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LG Landshut, Endurteil v. 14.04.2021 – 1 HK O 2132/20
Titel:

Unzulässige gesundheitsbezogene Werbung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts im Bereich der Daseinsvorsorge

Normenketten:
UWG § 1, § 3a UWG
VO (EG) Nr. 1924/2006 Art. 1 Abs. 2, Art. 10 Abs. 3
TrinkwV § 21
Leitsätze:
1. Äußerungen von Behörden und dem Staat nahestehenden Organisationen können kommerzielle Mitteilungen im Sinne von Art. 1 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1924/2006 sein, wenn sie sich sowohl auf ein konkretes Lebensmittel als auch auf einen bestimmten Hersteller beziehen und wenn mit der Äußerung eine Förderung des Absatzes verbunden sein soll. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Werbung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts im Bereich der Daseinsvorsorge mit Angaben wie „Unser gesundes Trinkwasser wird ausschließlich aus unterirdischen Grundwasservorkommen gewonnen“ oder „Unser gesundes Trinkwasser verfügt über eine natürliche Reinheit“ sind gemäß Art. 10 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1924/2006 unzulässig, weil ihnen keine spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Streitwert, Ordnungshaft, Vergleich, Wettbewerb, Ordnungsgeld, Sicherheitsleistung, Anlage, Satzung, Webseite, Zuwiderhandlung, Verbraucher, Verein, Trinkwasser, Vollstreckbarkeit, Kosten des Rechtsstreits, eingetragener Verein, Art und Weise
Fundstelle:
GRUR-RS 2021, 60231

Tenor

I. Dem Beklagten wird bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,- €; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre; Ordnungshaft zu vollziehen am 1. Vorsitzenden) verboten, im Wettbewerb handelnd in Bezug auf das vom Beklagten zur Verfügung gestellte Leitungswasser zu behaupten oder behaupten zu lassen:
(1) „Unser gesundes Trinkwasser wird ausschließlich aus unterirdischen Grundwasservorkommen gewonnen"; und/oder
(2) „Unser gesundes Trinkwasser verfügt über eine natürliche Reinheit"; und/oder
(3) „Unser gesundes Trinkwasser hat eine gesunde Mineralisierung"; und/oder
(4) „Unser gesundes Trinkwasser unterliegt einer lückenlosen Kontrolle"; und/oder
(5) „Unser gesundes Trinkwasser ist mikrobiologisch betrachtet rein und sauber"; und/oder
(6) „Unser gesundes Trinkwasser ist natriumarm". und/oder
(7) „Unser gesundes Trinkwasser verfügt über einen hohen Anteil an wichtigen Mineralstoffen" wenn dies geschieht wie auf dem als Anlage K 2 beigefügten Screenshot ersichtlich.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 65 000,- € vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Streitwert wird auf 50 000,- € festgesetzt.     

Tatbestand

1
Der Kläger ist ein eingetragener Verein (Amtsgericht Bonn -). Zweck des Klägers ist es ausweislich der Satzung unter anderem, für einen lauteren Wettbewerb einzutreten und die Interessen der Mitglieder - erforderlichenfalls auch gerichtlich - zu vertreten.
2
Der Beklagte ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, dessen Träger 16 Mitgliedsgemeinden der Landkreise - sind. Der Beklagte übernimmt für seine Verbandsmitglieder die Selbstverwaltungsaufgabe der Daseinsvorsorge im Bereich der örtlichen Wasserversorgung. Nach § 5 Abs. 1 der Verbandssatzung hat der Beklagte ausdrücklich die Aufgabe, eine gemeinsame Wasserversorgungsanlage einschließlich der Ortsnetze zu errichten, zu betreiben, zu unterhalten, die Anlage im Bedarfsfall zu erweitern und bereits vorhandene Ortsnetze zu übernehmen. Er erfüllt seine Aufgabe gemäß § 5 Abs. 2 der Verbandssatzung ohne Gewinnerzielungsabsicht.
3
Der Beklagte veröffentlichte auf seiner Webseite den als Anlage K 2 beigefügten Artikel.
4
Der Kläger behauptet, er sei der Zusammenschluss deutscher Unternehmen, die natürliches Mineralwasser, natürliches Heilwasser und Quellwasser sowie aus Mineralwasser hergestellte Erfrischungsgetränke abfüllten und in den Verkehr brächten. Der Kläger verfüge insgesamt über 192 Mitgliedsunternehmen. Dem Kläger gehöre also eine erhebliche Anzahl von Unternehmen an, die Mineralwasser, Quellwasser, Heilwasser und daraus hergestellte Getränke herstellten und vertrieben. Der Organisationsgrad betrage, bezogen auf Deutschland und die Anzahl der Brunnenbetriebe, über 90%.
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Der Kläger meint, der Beklagte überschreite deutlich die Grenzen der lauteren Werbepraxis und werbe in unzulässiger und irreführender Art und Weise für sein Leitungswasser.
6
Der Kläger beantragt,
Dem Beklagten wird bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,- €; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre; Ordnungshaft zu vollziehen am 1. Vorsitzenden) verboten, im Wettbewerb handelnd in Bezug auf das vom Beklagten zur Verfügung gestellte Leitungswasser zu behaupten oder behaupten zu lassen:
(1) „Unser gesundes Trinkwasser wird ausschließlich aus unterirdischen Grundwasservorkommen gewonnen“; und/oder
(2) „Unser gesundes Trinkwasser verfügt über eine natürliche Reinheit“; und/oder
(3) „Unser gesundes Trinkwasser hat eine gesunde Mineralisierung“; und/oder
(4) „Unser gesundes Trinkwasser unterliegt einer lückenlosen Kontrolle“; und/oder
(5) „Unser gesundes Trinkwasser ist mikrobiologisch betrachtet rein und sauber“; und/oder
(6) „Unser gesundes Trinkwasser ist natriumarm“.
und/oder
(7) „Unser gesundes Trinkwasser verfügt über einen hohen Anteil an wichtigen Mineralstoffen“ wenn dies geschieht wie auf dem als Anlage K 2 beigefügten Screenshot ersichtlich.
7
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte meint, es handle sich vorliegend um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, da der Kläger sich gegen hoheitliches Informationshandeln als Sonderrecht des Staates wende. Die Verbraucherinformationen seien von der Ermächtigungsgrundlage des § 21 TrinkwV gedeckt. Das Handeln der Beklagten sei einer Einordnung als geschäftliche Handlung entzogen.
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Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien wird auf die Schriftsätze einschließlich der Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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1. Vorliegend handelt es sich um eine bürgerlich-rechtliche Rechtsstreitigkeit, für die gem. § 13 GVG die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gegeben ist. Bei dem angegriffenen Artikel handelt es sich nicht um eine Information der Verbraucher gem. § 21 TrinkwV. Der Artikel geht über eine objektive Information über die Qualität des vom Beklagten bereitgestellten Trinkwassers hinaus. Er nimmt Wertungen und einen Vergleich mit den Mineralwässern von - vor. Ein derartiger Vergleich kann nie völlig objektiv sein. So enthält die vom Beklagten vorgenommene Gegenüberstellung zum Beispiel keine Aussage zum Gehalt an Hydrogencarbonat.
11
2. Der Kläger ist aktivlegitimiert. Die tatsächlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Satz 2 UWG sind auf Grund des Verfügungsverfahrens 1 HK O 3323/19 gerichtsbekannt.
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3. Das Handeln des Beklagten ist als geschäftliche Handlung anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 12.03.2020, I ZR 126/18, Leitsatz c), da der Beklagte sich außerhalb des ihm durch § 21 TrinkwV zugewiesenen Aufgabenbereichs bewegt.
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4. Zwischen Mitgliedsunternehmen des Klägers und dem Beklagten besteht ein Wettbewerbsverhältnis. Hierbei kann offen bleiben, ob zwischen Anbietern von in Flaschen abgefülltem Wasser und von Leitungswasser generell ein Wettbewerbsverhältnis besteht. Da es für die Anwendung des § 1 UWG nur um die konkret beanstandete Wettbewerbshandlung geht, genügt es, wenn die Parteien auch nur durch die beanstandete Handlung in Wettbewerb getreten sind (BGH, Urteil vom 12.01.1972, 1 ZR 60/70). Hier tritt der Beklagte durch die angegriffenen Seiten in seinem Internetauftritt mit den Mitgliedsbetrieben des Klägers in Wettbewerb. Schon durch die großgeschriebene Überschrift „Trinkwasser und Mineralwasser im Vergleich“ suggeriert der Beklagte, dass Mineralwasser durch sein Trinkwasser substituiert werden könne.
14
5. Die angegriffenen Aussagen verstoßen gegen die HCVO [VO(EG) 1924/2006, Health-ClaimsVO].
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a) Der Anwendungsbereich der HCVO ist eröffnet. Die angegriffenen Angaben finden sich in kommerziellen Mitteilungen im Sinne des Art. 1 Abs. 2 HCVO. Dem steht § 5 Abs. 2 der Satzung des Beklagten nicht entgegen. Äußerungen von Behörden und dem Staat nahestehenden Organisationen können kommerzielle Mitteilungen sein. Vorauszusetzen ist, dass sich diese Äußerungen sowohl auf ein konkretes Lebensmittel als auch auf einen bestimmten Hersteller beziehen und dass mit der Äußerung eine Förderung des Absatzes verbunden sein soll (Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Verordnung (EG) Nr. 1924 / 2006, Art. 1 Rd.Nr. 15 unter Hinweis auf Leible/Schäfer WRP 2011, 1509, 1512). So liegt der Fall hier. Mit der streitgegenständlichen Anpreisung des Wassers des Beklagten soll eine Förderung des Absatzes verbunden sein.
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b) Bei der Bezeichnung als „gesund“ handelt es sich um eine gesundheitsbezogene Angabe.
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c) Sämtliche mit dem Antrag I. angegriffenen Angaben sind schon deshalb gem. Art. 10 Abs. 2 HCVO unzulässig, weil im Internetauftritt der Beklagten die gem. Art. 10 Abs. 2 Buchstaben a - d vorgeschriebenen Informationen fehlen. Die Anwendbarkeit des Art. 10 Abs. 2 HCVO ist durch Art. 1 Abs. 2 Satz 2 HCVO nicht ausgeschlossen, weil das Wasser des Beklagten im Internet nicht konkret körperlich zum Verkauf angeboten wird.
18
Die Angaben
„Unser gesundes Trinkwasser wird ausschließlich aus unterirdischen Grundwasservorkommen gewonnen“;
„Unser gesundes Trinkwasser verfügt über eine natürliche Reinheit“;
„Unser gesundes Trinkwasser hat eine gesunde Mineralisierung“;
„Unser gesundes Trinkwasser unterliegt einer lückenlosen Kontrolle“,
„Unser gesundes Trinkwasser ist mikrobiologisch betrachtet rein und sauber“ und
„Unser gesundes Trinkwasser verfügt über einen hohen Anteil an wichtigen Mineralstoffen“ sind auch gem. Art. 10 Abs. 3 HCVO unzulässig, weil ihnen keine spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist.
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6. Auf die Frage, ob es sich auch bei § 21 TrinkwV um eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG handelt, kommt es nicht mehr an.
20
Die Entscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 91 und 709 ZPO.