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LG Regensburg, Endurteil v. 24.09.2021 – 2 HK O 1769/21
Titel:

Erfolgloser Verfügungsantrag gegen vermeintlich irreführende Angaben beim Vertrieb von Covid19-Selbsttests 

Normenkette:
UWG § 5 Abs. 1
Leitsatz:
Die Beschreibung von vertriebenen Covid19-Selbsttests im Internet mit der Angabe "Aus hygienischen Gründen sind Schnelltest von der Rückgabe und vom Umtausch ausgeschlossen.“ ist nicht irreführend, weil dadurch dem angesprochenen Verkehr nicht suggeriert wird, dass ein Widerrufsrecht bei den von ihm vertriebenen Covid19 -Tests nicht bestehe. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Coronavirus, SARS-CoV-2, Widerrufsrecht, Werbung, Streitwert, Unterlassungsanspruch, Internet, Wettbewerb, Widerruf, Verpackung, Verbraucher, Erlass, Herkunft, Sicherheitsleistung, Vertrieb, Ausschluss, Kosten des Rechtsstreits, kein Anspruch, verwendete Formulierung
Rechtsmittelinstanz:
OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss vom 06.12.2021 – 3 U 3877/21
Fundstelle:
GRUR-RS 2021, 58204

Tenor

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 16.08.2021 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Verfügungsklägerin.
3. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 13.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über den Erlass einer einstweiligen Verfügung auf der Grundlage eines Unterlassungsanspruchs wegen irreführender geschäftlicher Handlung. Beide Parteien stehen unstreitig beim Vertrieb von Covid19 - Schnelltests in geschäftlichem Wettbewerb. Der Verfügungsbeklagte vertreibt im Internet einen sogenannten Covid19 - Hotgen - Spucktest, der als sogenannter Laienselbsttest vertrieben wird. Als letzter Satz unter der Beschreibung des Schnelltests ist in Fettdruck auf der Internetseite folgender Satz enthalten: „Aus hygienischen Gründen sind Schnelltest von der Rückgabe und vom Umtausch ausgeschlossen.“ Unter diesem Satz folgt eine tabellarische Auflistung der Verwendbarkeit, Herkunft und Stückzahl etc.
2
Die Verfügungsklägerin ist der Auffassung, dass es sich bei dem genannten Satz um eine irreführende Angabe im Sinne von § 5 UWG handele. Mit diesem Satz suggeriere der Verfügungsbeklagte dem Kunden, dass ein Widerrufsrecht bei den von ihm vertriebenen Covid19 -Tests nicht bestehe, was jedoch tatsächlich unzutreffend sei. Zwar besteht - dies ist unstreitig zwischen den Parteien - ein Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB unter bestimmten Umständen für die Covid-Tests nicht, wenn es sich nämlich um Verträge zur Lieferung versiegelter Waren handelt, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde.
3
Die Verfügungsklägerin ist jedoch der Auffassung, dass im beanstandeten Text hiervon keine Rede sei, sondern von einem generellen Ausschluss von Umtausch und Rückgabe die Rede sei, sodass der Verbraucher über das grundsätzlich durchaus bestehende Widerrufsrecht, insbesondere im Falle der unangetasteten Verpackung, getäuscht würde. Dies sei geeignet, den Wettbewerb zu verzerren, da möglicherweise Kunden durch die beanstandete Aussage davon abgehalten werden könnten, ihr eigentlich bestehendes Widerrufsrecht auszuüben, wodurch sich der Beklagte unter anderem erhebliche Aufwendungen und Mühen für zurückgesandte Tests erspare.
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Die Verfügungsklägerin beantragt daher:
1. Der Antragsgegner hat es zu unterlassen, bei der Vornahme geschäftlicher Handlungen, nämlich beim Angebot von Covid 19 Tests über das Internet zu werben, mit der Aussage „aus hygienischen Gründen sind Schnelltest von der Rückgabe und vom Umtausch ausgeschlossen“.
Wie nachstehend wiedergegeben geschehen, mit dem Angebot des Hotgen Spucktests unter der URL https://www.mundschutzshop.de/coronaschnelltest/selbsttests/86/hotgenspucktesteinzelpackung:
- Bildschirmabdruck Website -
- Bildschirmabdruck Website -
2. Dem Antragsgegner wird angedroht, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Endziffer 1 ausgesprochene Verpflichtung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monaten festgesetzt werden kann.
5
Der Verfügungsbeklagte beantragt,
den Erlass auf den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
6
Der Verfügungsbeklagte ist der Auffassung, dass der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht bestehe, da sich der Verfügungsbeklagte nicht wettbewerbswidrig verhalten habe. Auf der entsprechenden Webseite unter dem Reiter „Widerrufsrecht“ (https://www.mundschutzshop.de/widerrufsrecht) sei der Käufer klar und eindeutig auf sein gesetzliches Widerrufsrecht hingewiesen worden. Es sei sogar der Wortlaut des § 312 g Abs. 2 Nr. 3 BGB abgedruckt worden (vgl. Anl. AG1). Hierdurch gehe für jeden verständigen Käufer klar und eindeutig hervor, dass sehr wohl ein Widerrufsrecht bei dem vom Verfügungsbeklagten vertriebenen Antigentests auf Covid 19 bestehe, und nur dann nicht mehr bestehe, wenn die Versiegelung vom Käufer entfernt oder geöffnet werde.
7
Die Formulierung „Rückgabe und Umtausch“ könnte nicht mit einem Widerrufsrecht verwechselt werden, sodass bereits nach dem eindeutigen Wortlaut erkennbar ausschließlich Rückgabe und Umtausch ausgeschlossen würden und eben nicht ein Ausschluss des Widerrufsrechts beschrieben werde. Somit bestehe keine Irreführung des Verbrauchers, da gerade nicht dem Käufer suggeriert werde, dass ein Widerrufsrecht nicht bestehe.

Entscheidungsgründe

I.
8
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war zurückzuweisen, da kein Verfügungsanspruch besteht.
9
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig. Die Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen ergibt sich aus § 13 Abs. 1 UWG in Verbindung mit § 95 Abs. 1 Nr. 5 GVG. Die örtliche Zuständigkeit folgt aus § 14 Abs. 1 UWG.
II.
10
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist indes unbegründet, da die Verfügungsklägerin keinen Verfügungsanspruch im Sinne der §§ 936, 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht hat.
11
Der Verfügungsklägerin steht nach Auffassung des Gerichts kein Unterlassungsanspruch aus den §§ 8, 5 Abs. 1 UWG zu.
12
Irreführende Angaben liegen dann vor, wenn diese entweder unwahr oder sonst zur Täuschung geeignet sind, § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG.
13
Abzustellen ist auf den Gesamteindruck der Werbung unter Berücksichtigung aller Bestandteile. Auch objektiv richtige Angaben können danach irreführend sein, wenn sie von den angesprochenen Verkehrskreisen falsch verstanden werden. Ein unrichtiger Eindruck kann auch dadurch entstehen, dass die Werbebehauptung etwas Selbstverständliches in einer Weise betont, dass der Adressat der Werbung hierin einen besonderen Vorzug der beworbenen Ware oder Leistung vermutet. Andererseits darf das Irreführungsverbot nicht dazu führen, dass in der Werbung Informationen unterbunden werden, an denen die Marktgegenseite ein Interesse hat.
14
Nach Auffassung des Gerichts liegt im vorliegenden Fall keine irreführende Werbung, die zur Täuschung des Verbrauchers geeignet ist, vor. Abzustellen ist auf die Auffassung der durch die Werbung angesprochenen Verkehrskreise. Bei einem Massenartikel wie hier ist daher auf einen durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher abzustellen. Nach Auffassung des Gerichts kann die hier verwendete Formulierung, die sich nach dem eindeutigen Wortlaut auf Rückgabe und Umtausch bezieht, nicht verwechselt werden mit einem Widerrufsrecht. Jedem durchschnittlich informierten Verbraucher ist klar, dass eine Rückgabe etwas anderes bedeutet, als das Recht auf Widerruf. Zwar wird mit dem hier beanstandeten Satz tatsächlich eine eigentliche Selbstverständlichkeit genannt, nämlich die Tatsache, dass ein Hygieneprodukt von Umtausch und Rückgabe ausgeschlossen ist, allerdings wird dies hier nicht in einer Weise betont, dass der Werbungsadressat hierin einen besonderen Vorzug der beworbenen Ware vermutet. Denn der Satz ist zwar fettgedruckt, allerdings nicht von der Schriftgröße her auffallend groß geschrieben und steht ganz am Ende der ausformulierten Sätze in einer eher untergeordneten Position.
15
Eine Irreführung besteht auch deswegen nicht, weil der Verfügungsbeklagte glaubhaft gemacht hat, dass er tatsächlich auf die Widerrufsrechte auf seiner Homepage in korrekter Weise unter Abdruck der gesetzlichen Formulierung hingewiesen hat. Für einen durchschnittlich verständigen Verbraucher waren daher alle notwendigen Informationen über das Widerrufsrecht in sehr einfacher Weise zugänglich und eindeutig ersichtlich.
16
Dies alles berücksichtigend erkennt das Gericht hier keine Irreführung, die unlauter im Sinne des § 5 UWG ist. Somit besteht kein Anspruch auf Unterlassung und daher kein Verfügungsanspruch der Verfügungsklägerin. Der Antrag auf einstweilige Verfügung war daher zurückzuweisen.
III.
17
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 6 ZPO.