Inhalt

OLG München, Endurteil v. 16.09.2021 – 6 Sch 77/19 WG (38 Sch 77/19)
Titel:

Keine urheberrechtliche Vergütungspflicht von Online-Plattformbetreibern 

Normenkette:
UrhG § 54b Abs. 1
Leitsatz:
Erfolgt der Versand vergütungspflichtiger Geräte nicht durch den Plattformbetreiber, sondern allein durch die jeweiligen Verkäufer, werden die Geräte und Speichermedien nicht durch die Beklagte, sondern die im Ausland sitzenden Verkäufer im Sinne von § 54b UrhG eingeführt wurden. Eine Vergütungspflicht des Plattformbetreibers besteht daher nicht.  (Rn. 58 – 137) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Abtretung, Kaufvertrag, Revision, Berufung, Haftung, AGB, Kaufpreis, Mitgliedstaat, Kaufpreisforderung, Urheberrecht, Vertragsschluss, Ausland, Unionsrecht, Bestellung, Kosten des Verfahrens, Bestreiten mit Nichtwissen, juristische Person
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 10.11.2022 – I ZR 10/22
Fundstelle:
GRUR-RS 2021, 60918

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
IV. Die Revision zum Bundesgerichtshof wird zugelassen

Tatbestand

1
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte wegen des Veräußerns und des Inverkehrbringens von USB-Sticks und Speicherkarten im Zeitraum 01.01.2016 bis 31.12.2018 über den von ihr unter der URL www.r..de betriebenen Online-Marktplatz verpflichtet ist, eine Geräteabgabe nach den §§ 54 ff. UrhG zu leisten und Auskunft zu erteilen.
2
Bei der Klägerin handelt es sich um einen Zusammenschluss deutscher Verwertungsgesellschaften, deren Gesellschafter ihr das Inkasso der von ihnen wahrgenommenen Ansprüche der Urheber und Leistungsschutzberechtigten auf Zahlung einer Vergütung für Vervielfältigungen nach § 54 Abs. 1, § 54b Abs. 1 UrhG übertragen haben.
3
Die Beklagte ist Betreiberin einer Online-Shopping-Plattform, eines sogenannten Marktplatzes, auf dem Händler im Rahmen eines einheitlichen, von dem Marktplatz vorgegebenen Layouts und unter der einheitlichen Domainstruktur der Beklagten Waren an Endkunden anbieten. Dabei wurden im streitgegenständlichen Zeitraum auf der Plattform der Beklagten auch Geräte und Speichermedien im Sinne von § 54 Abs. 1 UrhG angeboten.
4
Bei Einkäufen über den Marktplatz der Beklagten im fraglichen Zeitraum erfolgte die Zahlung des Kaufpreises durch den Käufer auf ein Treuhandkonto der Beklagten. Nach Abzug von „Gebühren“, die die Beklagte gegenüber den Händlern für die Zurverfügungstellung des technischen Umfelds erhob, leitete sie den bereinigten Betrag an die Händler weiter.
5
Für den Fall, dass der Kunde bei einem Kauf auf Rechnung nicht innerhalb von 16 Tagen bezahlte, ließ sich die Beklagte von den Händlern die Kaufpreisforderung gegen den Kunden abtreten.
6
Die Prozessbevollmächtigen der Klägerin haben am 31.10.2019 einen Testkauf einer externen Festplatte über die Plattform der Beklagten durchgeführt. In der von der Beklagten über die E-Mail-Adresse service@r. .de versandte Rechnung war eine auf das Gerät entfallende Urhebervergütung nicht ausgewiesen.
7
Die Klägerin führt aus, die Beklagte sei zum einen als Importeur und Händler nach § 54 Abs. 1, § 54b Abs. 1 UrhG für den Vertrieb der streitgegenständlichen Geräte und Speichermedien über ihren Online-Marktplatz verantwortlich, zum anderen nach Maßgabe des unionsrechtlich autonomen Konzepts der Haftung für Vervielfältigungen zum eigenen Gebrauch, nachdem das „Überlassen“ der entsprechenden Geräte und Speichermedien nach der Rechtsprechung des EuGH nicht zwingend (kauf-)rechtlich zu sehen sei, sondern als „tatsächliche Voraussetzung“, dass die Nutzer die Möglichkeit hätten, Vervielfältigungen zum eigenen Gebrauch zu erstellen. Zuletzt unterliege die Beklagte auch der deliktischen Haftung.
8
Neben der Verletzung der Melde- und Auskunftspflicht nach §§ 54e und 54f UrhG sowie der Vergütungspflicht nach § 54 Abs. 1 UrhG liege dem Streitfall auch ein Verstoß gegen die Hinweispflicht nach § 54d UrhG zugrunde, weil in den von der Beklagten erstellten Rechnungen über Verkäufe auf der Plattform www.r. .de nicht gemäß § 54d UrhG auf die das Gerät oder Speichermedium entfallende Urhebervergütung hingewiesen werde.
9
Zur Passivlegitimation der Beklagten sei Folgendes vorzutragen:
10
Vorsorglich werde mit Nichtwissen bestritten, dass die Beklagte keine vergütungspflichtigen Geräte oder Speichermedien herstelle.
11
Mit Nichtwissen werde bestritten, dass die Beklagte die fraglichen Waren nicht selbst beziehe, veräußere oder importiere und keine Geräte oder Speichermedien einführen lasse. Über die Website www.r. .de seien im streitgegenständlichen Zeitraum jedenfalls auch vergütungspflichtige Produkte in den Verkehr gebracht worden, welche erst anlässlich einer Bestellung auf der Plattform der Beklagten importiert worden seien.
12
Bestritten werde, dass die Beklagte die auf der Plattform www.r. .de angebotenen Waren nicht in Verkehr bringe und keine Produkte Dritter vertreibe. Mit Nichtwissen bestritten werde, dass die Beklagte keine Produkte unter eigener Marke vertreibe.
13
Bestritten werde, dass der Marktplatz der Beklagten www.r. .de in seiner Gesamtgestaltung an Verbraucher gerichtet sei. In den allgemeinen Nutzungsbedingungen der Beklagten gemäß Anl. B 3 sei von Verbrauchern keine Rede. Mit Nichtwissen werde bestritten, dass gewerbliche Wiederverkäufer auch tatsächlich als „Nutzer“ des Marktplatzes ausgeschlossen seien.
14
Bestritten werde, dass die „Händler“ auf dem Marktplatz der Beklagten „eigene Händler-Shops betreiben“ würden. Alle Angebote würden unter der Domain www.r...de angezeigt, durchweg mit dem „R. “-Logo und auf von der Beklagten gestalteten Webseiten und Produktdetailseiten mit stets gleichem Aufbau und der gleichen Präsentation der Produkte. Der einzige einzelproduktübergreifende Bezug zu konkreten Händlern liege in der Möglichkeit, die Angebote zu einer Produktkategorie zu sortieren. Die Suche nach Händler-Shops auf www.r. .de zeige keinen Treffer auf.
15
Mit Nichtwissen werde bestritten, dass die Beklagte die fraglichen Waren nicht zu Gesicht bekomme, kein „zentrales Warenlager für alle Händler“ bzw. kein Warenlager unterhalte und weder Besitz noch Eigentum oder eine Anwartschaft an den zu versendenden Waren erhalte.
16
Unvereinbar mit der Behauptung einer rein technischen, automatisierten und passiven Rolle der Beklagten sei auch, dass diese für die (potentiellen) Käufer eine „Club-R. -Mitgliedschaft“ und „R. Super Points“ anbiete, also ein eigenes Kundenbindungsprogramm mit Preisnachlässen zu Lasten der Händler (vgl. Anl. B 3, Ziff. 2.1 und 3.2.1). Die Beklagte nehme auch zumindest faktisch Einfluss auf die Preisgestaltung der „Händler“, indem sie ein Tool („Dynamic Coupon Campaign“) für die automatische Preisreduzierung anbiete (vgl. Schriftsatz vom 22.06.2020, S. 8 = Bl. 76 d.A.). Damit gäben die Nutzer dieser Funktion die Preisgestaltung faktisch teilweise aus der eigenen und in die Hand eines Algorithmus, für den sich die Beklagte verantwortlich zeichne.
17
Die Beklagte handle auch „namens und im Auftrag des jeweiligen Verkäufers“, vgl. Anl. B 3, Ziff. 4.6, also als deren Vertreter (Anl. K 5, Ziff. 8.1). Mit Nichtwissen werde insoweit bestritten, dass für die Käufer (stets) offenkundig sei, dass die Beklagte nur als Vertreter handle und somit die auf der Plattform geschlossenen Kaufverträge ausschließlich zwischen dem Händler und dem Kunden zustande kämen. Die Beklagte spreche insoweit in ihren „Datenschutzbestimmungen“ für die Besucher der Website nämlich von einem „Vertrag mit R. DE“ und erwähne die „Händler“ nur als „externe Dienstleister“ (Schriftsatz vom 22.06.2020, S. 15 = Bl. 83 d.A.). Der Besteller komme ferner bei der Bestellung ausschließlich mit der Beklagten in Kontakt. Dies gelte auch für Gutschein-Aktionen. Die Beklagte übernehme unter anderem die gesamte Bestell- und Zahlungsabwicklung, vgl. Anl. K 4.
18
Die Beklagte biete ferner ein „Rechtsportal“ an, in dem „Rechtliche Grundlagen für den R. Marktplatz“ erläutert würden und ein „Rechts Blog“ betrieben werde, ohne insoweit allerdings auf die Pflichten nach §§ 54 ff. UrhG hinzuweisen (Schriftsatz vom 22.06.2020, S. 9 = Bl. 77 d.A.).
19
Die „Allgemeinen Geschäftsbedingungen der R. Deutschland GmbH für Händler“, Stand 01.09.2018, gültig bis 14.07.2020 (Anl. K 5), würden ebenfalls verdeutlichen, dass die Beklagte den Import, Verkauf und das Inverkehrbringen der gegenständlichen Produkte technologisch, organisatorisch, rechtlich und wirtschaftlich in der Hand habe und ihre Tätigkeit über ein bloßes „zu eigen Machen“ der Angebote von Dritt-Anbietern auf ihrer Online-Plattform hinausgehe. Sie gebe den rechtlichen Rahmen für die Nutzung ihres Marktplatzes vor (Anl. K 5, Ziff. 1, 1.1, 1.3). Sämtliche Aktivitäten der „Händler“ erfolgten einheitlich unter der Domainstruktur der Beklagten (Anl. K 5, Ziff. 2.1). Die „Händler“ hätten keinen nennenswerten Individualisierungs- und Gestaltungsspielraum. Der Kunde der Beklagten bleibe stets auf der Website der Beklagten, die einzelnen Webseiten zu konkreten Produkten seien in Layout und Inhalt – abgesehen von den Angaben/Bildern zum konkreten Produkt – nahezu identisch. Die Beklagte gebe den „Händlern“ auch den „Aufbau“ ihrer „Rakuten Shops“ zwingend vor (Anl. K 5, Ziff. 2.1.2). Sie fungiere darüber hinaus als Schlichtungsstelle zwischen den „Händlern“ und den Käufern (Anl. K 5, Ziff. 2.4). Für ihre den Händlern zwingend vorgegebenen Rechtstexte übernehme sie das Abmahnrisiko und die Kosten der Rechtsverteidigung (Anl. K 5, Ziff. 2.6). Sie räume sich das Recht ein, Händler bei einem Verstoß gegen die AGB zu sperren und den „R. Shop des jeweiligen Händlers“ zu entfernen. Von ihren Pflichten nach § 312i BGB lasse sie sich gegenüber den „Händlern“ befreien (Anl. K 5, Ziff. 3.7). Im Rahmen eines Treuhandservice erteile die Beklagte die „Freigabe“ für die Versendung bestellter Produkte an die Käufer. Die Händler-AGB sähen auch eine bedingte Abtretung der Kaufpreisforderung an die Beklagte vor. Die Beklagte übernehme ferner hinsichtlich der Kaufpreisforderungen der Händler das Zahlungsausfallrisiko (Anl. K 5, Ziff. 4.5). Sie führe bezüglich potentieller Käufer Bonitätsprüfungen und Scorings durch (Anl. K 5, Ziff. 5). Die Beklagte übernehme des Weiteren die Geltendmachung und die gerichtliche Durchsetzung der an sie abgetretenen Kaufpreisforderungen der „Händler“. Diese dürften die Kaufpreisforderungen nicht selbst geltend machen oder sonst verwerten. Die Beklagte behalte sich vor, den Händlern bei Zahlart Rechnung das Versenden eigener Rechnungen zu untersagen (Anl. K 5, Ziff. 5). Die „Händler“ seien verpflichtet, an dem Programm „R. Super Points“, also dem Kundenbindungsprogramm der Beklagten, teilzunehmen und die daraus resultierenden Preisnachlässe zu ihren Lasten hinzunehmen (Anl. K 5, Ziff. 5.6).
20
Mit Nichtwissen werde bestritten, dass die Verkaufsangebote grundsätzlich automatisch und ohne Prüfung durch die Beklagte von den „Händlern“, welche alleine die Produktdetails einschließlich der Produktpreise bestimmten, auf dem Marktplatz eingestellt würden. Nach den Händler-AGBs stehe nämlich der Beklagten das Recht zu, Produktbezeichnungen zu ändern bzw. zu streichen.
21
Mit Nichtwissen werde bestritten, dass sich die Beklagte Dritten gegenüber nicht als Händler von Geräten oder Speichermedien darstelle. Dies gelte zumindest nicht in Bezug auf den Zahlungsdienstleister PayPal (Schriftsatz vom 22.06.2020, S. 17 = Bl. 85 d.A.).
22
Es treffe auch nicht zu, dass sich der Rechnungsinhalt vollautomatisiert aus den Angaben der Händler aufbaue. Bestritten werde, dass die Beklagte über den Inhalt der Rechnungen keine direkte Kenntnis erhalte. Sämtliche Rechnungsdaten seien nämlich auf den Servern der Beklagten gespeichert.
23
Mit Nichtwissen werde bestritten, dass die „Händler“ der über den Online-Marktplatz der Beklagten in den Verkehr gebrachten vergütungspflichtigen Produkte ihre Pflichten nach §§ 54 ff. UrhG erfüllen, den Mitteilungspflichten nachkommen und gegebenenfalls Vergütungen entrichten oder bei Großhändlern einkaufen würden, welche selbst über Gesamtverträge an zu leistende Vergütungen gebunden seien. Die diesbezüglichen Angaben der Beklagten seien unsubstanziiert und nicht einlassungsfähig. Die Beklagte habe insoweit keine Kenntnis von den relevanten Verkaufsvorgängen und den auf der Plattform der Beklagten beteiligten „Händlern“. Insoweit sei darauf hinzuweisen, dass der Umsatz durch E-Commerce (B2C) seit Jahren exponentiell angestiegen sei. Die Beklagte, die mit ihrer Plattform vergütungspflichtige Produkte einer unübersehbaren, unbeschränkten Anzahl von „Händlern“ für (potentielle) Käufer zugänglich mache, habe aufgrund des von ihr eröffneten, organisierten und beherrschten Vertriebskanals das Inverkehrbringen einer stetig anwachsenden Zahl von vergütungspflichtigen Produkten zu verantworten.
24
Die Klägerin beantragt,
1. USB-Sticks
1.1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin aufgeschlüsselt nach Kalenderjahren Auskunft über die Art (Marke, Typenbezeichnung) und Stückzahl der im Zeitraum vom 01.01.2016 bis 31.12.2018 über die Plattform www.r. .de in der Bundesrepublik Deutschland veräußerten oder in Verkehr gebrachten USB-Sticks im Sinne von Abschnitt 3 Ziffer 1 des Tarifs für USB-Sticks und Speicherkarten gemäß der Anlage zu diesem Antrag zu erteilen, und zwar gesondert für USB-Sticks mit einer Speicherkapazität von kleiner oder gleich 8 Gigabyte sowie für USB-Sticks mit einer Speicherkapazität von größer 8 Gigabyte, sowie im Falle des Bezuges in der Bundesrepublik Deutschland als Händler die Bezugsquelle (mit genauer Firmenbezeichnung und Adresse) zu benennen.
2. Speicherkarten
2.1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin aufgeschlüsselt nach Kalenderjahren Auskunft über die Art (Marke, Typenbezeichnung) und Stückzahl der im Zeitraum vom 01.01.2016 bis 31.12.2018 über die Plattform www.r. .de in der Bundesrepublik Deutschland veräußerten oder in Verkehr gebrachten Speicherkarten im Sinne von Abschnitt 3 Ziffer 2 des Tarifs für USB-Sticks und Speicherkarten gemäß der Anlage zu diesem Antrag zu erteilen, und zwar gesondert für Speicherkarten mit einer Speicherkapazität von kleiner oder gleich 8 Gigabyte sowie für Speicherkarten mit einer Speicherkapazität von größer 8 Gigabyte, sowie im Falle des Bezuges in der Bundesrepublik Deutschland als Händler die Bezugsquelle (mit genauer Firmenbezeichnung und Adresse) zu benennen.
25
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
26
Zur Begründung führt sie aus, sie sei nicht passivlegitimiert.
27
Weder importiere sie die streitgegenständlichen USB-Sticks und Speicherkarten, noch sei sie als Händlerin der fraglichen Produkte anzusehen. Auch hafte sie nicht wegen Überlassung solcher Produkte zur Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch nach der Rechtsprechung des EuGH. Die klägerseits geltend gemachten Ansprüche bestünden auch nicht aufgrund deliktischer Haftung der Beklagten. Als Betreiberin des Online-Marktplatzes unter www.r. .de mit der im streitgegenständlichen Zeitraum konkreten Ausgestaltung treffe sie unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt eine Haftung für die streitgegenständlichen Auskunfts- und Vergütungsansprüche nach den §§ 54 ff. UrhG.
28
Die Beklagte sei lediglich Vermittlerin, nicht hingegen veräußere sie die streitgegenständlichen Produkte an Dritte. Die Klägerin unternehme den Versuch, durch Aufzählung marktplatzimmanenter Regelungen den Eindruck der Verantwortlichkeit der Beklagten als Hersteller, Importeur oder Händler zu erwecken. Selbst wenn aus der Sicht des Verkehrs ein solcher Eindruck bestehe, würde dies nicht zur Haftung der Beklagten führen. Entscheidend sei allein, ob die Beklagte eine oder mehrere der vorgenannten Rollen objektiv ausfülle.
29
Daran fehle es im Streitfall.
30
Die gegenteilige, die Vorschriften der §§ 54 ff. UrhG zu weit auslegende, da die Rolle von Marktplatzbetreibern als Vermittlern umfassende Auffassung der Klägerin könne der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Sie sei insbesondere auch nicht vom Unionsrecht getragen. Soweit Gerichte und Mitgliedstaaten bei der Regulierung von Privatkopieabgaben eine „gerechten Ausgleich“ zu gewährleisten hätten, dürften ausschließlich Unternehmen belastet werden, die ihrerseits das Aufkommen der Abgabe auf Verbraucherpreise abwälzen können. Ein Marktplatzbetreiber, der wie die Beklagte nicht selbst Händler sei, könne daher nicht mit der Geräte- und Speicherabgabe belastet werden.
31
Soweit die Klägerin mit Nichtwissen bestreite, dass die Beklagte keine vergütungspflichtigen Geräte oder Speichermedien herstelle, sei dieses Bestreiten unzulässig. Entsprechendes gelte, soweit die Beklagte vorgetragen habe, dass sie die fraglichen Waren nicht selbst beziehe, veräußere oder importiere und keine Geräte oder Speichermedien einführen lasse.
32
Die Behauptung der Klägerin, über die Website www.r...de würden jedenfalls auch vergütungspflichtige Produkte in den Verkehr gebracht, welche erst anlässlich einer Bestellung auf der Plattform der Beklagten importiert würden, treffe nicht zu. Die von der Klägerin insoweit vorgelegten Screenshots bezögen sich nicht auf den streitgegenständlichen Zeitraum. Die Beklagte habe erst ab dem 01.01.2019 ausgewählte Shops aus Asien auf ihrem Marktplatz zugelassen. Abgesehen davon würde allein der Umstand, dass Waren durch Dritte auf www.r. .de verkauft würden, die sich im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses noch im außereuropäischen Ausland befänden, eine vermeintliche Stellung der Beklagten als Importeur nicht begründen. Die Händlereigenschaft und Verantwortlichkeit des jeweiligen Shop-Betreibers ergäben sich überdies eindeutig aus den von der Klägerin vorgelegten Screenshots von „wi.be.“ und „P. T.“.
33
Soweit die Klägerin mit Nichtwissen bestreite, dass die Beklagte die auf der Plattform www.r...de angebotenen Waren nicht in Verkehr bringe, keine Produkte Dritter und auch keine Produkte unter eigener Marke vertreibe, sei dies ebenfalls unzulässig. Sämtliche Angebote auf www.rakuten.de seien öffentlich einsehbar.
34
Soweit die Klägerin unter Berufung auf Anl. B 3 bestreite, dass der Marktplatz der Beklagten www.rakuten.de in seiner Gesamtgestaltung an Verbraucher gerichtet sei, sei darauf hinzuweisen, dass die Anl. B 3 erst ab dem 01.08.2019 gelte und für den streitgegenständlichen Zeitraum irrelevant sei. Die insoweit maßgeblichen Nutzungsbedingungen ergäben sich aus Anlagenkonvolut B 13. Ob sich die Plattform an Verbraucher richte, sei letztlich ohnehin unerheblich; jedenfalls richte sie sich an den Endabnehmer, sei er Privatmann oder juristische Person. Das Bestreiten der Klägerin mit Nichtwissen, wonach gewerbliche Wiederverkäufer auch tatsächlich als „Nutzer“ des Marktplatzes ausgeschlossen seien, sei unzulässig, darüber hinaus ins Blaue hinein erfolgt.
35
Ohne Erfolg bestreite die Klägerin, dass die Händler auf dem Marktplatz der Beklagten eigene Händler-Shops betreiben würden. Sämtliche Shop-Seiten sowie die Produktdetailseiten der jeweiligen Händler, denen die Beklagte die Nutzung eines oder mehrerer R.-Shops anbiete, würden – nur das ergebe für einen Marktplatz Sinn – unter der Domainstruktur von R. geführt. Auf der Plattform der Beklagten ließen sich indes entgegen der Auffassung der Klägerin Händler-Shops aufrufen. Sämtliche Angebote eines jeden Händlers könnten gefiltert nach diesem Händler angezeigt werden. Der Kunde könne daher – wie nach Betreten eines Ladenlokals – auch das Produktsortiment eines Händlers auf dessen Shop-Seite aufsuchen (wird näher ausgeführt, vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 11.09.2020, S. 11 ff. = Bl. 112 ff. d.A. sowie Anl. B 2, B 14). Dabei werde nicht wie von der Klägerin behauptet lediglich das „R.-Logo“ angezeigt. Vielmehr werde stets der jeweilige Händlername auf der Händler-Shop-Seite entsprechend prominent angezeigt, ebenso wie die Händleradresse und die Retourenadresse des Händlers (Anl. B 14). Dass sich die Beklagte dafür entschieden habe, als Betreiberin eines Marktplatzes einen einheitlichen Look für sämtliche Shops und Produktangebote zu wählen, sei auf Marktplätzen absolut üblich (vgl. eBay.de; amazon.de) und könne der Beklagten nicht zum Nachteil gereichen. Dabei sei darauf hinzuweisen, dass die Produktdetailseiten ausschließlich vom Händler gestaltet würden. Die Beklagte gebe nur das Gerüst/Layout der Platzierung der Einzelelemente von Produktdaten, Produkttitel, Produktbild und Produktbeschreibung vor.
36
Soweit die Klägerin mit Nichtwissen bestreite, dass die Beklagte die fraglichen Waren nicht zu Gesicht bekomme, kein zentrales Warenlager für alle Händler bzw. kein Warenlager unterhalte und weder Besitz noch Eigentum oder eine Anwartschaft an den zu versendenden Waren erhalte, sei auch dieses Bestreiten unzulässig. Die Klägerin sei – auch – insoweit beweisbelastet.
37
Dass der Beklagten beim Vertrieb von Produkten über ihren Marktplatz www.r. .de lediglich eine passive Rolle zukomme, hätten eine Vielzahl von Händlern – auch vergütungspflichtiger Produkte – bestätigt (Schriftsatz der Beklagten vom 11.09.2020, S. 120 ff. = Bl. 121 ff. d.A. sowie Anlagenkonvolut B 16 und Anl. B 17, B 18).
38
Auf der Plattform der Beklagten hätten die Händler die Möglichkeit, Waren in einem eigenen Shop anzubieten. Sie könnten im sog. Merchant Backend den jeweiligen Shop vollständig an ihre eigenen Bedürfnisse anpassen und einstellen. Der Kaufvertrag, der über die Plattform der Beklagten zustande komme, werde ausschließlich zwischen dem jeweiligen Händler und dem Käufer geschlossen. Die Beklagte nehme lediglich die Zahlungen von Endkunden entgegen und zahle diese regelmäßig 16 Tage nach Versand des Artikels an die Händler aus. Dieser versende die Waren selbst und nutze keine Lager o.ä. von der Beklagten. Insoweit sei die Beklagte entgegen der Auffassung der Klägerin nicht mit Amazon vergleichbar. Ihre Kunden bestimmten selbst sämtliche Informationen im Rahmen eines Produktangebots wie Preis, Produktbilder, Produktbeschreibungen, Produkttitel, Grundpreisangabe, Angabe der Energiekennzeichnung, Angabe von Garantien, Versandkosten und Teilnahme am ODR-Streitverfahren. An Marketing-Aktionen der Beklagten wie Gutscheinaktionen könne der Händler freiwillig teilnehmen. Die Teilnahme hieran habe keinen direkten Einfluss auf die Preisgestaltung des jeweiligen Händlers. Die Bestellabwicklung (After Sales Prozess) werde ausschließlich durch den jeweiligen Händler durchgeführt. Dieser beauftrage auch ein Versandunternehmen, soweit auf diesem Weg der Endverbraucher beliefert werde. Etwaige Produkt-Gewährleistungsansprüche von Endkunden würden ausschließlich von den jeweiligen Händlern erfüllt, etwaige Widerrufserklärungen würden von diesen bearbeitet. Die Händler würden auch die Urheberabgabe bei betroffenen Produkten (Festplatten, USB-Sticks etc.) selbst abführen. Soweit dies die Klägerin mit Nichtwissen bestreite, sei dies unzulässig. Vielmehr sei seitens der Beklagten mit Nichtwissen zu bestreiten, dass die Klägerin von der P. GmbH die Urheberabgabe für die streitgegenständliche Testbestellung noch nicht erhalten habe. Die Händler stellten im Übrigen beim Hersteller/Lieferanten des jeweiligen Produkts sicher, dass diese die Urheberabgabe abführten.
39
Soweit die Beklagte für den Händler die Bestell- und Zahlungsabwicklung übernehme, handle sie im Namen und Auftrag des Verkäufers (vgl. Anlagenkonvolut B13 zu „I.1 Verkäufer“ und „I.2 Käufer“). Infolgedessen sei es nur konsequent, wenn der Händler die Ware nach Freigabe durch die Beklagte an den Endkunden versende. Soweit der Händler selbst die Rechnungstellung vornehme, erstelle die Beklagte keine Rechnungen. Hierbei handle es sich lediglich um einen Service, der von den Händlern nicht wahrgenommen werden müsse.
40
Die Abtretung von Kaufpreiszahlungsansprüchen durch die Händler an die Beklagte – die nur für den Fall erfolge, dass der Kunde bei einem Kauf auf Rechnung nicht innerhalb von 16 Tagen zahle – ändere nichts daran, dass sie nicht originäre Inhaberin der Kaufpreiszahlungsansprüche an den über ihre Plattform verkauften Produkten sei. Soweit die Beklagte den Endkunden die an sie abgetretenen Kaufpreisforderungen in Rechnung stelle, handle sie ebenfalls im Auftrag und im Namen des jeweiligen Händlers (vgl. Anlagenkonvolut B 13, Ziff. 2.3). Dass die Beklagte gegenüber dem Händler das Zahlungsausfallrisiko trage, sofern die Bestellung über den Treuhandservice der Beklagten abgewickelt werde, lasse deren lediglich passive Rolle beim eigentlichen Verkaufsvorgang unberührt. Naturgemäß übernehme die Beklagte aufgrund des auf sie übertragenen Zahlungsausfallrisikos auch die gerichtliche Durchsetzung der an sie abgetretenen Forderung. Soweit die Beklagte bezüglich potentieller Käufer Bonitätsprüfungen und Scorings durchführe, handle es sich eine gewöhnliche Risikoprüfung, die jeder Zahlungsdienstleister durchführe. Der Argumentation der Klägerin in diesem Punkt folgend könne jeder Zahlungsdienstleister für Urheberabgaben verantwortlich gemacht werden.
41
Das Kundenbindungsprogramm der Beklagten („Club-R.-Mitgliedschaft“/„R. Superpoints“) werde zu 4/5 von der Beklagten und zu 1/5 von den Händlern finanziert. Der vom Händler zu tragende Finanzierungsanteil sei faktisch Bestandteil der für die Nutzung der Plattform zu entrichtenden Verkaufsgebühren in Höhe von 10% des Verkaufspreises (9% Gebühr und 1% „Superpoints“). An der lediglich technischen, automatisierten und passiven Rolle der Beklagten bei den über ihre Plattform abgewickelten Geschäften ändere deren Kundenbindungsprogramm – welches auch nicht ausschließlich von ihr angeboten werde, sondern von der R. Gruppe über die R. Bank Europe und auch nicht auf die Beklagte zugeschnitten sei – nichts.
42
Die Beklagte nehme auch durch die sog. „Dynamic Coupon Campaign“ keinen faktischen Einfluss auf die Preisgestaltung der Händler. Der Händler, der an dieser Aktion freiwillig teilnehme, bestimme selbst, wie hoch der Rabatt sein könne. Die Beklagte biete lediglich die technische Möglichkeit für die Teilnahme am Rabattsystem oder beteilige sich an den Kosten des Rabatts. Sie bestimme nicht den Preis des Produkts, sondern ermögliche dem Endkunden, einen Gutschein zu nutzen, mit dem dieser einen günstigeren Preis für die Verkaufsangebote des Händlers erzielen könne (vgl. Anl. B 16 Screenshot „Dynamic Coupon Campaign – verkaufen mit Bestpreisstrategie“ sowie Anl. B 19 „Win-win-Situation für Kunden und Händler“, Schriftsatz der Beklagten vom 11.09.2020, S. 8 = Bl. 76 d.A.).
43
Dass die Beklagte ein „Rechtsportal“ anbiete, gereiche der Klägerin ebenfalls nicht zum Vorteil. Hierbei handle es sich lediglich um ein freiwilliges redaktionelles Angebot der Beklagten an die Händler im Sinne eines Service-Angebots. Sie gebe die Rechtstexte zwar vor, übernehme allerdings auch die Haftung für die Rechtskonformität der Rechtstexte (vgl. Anlagenkonvolut B 16).
44
Dass die Beklagte als Schlichtungsstelle zwischen dem Endkunden und dem Händler fungiere, spreche für deren rein passive Rolle. Diese könnte sie nicht einnehmen, wenn sie Vertragspartnerin des Endkunden wäre.
45
Die Beklagte müsse die Möglichkeit haben, Händler von ihrem Marktplatz zu sperren oder Inhalte zu entfernen, sofern diese gegen geltendes Recht verstießen. Dies könne ihre Passivlegitimation im Streitfall nicht begründen. Entsprechendes gelte, soweit im Vertragsverhältnis der Beklagten zu den Händlern § 312i BGB dahingehend abbedungen werde, dass die Beklagte als Marktplatzbetreiberin die darin geregelten Informationspflichten erfülle.
46
Soweit die Klägerin die Auffassung vertrete, aus der Datenschutzerklärung der Beklagten ergebe sich deren „Vertragsrolle“, sei dies unzutreffend. Die Beklagte erfülle dadurch ihre datenschutzrechtlichen Informationspflichten nach Art. 12 ff. DSGVO gegenüber dem Nutzer der Plattform. Das Vertragsverhältnis des Plattformnutzers zum Händler der auf dem Marktplatz angebotenen Waren werde hiervon nicht berührt.
47
Die Berufung der Klägerin auf den – vormals – angebotenen Telefonservice der Beklagten führe ebenfalls nicht zum Erfolg. Auch insoweit sei die Beklagte nur als Vertreterin der Händler aufgetreten.
48
Aus der Anzeige der Beklagten bei PayPal als Händler lasse sich ebenfalls nicht die Passivlegitimation der Beklagten herleiten. Bei PayPal handle es sich um einen rechtlich unabhängigen Zahlungsdienstleister, auf den die Beklagte keinen Einfluss habe.
49
Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass die Klägerin Kenntnis von den relevanten Verkaufsvorgängen und den beteiligten Händlern auf der Plattform der Beklagten habe. Die Klägerin habe vielmehr die Möglichkeit, sich über die Plattform der Beklagten Kenntnis von den Händlern und deren Verkaufsvorgängen zu beschaffen. Deren Angebote auf dem streitgegenständlichen Online-Marktplatz seien nach Produktkategorien filterbar. Über die Impressums-Angaben der Händler könne die Beklagte die notwendigen Informationen über eine Kontaktaufnahme auffinden. Vor diesem Hintergrund werde mit Nichtwissen bestritten, dass es der Klägerin nicht möglich sein solle, Auskunftsansprüche gegenüber den jeweiligen Händlern geltend zu machen.
50
In rechtlicher Hinsicht sei weiterhin auszuführen, dass die Klageanträge 1.2 und 2.2 unzulässig, da nicht hinreichend bestimmt seien.
51
Zur mangelnden Verpflichtung der Beklagten zur Entrichtung einer Geräte- und Speichermedienabgabe nach den §§ 54 ff. UrhG – und damit einhergehenden fehlenden Passivlegitimation – sei ergänzend auf das als Anl. B 24 vorgelegte Gutachten des Privatgutachters Prof. Dr. K. P., welches sich die Beklagte zu eigen mache, hinzuweisen.
52
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 16.09.2021 (Bl. 266/269 d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

53
Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
A.
54
Die Klage ist zulässig.
I.
55
Das OLG München ist für das Verfahren im ersten Rechtszug örtlich und sachlich zuständig gemäß § 129 Abs. 1 VGG, § 92 Abs. 1 Nr. 2 VGG.
II.
56
Der vorherigen Durchführung eines Schiedsstellensverfahrens (§ 128 Abs. 1 Satz 1 VGG) bedurfte es vorliegend gemäß § 128 Abs. 2 VGG nicht, da die Parteien nicht über die Anwendbarkeit oder die Angemessenheit des Tarifs streiten, sondern darum, ob die Beklagte überhaupt vergütungspflichtig im Sinne der §§ 54 ff. UrhG ist.
III.
57
Soweit die Beklagte der Auffassung ist, die Klageanträge zu Ziffer 1.2 und 2.2 seien zu unbestimmt, bedurfte dies vorliegend keiner Entscheidung. Die Klägerin hat im Wege der Stufenklage zunächst nur die Auskunftsanträge nach Ziffer 1.1 und 2.1 gestellt. Zwar war vorliegend die Klage insgesamt abzuweisen, da die Gründe für die Unbegründetheit auch den Hauptanspruch umfassen (vgl. Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 41. Aufl., § 254 Rn. 5), so dass bereits jetzt auch über die noch unbezifferten Leistungsanträge entschieden wurde. Da es in es in dieser Phase des Verfahrens – was in der Natur der Stufenklage liegt – noch nicht zu einer Bezifferung und endgültigen Fassung des Leistungsantrags gekommen ist, kann dessen Bestimmtheit im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zwangsläufig noch nicht abschließend beurteilt werden, was indessen in der vorliegenden Konstellation nicht zu einer Abweisung des Leistungsantrags als unzulässig, sondern wegen Fehlens der materiellen Anspruchsvoraussetzungen als unbegründet führt.
B.
58
Die Klage ist nicht begründet.
59
Ein Vergütungs- und vorbereitender Auskunftsanspruch der Klägerin ergibt sich weder aus den §§ 54 ff. UrhG nach nationalem Verständnis (dazu B I) noch aufgrund unionsrechtlicher Erwägungen (dazu B II). Überdies besteht auch keine deliktische Haftung der Beklagten (dazu B III).
I.
60
Der von der Klägerin geltend gemachte Auskunftswie auch der Vergütungsanspruch ergeben sich nicht aus den §§ 54 ff. UrhG nach nationalen Auslegungskriterien.
61
Nach § 54f Abs. 1 Satz 1 UrhG kann der Urheber von dem nach § 54 oder § 54b zur Zahlung der Vergütung Verpflichteten Auskunft über Art und Stückzahl der im Geltungsbereich dieses Gesetzes veräußerten oder in Verkehr gebrachten Geräte und Speichermedien verlangen. Die Beklagte ist aber weder vergütungspflichtig nach § 54 UrhG noch nach § 54b UrhG.
62
1. Die Beklagte ist nicht Herstellerin im Sinne von § 54 Abs. 1 UrhG.
63
Es ist bereits zweifelhaft, ob sich aus dem insoweit in Klammern gesetzten Vortrag der Klägerin (vgl. Klageschrift vom 19.12.2019, S. 23 u. 24 = Bl. 12/12R d.A.) überhaupt die Behauptung entnehmen lässt, dass die Beklagte die im streitgegenständlichen Zeitraum auf der Plattform angebotenen Geräte und Speichermedien selbst hergestellt hat. Auch wenn man dem Vortrag der Klägerin eine solche Behauptung entnehmen wollte, wäre diese, nachdem die Beklagte eine eigene Herstellung bestritten hat, als völlig unsubstanziiert und lediglich ins Blaue hinein erfolgt anzusehen.
64
Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang weiter vorgetragen, sie habe im streitgegenständlichen Zeitraum auch keine Waren unter eigener Marke in den Verkehr gebracht. Dies wurde von der Klägerin mit Nichtwissen bestritten. Auf diesen Umstand kommt es an dieser Stelle jedoch ohnehin nicht an, da allein das Inverkehrbringen von Produkten unter eigener Marke die Herstellereigenschaft noch nicht begründet (vgl. Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl., § 54 Rn. 13, mwN).
65
2. Die Beklagte ist auch nicht Importeurin gemäß § 54b UrhG.
66
Nach § 54b Abs. 1 UrhG haftet neben dem Hersteller als Gesamtschuldner, wer die Geräte oder Speichermedien in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gewerblich einführt oder wiedereinführt. Nach § 54b Abs. 2 Satz 1 UrhG ist Einführer, wer die Geräte oder Speichermedien in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbringt oder verbringen lässt.
67
a) Die Beklagte hat bestritten, dass sie im streitgegenständlichen Zeitraum selbst Geräte oder Speichermedien in die Bundesrepublik eingeführt hat. Dies hat wiederum die Klägerin mit Nichtwissen bestritten. Dieses Bestreiten der Klägerin mit Nichtwissen ist unbehelflich. Selbst wann man unterstellt, dass es sich insoweit um Tatsachen handelt, die weder eigene Handlungen der Klägerin noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind (vgl. § 138 Abs. 4 ZPO), konnte sich die Klägerin vorliegend nicht auf ein bloßes Bestreiten zurückziehen. Vielmehr trägt sie die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Beklagte Geräte oder Speichermedien nach Deutschland eingeführt hat. Dass und inwiefern dies durch eine eigene Handlung der Beklagten geschehen ist, hat die Klägerin aber bereits nicht substanziiert vorgetragen.
68
Auch soweit die Klägerin der Auffassung ist, die Beklagte treffe vorliegend eine sekundäre Darlegungslast (vgl. Schriftsatz vom 22.06.2020, S. 24 = Bl. 92 d.A.), hilft ihr dies nicht weiter. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Voraussetzungen für eine sekundäre Darlegungslast grundsätzlich vorliegen, weil es sich bei der Einfuhr von Geräten und Speichermedien durch die Beklagte um Informationen aus der Sphäre der Beklagten handelt, hätte die Klägerin zumindest konkrete Anhaltspunkte dafür vortragen müssen, dass die Beklagte entsprechende Waren in die Bundesrepublik eingeführt hat. Dies gilt umso mehr, als es sich bei dem Umstand, dass die Beklagte dies nicht getan hat, aus ihrer Sicht um eine Negativtatsache handelt, zu der sie selbst wiederum substanziiert nur dergestalt vortragen kann, dass sie von der Klägerin vorgebrachte konkrete Anhaltspunkte für das positive Vorliegen der Tatsache widerlegt. Derartige Anhaltspunkte für eigene Einfuhrhandlungen der Beklagten hat die Klägerin jedoch nicht vorgetragen.
69
b) Ein Einführen im Sinne von § 54b Abs. 2 Satz 1 UrhG durch die Beklagte kann auch nicht darin gesehen werden, dass – wie die Klägerin vorgetragen hat – im streitgegenständlichen Zeitraum jedenfalls auch vergütungspflichtige Produkte in den Verkehr gebracht wurden, die erst anlässlich einer Bestellung auf der Plattform der Beklagten importiert wurden.
70
Zwar kann dieser Umstand als unstreitig angesehen werden. Hierbei kann dahinstehen, ob erst ab dem 01.01.2019 (und somit nach dem streitgegenständlichen Zeitraum) ausgewählte Shops aus Asien auf dem Marktplatz zugelassen worden sind, wie die Beklagte behauptet. Denn nach dem eigenen Vortrag der Beklagten war der Marktplatz schon zuvor für Händler mit Sitz in Österreich, Frankreich und dem Vereinigten Königreich geöffnet, sodass davon auszugehen ist, dass es anlässlich von Bestellungen über die Plattform der Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum jedenfalls aus diesen Ländern zu Importen von Geräten und Speichermedien nach Deutschland gekommen ist.
71
Eine Stellung der Beklagten als Importeurin im Sinne von § 54b UrhG lässt sich damit aber gleichwohl nicht begründen. Denn nach dem nicht widerlegten Vortrag der Beklagten erfolgte der Versand der Waren allein durch die jeweiligen Verkäufer oder deren Servicepartner, so dass die Geräte und Speichermedien nicht durch die Beklagte, sondern die im Ausland sitzenden Verkäufer eingeführt wurden.
72
Diese rechtliche Wertung wird auch durch § 54b Abs. 2 Satz 3 UrhG gestützt. Danach ist nicht Einführer, wer lediglich als Spediteur oder Frachtführer oder in einer ähnlichen Stellung bei dem Verbringen der Waren tätig wird. Deshalb haftet beispielsweise nicht als Importeur, wer lediglich Geräte oder Speichermedien an die Kunden eines anderen versendet und entsprechende Rücksendungen entgegennimmt (vgl. LG Köln, Teilurteil vom 30.01.2008 – 28 O 340/06, ZUM-RD 2008, 238, juris Rn. 53). Nachdem die Beklagte nach ihrem Vortrag, den die Klägerin nicht zu widerlegen vermochte, noch nicht einmal derartige Beiträge bezüglich der tatsächlichen Verbringung der Waren ins Inland erbracht hat, sondern lediglich in den der Einfuhr zugrunde liegenden Bestellvorgang und die Zahlungsabwicklung involviert war, kann sie nach diesen Maßstäben erst recht nicht als Importeurin angesehen werden.
73
c) Die Beklagte hat im streitgegenständlichen Zeitraum auch keine vergütungspflichtigen Geräte und Speichermedien „einführen lassen“ im Sinne von § 54b Abs. 2 Satz 1 Fall 2 UrhG. Allein der Umstand, dass anlässlich von Bestellungen auf der Plattform der Beklagten entsprechende Produkte in das Bundesgebiet importiert wurden, genügt hierfür nicht. Denn die konkreten Einfuhren wurden jeweils nicht durch die Beklagte, sondern durch die einzelnen Besteller veranlasst.
74
d) Vor diesem Hintergrund kann auch dahinstehen, ob im streitgegenständlichen Zeitraum über den Marktplatz der Beklagten Einkäufe tatsächlich nur durch Endkunden, wie in den AGB geregelt, oder auch durch Wiederverkäufer stattgefunden haben und ob es sich bei den Endkunden ausschließlich um Verbraucher gehandelt hat. Zwar können private Endkunden bei einem Direktimport aus dem Ausland nicht als Einführer angesehen werden, sondern nur der jeweilige Verkäufer, während ein gewerblicher Endkunde oder ein gewerblicher Weiterveräußerer selbst – nach § 54b Abs. 2 Satz 2 UrhG in der Regel sogar alleiniger – Importeur ist (vgl. Dreier in Dreier/Schulze aaO § 54b Rn. 2). Dies ändert aber nichts daran, dass in sämtlichen Konstellationen, wie sich aus den vorangegangenen Ausführungen ergibt, jedenfalls nicht die Beklagte als Einführerin angesehen werden kann.
75
3. Die Beklagte ist auch nicht Händlerin nach § 54b Abs. 1 UrhG.
76
a) Nach allgemeiner Auffassung ist Händler, wer gewerblich Geräte oder Speichermedien erwirbt und weiterveräußert, gleichviel ob als Groß- oder als Einzelhändler (BR-Drs. 218/94, 19; Dreier in Dreier/Schulze aaO § 54b Rn. 3; Grübler in BeckOK.UrhR, Std.: 15.9.2021, § 54b Rn. 5; Lüft in Wandtke/Bullinger, UrhG, 5. Aufl. § 54b Rn. 2; Loewenheim/Stieper in Schricker/Loewenheim, UrhR, 6. Aufl., § 54b Rn. 7).
77
b) Vorliegend hat die Beklagte die fraglichen Speichermedien weder erworben noch (weiter-)veräußert.
78
aa) Die Beklagte hat die Speichermedien nicht erworben. Sie hat vorgetragen, sie sei mit den im streitgegenständlichen Zeitraum über ihre Plattform veräußerten Waren weder tatsächlich noch rechtlich in Berührung gekommen. Insbesondere habe sie an diesen weder Eigentum noch ein Anwartschaftsrecht erworben. Diesem Vortrag ist die darlegungs- und beweisbelastete Klägerin nicht substanziiert entgegengetreten, sodass dieser der Bewertung zugrunde zu legen ist. Danach liegt ein Erwerb der Waren auf Seiten der Beklagten nicht vor. Selbst wenn man davon ausgeht, dass ein eigener dinglicher Eigentumserwerb hierfür nicht zwingend notwendig ist, sondern ein Erwerb etwa auch dann vorliegen würde, wenn die Beklagte die Waren nur schuldrechtlich käuflich erworben und dabei mit ihrem Lieferanten vereinbart oder diesen angewiesen hätte, die Waren direkt an einen Dritten zu liefern und zu übereignen, könnte ein Erwerb auf Seiten der Beklagten nicht bejaht werden. Denn die Klägerin hat auch keinerlei Anhaltspunkte für eine derartige Sachverhaltskonstellation vorgetragen.
79
bb) Die Beklagte hat auch keine Speichermedien (weiter-)veräußert.
80
(1) Der Begriff Veräußerung ist in diesem Zusammenhang nicht (nur) dinglich im Sinne einer Eigentumsübertragung zu verstehen, sondern setzt einen Verkauf der Ware voraus. Denn ein „Handeln“, auf das in § 54b Abs. 1 UrhG abgestellt wird, beinhaltet gerade, dass Waren eingekauft und mit einem Aufschlag auf den Einkaufspreis wieder verkauft werden.
81
(2) Vorliegend sind die Kaufverträge ausschließlich zwischen den auf der Plattform der Beklagten tätigen Händlern und den Kunden zustande gekommen. Den Vortrag der Beklagten, wonach bei einem konkreten Produktangebot am rechten Bildrand auf den jeweiligen Verkäufer hingewiesen werde (vgl. Klageerwiderung vom 14.04.2020, Screenshot S. 10 = Bl. 33 d.A.), der Kunde auf der Produktdetailseite die rechtlichen Informationen des Händlers durch einen Klick auf „Impressum & rechtliche Infos“ unterhalb des Händlernamens einsehen können und dort zunächst das Impressum des jeweiligen Händlers angezeigt werde (vgl. Klageerwiderung vom 14.04.2020, Screenshot S. 12 = Bl. 35 d.A.), sowie dass in Ziffer 2.1 und 2.3 der jeweiligen Endkunden-AGB geregelt sei, dass der Vertrag mit dem jeweils konkret genannten Händler zustande kommt sowie dass die Beklagte ausdrücklich nicht Vertragspartner wird, hat die Klägerin nicht bestritten. Aus diesen Umständen wurde für einen objektiven Empfänger, auf dessen Sicht insoweit abzustellen ist, hinreichend klar, dass Verkäufer der Waren der jeweils konkret genannte Händler und nicht die Beklagte war, sodass diese auch nicht Kaufvertragspartei geworden ist.
82
Hieran ändern auch die von der Klägerin vorgetragenen Umstände nichts. Soweit die Klägerin geltend macht, in Ziffer 8.1 der AGB räume sich die Beklagte die Berechtigung ein, als Vertreter der Händler aufzutreten und es werde mit Nichtwissen bestritten, dass für die Käufer (stets) offenkundig wäre, dass die Beklagte angeblich nur als Vertreter handeln möchte, hat sie nicht dargelegt, inwiefern die Beklagte bei den Kaufvertragsabschlüssen konkret als Vertreter aufgetreten sein soll, ohne dass der Wille, in fremdem Namen zu handeln, nicht erkennbar hervorgetreten wäre (§ 164 Abs. 2 BGB). Auch dass nach einer Bitkom-Umfrage die Person des Vertragspartners für die Käufer bei einem Kauf in einem Online-Shop kein kaufentscheidendes Kriterium sei, ändert nichts daran, dass aus Sicht eines objektiven Empfängers aufgrund der oben dargelegten Gründe erkennbar war, dass nicht die Beklagte, sondern die jeweiligen Händler Vertragspartner werden. Gleiches gilt für den Umstand, dass die Beklagte in ihren „Datenschutzbestimmungen“ für die Besucher der Website von einem „Vertrag mit Rakuten DE“ spricht. Dies steht für einen objektiven Empfänger ersichtlich nur im Zusammenhang mit der Datenverarbeitung durch die Beklagte, vermag aus dessen verständiger Sicht aber keine Zweifel daran aufkommen lassen, dass nach den eindeutigen sonstigen Angaben auf der Webseite und in den AGB Partei des Kaufvertrags (nur) der jeweilige Händler ist. Ferner führt auch der von der Klägerin vorgebrachte Umstand, dass sich die Erklärung des Bestellers (zunächst) nur an die Beklagte richtet, weil der gesamte Bestellvorgang auf der Website der Beklagten erfolge und es zudem möglich gewesen sei, eine Bestellung telefonisch bei der Beklagten aufzugeben, nicht zu einem Kaufvertragsschluss zwischen dem Kunden und der Beklagten. Vielmehr ist die Beklagte hier bei objektiver Betrachtung der Gesamtumstände erkennbar nur als (Empfangs-)Vertreter bzw. (Empfangs-)Bote aufgetreten.
83
(3) Die Beklagte ist auch nicht dadurch zur Kaufvertragspartei geworden, dass sie sich die Kaufpreisforderung, was unstreitig zumindest in den Fällen der Fall war, dass der Kunde nicht innerhalb von 16 Tagen bezahlt, hat abtreten lassen. Dieser Umstand zeigt vielmehr gerade, dass der Kaufvertrag allein zwischen dem auf dem Marktplatz tätigen Händler und dem Kunden zustande gekommen ist, da ein Anlass für eine solche Abtretung nicht bestanden hätte und diese ins Leere gegangen wäre, wenn die Beklagte selbst originäre Inhaberin der Kaufpreisforderung gewesen wäre. Auch dass die Beklagte für die Verkäufer zumindest teilweise die Rechnungsstellung übernahm, dass der Kaufpreis vom Kunden auf ein Treuhandkonto der Beklagten bezahlt wurde, dass die Beklagte im Rahmen des Treuhandservice die „Freigabe“ für die Versendung bestellter Produkte an die Käufer erteilte und dass sie hinsichtlich der Kaufpreisforderungen der Händler das Zahlungsausfallrisiko sowie die Geltendmachung und die gerichtliche Durchsetzung der an sie abgetretenen Kaufpreisforderungen der Händler übernahm, führt nicht dazu, dass die Beklagte selbst Kaufvertragspartei geworden wäre, zumal diese Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Zahlungsabwicklung zeitlich jeweils erst nach dem Vertragsschluss erfolgt sind.
84
d) Da die Beklagte die fraglichen Waren im streitgegenständlichen Zeitraum somit weder erworben noch weiterveräußert hat, erfüllt sie nicht die Voraussetzungen eines Händlers im Sinne von § 54b Abs. 1 UrhG. Daran ändert auch nichts, dass die Beklagte bei dem Zahlungsdienstleister PayPal als „Händler“ geführt bzw. beim Zahlvorgang über PayPal als solcher bezeichnet wurde.
85
e) Eine Stellung der Beklagten als Händler im Sinne von § 54b Abs. 1 UrhG lässt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht damit begründen, dass die Beklagte es in der Hand gehabt hätte, die urheberrechtliche Vergütung einzupreisen und (mittelbar) auf die Endabnehmer abzuwälzen.
86
Zwar ist es im Ansatz zutreffend, dass die Einbeziehung der Händler als Schuldner des Vergütungsanspruchs ebenso wie bei den Herstellern und Importeuren auf der Erwägung beruht, dass der einzelne Nutzer, der die Vervielfältigungen vornimmt, aus praktischen und rechtlichen Gründen nicht in Anspruch genommen werden kann und daher die auf dem Vertriebsweg vorgelagerten Stufen als Schuldner herangezogen werden, die durch ihre Tätigkeit die Voraussetzungen für die Vervielfältigungen schaffen und über den Abgabepreis die Vergütung auf den Endnutzer abwälzen können (vgl. BR-Drucks. 218/94, 17 f.; Loewenheim UrhR-HdB, § 91 Rn. 13; Grübler in BeckOK.UrhR, Std.: 15.9.2021, § 54b Rn. 5).
87
Aus diesen Erwägungen des historischen Gesetzgebers lässt sich jedoch bereits nicht ableiten, dass jeder, der eine solche Abwälzungsmöglichkeit besitzt, automatisch vergütungspflichtig wäre. Vielmehr knüpft das Gesetz selbst die Vergütungspflicht nicht an eine derartige Abwälzungsmöglichkeit, sondern ausdrücklich an die Eigenschaft als Hersteller, Importeur oder Händler.
88
Darüber hinaus erscheint aus Sicht des Senats zweifelhaft, ob Marktplatzbetreiber wie die Beklagte überhaupt eine entsprechende Abwälzungsmöglichkeit besitzen. Denn sie sind, anders als die Klägerin meint, mangels Zwischenschaltung nicht in die Erwerbskette eingebunden und daher nicht direkter Teil der Vertriebskette. Folglich können sie die Vergütung auch nicht – jedenfalls nicht unmittelbar – auf den Kaufpreis umschlagen. Den Marktplatzbetreibern wäre es allenfalls möglich, die „Gebühren“ für die Inanspruchnahme der von Ihnen zur Verfügung gestellten Dienstleistungen entsprechend zu erhöhen. Sie hätten also lediglich die Möglichkeit, sich einen – zudem nur mittelbaren – Einfluss auf die Preisgestaltung zu verschaffen.
89
Jedenfalls aber ist im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass dieser einen Zeitraum aus der Vergangenheit betrifft, in welchem die Beklagte von dieser Möglichkeit nicht Gebrauch gemacht hat. Es ist der Beklagten auch nicht mehr möglich, die urheberrechtliche Vergütung nachträglich in ihre „Gebühren“ mit einzupreisen. Anders als die Hersteller, Importeure und Händler, bei denen diese Eigenschaft unzweifelhaft vorlag, musste die Beklagte auch nicht damit rechnen, wegen der Vergütungspflicht in Anspruch genommen zu werden. Eine rückwirkende Geltendmachung und Durchsetzung des Vergütungsanspruchs gegen sie würde deshalb auch bereits aus diesem Grund ausscheiden (vgl. BGH GRUR 2017, 172 Rn. 91 – Musik-Handy).
90
f) Auch die weiteren gesetzeshistorischen Überlegungen der Klägerin führen nicht dazu, dass Marktplatzbetreiber wie die Beklagte in den Händlerbegriff einzubeziehen wären.
91
aa) Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass die Beklagte eine entsprechende „Gefahrenlage“ schaffe bzw. die Voraussetzung dafür schaffe, dass der private Verbraucher die privaten Vervielfältigungen vornehmen könne (vgl. Schriftsatz vom 08.09.2021, S. 13 = Bl. 261 d.A. unter Hinweis auf BT-Drs. IV/3401, S. 8 f. und BR-Drs. 218/94, S. 17 f.), kann dahinstehen, inwieweit dies in tatsächlicher Hinsicht zutrifft. Denn auch insoweit hat der Gesetzgeber dies nicht als gesetzliche Voraussetzung der Vergütungspflicht normiert, das heißt, nicht jede Person, die eine entsprechende Gefahrenlage schafft, ist automatisch auch vergütungspflichtig.
92
bb) Auch die von der Klägerin im Schriftsatz vom 08.09.2021 auf S. 9 f. (= Bl. 257 f. d.A.) aufgeführten Zitate aus der BR-Drs. 218/94 (S. 12, 16, 18, 21 f., 24 und 25) vermögen eine Einbeziehung der Beklagten in die Händlerhaftung nicht zu rechtfertigen. Zwar wurde in diesen Passagen das Problem der erschwerten Erfassung von Importen, insbesondere nach dem damaligen Wegfall der Einfuhrkontrollmeldungen, adressiert, welches sich unzweifelhaft auch bei Bestellungen aus dem Ausland über die Plattform der Beklagten stellt. Diesem Problem ist der Gesetzgeber im Jahr 1994 dadurch begegnet, dass der inländische Käufer, der die Geräte direkt im Ausland bezieht und sie für seine eigenen gewerblichen Zwecke nutzen will, in die Importeurshaftung einbezogen wurde, sowie dadurch, dass ein eigener Haftungstatbestand für Händler geschaffen wurde. Zusätzlich sollte der Schwierigkeit der Erfassung von Importen nach dem Wegfall der Einfuhrkontrollmeldungen durch die Einführung der unaufgeforderten Meldepflicht nach § 54f UrhG aF (heute § 54e UrhG) begegnet werden. All diese gesetzgeberischen Maßnahmen gelten jedoch uneingeschränkt auch für die Fälle, in welchen der Import von Geräten und Speichermedien anlässlich einer Bestellung über die Plattform der Beklagten erfolgt. Weitergehende Maßnahmen hat der Gesetzgeber seinerzeit nicht geschaffen und den genannten Materialien lässt sich auch nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber solche schaffen wollte oder dass er eine extensive Auslegung des Händlerbegriffs durch die Praxis befürwortete.
93
4. Die Beklagte ist auch nicht deshalb vergütungspflichtig, weil sie die Geräte oder Speichermedien in den Verkehr gebracht hat, wie die Klägerin meint (vgl. Schriftsatz vom 08.09.2021, S. 11 f. = Bl. 259 f. d.A.).
94
Zum einen reicht ein bloßes Inverkehrbringen von Geräten oder Speichermedien nicht aus, um eine Vergütungs- bzw. Auskunftspflicht nach den §§ 54 ff. UrhG zu begründen. Dies lässt sich auch nicht den von der Klägerin zitierten Fundstellen (Loewenheim/Stieper in Schricker/Loewenheim, UrhG, 6. Aufl., § 54 Rn. 28; BGH, Urt. v. 29.10.2009 – I ZR 168/06, GRUR 2010, 57 Rn. 26 – Scannertarif; BGH, Urt. v. 03.07.2014 – I ZR 30/11, GRUR 2014, 984 Rn. 48 – PC III) entnehmen. Vielmehr ergibt sich aus diesen, dass der Anspruch gegen den Hersteller, Importeur oder Händler erst mit der Veräußerung oder dem sonstigen Inverkehrbringen der Produkte entsteht. Für eine Vergütungspflicht müssen mithin gerade beide Voraussetzungen – die Hersteller-, Importeurs- oder Händlereigenschaft einerseits und eine Veräußerung oder ein sonstiges Inverkehrbringen der Geräte oder Speichermedien andererseits – kumulativ erfüllt sein.
95
Zum anderen liegt hier ein – für sich genommen ohnehin nicht ausreichendes – Inverkehrbringen der Geräte und Speichermedien durch die Beklagte nicht vor. Die Beklagte hat vorgetragen, der Versand der Waren sei im streitgegenständlichen Zeitraum allein durch die Händler oder deren Servicepartner erfolgt. Sie selbst habe kein eigenes Warenlager unterhalten und die Waren nicht zu Gesicht bekommen. Diesen Vortrag hat die darlegungs- und beweisbelastete Klägerin nicht durch eigenen substanziierten Sachvortrag und Unterbreiten eines Beweisangebots widerlegt. Nach dem somit zugrunde zu legenden Vortrag der Beklagten hat diese als Marktplatzbetreiberin die streitgegenständlichen Waren weder selbst besessen noch diese versandt und somit selbst nicht in den Verkehr gebracht (vgl. zum Markenrecht: BGH GRUR 2021, 730 Rn. 57 – Davidoff Hot Water IV). Überdies läge ein Inverkehrbringen der Geräte und Speichermedien durch die Beklagte selbst dann nicht vor, wenn sie die Waren für die auf ihrer Plattform tätigen Verkäufer gelagert und für diese an die jeweiligen Käufer versandt hätte (vgl. BGH aaO Rn. 27 ff.).
96
Mit dem Argument der Klägerin, die Beklagte habe die Geräte und Speichermedien in den Verkehr gebracht, lässt sich ein Vergütungs- und Auskunftsanspruch somit nicht begründen. Vielmehr fehlt es – nachdem ein Inverkehrbringen durch die Beklagte nicht festgestellt werden kann –, insoweit an einer weiteren Anspruchsvoraussetzung.
97
5. Eine Haftung der Beklagten ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin (vgl. Schriftsatz vom 22.06.2020, S. 25 Rz. 77 f. = Bl. 93 d.A.) auch nicht aus § 54b UrhG analog.
98
Eine Analogie setzt eine planwidrige Regelungslücke sowie eine vergleichbare Interessenlage voraus. An beidem fehlt es hier.
99
a) Es kann bereits nicht mit hinreichender Sicherheit von einer planwidrigen Regelungslücke des Gesetzgebers ausgegangen werden. Zwar dürfte der Gesetzgeber bei der Einführung der Händlerhaftung im Jahr 1994 in der Tat die seit damals erheblich geänderten Vertriebsstrukturen nicht vor Augen gehabt haben und erst recht nicht bei der Einführung der Hersteller- und Importeurshaftung im Jahr 1965. Zudem kann auch ein Wille des Gesetzgebers unterstellt werden, durch die Einführung der Vorschriften die Durchsetzung der Vergütungsansprüche zu erleichtern und Wettbewerbsnachteile der inländischen Vergütungspflichtigen zu vermeiden, insbesondere wenn die Vergütungspflichtigen im Ausland sitzen. Womöglich hätte der Gesetzgeber deshalb von Anfang an die Marktplatzbetreiber in die Haftung mit einbezogen, wenn er die weiteren Entwicklungen der Vertriebsstrukturen vorhergesehen hätte. Die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke, die eine Ausdehnung von Vorschriften im Wege richterlicher Rechtsfortbildung rechtfertigt, scheidet aus Sicht des Senats allerdings aus, wenn davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber einen neuen Sachverhalt grundsätzlich erkannt hat, er aber dennoch für einen längeren Zeitraum untätig geblieben ist, obwohl sich ihm mehrfach Gelegenheit für eine gesetzliche Anpassung geboten hätte. So verhält es sich hier. Die nunmehr bereits seit mehreren Jahren gewandelten Vertriebsstrukturen und die starke Zunahme des Internethandels, insbesondere auch über Online-Marktplätze, sind auch dem Gesetzgeber nicht verborgen geblieben. Dabei hat der Gesetzgeber auch erkannt, dass die einzelnen im Ausland sitzenden Händler deutlich schwieriger wegen gesetzlicher Abgaben zu belangen sind als der Marktplatzbetreiber selbst, wie insbesondere die Einführung des § 25e UStG mit Wirkung vom 01.01.2019 durch Gesetz vom 11.12.2018 (BGBl. I S. 2338) im Steuerrecht zeigt. Im Urheberrecht hat der Gesetzgeber eine entsprechende Regelung bislang hingegen nicht eingeführt, obwohl das Urheberrecht in jüngerer Vergangenheit mehrfach, zum Teil umfassend, reformiert wurde. Auch die §§ 54 ff. UrhG wurden seit 1994 mehrmals (überwiegend redaktionell) geändert. Nachdem der Gesetzgeber diese Gelegenheiten in Kenntnis der neuen Verhältnisse nicht für eine Ausweitung der Vergütungspflicht auf Marktplatzbetreiber genutzt hat, erscheint es nicht ausgeschlossen, dass er bislang bewusst auf eine derartige Regelung verzichtet hat. Es verbleiben mithin zumindest Zweifel an einer planwidrigen Regelungslücke, die einer Analogie entgegenstehen.
100
b) Zudem kann auch nicht ohne Weiteres von einer vergleichbaren Interessenlage ausgegangen werden. Ein wesentlicher Unterschied zwischen Marktplatzbetreibern und den bisherigen gesetzlichen Vergütungspflichtigen besteht insbesondere darin, dass erstere, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, nicht direkt Teil der Vertriebskette sind und daher auch die urheberrechtliche Vergütung jedenfalls nicht unmittelbar auf den nachfolgenden Abnehmer – sei es ein weiterer Händler oder der Endkunde – abwälzen können.
101
Nach rein nationalem Verständnis der §§ 54 ff. UrhG zählen die Betreiber von Online-Marktplätzen wie demjenigen der Beklagten somit nicht zum Kreis der Vergütungspflichtigen.
II.
102
Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht aufgrund unionsrechtlicher Erwägungen.
103
1. Zunächst ist festzuhalten, dass ein eigenständiges „unionsrechtlich autonomes Konzept der Haftung“, aus welchem sich unmittelbar Vergütungs- oder Auskunftsansprüche der Klägerin gegen die Beklagte herleiten ließen, nicht existiert. Bestimmungen in Richtlinien, wie vorliegend Art. 5 Abs. 2 RL 2001/29/EG über das Urheberrecht in der Informationsgesellschaft (InfoSoc-RL), gelten nicht unmittelbar, sondern bedürfen der Umsetzung im nationalen Recht. Allerdings sind die nationalen Rechtsvorschriften im Lichte des Unionsrechts, auf welchem sie basieren, auszulegen.
104
2. Vorliegend führt indes auch eine richtlinienkonforme Auslegung nicht dazu, dass die Begriffe „Importeur“ und „Händler“ in § 54b Abs. 1, 2 UrhG so auszulegen sind, dass davon auch die Betreiber von Marktplätzen im Internet erfasst werden.
105
a) Die Klägerin ist der Auffassung, nach der Rechtsprechung des EuGH sei für ein Eingreifen der gesetzlichen Vergütungspflicht jede tatsächliche „Überlassung“ von Geräten und Speichermedien als ausreichend anzusehen. Dem kann nicht gefolgt werden.
106
aa) Der EUGH hat wiederholt ausgeführt, dass es den Mitgliedstaaten freisteht, zur Finanzierung des gerechten Ausgleichs eine Abgabe für Privatkopien einzuführen, die nicht die betroffenen Privatpersonen, sondern diejenigen belastet, die über Anlagen, Geräte und Medien zur digitalen Vervielfältigung verfügen und diese Privatpersonen rechtlich oder tatsächlich zur Verfügung stellen (EuGH, Urt. v. 11. 7. 2013 – C-521/11, GRUR 2013, 1025 Rn. 24 – Amazon/Austro-Mechana; EuGH, Urt. v. 16. 6. 2011 – C-462/09, GRUR 2011, 909 Rn. 27 – Stichting de Thuiskopie; EuGH, Urt. v. 21. 10. 2010 – C-467/08, GRUR 2011, 50 Rn. 46 – Padawan).
107
Bereits aus dem Wort „freisteht“ ergibt sich, dass der EuGH mit den genannten Entscheidungen den Mitgliedstaaten nicht vorgeschrieben hat, an welche Voraussetzungen sie ein Vergütungssystem knüpfen müssen, sondern nur entschieden hat, an welche Voraussetzungen sie ein solches knüpfen dürfen. Aus den Entscheidungen lässt sich somit nicht der Schluss ziehen, dass allein ein Vergütungssystem wie das dort genannte richtlinienkonform ist. Vor allem hat der EuGH nicht zwingend vorgegeben, dass nach nationalem Recht stets die bloße tatsächliche Überlassung von Geräten oder Medien als alleinige Voraussetzung die Vergütungspflicht auslösen muss.
108
Es ist auch nicht ersichtlich, welches Konzept eines Vergütungssystems der EuGH vor Augen gehabt haben sollte, bei dem eine bloße „tatsächliche Überlassung“ für das Eingreifen der Vergütungspflicht genügt. Vielmehr betrafen die vom EuGH entschiedenen Fälle allesamt nationale Vergütungssysteme, die mit demjenigen nach deutschem Recht vergleichbar sind. Insbesondere hat der EuGH stets betont, dass eine Inanspruchnahme derjenigen Personen, welche die Geräte und Medien überlassen, anstatt dem Endnutzer als dem „eigentlichen“ Schuldner des in Art. 5 Abs. 2 Buchst. b InfoSoc-RL vorgesehenen „gerechten Ausgleichs“ deshalb gerechtfertigt erscheint, weil diese Personen die Möglichkeit haben, den Betrag der Vergütung in den vom Endnutzer entrichteten Preis für diese Zurverfügungstellung einfließen zu lassen. Inwiefern dies bei einem bloßen „tatsächlichen Überlassen“, ohne dass auch eine (kauf-)rechtliche Beziehung zwischen dem Überlassenden und dem Endnutzer besteht, möglich sein sollte, ist für den Senat nicht ersichtlich.
109
bb) Ungeachtet dessen, dass es daher jedenfalls keine unionsrechtliche Vorgabe gibt, wonach das bloße tatsächliche Überlassen von Geräten oder Speichermedien stets für eine Vergütungspflicht des Überlassenden ausreichend ist (bzw. ausreichend sein muss), ist vorliegend nicht ersichtlich, worin ein derartiges tatsächliches Überlassen von Geräten und Speichermedien an Privatpersonen durch die Beklagte liegen sollte. Wie unter B I 4 dargelegt, hat die Beklagte die Geräte und Speichermedien nicht selbst in den Verkehr gebracht und diese mithin auch nicht an die Käufer „überlassen“. Ferner war die Beklagte, wie unter B I 3 e) ausgeführt, auch nicht in der Lage, die Vergütung unmittelbar in den Produktpreis einfließen zu lassen. Auch eine mittelbare Einpreisung über ihre „Gebühren“ kann sie jedenfalls für die Vergangenheit und damit für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht mehr nachholen.
110
b) Auch die sogenannte Ergebnispflicht erfordert keine richtlinienkonforme Auslegung der §§ 54 ff. UrhG dahingehend, dass von diesen Vorschriften zwingend auch die Betreiber von Verkaufsplattformen im Internet zu erfassen sind.
111
aa) Art. 5 Abs. 2 Buchst. b, Abs. 5 sowie der 35. Erwägungsgrund der InfoSoc-RL erlegen dem Mitgliedstaat, der die Privatkopieausnahme in seinem nationalen Recht eingeführt hat, eine Ergebnispflicht in dem Sinne auf, dass er im Rahmen seiner Zuständigkeiten eine wirksame Erhebung des gerechten Ausgleichs gewährleisten muss, der dazu bestimmt ist, den Urhebern den ihnen entstandenen Schaden zu ersetzen (vgl. EuGH GRUR 2011, 909 Rn. 34 – Stichting). Unter den jeweiligen Umständen und in Anbetracht dessen, dass die von dem betreffenden Mitgliedstaat gewählte Erhebungsregelung diesen nicht von der Ergebnispflicht befreien kann, den geschädigten Urhebern die tatsächliche Zahlung eines gerechten Ausgleichs als Ersatz des in ihrem Hoheitsgebiet entstandenen Schadens zu gewährleisten, ist es Sache der Träger der öffentlichen Gewalt, insbesondere der Gerichte dieses Mitgliedstaats, sich um eine Auslegung des nationalen Rechts zu bemühen, die im Einklang mit dieser Ergebnispflicht steht (vgl. EuGH aaO Rn. 39).
112
bb) Vorliegend hat die Klägerin nicht substanziiert vorgetragen, dass eine wirksame Erhebung des gerechten Ausgleichs nicht mehr gewährleistet ist, wenn Online-Marktplatzbetreiber wie die Beklagte nicht ebenfalls in die Haftung einbezogen werden.
113
Die Klägerin hat insoweit ausgeführt, sie habe schon keine Kenntnis von den relevanten Verkaufsvorgängen und den beteiligten Händlern auf der Plattform der Beklagten. Dies sei vor dem Hintergrund zu sehen, dass der Umsatz durch E-Commerce (B2C) seit Jahren exponentiell steige. Laut den eigenen Angaben der Beklagten auf ihrer Internetseite habe diese im streitgegenständlichen Zeitraum über 7.000 Händler unter Vertrag gehabt sowie über 22 Millionen Produkte angeboten. Überdies dürfte sich die Zusammensetzung der Händler laufend ändern und diese säßen unstreitig teilweise im Ausland. Hinzu komme, dass nach Auffassung des Senats (Urteil vom 05.07.2012 – 6 Sch 41/11 VVG, S. 15 f.) das Anbieten von Waren auf einer Webseite kein Nachweis für das tatsächliche Inverkehrbringen sei.
114
Zu diesem Vorbringen ist zu bemerken, dass die einzelnen Händler aufgrund der Angaben auf der jeweiligen Produktseite und dem Händler-Impressum durch die Klägerin grundsätzlich ermittelbar gewesen wären. Dies hat die Klägerin letztlich auch nicht – jedenfalls nicht substanziiert – bestritten. Der Vertrieb über eine Verkaufsplattform stellt dabei für die Klägerin unter Umständen sogar insofern eine Erleichterung dar, als sie die dort tätigen Händler auf dem Marktplatz „gebündelt“ ermitteln kann und nicht das gesamte Internet „durchforsten“ muss, um diese aufzufinden. Allein der Umstand, dass es sich hierbei im Fall der Beklagten insgesamt um eine Vielzahl von Händlern gehandelt hat und es deshalb für die Klägerin einen erheblichen Aufwand bedeutet hätte, alle diese Händler herauszusuchen und gegebenenfalls auf Auskunft oder Zahlung in Anspruch zu nehmen, liegt in der Natur der Sache. Grundsätzlich wäre dies der Klägerin mit einem entsprechenden Aufwand aber möglich gewesen, so dass allein die große Zahl an Händlern auf einer Plattform einer „wirksamen Erhebung“ im Sinne der Ergebnispflicht nicht entgegensteht. Inhalt der Ergebnispflicht ist es aus Sicht des Senats nicht, dass den Urhebern stets der leichteste Weg zur Geltendmachung des „gerechten Ausgleichs“ zur Verfügung gestellt werden muss und daher jede nationale Regelung – gegebenenfalls unter Überschreitung der Wortlautgrenze – von den Gerichten so auszulegen wäre, dass jeder leichter greifbare Marktbeteiligte, der potentiell als Vergütungsschuldner in Betracht kommt, als solcher heranzuziehen wäre.
115
Der Senat verkennt ferner nicht, dass insbesondere in dem Fall, dass im Ausland sitzende Verkäufer über die Plattform Waren nach Deutschland (vor allem direkt an private Endkunden) liefern, die Geltendmachung des Anspruchs gegen den Verkäufer als Importeur oder Händler erheblich erschwert sein kann. Sowohl der nationale Gesetzgeber als auch der EuGH in der Entscheidung „Stichting“ sind bislang aber offensichtlich davon ausgegangen, dass die Inanspruchnahme eines im Ausland sitzenden Verkäufers grundsätzlich möglich ist und diese Möglichkeit die Anforderungen an die Ergebnispflicht erfüllt. Vor allem aber ist insoweit zu sehen, dass durch das Geschäftsmodell der Beklagten diese Problemlage nicht erst geschaffen wird, sondern nur in quantitativer Hinsicht gefördert wird, indem den ausländischen Händlern der Absatz an deutsche Kunden durch das Zurverfügungstellen einer Plattform in deutscher Sprache erleichtert wird. Die Geltendmachung der urheberrechtlichen Vergütung wird dadurch jedoch gegenüber dem Fall, dass der im Ausland sitzende Verkäufer Waren direkt, beispielsweise über eine eigene Internetseite, in Deutschland vertreibt, nicht zusätzlich erschwert. Auch im letztgenannten Fall stellt sich das praktische Problem der Geltendmachung des Vergütungsanspruchs für die Klägerin in gleicher Weise. Allein aus dem Umstand, dass die Verkäufer zum Teil im Ausland sitzen, kann deshalb ebenfalls nicht darauf geschlossen werden, dass eine wirksame Erhebung des gerechten Ausgleichs im Sinne der vom EuGH vorgegebenen Ergebnispflicht nicht mehr gewährleistet wäre.
116
Schließlich greift auch das Argument der Klägerin nicht, dass nach der Rechtsprechung des Senats das bloße Anbieten einer Ware auf einer Internetseite noch nicht den Schluss zulässt, dass dieses konkrete Produkt auch tatsächlich verkauft und damit in den Verkehr gebracht wurde. Denn die Ausführungen des Senats aaO betrafen die Frage, ob der Nachweis, dass eine erteilte Auskunft erkennbar unvollständig ist, durch den bloßen Verweis auf das Anbieten eines Produkts im Internet, das in der Auskunft nicht aufgeführt wurde, erbracht werden kann, nicht jedoch die Frage, ob ein Anbieten im Internet dafür ausreichend ist, eine Auskunftspflicht nach § 54f Abs. 1 Satz 1 UrhG zu begründen.
117
c) Schließlich folgt auch aus dem unionsrechtlichen Gleichheitsgebot folgt nicht, dass die Beklagte zwingend in die Haftung gemäß §§ 54 ff. UrhG einzubeziehen ist.
118
aa) Die in Art. 5 InfoSoc-RL vorgesehenen Ausnahmen sind unter Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung anzuwenden, der einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts darstellt, der in Art. 20 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union niedergelegt ist. Hieraus folgt, dass die Mitgliedstaaten keine Modalitäten für einen gerechten Ausgleich vorsehen dürfen, die dazu führten, dass verschiedene Kategorien von Wirtschaftsteilnehmern, die vergleichbare, von der für Privatkopien geltenden Ausnahme erfasste Güter vermarkten, oder verschiedene Gruppen von Nutzern geschützter Gegenstände ungleich behandelt werden, ohne dass dies gerechtfertigt wäre (EuGH GRUR 2015, 478 Rn. 31 ff. – Copydan).
119
bb) Vorliegend greift dies aus Sicht des Senats bereits deshalb nicht, weil die Beklagte selbst keine Güter „vermarktet“, sondern nur die auf ihrer Plattform tätigen Händler. Gegenstand der zitierten EuGH-Entscheidung war auch nicht die Gleichbehandlung von Wirtschaftsteilnehmern, die auf verschiedene Art und Weise am Markt tätig sind, sondern die Frage, inwieweit für unterschiedliche Arten von Speichermedien, die miteinander vergleichbar sind, eine unterschiedliche Vergütungsregelung zulässig ist. Selbst wenn man diese Grundsätze auf die vorliegende Konstellation übertragen wollte, fehlt es jedenfalls an der Vergleichbarkeit von Marktplatzbetreibern einerseits und Herstellern, Importeuren und Händlern andererseits bzw. liegt ein hinreichender sachlicher Grund für eine unterschiedliche Behandlung beider Gruppen von Wirtschaftsteilnehmern vor. Dieser Unterschied bzw. sachliche Grund ist vor allem darin zu sehen, dass Marktplatzbetreiber – wie bereits mehrfach dargelegt – zwar einen Beitrag zum Vertrieb der Produkte erbringen mögen, aber nicht direkter Teil der Vertriebskette sind und daher auch die urheberrechtliche Vergütung jedenfalls nicht unmittelbar auf den nachfolgenden Abnehmer umlegen können.
III.
120
Auch eine deliktsrechtliche Haftung der Beklagten scheidet aus.
121
Den schriftsätzlichen Ausführungen der Klägerin lässt sich nicht eindeutig entnehmen, worauf eine (quasi-)deliktische Haftung der Beklagten dogmatisch fußen soll. Auch in der mündlichen Verhandlung konnte dies nicht geklärt werden. Offenbar liegt den Ausführungen der Klägerin insoweit der Gedanke zugrunde, dass der Beklagten durch ihre Beiträge ein fremdes Verhalten über die deliktsrechtlichen Vorschriften über die Mittäterschaft und Teilnahme (§ 830 BGB) zurechenbar sein soll. Dieser Gedanke greift aber im Ergebnis nicht durch.
122
1. Eine Anwendbarkeit der deliktsrechtlichen Zurechnungsnormen scheitert bereits daran, dass die §§ 54 ff. UrhG keinen deliktsrechtlichen Charakter haben, da nicht ersichtlich ist, worin ein rechtswidriges Verhalten im Sinne einer Haupttat als notwendiger Anknüpfungspunkt für eine deliktische Haftung bestehen sollte.
123
a) Ein Anknüpfen an das Verhalten der Endnutzer der Geräte und Speichermedien scheidet aus, weil es sich beim Anfertigen von Privatkopien nicht um eine rechtswidrige Urheberrechtsverletzung, sondern um eine nach § 53 UrhG erlaubte Handlung handelt (insofern aufgrund der Einführung der Privatkopieausnahme im Jahr 1965 überholt: BGH GRUR 1955, 492 – Grundig-Reporter; BGH GRUR 1965, 104 – Personalausweise).
124
b) Auch das Inverkehrbringen der Geräte und Speichermedien durch die auf der Plattform der Beklagten tätigen Importeure und Händler kommt als Haupttat nicht in Betracht, da dieses Verhalten für sich genommen nicht rechtswidrig ist.
125
c) Etwas anderes folgt auch nicht aus der von der Klägerin zitierten Entscheidung des EuGH vom 21.04.2016 – C-572/14 (GRUR 2016, 927 – Austro-Mechana).
126
aa) So ändert zunächst an der Rechtmäßigkeit sowohl des Inverkehrbringens der Geräte und Speichermedien durch die Verkäufer als auch des Anfertigens von Privatkopien mittels dieser durch die Käufer nichts, dass der EuGH unter Rn. 48 der zitierten Entscheidung ausgeführt hat, dass die Anfertigung der Privatkopien nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. b InfoSoc-RL an die Bedingung geknüpft ist, dass die Rechtsinhaber einen „gerechten Ausgleich“, das heißt die nach §§ 54 ff. UrhG vorgesehene Vergütung, erhalten. Denn diese „Bedingung“ bezieht sich nur darauf, dass der nationale Gesetzgeber eine Privatkopieausnahme nur dann einführen darf, wenn er zugleich ein angemessenes Ausgleichssystem schafft. Anders als die Klägerin offenbar meint (vgl. Schriftsatz vom 08.09.2021, S. 15 = Bl. 263 d.A.), können die Ausführungen des EuGH aber nicht dahingehend verstanden werden, dass die Rechtmäßigkeit des Inverkehrbringens jedes einzelnen Geräts oder Speichermediums bzw. des Anfertigens jeder privaten Vervielfältigung davon abhängt, dass für das konkrete Gerät oder Speichermedium die Vergütung nach §§ 54 ff. UrhG bereits abgeführt wurde.
127
bb) Ein deliktsrechtlicher Charakter der §§ 54 ff. UrhG lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass der EuGH in der genannten Entscheidung (vgl. Rn. 53) im Ergebnis angenommen hat, dass bei einer Klage auf Zahlung der urheberrechtlichen Gerätevergütung eine „unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder … Ansprüche aus einer solchen Handlung“ im Sinne von Art. 5 Nr. 3 VO (EG) Nr. 44/2001 (nunmehr Art. 7 Nr. 2 VO (EU) Nr. 1215/2012) den Gegenstand des Verfahrens bilden. Denn dies betraf allein die Einordnung der Handlung im prozessualen Sinne zur Bestimmung der internationalen Zuständigkeit nach der VO (EG) Nr. 44/2001 (nunmehr VO (EU) Nr. 1215/2012). Nachdem auch der EuGH ausdrücklich festgehalten hat, dass das Inverkehrbringen von Trägermaterial an sich keine rechtswidrige Handlung darstellt und ebenso nicht die Anfertigung von Vervielfältigungen zum privaten Gebrauch mittels solchen Trägermaterials (woran – wie dargelegt – auch die „Bedingung“ des Erhalts eines „gerechten Ausgleichs“ nichts ändert), hat er insoweit auf die Erwägung abgestellt, dass eine rechtswidrige Handlung im Verstoß gegen die Pflicht zur Zahlung der Urhebervergütung liegen soll (vgl. EuGH aaO Rn. 49 f.). Aus diesem rein prozessualen Verständnis einer „unerlaubten Handlung“ im Rahmen der Zuständigkeitsbestimmung lässt sich in materiell-rechtlicher Hinsicht jedoch nicht auf einen deliktsrechtlichen Charakter der Vergütungspflicht schließen. Denn allein in der Nichterfüllung eines zivilrechtlichen Anspruchs – hier des Anspruchs der Klägerin gegen die auf der Plattform der Beklagten tätigen Importeure und Händler aus §§ 54, 54b UrhG – liegt keine rechtswidrige Handlung bzw. Haupttat, an der eine Teilnahme im Sinne von § 830 BGB möglich wäre.
128
d) Auch daraus, dass der EuGH und der BGH in ständiger Rechtsprechung für die Berechnung der Vergütungshöhe auf den Schaden abstellen, der den Urhebern durch das Anfertigen der Privatkopien durch die Nutzer entsteht (vgl. etwa EuGH GRUR 2011, 50 Rn. 40 u. 42 – Padawan; BGH GRUR 2017, 172 Rn. 51 – Musik-Handy, mwN), kann nicht auf einen deliktsrechtlichen Charakter der §§ 54 ff. UrhG geschlossen werden. Denn diese Erwägungen betreffen allein die Anspruchshöhe, also die Rechtsfolgenseite der Norm, ändern aber nichts daran, dass die Vergütungspflicht auf einem erlaubten Verhalten der Nutzer, das freilich ebenfalls einen Schaden bei den Urhebern verursachen kann, beruht.
129
e) Im Ergebnis lässt sich somit festhalten, dass eine deliktische Haftung der Beklagten im Sinne einer Mittäterschaft oder Beihilfe bereits am Vorliegen einer rechtswidrigen Haupttat scheitert. Vielmehr hat der Gesetzgeber mit der Legalisierung von Privatkopien und der gleichzeitigen Einführung eines Vergütungssystems im Jahr 1965 ein in sich geschlossenes eigenständiges Haftungsregime geschaffen, neben welchem für einen Rückgriff auf die allgemeinen deliktsrechtlichen Normen kein Raum ist.
130
2. Ungeachtet dessen lägen auch die (weiteren) Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten als Mittäter oder Teilnehmer nicht vor.
131
a) Stellte man auf das Nutzerverhalten als Haupttat ab, würde eine Beihilfe der Beklagten jedenfalls am erforderlichen Vorsatz scheitern. Hierfür reicht eine allgemeine Kenntnis der Beklagten, dass die Nutzer mittels der über ihre Plattform erworbenen Geräte und Speichermedien private Kopien urheberrechtlich geschützter Werke anfertigen, nicht aus. Erforderlich wäre vielmehr eine Kenntnis der Beklagten von den konkret drohenden Handlungen der Nutzer (st. Rspr.; vgl. etwa BGH GRUR 2013, 370 Rn. 17 – Alone in The Dark, mwN). Dass die vom BGH ursprünglich angedachte Haftung der Hersteller (und damit vorliegend auch der Beklagten als Marktplatzbetreiber) als Teilnehmer gemäß §§ 823, 830 BGB an den von den Gerätenutzern begangenen Urheberrechtsverletzungen (vgl. BGH GRUR 1965, 104 [108], juris Rn. 33 – Personalausweise) letztlich am Gehilfenvorsatz scheitert, hatte auch bereits Reimer im Jahr 1965 in seiner Anmerkung zu der zitierten Entscheidung erkannt (vgl. GRUR 1965, 109 [110], vorletzter Absatz).
132
b) Auch wenn man als Haupttat auf das Inverkehrbringen der Geräte und Speichermedien durch die originär Vergütungspflichtigen über den Marktplatz der Beklagten, ohne dass diese die urheberrechtliche Vergütung abgeführt haben, abstellen würde, lägen die Voraussetzungen für eine deliktische Haftung der Beklagten nicht vor. Für eine Mittäterschaft würde es nach Auffassung des Senats bereits an einer objektiven Tatherrschaft der Beklagten fehlen, da hinsichtlich des konkreten Inverkehrbringens der Waren jeweils allein der Händler, nicht aber die Beklagte den zum Erfolg führenden Kausalverlauf beherrscht hat. Jedenfalls käme eine Haftung der Beklagten als Mittäterin oder Gehilfin deshalb nicht in Betracht, weil sie als Marktplatzbetreiberin in der Regel keine Kenntnis davon gehabt haben dürfte, ob für die über ihre Plattform veräußerten Geräte und Speichermedium die Vergütung nach §§ 54 ff. UrhG abgeführt wurde oder nicht (vgl. zum vergleichbaren Fall der fehlenden Kenntnis einer Marktplatzbetreiberin von einer markenrechtlichen Erschöpfung: BGH GRUR 2021, 730 Rn. 57 – Davidoff Hot Water IV).
133
Um es aber noch einmal zu betonen: Darauf, ob und in welchem Umfang die Beklagte objektiv einen „Tatbeitrag“ erbracht hat und ob sie insoweit vorsätzlich gehandelt hat, kommt es letztlich ohnehin nicht an, weil es – wie unter B I 1 dargelegt – bereits an einem deliktischen Charakter der §§ 54 ff. UrhG bzw. an einer rechtswidrigen Haupttat fehlt, so dass die Vorschriften über die Täterschaft und Teilnahme (§ 830 BGB) hier von vornherein nicht anwendbar sind. Mithin kommt es im Ergebnis auch nicht darauf an, ob und welche auf dem Marktplatz der Beklagten tätigen Händler die Urheberrechtsabgabe tatsächlich abgeführt haben oder nicht. Ebenso spielt es aus diesem Grund letztlich keine Rolle, inwieweit die Beklagte aufgrund der von der Klägerin im Schriftsatz vom 22.06.2020 auf S. 9 ff. (= Bl. 77 ff. d.A.) genannten Umstände den Import, den Verkauf und das Inverkehrbringen der gegenständlichen Produkte „in der Hand“ hatte.
134
3. Es kommt ferner nicht darauf an, ob die Beklagte insoweit eine über eine bloße Vermittlerposition hinausgehende „aktive Rolle“ eingenommen hat, wie die Klägerin unter Verweis auf die Entscheidung des EuGH vom 12.07.2011 – C-324/09 (GRUR2011, 1025 Rn. 123 f. – L'Oréal) geltend macht. Denn eine solche „aktive Rolle“ ist für sich genommen nicht geeignet, eine Schadensersatzhaftung zu begründen. Vielmehr führt das Vorliegen einer „aktiven Rolle“ lediglich dazu, dass sich der Plattformbetreiber nicht mehr auf das Haftungsprivileg nach Art. 14 RL 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr (E-Commerce-RL) berufen kann und ihn im Rahmen der Störerhaftung erhöhte Prüfpflichten hinsichtlich (im Streitfall ohnehin nicht vorliegender, vgl. oben 1.) begangener Rechtsverletzungen auf seiner Plattform treffen (vgl. BGH GRUR 2015, 485 Rn. 53 -Kinderhochstühle im Internet III). Zwar beruft sich die Klägerin vorliegend ausdrücklich auch auf eine solche negatorische Störerhaftung der Beklagten (vgl. Schriftsatz vom 08.09.2021, S. 14 = Bl. 262 d.A.). Die Störerhaftung ist jedoch allein auf Unterlassung gerichtet, so dass nicht ersichtlich ist, inwiefern eine Inanspruchnahme der Beklagten als Störer den hier geltend gemachten Zahlungs- und Auskunftsanspruch tragen könnte.
135
4. Eine deliktische Haftung der Beklagten lässt sich auch nicht drauf stützen, dass die Beklagte selbst gegen die Melde- und Auskunftspflicht nach §§ 54e und 54f UrhG und die Vergütungspflicht nach § 54 Abs. 1 UrhG verstoße, wie die Klägerin meint (vgl. Schriftsatz vom 22.06.2020, S. 27 = Bl. 95 d.A.). Zum einen liegt eine „Verletzung“ dieser Vorschriften durch die Beklagte nicht vor, weil diese nicht Hersteller, Importeur oder Händler ist und die Geräte und Speichermedien auch nicht selbst veräußert oder auf sonstige Weise in den Verkehr bringt (vgl. oben B I). Zum anderen kennt das Deliktsrecht keine Mittäterschaft oder Teilnahme an einer eigenen Tat. Eine solche Konstruktion wäre auch völlig überflüssig, wie der vorliegende Fall ebenfalls zeigt. Denn wenn die Beklagte bereits unmittelbar nach den §§ 54 ff. UrhG vergütungspflichtig wäre, bedürfte es eines Rückgriffs auf eine deliktische Haftung als Mittäterin oder Teilnehmerin an ihrer eigenen „Tat“ freilich nicht mehr.
136
5. Schließlich lässt sich eine deliktische Haftung der Beklagten auch nicht auf einen Verstoß gegen § 54d UrhG stützen. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Beklagte, soweit sie die Rechnungsstellung für die Händler übernimmt, in eigener Person der Verpflichtung nach § 54d UrhG unterliegt, lässt sich hieraus eine deliktische Haftung durch pflichtwidriges Unterlassen der Beklagten zur Zahlung der Vergütung und ein darauf basierender Auskunftsanspruch nicht konstruieren. So besteht eine Hinweispflicht nach § 54d UrhG in Verbindung mit § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 UstG zunächst überhaupt nur dann, soweit der Verkauf der Geräte oder Speichermedien an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist, erfolgt. Auch in diesen Fällen wäre allerdings nicht ersichtlich, inwieweit ein Verstoß der Beklagten gegen die Pflicht aus § 54d UrhG kausal für die Nichtabführung der Geräteabgabe durch den vergütungspflichtigen Hersteller, Importeur oder Händler sein sollte, zumal gerade in diesen – hier allein relevanten – Fällen, in welchen die Vergütung nicht abgeführt wird, eine solche in den Rechnungen nach Ansicht des Senats gar nicht ausgewiesen werden darf. Jedenfalls aber würde es für eine deliktische Haftung am erforderlichen Schutzzweckzusammenhang fehlen. Sinn und Zweck des § 54d UrhG ist es, dem Abnehmer die Abwälzung der Gerätevergütung auf den Endverbraucher zu erleichtern sowie den Handel, der in die gesamtschuldnerische Haftung für die Vergütung mit einbezogen ist, zu schützen (Dreier in Dreier/Schulze aaO § 54d Rn. 1) nicht aber, die Zahlung der Vergütung an die Klägerin sicherzustellen.
137
Nach alledem kommt ein Auskunfts- und Vergütungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt in Betracht, so dass die Klage mangels Passivlegitimation der Beklagten insgesamt als unbegründet abzuweisen war.
IV.
138
Soweit der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vom 16.09.2021 die Einräumung einer Schriftsatzfrist zur Stellungnahme „zu den Hinweisen des Senats im Termin“ beantragt hat (Protokoll, Bl. 267 d.A.), war dem Antrag nicht stattzugeben. Die Voraussetzungen des § 139 Abs. 5 ZPO lagen insoweit nicht vor, da der Senat im Termin keine rechtlichen Hinweise im Sinne dieser Vorschrift erteilt hat, sondern lediglich im Rahmen der Einführung in den Sach- und Streitstand bzw. im Rahmen der Erörterung der Sach- und Rechtslage seine vorläufige Einschätzung zu verschiedenen Punkten abgegeben hat.
C. Nebenentscheidungen
I.
139
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
I.
140
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
III.
141
Die Revision war zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 129 Abs. 3 VGG, § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Die Frage, ob Marktplatzbetreiber wie die Beklagte in die Haftung nach §§ 54 ff. UrhG einzubeziehen sind, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt. Nachdem davon auszugehen ist, dass bereits heute zahlreiche Veräußerungen von vergütungspflichtigen Geräten und Speichermedien über Online-Marktplätze erfolgen – mit steigender Tendenz –, kann sich die Rechtsfrage in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen. Auch beim Senat sind acht weitere Verfahren zwischen den Parteien bezüglich des Inverkehrbringens anderer Arten von Geräten und Speichermedien im streitgegenständlichen Zeitraum über die Plattform der Beklagten anhängig, in denen sich dieselbe Rechtsfrage stellt.