Titel:
Keine Urheberrechtsverletzung durch die Darstellung zweier Fußballer als Comic-Figuren
Normenkette:
UrhG § 2, § 23, § 97
Leitsätze:
1. Die Wortfolge "The real Badman & Robben" ist nicht urheberrechtlich schutzfähig. (Rn. 23 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die streitgegenständlichen Grafiken enthalten nicht das, was die Schutzfähigkeit der gegnerischen Zeichnungen begründet, sondern nehmen allenfalls eine diesen zugrunde liegende Idee als Anregung für ein eigenständig geschaffenes Werk auf; die jeweilige Umsetzung dieser Idee ist jedoch eine völlig andere. (Rn. 33 – 39) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Sprachwerk
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 09.09.2020 – 21 O 15821/19
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 28.07.2022 – I ZR 11/22
Fundstellen:
GRUR-RS 2021, 59672
LSK 2021, 59672
ZUM-RD 2023, 213
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Landgerichts München I vom 09.09.2020, Az. 21 O 15821/19, abgeändert und die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.
III. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung iHv 115% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit iHv 115% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Entscheidungsgründe
1
Der Kläger macht gegen die Beklagte behauptete Auskunfts-, Kostenerstattungs- und (im Wege der Feststellungsklage) Schadensersatzansprüche wegen einer vermeintlichen Urheberrechtsverletzung geltend.
2
Der Kläger ist Grafikdesigner, Illustrator und Filmemacher, die Beklagte betreibt insbesondere die professionelle Fußballabteilung des FC B. Dessen Profimannschaft gehörte bis einschließlich der Saison 2018/2019 ua das aus den Spielern F. Ri. und A. Ro. bestehende Duo an, welches auch kurz mit „R.“ bezeichnet wurde.
3
Aus Anlass eines am 01.03.2015 von den Spielern des Ligakonkurrenten B. D. P.A. und M. R. gezeigten Torjubels, bei dem sich die genannten Spieler – wie aus den in Anlage K3 enthaltenen Zeitungsausschnitten ersichtlich – als B. und R. maskiert präsentierten, fertigte der Kläger - wie er es schildert – „als humoristische Anspielung und gelungenes ‚Contra‘ auf“ eben diesen Torjubel die in Anlage K3 wiedergegebenen Darstellungen von den Spielern Ri. und Ro. (teilweise in Gänze, teilweise nur vom Kopf), überwiegend maskiert und untertitelt mit „THE REAL B. & R.“. Eine dieser vom Kläger als solche bezeichneten Karikaturen war wie nachfolgend eingelichtet gestaltet:
4
Diese wie auch die weiteren in Anlage K3 enthaltenen Zeichnungen zeigte der Kläger der Beklagten noch im Jahr 2015 mit dem Vorschlag, diese gemeinsam zu vermarkten, wozu es jedoch nicht kam.
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Im Rahmen eines Pokalspiels zwischen dem FC B. und B. D. am …04.2015 zeigten Fans des FC B. die seitens des Klägers gefertigten Zeichnungen der beiden genannten Spieler und nutzten auch die ebenfalls vom Kläger verwendete Bezeichnung für diese („THE REAL B.& R.“) im Rahmen einer Choreographie (vgl. Anlage K4), nachdem der Kläger seine Zeichnungen den Fans zu eben diesem Zweck zur Verfügung gestellt hatte.
6
Seit Mai 2019 bot die Beklagte jedenfalls in ihrem Fanshop die aus Anlagen K1 bzw. K19 ersichtlichen M.artikel an, die die nachfolgend eingelichtete (teils leicht abgewandelte) Zeichnung aufwiesen:
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Der Kläger meint, die Beklagte habe hierdurch die Urheberrechte des Klägers verletzt. Der Kläger habe eine Choreographie / Komposition geschaffen (Anlage K3), welche aus Karikaturen / Comic-Zeichnungen der beiden B.-Spieler bestehe. Die Choreographie diene angesichts der gemeinsamen Erfolge der beiden Spieler als Duo der gelungenen Verkörperung der „wahren Superhelden“, bestehend aus der holländisch-französischen Flügelzange „R.“.
8
Die Karikaturen, die der Kläger – unbestritten – kreiert habe, würden urheberrechtlichen Schutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG genießen, die beanstandeten Nachzeichnungen der Beklagten seien unfreie Benutzungen der Karikaturen iSv § 23 UrhG.
9
Auch der Slogan „The Real B.& R.“ selbst sei urheberrechtlich geschützt und stelle ein (Sprach) Werk iSd § 2 UrhG dar, da der Ausspruch zum einen Ausdruck dessen sei, dass die „wahren Helden“ die beiden FC B. Spieler Ri. und Ro. seien (und nicht die D. A. und R.) und damit aufgrund der Doppeldeutigkeit „B. & R.“ eine gelungene Anspielung auf das zeitlich vorangegangene Fußballereignis beinhalte. Die Doppeldeutigkeit beinhalte zudem einen weiteren geistreichen Imagetransfer: „B.“ anstatt „B.t“, als dezent parodisch, satirische Anspielung auf das „B.boy-Image“ von Ri. aufgrund dessen Eskapaden in Kombination mit dem Transfer von „R.“ zu „R.“. Ein Abgleich der Anlagen K1 und K3 verdeutliche die durch die Verwendung dieses Slogans durch die Beklagte erfolgte Urheberrechtsverletzung.
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Schließlich stelle die streitgegenständliche Choreographie des Klägers ein Gesamtwerk dar, welches als solches urheberrechtlichen Schutz genieße. Maßgebend sei nämlich das Gesamtwerk des Klägers, welches sich aus den beiden Elementen Karikatur und Slogan zusammensetze und sich durch den besonderen Imagetransfer und geschaffenen Kult der „Superhelden“ Ri. und Ro. in der konkreten Ausgestaltung/Gestalt der Idee (über die reine Idee hinaus) in Form der Kombination einer zeichnerischen Comic-Darstellung bzw. Karikatur als Choreographie der beiden Fußballgrößen ergebe. Die vorliegende Nachahmung der streitgegenständlichen Choreographie und deren Vermarktung durch die Beklagte begründeten einen Verstoß gegen die ausschließlichen Rechte des Klägers aus §§ 15, 16, 17, 19a UrhG.
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Die Beklagte meint demgegenüber, dass dem Kläger die geltend gemachten Ansprüche mangels Rechtsverletzung nicht zustünden. Die Zeichnung, wie sie von der Beklagten verwendet werde, stelle ein eigenständiges Werk iSd UrhG dar. Selbst wenn die Zeichnung des Klägers gem. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG Schutz genieße, so sei die angegriffene Zeichnung mindestens als freie Bearbeitung iSv § 24 UrhG zu werten. Aus der Gegenüberstellung der jeweiligen Zeichnungen werde offensichtlich, dass die entlehnten eigenpersönlichen Züge des älteren Werkes verblassten. Die Zeichnung des Klägers habe, wenn überhaupt, bloß als Anregung für das eigene Werkschaffen des Künstlers der Beklagten gedient. Schutz für die aus den B.-Comics entnommenen Ausstattungsmerkmale könne der Kläger ebenso wenig beanspruchen wie für die von ihm verwendeten Vereinsfarben und Trikotgestaltung des FC B. Auch die Charaktere der dargestellten Spieler seien vorgegeben und nicht vom Kläger geschaffen worden. Der Slogan selbst sei ebenfalls nicht schutzwürdig, auch könne kein Schutz für die dargestellten Figuren in Anspruch genommen werden.
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Mit Urteil vom 09.09.2020, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, hat das Landgericht der Klage stattgegeben und wie folgt tenoriert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, über den erwirtschafteten, vollständigen Reingewinn, den die Beklagte mit der Vermarktung bzw. Verwertung der von ihr vertriebenen Merchandising Produkte / Fan-Artikeln mit den Artikel-Nummern …84, …72, …10, …62, …11 (Socke R., Tasse R., T-Shirt R., Kinder T-Shirt R., Thermobecher R.) mit enthaltenen Abbildungen zu „The Real B. & R.“ und unter Verwendung des Slogans von „The Real B. & R.“, wie in der Anlage K1 abgebildet, seit Beginn der Vermarktung / des Vertriebs insgesamt über den gesamten Auswertungszeitraum bis heute in sämtlichen FC B. Fan Stores / Filialen, FC B. Online-Fan-Shops (abrufbar über die Internetseite www. … .com) und durch darüber hinausgehende Auswertungen unter Berücksichtigung sämtlicher Vertriebswege und Internetplattformen im In- und Ausland erwirtschaftet hat, sowie dies durch dezidierte Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben (einschließlich Selbstkosten) zu belegen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den gesamten, sich nach Ziffer 1 ergebenden Verletzergewinn herauszugeben, der ihr aus Handlungen gemäß der vorstehenden Ziffer 1 entstanden ist.
3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger gegenüber der Kanzlei N. Rechtsanwälte, …, …M., von der Gebührenforderung in der Angelegenheit des Klägers gegen die Beklagte wegen der außergerichtlichen Geltendmachung von Auskunfts- und Schadensersatzansprüchen auf der Grundlage der in Ziffer 1 beschriebenen Handlung in Höhe von EUR 1.863,40 freizustellen.
5. [vorläufige Vollstreckbarkeit]
13
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens aus dem ersten Rechtszug. Sie beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München I vom 09.09.2020, Aktenzeichen 21 O 15821/19, die Klage abzuweisen.
14
Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
15
Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25.11.2021 Bezug genommen.
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Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist der Beklagten keine Verletzung der Urheberrechte oder sonstiger nach dem UrhG geschützter Rechte iSv § 97 UrhG anzulasten, so dass dem Kläger weder Schadensersatz- und damit einhergehende Auskunftsansprüche zustehen noch er die Freistellung von außergerichtlich entstandenen Abmahnkosten von der Beklagten verlangen kann.
17
I. Die Klage ist zulässig. Dass der Kläger mit seinem Antrag das landgerichtliche Urteil verteidigt, in dem in Ziffer 1. der Passus „dem Kläger Auskunft zu erteilen“ fehlt, ist vorliegend unschädlich, da der Tenor des landgerichtlichen Urteils in Ziffer 1 angesichts des in der Klageschrift ausformulierten Antrags ein offensichtliches Schreibversehen enthält, welches dem Kläger nicht anzulasten ist. Zu Recht ist die Klage vom Landgericht auch nicht als Stufenklage iSv § 254 ZPO behandelt worden. Die Ausführungen des Klägers in der Berufungserwiderung, das Landgericht habe der „(Stufen) Klage“ zutreffend stattgegeben, gehen angesichts dessen, dass der Kläger seinen behaupteten Schadensersatzanspruch von Beginn an als Feststellungsantrag gestellt hat, ersichtlich ins Leere.
18
II. Die Klage ist allerdings unbegründet. Soweit der Kläger behauptet, die Beklagte habe nach dem UrhG für den Kläger geschützte Rechte an einem Sprachwerk bzw. an der vom Kläger geschaffenen Choreographie bzw. an dort enthaltenen Figuren verletzt, fehlt es bereits an nach § 2 UrhG geschützten Werken. Soweit Rechte des Klägers an einzelnen in der Anlage K3 enthaltenen Zeichnungen (insbesondere an der oben unter A eingeblendeten) inmitten stehen, werden diese durch die Benutzung der angegriffenen Darstellung jedenfalls nicht verletzt.
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1. Dem Kläger kann nicht darin gefolgt werden, dass er an dem (isoliert betrachteten) Ausspruch „THE REAL B. & R.“ Rechte iSv § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG für sich in Anspruch nehmen könnte, denn diesem kommt keine eigene Werkqualität zu.
20
a) Der Umstand, dass der Kläger den zitierten Ausspruch auch seinem Vortrag nach nicht isoliert verwendet hat, sondern als Bestandteil jedenfalls einer Mehrzahl der in Anlage K3 dokumentierten Darstellungen, steht allerdings der grundsätzlichen Möglichkeit, diesen Ausspruch als eigenständiges Werk anzusehen, nicht entgegen (vgl. EuGH, GRUR 2009, 1041 Rn. 39 -Infopaq/DDF).
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b) Ein nach § 2 UrhG geschütztes Werk kann aber nur vorliegen, wenn es sich dabei zugleich um ein Werk iSd RL 2001/29/EG handelt, denn im Hinblick auf die Erfordernisse sowohl der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts als auch des Gleichheitssatzes muss dieser Begriff in der Regel in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten (EuGH, GRUR 2019, 73 Rn. 33 -Levola/Smilde). Daher ist es für die Bejahung der Werkqualität erforderlich, dass kumulativ zwei Voraussetzungen erfüllt sind (EuGH, GRUR 2019, 73 Rn. 35 Levola/Smilde): Zum einen muss es sich bei dem betreffenden Objekt um ein Original in dem Sinne handeln, dass es eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt (EuGH, GRUR 2019, 73 Rn. 36 -Levola/Smilde), zum anderen ist die Einstufung als „Werk“ im Sinne der RL 2001/29/EG Elementen vorbehalten, die eine solche geistige Schöpfung zum Ausdruck bringen (EuGH, GRUR 2019, 73 Rn. 37 -Levola/Smilde).
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c) Diese Voraussetzungen können vorliegend für die isolierte Wortfolge „THE REAL B. & R.“ nicht bejaht werden.
23
aa) Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass die wesentlichen Bestandteile des gerade einmal aus fünf (gesprochenen) Wörtern bestehenden Ausspruchs ersichtlich nicht auf einer gedanklichen Leistung des Klägers beruhen, sondern angelehnt sind an die klanglich nahezu identische Bezeichnung des aus Comic-Zeichnungen und Verfilmungen einer breiten Öffentlichkeit bekannten, fiktiven sog. „Dynamischen Duos“ B. und R. Die sich aus der isoliert betrachteten Wortfolge ergebende einzige „Leistung“ war es daher, aus dem Fledermausmann (B.) einen bösen Mann (B.) zu machen und den Namen eines fiktiven Helden „R.“ durch den nahezu gleichklingenden Nachnamen eines real existierenden Fußballspielers zu ersetzen.
24
bb) Vor diesem Hintergrund kann der vom Kläger für sich in Anspruch genommenen kurzen Wortfolge kein Urheberrechtsschutz als Sprachwerk zukommen. So scheitert bei sehr kleinen Teilen eines Sprachwerkes – wie einzelnen Wörtern oder knappen Wortfolgen – ein Urheberrechtsschutz meist daran, dass diese für sich genommen nicht hinreichend individuell sind (BGH, WRP 2011, 249, 256 – Perlentaucher mwN). Denn auch insoweit gilt, dass bei einem Sprachwerk die urheberrechtlich geschützte, individuelle geistige Schöpfung sowohl in der von der Gedankenführung geprägten Gestaltung der Sprache als auch in der Sammlung, Auswahl, Einteilung und Anordnung des Stoffes zum Ausdruck kommen kann. Soweit die schöpferische Kraft eines Schriftwerkes dagegen allein im innovativen Charakter seines Inhalts liegt, kommt ein Urheberrechtsschutz nicht in Betracht. Der gedankliche Inhalt eines Schriftwerkes muss einer freien geistigen Auseinandersetzung zugänglich sein. Die einem Schriftwerk zugrunde liegende Idee ist daher urheberrechtlich grundsätzlich nicht geschützt. Anders kann es sich verhalten, wenn diese Idee eine individuelle Gestalt angenommen hat, wie dies beispielsweise bei der eigenschöpferischen Gestaltung eines Romanstoffs der Fall ist (BGH, WRP 2011, 249, 253 – Perlentaucher mwN).
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All diesen Anforderungen wird der kurze Ausspruch „THE REAL B. & R.“ nicht gerecht, so dass ihm keine Werkqualität zugesprochen werden kann. So kann der isoliert zu betrachtenden Wortfolge schon nicht entnommen werden, dass der Ausspruch zum einen Ausdruck dessen sei, dass die „wahren Helden“ die beiden FC B. Spieler R. und R. seien (und nicht die D. A. und R.) und damit aufgrund der Doppeldeutigkeit „B. & R.“ eine gelungene Anspielung auf das zeitlich vorangegangene Fußballereignis beinhalte, und dass zum anderen die Doppeldeutigkeit zudem einen weiteren geistreichen Imagetransfer einhalte: „B.“ anstatt „B.“, als dezent parodisch, satirische Anspielung auf das „B.dboy-Image“ von Ri. aufgrund dessen Eskapaden in Kombination mit dem Transfer von „R.“ zu „R.“. Denn der Wortfolge selbst lässt sich ohne die vom Kläger geschaffenen Zeichnungen überhaupt nicht entnehmen, dass mit „B.“ Ri. gemeint sein soll und ob mit „Ro.“ nicht etwa auf die entsprechenden Tiere verwiesen werden soll.
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cc) Ob die Wortfolge in Zusammenschau mit den Zeichnungen des Klägers dazu beiträgt, dass die Darstellung in ihrer Gesamtheit urheberrechtlichen Schutz genießt, ist für den Charakter der Wortfolge als eigenständiges Sprachwerk ohne Belang. Vielmehr gilt es – wie auch bei Sketchen – zu beachten, dass die Einbindung einer kurzen Wortfolge in einen Sketch, eine Situationskomik oder auch in eine Karikatur nicht geeignet ist, einer als solchen nicht eigentümlichen Wortfolge die hinreichende Schöpfungshöhe und damit Werkqualität zu verschaffen (OLG München, Beschluss v. 14.08.2019, 6 W 927/19, juris – Früher war mehr Lametta).
27
2. Soweit der Kläger meint, er könne sich auf Urheberrechtsschutz an einer von ihm geschaffenen „Choreographie/Komposition“ gemäß Anlage K3 berufen, greift auch dies nicht, denn dem klägerischen Vortrag lässt sich bereits nicht entnehmen, dass er mit den in Anlage K3 vorgelegten Einzelzeichnungen ein in sich zusammengehöriges, in einer bestimmten und vom Kläger erdachten Abfolge vorzutragendes Gesamtwerk geschaffen habe. Daher ist unverständlich, was er überhaupt mit Choreographie bzw. Komposition in Bezug auf die zu den Akten gegebenen Einzeldarstellungen meint.
28
Sofern er – wie es das Landgericht offensichtlich verstanden hat – damit zum Ausdruck bringen wollte, dass er mit der Mehrzahl von Werken für die dort dargestellten Figuren „B. & R.“ unabhängig von der konkreten Art einer etwaigen grafischen Darstellung Schutz beanspruchen könnte, kann dem jedenfalls nicht gefolgt werden.
29
a) Soweit das Landgericht insoweit Bezug nimmt auf die Ausführungen des BGH in der PippiLangstrumpf-Kostüm-Entscheidung (GRUR 2014, 258), lassen sich die dortigen Ausführungen schon deshalb nicht ohne Weiteres auf den vorliegenden Fall übertragen, weil es dort um den Schutz einer Figur eines Sprachwerks (welches seinerseits urheberrechtlichen Schutz genießt) ging. Ungeachtet dessen hat der BGH in der Entscheidung klargestellt, dass es Voraussetzung für den isolierten Schutz eines fiktiven Charakters ist, dass der Autor dieser Figur durch die Kombination von ausgeprägten Charaktereigenschaften und besonderen äußeren Merkmalen eine unverwechselbare Persönlichkeit verliehen hat, wobei ein strenger Maßstab anzulegen ist (BGH, GRUR 2014, 258 Rn. 29 -Pippi-Langstrumpf-Kostüm). Da aber nach § 2 Abs. 2 UrhG nur persönliche geistige Schöpfungen schutzfähig sind, ist es zwingend, dass die Charaktereigenschaften wie auch die Person, der die Eigenschaften vom Urheber zugeschrieben sind, fiktiv und vom Urheber erdacht sind. Auch dies ist vorliegend nicht der Fall, denn auch aus der Zusammenschau der Zeichnungen selbst, also dem, was der Kläger geschaffen hat, lässt sich nichts entnehmen, was auf ausgeprägte Charaktereigenschaften der von ihm gezeichneten Personen schließen ließe. Wenn der Betrachter der Werke des Klägers den dort dargestellten Personen überhaupt Charakterzüge zuweist, dann nur deshalb, weil er die vom Kläger gezeichneten Personen mit real existierenden Fußballern in Verbindung bringt und deren ihm aus den Medien bekannte bzw. diesen zugeschriebene Eigenschaften auf die vom Kläger gezeichneten Figuren überträgt. Das Charakteristische der zeichnerisch vom Kläger dargestellten Figuren ist demnach keine schöpferische Leistung des Klägers, sondern beruht allein auf gedanklichen Transferleistungen des Betrachters (die sogar ausbleiben, wenn der Betrachter die dargestellten Personen nicht wiedererkennt).
30
b) Doch auch der Umstand, dass der BGH nicht nur Romanfiguren, sondern auch bildlich dargestellten Figuren im Grundsatz einen eigenständigen urheberrechtlichen Schutz zubilligt (vgl. die Nachweise bei BGH, GRUR 2014, 258 Rn. 26 -Pippi-Langstrumpf-Kostüm), hilft dem Kläger im Streitfall nicht weiter. Denn Schutz genießen auch die allen Einzeldarstellungen zu Grunde liegenden Charaktere als solche nur, wenn diese sich durch eine unverwechselbare Kombination äußerer Merkmale, Charaktereigenschaften, Fähigkeiten und typischer Verhaltensweisen auszeichnen, somit zu besonders ausgeprägten Persönlichkeiten geformt sind und in den Geschichten jeweils in einer bestimmten charakteristischen Weise auftreten. Auch dies aber ist vorliegend aus den bereits dargestellten Gründen nicht der Fall, ungeachtet dessen, dass der Umfang der vom Kläger insoweit geschaffenen Werke deutlich zu gering ist, um auch nur ansatzweise die Anforderungen der Rechtsprechung zum Figurenschutz zu erfüllen.
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3. Schließlich aber kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen, dass die Beklagte durch die angegriffenen Ausführungsformen die klägerischen urheberrechtlich geschützten Rechte an den einzelnen in Anlage K3 enthaltenen Zeichnungen verletzt hat. Diesen mag zwar grds. Werkqualität iSv § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG zukommen, die dem Kläger daran zustehenden Rechte hat die Beklagte jedoch nicht verletzt.
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a) Offensichtlich hat die Beklagte durch den Vertrieb der in Anlage K1 näher dargestellten Merchandisingartikel die Zeichnungen des Klägers – wie sie aus Anlage K3 ersichtlich sind – weder im Original benutzt, noch Vervielfältigungen dieser Zeichnungen verwendet.
33
b) Die seitens der Beklagten verwendeten Zeichnungen sind entgegen der Auffassung des Landgerichts auch keine unfreien Bearbeitungen iSv § 23 UrhG aF.
34
aa) Da die für die geltend gemachten Ansprüche maßgeblichen Handlungen sämtlich vor dem 07.06.2021 begangen worden sind, kommt es für die Rechtmäßigkeit dieser Handlungen auf das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht an (st. Rspr., vgl. BGH, WRP 2019, 1186 Rn. 12 – Kühlergrill mwN), mithin auf § 23, § 24 UrhG aF. Die geltend gemachten Ansprüche des Klägers sind daher nur dann zu bejahen, wenn die aus Anlage K1 ersichtlichen, von der Beklagten verwendeten Darstellungen als unfreie Bearbeitungen der vom Kläger stammenden Darstellungen anzusehen sind und nicht als Verwendung eines selbständigen Werks in freier Benutzung.
35
bb) Bei der Frage, ob in freier Benutzung eines geschützten älteren Werkes ein selbstständiges neues Werk geschaffen worden ist, kommt es nach ständiger Rechtsprechung des BGH entscheidend auf den Abstand an, den das neue Werk zu den entlehnten eigenpersönlichen Zügen des benutzten Werkes hält. Eine freie Benutzung setzt voraus, dass angesichts der Eigenart des neuen Werkes die entlehnten eigenpersönlichen Züge des geschützten älteren Werkes verblassen. In der Regel ist diese Voraussetzung erfüllt, wenn die dem geschützten älteren Werk entlehnten eigenpersönlichen Züge im neuen Werk zurücktreten, so dass die Benutzung des älteren Werkes durch das neuere nur noch als Anregung zu einem neuen, selbstständigen Werkschaffen erscheint (BGH, GRUR 2011, 134 Rn. 11 – Perlentaucher mwN).
36
cc) So ist es im Streitfall: in den seitens der Beklagten verwendeten Grafiken ist das, was die Schutzfähigkeit der klägerischen Zeichnungen begründet, gerade nicht enthalten, sondern jene nehmen allenfalls eine den klägerischen Werken zugrunde liegende Idee als Anregung für ein eigenständig geschaffenes Werk auf. Denn beiden Werken liegt die Idee zugrunde, Ro. und Ri. mit B. und R. zu assoziieren und dabei auf ein von beiden Parteien so erkanntes B.dboy-Image des Fußballers Ri. anzuspielen und sich die Namensähnlichkeit von der Comic-Figur R. und dem Fußballspieler R. zu Nutze zu machen. Dass der Kläger diese Idee zuerst gehabt haben mag – inspiriert durch einen Torjubel zweier Dortmunder Spieler kurz zuvor –, ist unerheblich, denn diese Idee ist urheberrechtlich nicht schutzfähig, da sie selbst kein Werk iSv § 2 UrhG darstellt. Die jeweilige Umsetzung dieser Idee durch die Parteien ist jedoch jeweils eine völlig andere.
37
(i) Das Eigenpersönliche der klägerischen Zeichnungen ist der Umstand, dass es sich sämtlich um Karikaturen handelt. Der Kläger selbst trägt vor, dass er diese aus Anlass eines am 01.03.2015 von den Spielern des Ligakonkurrenten B. D. P.A. und M. R. gezeigten Torjubels, bei dem sich die genannten Spieler – wie aus den in Anlage K3 enthaltenen Zeitungsausschnitten ersichtlich – als B. und R. maskiert präsentierten, „als humoristische Anspielung und gelungenes ‚Contra‘ auf“ eben diesen Torjubel gefertigt habe und seine Zeichnungen auch deshalb mit „THE REAL B. & R.“ untertitelt habe. Gedacht waren diese Zeichnungen nach dem Vortrag des Klägers zunächst als Grundlage für eine im Stadion von den Fans zu zeigende Choreographie, wie sie auch im kurz darauf erfolgten Aufeinandertreffen des FC B. mit B.D. im …-Pokal von den Fans (mit Zustimmung des Klägers) gezeigt wurde. Die Umsetzung dieser Idee in diesem zeitlichen Zusammenhang in Form einer Karikatur beinhaltet daher das den Zeichnungen eigenpersönliche Schaffen des Klägers.
38
(ii) Gegenstand dessen, was als geistige Schöpfung des Klägers anzusehen ist, ist daher nur die Art der Darstellung der beiden (jedenfalls den fußballinteressierten Verkehrskreisen als reale Personen) bekannten Fußballspieler des FC B., Ri. und Ro., die einerseits – was die Gesichtszüge anbelangt realitätsnah, andererseits im Stile einer Karikatur durch Überzeichnungen besondere – aus Sicht des Zeichners maßgebliche – Merkmale überzeichnet. So sind die Gesichtszüge Ri. deutlich strenger gezeichnet, die Führung der Lippen zeichnet Entschlossenheit und Grimmigkeit nach, die muskulösen Arme strahlen Kraft aus, wobei die Art der Körperhaltung auf den Bildern, die die Fußballer ganz zeigen, durch die verschränkten Arme Überlegenheit und Unnahbarkeit vermitteln und an das Credo des FC B. „M. s. m.“ erinnern lässt. Daneben wird Ro. etwas zurückhaltender dargestellt, weniger muskulös und die Szene beherrschend, so dass er bereits durch die Art der Darstellung als Gehilfe seines Partners erscheint. Gestützt wird diese Aufteilung durch die Verwendung der bei Ri. zwar insgesamt spärlichen, gleichwohl aber deutlicheren Maskerade mit Umhang und den halben Kopf bedeckender Maske, während Ro. „nur“ eine grüne Augenmaske trägt. Die Verwendung der Trikots bei beiden Gestalten wie auch der weiß-blaue Hintergrund veranschaulichen die Bedeutung beider Spieler für ihren in B. beheimateten Verein und greifen die Idee des Klägers, mit dieser Darstellung einen Contra-Punkt zum Torjubel der vermeintlichen D. „Helden“ zu setzen, auf, was durch den Untertitel ebenfalls hervorgehoben wird.
39
(iii) Die seitens der Beklagten verwendete Grafik unterscheidet sich hiervon deutlich und hat mit den klägerischen Zeichnungen nur die (oben näher ausgeführte und urheberrechtlich nicht geschützte) Idee gemein. Denn in dieser Grafik werden Ri. und Ro. in einer für Superhelden-Comics typischen Weise dargestellt, nämlich beide kraftvoll, dynamisch und in Bewegung. Sie tragen keine Trikots im klassischen Sinne, sondern Ganzkörperanzüge, die eng an den Körpern anliegen und die sich darunter vom Zeichner gedachten Muskeln definiert und deutlich zum Vorschein bringen. Der Hintergrund ist vergleichsweise düster gezeichnet und unterstreicht die Anlehnung an die eigentliche Vorlage (B. & R.), so dass weniger – wie noch vom Kläger gewollt – ein Contra zu anderen Bundesligaspielern, sondern erkennbar ein Gegenpunkt zu den genannten und bekannten Comic-Superhelden gesetzt wird. Generell handelt es sich bei der Zeichnung der Beklagten nicht um eine Karikatur, sondern eine comicartige Demonstration von Stärke und Kraft des real existierenden und auch so dargestellten dynamischen Duos, welches seinerzeit noch bei der Beklagten unter Vertrag stand.
40
4. Angesichts dessen kann im Streitfall allenfalls angenommen werden, dass sich die Beklagte eine Idee des Klägers zu eigen gemacht haben mag, welche für sich genommen jedoch keinen urheberrechtlichen Schutz genießt. Die gestalterische Umsetzung dieser Idee unterscheidet sich jedoch grundlegend von derjenigen des Klägers und lässt die eigenpersönlichen Züge der klägerischen Zeichnungen nicht erkennen, so dass entgegen der Auffassung des Landgerichts eine Rechtsverletzung zu verneinen und die Klage als unbegründet abzuweisen ist.
41
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 ZPO.
42
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
43
Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache erfordert, wie die Ausführungen unter B. zeigen, lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.