Werbeverbot des § 5 Abs. 5 GlüStV/Abs. 7 GlüStV 2021 liegt unabhängig von der Frage vor, ob für die direkt beworbenen, entgeltlichen .de-Angebote in Schleswig-Holstein eine behördliche Erlaubnis anzunehmen ist und welche Auswirkungen dies auf die Rechtmäßigkeit einer bundesweiten Ausstrahlung hat. Nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des Landgerichts liegt nämlich jedenfalls auch eine mittelbare Bewerbung der entgeltlichen Angebote unter den Internetdomains www.drueckglueck.com, www.wunderino.com, www.mr.green.com und www.rizk.com vor und hatten die Betreiber dieser Seiten im Zeitpunkt der Werbeausstrahlung keine behördliche Erlaubnis in Deutschland. Ebenso wenig hat die Beklagte vorgetragen, dass ihnen zwischenzeitlich eine behördliche Erlaubnis erteilt worden wäre (vgl. §§ 4 Abs. 4, 22a und 22c GlüStV 2021), so dass es nicht auf die Frage ankommt, ob dies einen Wegfall der durch die Verletzungen begründeten Wiederholungsgefahr nach sich zöge.
60
aa) Die Feststellungen des Landgerichts, wonach die angegriffenen TV-Werbespots auch eine Bewerbung der Angebote unter den Domains www.drueckglueck.com, www.wunderino.com, www.mr.green.com und www.rizk.com darstellen, sind nicht zu beanstanden (vgl. bereits Senat, Urt. vom 24.04.2021, 6 U 4751/20, Seiten 45 ff.; ebenso OLG Köln, a.a.O., Rn. 36, 37; KG Berlin, Urt. vom 06.10.2020, Az. 5 U 72/19, Seiten 14 ff., Anlage CBH 40 sowie BGH, Beschl. vom 22.07.2021, Az. I ZR 199/20):
61
(1.) Der Begriff der Werbung ist in § 5 Abs. 5 GlüStV/Abs. 7 GlüStV 2021 nicht eigenständig definiert. Insoweit wird der wettbewerbsrechtliche Werbebegriff des Art. 2 Buchst. a der RL 2006/114/EG über irreführende und vergleichende Werbung herangezogen (vgl. BayVGH Beschl. v. 21.9.2018 – 7 CE 18.1722, BeckRS 2018, 23417 Rn. 45 m.w.N.; Beschl. v. 21.8.2018 – 10 CS 18.1211, BeckRS 2018, 21837 Rn. 20 m.w.N.; OLG Köln, a.a.O., Rn. 36). Dort ist als Werbung „jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen zu fördern“ definiert. Dieser weit zu verstehende Begriff der Werbung erfasst jede Art von Werbung, also außer der unmittelbar produktbezogenen Werbung auch die mittelbare Absatzförderung sowie geschäftliche Handlungen zugunsten eines fremden Unternehmens (BayVGH, a.a.O., Rn. 45). Nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des Landgerichts (vgl. LGU S. 34, 2. Abs. unter Bezugnahme auf die tatbestandlichen Feststellungen auf S. 25, 5. Abs. zu „Drückglück“, S. 26, 4. Abs. zu „Wunderino“, S. 27, 2. Abs. zu „Mr. Green“ und 5. Abs. zu „Rizkcasino“) weisen die streitgegenständlichen Webseitenangebote unter den jeweiligen .de- und .com-Domains hinsichtlich ihrer grafischen Ausgestaltung, den verwendeten Logos bzw. hinsichtlich der angebotenen Spiele Übereinstimmungen oder Ähnlichkeiten auf, wobei aus der Sicht der angesprochenen Verbraucher vor dem maßgeblichen Hintergrund, dass die Domainnamen in ihren unterscheidungskräftigen Bestandteilen identisch sind, auf eine Zusammengehörigkeit der Angebote zu schließen ist. Die von der Beklagten hiergegen angeführten Unterschiede in den Top-Level-Domains „.de“ einerseits und „.com“ andererseits werden demgegenüber vom angesprochenen Verkehr nicht als unterscheidungskräftig wahrgenommen, zumal der Verkehr daran gewöhnt ist, dass ein Unternehmen auch verschiedene Top-Level-Domains auf sich registriert halten kann, wohingegen es nicht der allgemeinen Lebenserfahrung entspricht, dass konkurrierende Anbieter unter demselben Domainnamen bei lediglich unterschiedlicher Top-Level-Domain dieselben Dienstleistungen anbieten. Der von den streitgegenständlichen Werbespots angesprochene Verbraucher wird sich daher maßgeblich die beworbenen Marken „Drückglück“, „Wunderino“, „Mr. Green“ und „Rizk“ – der Zusatz „casino“ ist hier als rein beschreibende Angabe nicht unterscheidungskräftig – einprägen, um nach den beworbenen Angeboten im Internet zu suchen. Demnach ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung von einem Internetnutzer nicht zu erwarten, dass dieser stets die vollständige URL einschließlich des Top-Level-Bestandteils „.de“ in die Header-Zeile des – regelmäßig mit einer Suchmaschine konfigurierten – Browsers eingibt, vielmehr liegt es nahe, den kennzeichnenden Teil der Adresse einzugeben und danach zu suchen. Bei diesem Vorgang erscheinen als Suchergebnis unstreitig zumindest auch die .com-Angebote, wobei es nicht streitentscheidend darauf ankommt, ob diese – was vom jeweiligen Algorithmus der Suchmaschinen abhängt – im Einzelfall vor oder hinter den .de-Angeboten angezeigt werden. Es besteht jedenfalls die naheliegende Möglichkeit, dass ein interessierter Verbraucher bei seiner Suche auf die jeweilige .com-Domain gelangt. Den Umstand, dass die jeweiligen Internetplattformen von unterschiedlichen Firmen – die jeweils ihren Sitz auf Malta haben – betrieben werden, wird der durchschnittlich aufmerksame, von der Werbung angesprochenen Verbraucher regelmäßig nicht erkennen bzw. wird ihm dies allenfalls dann auffallen, wenn er die jeweiligen Impressumseinträge miteinander vergleicht, was zum einen von einem Durchschnittsverbraucher typischerweise nicht zu erwarten ist und zum anderen aber auch bedingt, dass dieser bereits auf die betreffende .com-Domain gelangt ist, so dass die Anlockwirkung der streitgegenständlichen Werbung ihren Zweck bereits erreicht hat. Der Senat kann dies auf Grund eigener Sachkunde und Lebenserfahrung sowie seiner ständigen Befassung mit Wettbewerbssachen selbst feststellen, nachdem es hier zur Feststellung der Verkehrsauffassung keiner besonderen Erfahrung bedarf (BGH GRUR 2002, 77, 79 – Rechenzentrum; BGH GRUR 2004, 244, 245 – Marktführerschaft; BGH GRUR 2014, 1211 Rn. 20 – Runes of Magic II).
62
Mit den streitgegenständlich ausgestrahlten Werbespots war somit ersichtlich das Ziel verbunden, den Absatz von Dienstleistungen im Hinblick auf die jeweiligen .com-Angebote zu fördern. Dabei ist die subjektive Komponente im Sinne einer objektiven Zweckrichtung zu verstehen. Die streitgegenständlichen Werbespots verfolgen das Ziel der entgeltlichen Absatzförderung, nachdem die Werbung objektiv geeignet ist, den Warenabsatz oder die Dienstleistungserbringung zugunsten der Unternehmen, für deren Angebote geworben wird, zu fördern (s.a. VGH München Beschl. v. 21.8.2018 – 10 CS 18.1211, BeckRS 2018, 21837 Rn. 25 – lotttoland.gratis; OLG Köln, a.a.O., Rn. 37).
63
(2.) Diese tatrichterliche Beurteilung steht nicht im Widerspruch zu der mit der Berufung angeführten Rechtsprechung des BayVGH. Zwar hat der BayVGH mit Urt. v. 9.3.2015, 7 BV 13.2153, BeckRS 2015, 45079 („Fulltiltpoker“) eine mittelbare Bewerbung in der dortigen Fallkonstellation verneint, in zwei nachfolgenden Entscheidungen aber eine solche angenommen (vgl. BayVGH Beschl. v. 21.9.2018 – 7 CE 18.1722, BeckRS 2018, 23417 und Beschl. v. 21.8.2018 – 10 CS 18.1211, BeckRS 2018, 21837 – „lottoland.gratis“). Hierzu hat der BayVGH in seinem Beschluss vom 21.08.2018 – 10 CS 18.1211, unter anderem Folgendes ausgeführt (a.a.O. Rn. 25):
„Insoweit kommt es daher nicht darauf an, ob der betroffene Adressatenkreis die Werbung für „L … gratis“ mit einer Werbung für https://www…com „verwechselt“, sondern ob aus der Sicht des angesprochenen Verkehrskreises die Werbung für https://I … gratis (auch) als Werbung für https://www…com verstanden wird, die Antragstellerin mit ihrer Werbung für „L … gratis“ also zugleich auf die Produkte von https://www…com aufmerksam macht. Dies ist mit Blick auf den identischen Schlüsselbegriff und das auf die genannten Zweitlotterien bezogene identische Produktangebot zu bejahen. Dafür spricht auch, dass die Antragstellerin in den entsprechenden Werbespots ihr Logo „L … gratis“ mit demselben grünen Farbton umgibt, in dem das Schriftbild von „L …“ gehalten ist, und so auch optisch eine Verbindung zwischen den beiden Angeboten herstellt. Die Annahme des Verwaltungsgerichts und des Antragsgegners, für die fehlende Unterscheidbarkeit des Angebots von „L … gratis“ und „www…com“ für den „Verbraucher“ sprächen zudem die Trefferlisten bei der Eingabe des entsprechenden Schlüsselbegriffes in eine Suchmaschine, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Da es sich beim Gewinnspiel der Antragstellerin und den Produkten von „L … com“ um Angebote, die nur im Internet gespielt werden können, handelt, werden die betroffenen Verbraucherkreise für den Aufruf der betreffenden Website den Schlüsselbegriff „L …“ oder „L … gratis“ eingeben, und dann in der Regel auf das Angebot von „L … com“ stoßen. Auch dies lässt den Rückschluss zu, dass es sich bei den von der Antragstellerin angebotenen Gratiswetten nicht um ein von „L … com“ verschiedenes Angebot eines anderen Unternehmens handelt. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass „L … gratis“ ein werbestrategischer Ableger von „L … com“ ist, der Gratistipps anbietet.“
64
Soweit der BayVGH in seiner Entscheidung vom 09.03.2015, 7 BV 13.2153, BeckRS 2015, 45079 („Fulltiltpoker“) zur Begründung der Verneinung einer mittelbaren Werbung ausführt, bei den jeweiligen Angeboten von „Fulltiltpoker.net“ und „Fulltiltpoker.com“ handele es sich um gleichrangige Angebote, so dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass wegen der Ähnlichkeit der Schriftzüge zugleich für das jeweils andere Angebot mitgeworben werde, denn andernfalls könne für das kostenlose Angebot nicht oder nur eingeschränkt geworben werden (a.a.O. Rn. 45), erachtet der Senat diese Argumentation nicht für durchgreifend. Denn insoweit steht es den jeweiligen Anbietern anheim, die Angebote voneinander erkennbar abzugrenzen, insbesondere diese unterschiedlich zu benennen, so dass der angesprochene Verbraucher die Bewerbung und die Angebote selbst nicht miteinander in Einklang bringt und damit auch keine Umgehung der glückspielrechtlichen Regelungen im Raum steht (siehe hierzu auch KG Berlin, Urt. vom 06.10.2020, 5 U 72/19, Seite 16, erster Abs., Anlage CBH 40: „Denn dieses Argument widerlegt sich selbst in solchen Fällen, in denen ein kostenloses Angebot eigens deshalb etabliert worden ist, um über dieses faktisch (und vom Verkehr auch so verstanden) ein in erster Linie betriebenes Internet-Glücksspielangebot zu bewerben und damit den Glücksspielwerbeverboten des § 5 GlüStV (vermeintlich) aus dem Wege zu gehen.“).
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bb) Die mittelbar beworbenen Angebote unter den Internetdomains www.drueckglueck.com, www.wunderino.com, www.mr.green.com und www.rizk.com fallen unter das Werbeverbot des § 5 Abs. 5 GlüStV/Abs. 7 GlüStV 2021.
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(1.) Entgeltliche Online-Casino- und Automatenspiele (vgl. Definition in § 3 Abs. 1a S. 1 und 2 GlüStV 2021) sind öffentliche Glücksspiele im Sinne des § 3 Abs. 1 S. 1 GlüStV, weil im Rahmen der Spielteilnahme für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt. Die betreffenden Angebote dürfen auch nach dem am 01.07.2021 in Kraft getretenen GlüStV 2021 nur veranstaltet oder vermittelt werden, wenn eine Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes vorliegt (§ 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4, Abs. 5 GlüStV 2021). Ohne eine solche Erlaubnis ist das Angebot unerlaubten Glücksspiels als solches verboten (§ 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV). Für unerlaubte Glücksspiele darf nicht geworben werden (§ 5 Abs. 5 GlüStV/Abs. 7 GlüStV 2021).
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(2.) Das Landgericht hat insoweit zutreffend berücksichtigt, dass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung der zivilrechtliche Schutz der Mitbewerber und die verwaltungsrechtliche Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Verhaltenspflichten grundsätzlich unabhängig nebeneinander stehen (vgl. BGH GRUR 2019, 298 Rn. 24 – Über Black II m.w.N.; Senat Urt. vom 27.04.2021, 6 U 4751/20, Seite 42, 2. Abs.). Die Rechtsauffassung der zuständigen Verwaltungsbehörde ist daher für die Beurteilung der objektiven Rechtswidrigkeit eines Verhaltens nicht maßgeblich (BGH, a.a.O., Rn. 24 – Über Black II; BGH GRUR 2005, 778, Rn. 20 – Atemtest I; s.a. Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 3a Rn. 1.44). Allerdings kann ein Marktverhalten lauterkeitsrechtlich nicht mehr beanstandet werden, wenn es durch einen Verwaltungsakt der zuständigen Behörde ausdrücklich erlaubt worden und der Verwaltungsakt nicht nichtig ist (st Rspr. vgl. BGH, a.a.O., Rn. 24 – Über Black II; BGH, a.a.O., Rn. 20 – Atemtest I; BGH GRUR 2015, 1228 Rn. 31 – Tagesschau App). Steht das beanstandete Verhalten – wie hier – unter einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (vgl. § 4 Abs. 1 GlüStV, § 5 Abs. 5 GlüStV a.F./Abs. 7 GlüStV 2021), muss der Anspruchsteller lediglich darlegen und beweisen, dass dieses Verhalten von dem generellen Verbot erfasst wird. Der Anspruchsgegner muss in diesem Falle darlegen und beweisen, dass es ausnahmsweise zulässig ist (BGH GRUR 2005, 778 – Atemtest; BGH GRUR 2010, 160 Rn. 15 – Quizalofop). Dies vermochte die Beklagte im Streitfall nicht darzutun. Der Umlaufbeschluss der Länder vom 08.09.2020 (Anlage BK 6) und die dazu verfassten „Gemeinsamen Leitlinien der obersten Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder“ vom 30.09.2020 (Anlage BK 7) stehen dem wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch nicht entgegen. In dem Umlaufbeschluss (Anlage BK 6) wird unter Ziff. 5. im Hinblick auf die Ausübung des behördlichen Ermessens, gegen welche Anbieter unerlaubten Glücksspiels „im Rahmen der zur Verfügung stehenden Kapazitäten“ vorgegangen wird, ausgeführt, dass der Vollzug gegen unerlaubte Glücksspielangebote bis zum 30.06.2021 auf diejenigen Anbieter konzentriert werde, bei denen abzusehen sei, dass sie sich auch der voraussichtlichen zukünftigen Regulierung entziehen wollten. In den „Gemeinsamen Leitlinien der obersten Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder“ vom 30.09.2020 (Anlage BK 7) wird angegeben, dass mit Blick auf die sich voraussichtlich zum 01.07.2021 ändernde Rechtslage gegenwärtig noch nicht erlaubnisfähige Angebote, nämlich virtuelle Automatenspiele und Online-Poker, unter bestimmten Voraussetzungen (vgl. Nrn. 1 und 2 der Leitlinien) zu jenen Sachverhalten gezählt würden, die „nicht aufgegriffen werden“ sollen. Eine hoheitliche Verfügung gegenüber den betroffenen Anbietern mit der Regelungswirkung eines Verwaltungsaktes (vgl. § 35 S. 1 oder S. 2 VwVfG) im Sinne einer behördlichen Erlaubnis enthalten der Umlaufbeschluss und die dazu ergangenen Leitlinien allerdings nicht (siehe bereits KG Berlin, Urt. vom 06.10.2020, 5 U 72/19, Seite 12 unter Ziff. III. 3. b), Anlage CBH 40 sowie BGH, Beschl. vom 22.07.2021, Az. I ZR 199/20). Denn die dortigen Ausführungen sind nicht auf eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet (vgl. § 35 S. 1 VwVfG), indem sie unmittelbar die Rechtsposition bestimmter Anbieter von Glücksspieldienstleistungen (Außenbereich) verbindlich gestalten oder feststellen würden (vgl. BeckOK VwVfG/von Alemann/Scheffczyk, 51. Ed. 1.4.2021, VwVfG § 35 Rn. 223). Auch die beklagtenseits angeführte amtliche Bekanntmachung des Beschlusses im Ministerialblatt NRW (Anlage BK 8) und der diesbezügliche Hinweis im Bundesanzeiger (Anlage BK 9) vermögen eine intendierte Regelungswirkung nach außen im Sinne einer Erlaubniserteilung – welche zum damaligen Zeitpunkt contra legem gewesen wäre – nicht zu begründen (vgl. im Übrigen auch die Ausführungen des KG Berlin, Urt. vom 06.10.2020, 5 U 72/19, Seiten 11 ff. unter Ziff. III. 3., Anlage CBH 40 sowie BGH, Beschl. vom 22.07.2021, Az. I ZR 199/20). Es kommt mithin nicht darauf an, ob die jeweiligen Anbieter der .com-Domains – was die Beklagte ebenfalls nicht konkret dargelegt hat – die Vorgaben des Umlaufbeschlusses und der Leitlinien überhaupt einhalten würden. Ebenso wenig stellt sich die Frage, ob eine – unterstellte – Erlaubniserteilung im Jahr 2020 die Wiederholungsgefahr für die bereits im Jahr 2019 begangenen Verstöße gegen das Verbot der Bewerbung unerlaubten Glücksspiels beseitigen würde.
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(3.) Die Beklagte ist weiter der Auffassung, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft darauf abgestellt, dass der aufsichtsrechtlichen Einschätzung der Verwaltungsbehörden allein dann Vorrang vor dem Lauterkeitsrecht zukomme, wenn ein Verwaltungsakt vorliege, was angesichts der bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung unzutreffend sei, vielmehr sei auch die Rechtsansicht der zuständigen Behörden zu berücksichtigen. Dies lässt sich aus der Rechtsprechung des Bundesgerichthofs allerdings nicht folgern. So lag auch in dem von der Beklagten zitierten Fall „Sportwettengenehmigung“ (BGH GRUR 2002, 269, 270) gerade eine behördliche Genehmigung in Gestalt eines nicht nichtigen Verwaltungsaktes vor, worauf der Bundesgerichthof maßgeblich abgestellt hat. Demgegenüber kann sich ein Unternehmer gegenüber der Geltendmachung eines auf § 3 a UWG gestützten lauterkeitsrechtlichen Anspruchs grundsätzlich nicht darauf berufen, die zuständige Verwaltungsbehörde sei gegen einen von ihr erkannten Gesetzesverstoß nicht vorgegangen, sondern habe ihn geduldet, wobei es unerheblich ist, von welchen Erwägungen sich die Behörde leiten ließ und ob sie von ihrem Eingreifermessen einen fehlerfreien oder fehlerhaften Gebrauch machte. Denn Vertrauensschutz kann es insoweit nur gegenüber der betreffenden Behörde geben, aber nicht gegenüber den betroffenen Marktteilnehmern, deren Interessen durch die Wettbewerbsgerichte unter Anwendung der bestehenden Gesetze zu wahren sind (Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., 3 a Rn. 1.47; OLG Düsseldorf GRUR-RR 2019, 384 Rn. 37 – Wettannahme im Schankraum).
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(4.) Ein die hier beworbenen Glückspielangebote unter den betreffenden .com-Domains erlaubender Verwaltungsakt kann auch nicht in den ergänzenden Nebenbestimmungen des Landes Schleswig-Holstein (Anlagen BK 2, BK 3, BK 4, s.a. Anlage CBH 29), dort insbesondere Ziff. 2, 11 und 12, erblickt werden. Denn diese Bestimmungen betreffen allenfalls eine etwaige Zulässigkeit der Bewerbung der unter den betreffenden .de-Domains angebotenen Glückspieldienstleistungen, sie haben aber keinerlei Regelungswirkung hinsichtlich der Zulässigkeit der Bewerbung der bundesweit angebotenen, unstreitig nicht auf Spieler aus Schleswig-Holstein beschränkten, Glückspieldienstleistungen unter den .com-Domains (vgl. auch die diesbezügliche „Freizeichnungsklausel“ in Nr. 11 Satz 5 der jeweiligen Bestimmungen: „Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass insbesondere die Bewertung der Zulässigkeit von Dachmarkenwerbung auf dem/für das Hoheitsgebiet anderer Bundeländer nicht der Glücksspielaufsicht Schleswig-Holstein obliegt.“).
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4. Das Landgericht hat auch die Passivlegitimation der Beklagten zu Recht angenommen.
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a) Schuldner der in § 8 Abs. 1 UWG geregelten Abwehransprüche ist jeder, der durch sein Verhalten den objektiven Tatbestand einer Zuwiderhandlung i.S.v. §§ 3 ff. UWG selbst, durch einen anderen oder gemeinschaftlich mit einem anderen adäquat kausal verwirklicht. Im Falle der Verbreitung wettbewerbswidriger Äußerungen in Medien haftet neben dem Urheber der Äußerung grundsätzlich jeder an der Weitergabe und der Verbreitung Beteiligte, soweit sein Verhalten eine geschäftliche Handlung i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG darstellt (BGH GRUR 2015, 906 Rn. 29 – TIP der Woche; BGH GRUR 2011, 340 Rn. 27 – Irische Butter m.w.N.; Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 8 UWG Rn. 2.13). Bei der Verbreitung der hier streitgegenständlichen Werbung über die TV-Sender der Beklagten handelt es sich um eine geschäftliche Handlung i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG, worunter jedes Verhalten zu Gunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens fällt, das mit der Förderung des Absatzes objektiv zusammenhängt. Durch die Verbreitung der streitgegenständlichen Werbung wurde der Absatz der werbenden Unternehmen gefördert (BGH GRUR 2015, 906 Rn. 16 – TIP der Woche). Allerdings haftet ein Medienunternehmen für die Veröffentlichung gesetzeswidriger Werbung Dritter nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mit Blick auf Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG nur, wenn es seine Pflicht zur Prüfung verletzt hat, ob die Veröffentlichung der Werbung gegen gesetzliche Vorschriften verstößt, sog. Anzeigenprivileg (vgl. BGH GRUR 2015, 906 Rn. 31 – TIP der Woche m.w.N.). Um die tägliche Arbeit der Presse- und Rundfunkunternehmen nicht über Gebühr zu erschweren und die Verantwortlichen nicht zu überfordern, bestehen insoweit keine umfassenden Prüfungspflichten. Vielmehr hat der Bundesgerichtshof im Hinblick auf die Gewährleistung der Pressefreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG eine Haftung für die Veröffentlichung einer Anzeige dann angenommen, wenn diese grobe und eindeutige, unschwer erkennbare Wettbewerbsverstöße enthält (st. Rspr. vgl. BGH GRUR 1990, 1012, 1014 – Pressehaftung I; BGH GRUR 1992, 618 – Pressehaftung II; BGH GRUR 2001, 529, 531 – Herz-Kreislauf-Studie; BGH GRUR 2002, 360, 366 – H. I. V. POSITIVE II; BGH GRUR 2006, 429 Rn. 13, 15 – Schlank-Kapseln; BGH GRUR 2006, 957 Rn. 14 – Stadt Geldern; BGH a.a.O., Rn. 31 – TIP der Woche). Eine Prüfpflicht kann insbesondere dadurch begründet werden, dass das Medienunternehmen auf den Verstoß hingewiesen wird (vgl. BGH GRUR 2015, 1025 Rn. 17 – TV-Wartezimmer; s.a. BGH GRUR 2011, 1038 Rn. 21 – Stiftparfum; OLG Köln, NJOZ 2012, 971, 972 – Schlank-Geheimnis; OLG Köln, GRUR-RS 2020, 28888 Rn. 38; Senat, Urt. vom 27.04.2021, 6 U 4751/20, Seite 50 unter c)).
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b) Im Streitfall hat der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 06.02.2019 (Anlage CBH 15), vom 20.02.2019 (Anlage CBH 17) und mit der Abmahnung vom 03.04.2019 (Anlage CBH 19) auf die Rechtsverstöße hingewiesen, wodurch eine Prüfpflicht der Beklagten in Bezug auf die angegriffene Werbung begründet wurde.
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aa) Hinsichtlich der gemäß Antrag zu Ziff. zu 1. a) bis c) sowie d) aa)-cc) untersagten Werbespots („Drückglück“, „Wunderino“, „MrGreen“ und „Rizk“), wurde infolge des Hinweises auf die Rechtsverletzung mit klägerischen Schreiben vom 06.02.2019 (Anlage CBH 15), vom 20.02.2019 (Anlage CBH 17) und vom 03.04.2019 (Anlage CBH 19) eine Prüfplicht der Beklagten begründet (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 17 – TV-Wartezimmer; s.a. OLG Köln, a.a.O., Rn. 38; Senat, Urt. vom 27.04.2021, 6 U 4751/20, Seite 50 unter c)). Aufgrund der dortigen klägerischen Ausführungen, die sich konkret auf die in Rede stehenden Werbung und auf die damit verbundene Werbewirkung betreffend die unerlaubten Glücksspielangebote unter den jeweiligen .com-Domains bezogen, hätte die Beklagte Veranlassung gehabt, die von ihr ausgestrahlte Werbung einer Prüfung auf deren Wettbewerbskonformität zu unterziehen und hiervon Abstand zu nehmen, um mögliches weiteres wettbewerbswidriges Verhalten zu verhindern (vgl. bereits Senat, Urt. vom 27.04.2021, 6 U 4751/20).
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bb) Hinsichtlich des mit Antrag zu Ziff. 1. d) dd) verbotenen Werbespots für „Rizkcasino“ wendet die Beklagte ein, der Kläger habe sie auf diesen vermeintlichen Rechtsverstoß vor Klageerhebung nicht hingewiesen, worauf das Landgericht nicht eingegangen sei. Insoweit trifft es zwar zu, dass dieser Werbespot („Spiele, Spaß, Nervenkitzel“) weder in den vorgerichtlichen klägerischen Schreiben vom 06.02.2019 (Anlage CBH 15) und vom 20.02.2019 (Anlage CBH 17), noch in der Abmahnung vom 03.04.2019 (Anlage CBH 19) explizit angeführt wurde. Aufgrund der dortigen Ausführungen in Bezug auf die Bewerbung des Online-Glücksspiel-Angebotes „Rizkcasino“ war die Beklagte allerdings deutlich auf die Wettbewerbswidrigkeit des von ihr beworbenen Glückspielangebots hingewiesen worden und lag es insoweit auf der Hand, dass auch dieser – nicht ausdrücklich genannte – Werbespot als mittelbare Bewerbung des Angebots unter rizk.com einer Prüfung auf seine rechtliche Zulässigkeit zu unterziehen ist, so dass die erhöhte Kontrollpflicht der Beklagten auch insoweit begründet wurde. Nachdem die Beklagte anhand der ihr aus dem Abmahnschreiben bekannten Umstände in der Lage war, auch diesen rechtsverletzenden Werbespot unschwer zu erkennen, liegt mit der nachfolgenden Ausstrahlung dieser Werbung somit ebenfalls eine Verletzung ihrer Prüfpflichten und damit ein Wettbewerbsverstoß vor (vgl. BGH GRUR 2011, 1038 Rn. 29 – Stiftparfum).
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cc) Die Beklagte macht mit ihrer Berufung weiter geltend, hinsichtlich der mit Urteilstenor zu 1. a) und b) untersagten Werbespots („Drückglück“ und „Wunderino“) liege keine Verkehrspflichtverletzung vor, denn unstreitig seien diese nur bis zum 13.02.2019 (Ziff. 1 a)), 08.02.2019 (Ziff. 1. b) aa)) bzw. 16.12.2018 (Ziff. 1. b) bb)) ausgestrahlt worden. Die Ausstrahlungen seien also bereits eingestellt gewesen, bevor die Beklagte hinreichend konkret auf vermeintliche Rechtsverstöße hingewiesen worden sei. Der Beklagten ist insoweit zuzustimmen, als in denjenigen Handlungen, die Gegenstand der erstmaligen Hinweise auf die Rechtsverletzungen waren, noch keine die Wiederholungsgefahr begründende Verletzungshandlungen gesehen werden können (BGH GRUR 2011, 1038 Rn. 39 – Stiftparfum). Hierzu hat das Landgericht aber festgestellt, dass die antragsgegenständlichen Werbespots ausweislich der Anlage CBH 34 in leicht abgeänderter, kerngleicher Form auch nach Ausspruch der Abmahnung (vgl. Schreiben vom 03.04.2019, Anlage CBH 19) fortgesetzt worden seien. Die Beklagte tritt dem entgegen und macht geltend, entgegen der Ansicht des Landgerichts seien die danach in abgeänderter Form ausgestrahlten Werbespots nicht kerngleich zu den ursprünglichen Versionen, im Übrigen seien kerngleiche Verstöße nicht vom Klageantrag erfasst. Diese Einwände greifen nicht durch. Nachdem der Kern der Rechtsverletzung vorliegend darin zu sehen ist, dass die streitgegenständliche Werbung auch eine Bewerbung der unerlaubten Glücksspielangebote unter den jeweiligen .com-Domains darstellt, führt es – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – insbesondere nicht aus dem Kernbereich heraus, dass zusätzliche Hinweise erfolgen, wonach sich das .de-Angebot nur an Glücksspielteilnehmer in Schleswig-Holstein richte. Denn derartige Hinweise, die ohnehin nur von einem Verbraucher wahrgenommen werden, der den gesamten Werbespot mit voller Aufmerksamkeit verfolgt, beseitigen die einhergehende Werbewirkung für die .com-Angebote nicht. Auch die sonstigen, teilweise vorhandenen leichten Abwandlungen der bildlichen Gestaltung führen ebenfalls nicht aus dem Charakteristischen der Verletzungshandlung heraus. Nachdem die von den konkreten Verletzungshandlungen – wie aus Anlage CBH 34 ersichtlich – ausgehende Wiederholungsgefahr nicht nur für die identische Verletzungsform, sondern auch für alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen besteht (st. Rspr. vgl. BGH GRUR 2010, 749 Rn. 42 – Erinnerungswerbung im Internet; Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., UWG § 12 Rn. 1.44), wird hiervon auch die antragsgegenständliche Wiedergabe der Werbespots erfasst.
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c) Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass vorrangig aufsichtsrechtliche Maßnahmen gegen die Glücksspielanbieter zu ergreifen seien, sie also allenfalls subsidiär hafte. Vielmehr bestehen wettbewerbsrechtliche Sanktionen grundsätzlich unabhängig neben möglichen verwaltungsrechtlichen Maßnahmen (vgl. BGH GRUR 2019, 298 Rn. 24 – Über Black II m.w.N.). Dies wird auch dem gesetzgeberischen Ziel des Werbeverbotes für unerlaubtes Glücksspiel im Interesse der Verbraucher und konkurrierenden Anbietern gerecht. So kann der Bewerbung für unerlaubtes Glücksspiel gerade dadurch effektiv Vorschub geleistet werden, dass ein Unterlassungsgebot unmittelbar gegenüber dem werbenden Medienverantwortlichen ergeht.
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5. Die beklagtenseits beantragte Schriftsatzfrist zur Abgabe einer Stellungnahme nach – bislang nicht erfolgter – Bekanntgabe der Gründe zu der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22.07.2021, Az. I ZR 194/20, war nicht zu gewähren. Die Gründe zu dieser Entscheidung lagen im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wie auch bei Urteilserlass noch nicht vor. Die hier maßgeblichen Rechtsfragen wurden mit den Parteien im Verhandlungstermin eingehend erörtert und die Beklagte hatte Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen.
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1. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 91 a ZPO.
79
Gem. § 97 ZPO hat die Beklagte die Kosten des erfolglosen Berufungsverfahrens zu tragen.
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Soweit die Parteien den Rechtsstreit im Hinblick auf die gem. § 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG durch Verschmelzung erloschene Beklagte zu 2) übereinstimmend für erledigt erklärt haben, waren die Kosten gem. § 91 a Abs. 1 ZPO nach billigem Ermessen ebenfalls der Beklagten zu 1) – als Rechtsnachfolgerin der Beklagten zu 2) – aufzuerlegen, da die Klageanträge gegen die Beklagte zu 2) aus den unter II. ausgeführten Gründen bis zu deren Erlöschen am 15.09.2020 zulässig und begründet waren. Auch hat der Umstand, dass die Beklagte zu 2) nur bis zum 15.08.2020 programmverantwortlich für den Sender Sat 1 war, erstinstanzlich nicht zu einem Wegfall der Wiederholungsgefahr geführt. Denn eine nur tatsächliche Veränderung der Verhältnisse – wie etwa die Aufgabe des Geschäftsbetriebs, Einstellung der Produktion etc. – berührt die Wiederholungsgefahr grundsätzlich nicht, solange nicht auch jede Wahrscheinlichkeit für eine Aufnahme des unzulässigen Verhaltens durch den Verletzer beseitigt ist (Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 8 Rn. 1.50, 1.51 m.w.N.). Nachdem die gem. § 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG zum Erlöschen der Beklagten zu 2) führende Eintragung der Verschmelzung erst am 15.09.2020 im Handelsregister erfolgt ist, also nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 14.09.2020, ist deren Verurteilung im Ersturteil zu Recht erfolgt (vgl. Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 42. Auflage 2021, § 50 Rn. 10).
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2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.
82
3. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache erfordert, wie die Ausführungen unter II. zeigen, lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall und ist eine Revisionsentscheidung auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich i.S.v. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO. Die Beurteilung des Senats steht im Einklang mit den zu den vorliegenden Streitfragen bislang bekannten Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte. Auch steht sie nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. vielmehr BGH, Beschluss vom 22.07.2021, Az. I ZR 199/21 – zur Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des KG Berlin vom 06.10.2020, Az. 5 U 72/19, Anlage CBH 40). Die bloße Möglichkeit einer Abweichung von bislang noch nicht ergangenen Entscheidungsgründen in dem Urteil des BGH vom 22.07.2021 zum Az. I ZR 194/20 (Vorinstanz OLG Köln, GRUR-RS 2020, 28888) vermag einen Revisionsgrund hingegen nicht zu begründen.