Inhalt

OLG München, Urteil v. 09.12.2021 – 29 U 5868/20
Titel:

Rechtserhaltende Benutzung einer dreidimensionalen Marke

Normenketten:
§§ 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 Satz 1 und 2
49 Abs. 1 Satz 1
26 Abs. 1, Abs. 3 MarkenG
683 Satz 1, 670, 677 BGB
Leitsätze:
1. Im Rahmen der rechtserhaltenden Benutzung einer Marke sind nach § 26 Abs. 3 MarkenG abgewandelte Benutzungsformen anzuerkennen, wenn dabei der kennzeichnende Charakter der Marke nicht verändert wird. Zeigt das verwendete Zeichen in der abgewandelten Form neben der eingetragenen Marke zusätzliche Elemente, ist für die Beurteilung entscheidend, welche Kennzeichnungskraft beide Bestandteile haben und ob ein Gesamtzeichen entsteht. Haben die zusätzlichen Elemente eine eigene maßgebende kennzeichnende Wirkung, kann keine rechtserhaltende Benutzung im Sinne von § 26 Abs. 3 MarkenG angenommen werden. Werden Ziffern, Buchstaben oder nicht beschreibende alphanumerische Kombinationen hinzugefügt, ist dies in der Regel als schädlich anzusehen.
2. Bei der Bewertung der rechtserhaltenden Benutzung einer Marke nach § 26 Abs. 3 MarkenG ist ein objektiver Maßstab aus Sicht eines durchschnittlichen Betrachters aus dem angesprochenen Verkehr anzuwenden, wobei zur Bestimmung der angesprochenen Verkehrskreise auf diejenigen Abnehmer abzustellen ist, die die konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen ihrer gattungsmäßigen Art nach und nach ihren objektiven Merkmalen nachfragen.
3. Im Hinblick auf die Dienstleistungen eines Hubschrauberrettungsdienstes sind als angesprochene Verkehrskreise die Abnehmer oder Interessenten maßgeblich, also die Mitarbeiter von Rettungsleitstellen, Rettungszweckverbänden, Krankenhäusern der höheren Versorgungsstufen mit Hubschrauberlandeplätzen sowie von verwandten Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben wie der Polizeien und Feuerwehren, die im Einzelfall über die Anforderung von Rettungshubschraubern entscheiden.
4. Die angesprochenen Verkehrskreise umfassen nicht auch Spender und potentielle Spender, die dem gemeinnützig organisierten Rettungsdienstleister Geldmittel zur Verwendung im Hubschrauberrettungsdienst zuwenden möchten, da diese im Notfall die Dienstleistungen der Hubschrauberretter nicht anfordern oder nachfragen und das Verkehrsverständnis bei einer unveränderten Marke und unveränderten Dienstleistungen nicht davon abhängt, ob der Markeninhaber gemeinnützig oder kommerziell organisiert ist.
5. Die Kosten für eine Gegenabmahnung können nur erstattet verlangt werden, wenn die Gegenabmahnung ausnahmsweise erforderlich war, weil anzunehmen ist, der Abmahnende werde aufgrund der übermittelten Information seinen vermeintlichen Unterlassungsanspruch fallen lassen, z.B. weil mit der Gegenabmahnung ein ganz neuer rechtlicher oder tatsächlicher Gesichtspunkt geltend gemacht wird, der ohne weiteres zur Rücknahme der Berühmung führen muss, oder weil der Abmahnende erkennbar von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen war.
Schlagwort:
Marke
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 08.09.2020 – 33 O 15817/16
Fundstellen:
WRP 2022, 1561
MarkenR 2022, 515
MittdtPatA 2022, 564
LSK 2021, 57952
GRUR-RS 2021, 57952

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 08.09.2020 abgeändert und die Klage auch im Hinblick auf Ziffer III. des Tenors abgewiesen.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Parteien streiten im Rahmen einer negativen Feststellungsklage um Ansprüche aus einer dreidimensionalen Marke für Rettungshubschrauber sowie um deren Verfall und um Kostenerstattungsansprüche.
2
Die Klägerin ist eine gemeinnützige Stiftung, die sich seit dem Unfalltod des namensgebenden Sohnes der Gründer Ende der 1960er-Jahre für die Verbesserung der Notfallhilfe in Deutschland einsetzt. Die Beklagte, die ursprünglich auf Initiative der Klägerin gegründet wurde, führt u.a. Luftrettungen und Intensivpatiententransporte mit Hubschraubern durch und betreibt hierzu an einer Vielzahl von Standorten in Deutschland Luftrettungsstationen. Die von der Beklagten eingesetzten Hubschrauber der Typen MBB/Kawasaki BK117, E. EC135 und EC145 sowie A. Helicopters H135 und H145 tragen außen eine rotweiße Lackierung.
3
Die Beklagte ist Inhaberin der deutschen dreidimensionalen Marke Nr. ... (Anlage K 5), die am 12.12.2008 angemeldet sowie am 04.04.2012 eingetragen wurde und u.a. Schutz für Transportdienstleistungen eines Rettungsdienstes genießt. Die Marke ist wie folgt eingetragen:
4
In einer online verfügbaren Pressemitteilung vom 13.06.2016 mit dem Titel „B. Stiftung startet Notfallhilfe in C. - Pilotprojekt in J. beschlossen“ (Anlage K 7) berichtete die Klägerin darüber, dass sie künftig am Aufbau eines modernen Rettungswesens in C. nach deutschem Vorbild beteiligt sein werde. Neben der Pressemitteilung selbst befand sich auf der Internetseite der Beklagten am rechten Rand ein Download-Bereich, auf dem u.a. folgender Bildausschnitt eines Hubschraubers mit Bildunterschrift zu sehen war:
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Klickte man auf den Bildausschnitt oder die Bildunterschrift, erschien die folgende Abbildung:
6
Die Beklagte mahnte die Klägerin am 29.07.2016 (Anlage K 3) ab und machte geltend, die Klägerin verwende für ihre Helikopter ein Design, das die Beklagtenmarke verletze. Insbesondere verletze die Klägerin die Marke durch die Abbildung eines dieser Rettungshubschrauber in ihrer Pressemitteilung vom 13.06.2016. Die Klägerin reagierte auf die Abmahnung durch Anwaltsschreiben vom 08.08.2016 (Anlage K 8), in dem sie unter anderem eine Unterlassungserklärung forderte und sich auf eine reine Auslandsnutzung in C., fehlende Verwechslungsgefahr sowie das vermeintliche Zustandekommen einer Koexistenzvereinbarung zwischen den Parteien aus dem Jahr 2016 (Anlage K 9) berief.
7
Die Klägerin ist der Auffassung, die Abmahnung der Beklagten sei unberechtigt gewesen, unter anderem deshalb, weil die Beklagte ihre Marke nicht rechtserhaltend benutze. Auch mit Blick auf die - wirksam abgeschlossene - Koexistenzvereinbarung gemäß Anlage K 9 sei es der Beklagten verwehrt, Ansprüche gegen die Klägerin aus der Marke herzuleiten.
8
Die Beklagtenmarke sei wegen Verfalls zu löschen, hilfsweise für nichtig zu erklären, weil der Klägerin an dem rotweißen Hubschrauberdesign ältere Rechte zustünden, da dieses von den Zeugen St. und Sch. entworfen worden sei, die der Klägerin die urheberrechtlichen Nutzungsrechte daran vor der Markenanmeldung eingeräumt hätten.
9
Ferner sei die Anmeldung der Beklagtenmarke bösgläubig erfolgt, da sie eine Reaktion auf die Beendigung der Kooperation zwischen den Parteien und gezielt gegen die Klägerin gerichtet gewesen sei.
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Die Beklagte ist der Auffassung, an einer Verletzung der Beklagtenmarke fehle es nicht aufgrund der Koexistenzvereinbarung zwischen den Parteien, da diese mangels Vertretungsmacht des - zwischenzeitlich verstorbenen - Zeugen N., der nur Aufsichtsrat der Beklagten gewesen sei, nicht wirksam geschlossen worden sei. Auch eine Rechtsscheinsvollmacht habe nicht bestanden.
11
Der Beklagtenmarke stünden auch weder ältere Rechte entgegen, noch sei sie bösgläubig angemeldet worden oder verfallen. Die Beklagte benutze sie rechtserhaltend.
12
Durch Endurteil vom 08.09.2020 (Bl. 265/288 d.A.) hat das Landgericht wie folgt entschieden:
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I. Es wird festgestellt, dass der Beklagten gegenüber der Klägerin kein Anspruch zu
steht, es zu unterlassen, die dreidimensionale Marke …04 im Bereich der Rettungsdienstleistungen, insbesondere als Design von Luftfahrzeugen im
Rettungsdienst, zu verwenden oder durch eine konzernmäßig verbundene Gesellschaft verwenden zu lassen, wenn das Luftfahrzeug aussieht wie folgt:
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II. Die am 04.04.2012 beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer …04 eingetragene dreidimensionale Marke wird für verfallen erklärt.
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III. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Euro 5.274,- nebst Zinsen hieraus in Höhe von jährlich 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.09.2016 zu zahlen.
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IV. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
17
V. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 60%, die Beklagte 40%.
18
VI. Das Urteil ist in Ziffern III. und V. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
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Im Rahmen von Ziffer IV. des Tenors hat es die Klage hinsichtlich eines geltend gemachten Unterlassungsantrags, aus der Eintragung und Benutzung der Marke gegen die Klägerin Rechte herzuleiten, hinsichtlich der Feststellung, dass die Koexistenzvereinbarung, insbesondere deren § 1 (1), wirksam ist, sowie hinsichtlich der Differenz der außergerichtlichen Kosten zu einem Betrag von € 6.350,66 abgewiesen.
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Die Beklagte greift dieses Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, im Umfang ihrer Verurteilung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens mit ihrer Berufung vom 06.10.2020 an.
21
Die Beklagte beantragt,
das am 8. September 2020 verkündete Urteil des Landgerichts München I, Aktenzeichen 33 O 15817/16, abzuändern und die Klage abzuweisen.
22
Die Klägerin beantragt,
Die Berufung der Beklagten und Berufungsklägerin wird zurückgewiesen.
23
Zur Ergänzung wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 04.11.2021 sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
II.
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Die Berufung der Beklagten ist zulässig, sie hat aber nur zum Teil hinsichtlich der Kostenerstattungsansprüche Erfolg.
25
Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.
26
1. Der Beklagten steht gegen die Klägerin im Rahmen der negativen Feststellungsklage kein Anspruch auf Unterlassung aus § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 Satz 1 und 2 MarkenG a.F./n.F. zu, die Beklagtenmarke im Bereich der Rettungsdienstleitungen, insbesondere als Design von Luftfahrzeugen im Rettungsdienst, zu verwenden oder durch eine konzernmäßig verbundene Gesellschaft verwenden zu lassen, wenn das Luftfahrzeug wie in der oben auf Seite 4 unten eingeblendeten Abbildung aussieht (Ziffer I. des landgerichtlichen Urteils), weil die Beklagtenmarke wegen Nichtbenutzung verfallen ist.
27
Für den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch, dessen sich die Beklagte berühmt hat und der Gegenstand der negativen Feststellungsklage ist, ist eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage nicht dadurch eingetreten, dass § 14 MarkenG zum 14.01.2019 durch das MaMoG vom 11.12.2018 (BGBl. I S. 2357) geändert wurde.
28
a) Nach § 49 Abs. 1 Satz 1 MarkenG wird die Eintragung einer Marke auf Antrag wegen Verfalls gelöscht, wenn die Marke nach dem Tag der Eintragung innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren nicht gemäß § 26 MarkenG benutzt worden ist. Nach § 26 Abs. 1 MarkenG muss sie, soweit die Aufrechterhaltung der Eintragung davon abhängig ist, dass die Marke benutzt worden ist, von ihrem Inhaber für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, im Inland ernsthaft benutzt worden sein, es sei denn, dass berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen.
29
Der Begriff der „Benutzung“ im Sinne des § 26 Abs. 1 MarkenG a.F. ist nicht legaldefiniert. Nach ständiger Rechtsprechung ist er im Verhältnis zum Begriff der „rechtsverletzenden Benutzung“ eigenständig auszulegen (Ströbele/Hacker/Thiering/Ströbele, MarkenG, 13. Aufl., § 26, Rn. 25). Grundsätzlich muss eine Marke in der eingetragenen Form benutzt werden.
30
§ 26 Abs. 3 MarkenG sieht jedoch ausnahmsweise eine Anerkennung abgewandelter Benutzungsformen vor, wenn dabei der kennzeichnende Charakter der Marke nicht verändert wird. Damit soll dem Markeninhaber ermöglicht werden, geringfügige Anpassungen und Modernisierungen vorzunehmen, wenn er dies zur Vermarktung und Förderung des Absatzes der betreffenden Waren oder Dienstleistungen für erforderlich erachtet (BeckOK MarkenR/Bogatz, 26. Ed. 1.7.2021, MarkenG, § 26, Rn. 119).
31
Zeigt das verwendete Zeichen in der abgewandelten Form neben der eingetragenen Marke noch zusätzliche Elemente, dann ist für die Beurteilung entscheidend, welche Kennzeichnungskraft beide Bestandteile haben und ob ein Gesamtzeichen entsteht. Haben die zusätzlichen Elemente eine eigene maßgebende kennzeichnende Wirkung, kann keine rechtserhaltende Benutzung im Sinne von § 26 Abs. 3 MarkenG angenommen werden (BGH GRUR 2009, 772 Rn. 45 - Augsburger Puppenkiste; GRUR 2005, 515 - FERROSIL), es sei denn, der Verkehr erkennt hierin eine Mehrfachkennzeichnung. Werden Ziffern, Buchstaben oder nicht beschreibende alphanumerische Kombinationen hinzugefügt, so wird dies in der Regel als schädlich angesehen (BGH GRUR 2013, 840 Rn. 21-25 - PROTI II; BeckOK MarkenR/Bogatz, 26. Ed. 1.7.2021, MarkenG, § 26, Rn. 145-147).
32
b) Nach diesen Grundsätzen ist die seitens der Beklagten vorgetragene Nutzung der Hubschrauber aus Sicht des angesprochenen Verkehrs nicht als rechtserhaltende Benutzung der Marke anzusehen.
33
Die Benutzungsschonfrist für die Beklagtenmarke ist am 04.04.2017 abgelaufen, der Verfallsantrag wegen Nichtbenutzung wurde im hiesigen Verfahren erstmals mit Schriftsatz vom 30.06.2020 angekündigt, der der Klägerin frühestens am 06.07.2020 (Bl. 226 d.A.) und damit nach Fristablauf zugestellt worden ist (vgl. BGH GRUR 2021, 736 Rn. 15 - STELLA).
34
aa) Soweit die Beklagtenmarke außer für „Transportdienstleistungen eines Rettungsdienstes; Transport von Kranken und Behinderten; Transport von Blutkonserven, Gewebeproben und Seren“ in Klasse 39 und für „medizinische Dienstleistungen, insbesondere notfallmedizinische Versorgung; ambulante Pflegedienstleistungen; Dienstleistungen eines Sanitäters; Senioren- und Krankenpflegedienste; Dienstleistungen eines Rettungsdienstes, nämlich die medizinische Versorgung bei der Personenrettung“ in Klasse 44 auch für weitere Waren in Klasse 12 und für weitere Dienstleistungen in Klasse 41 eingetragen ist, trägt die Beklagte schon nicht zu einer rechtserhaltenden Benutzung vor.
35
bb) Im Übrigen ist bei der Bewertung der rechtserhaltenden Benutzung ein objektiver Maßstab aus Sicht eines durchschnittlichen Betrachters aus dem angesprochenen Verkehr anzuwenden. Zur Bestimmung der angesprochenen Verkehrskreise kann auf die allgemeinen zur Verwechslungsgefahr entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden (BGH GRUR 2013, 725 Rn. 31 - Duff Beer; GRUR 2015, 587 Rn. 21 - PINAR; Ströbele/Hacker/Thiering/Ströbele, MarkenG, 13. Aufl., § 26, Rn. 174, 242). Zur Bestimmung der angesprochenen Verkehrskreise ist auf diejenigen Abnehmer abzustellen, die die konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen nachfragen. Dabei sind die Waren oder Dienstleistungen ihrer gattungsmäßigen Art nach und nach ihren objektiven Merkmalen zu Grunde zu legen (BGH GRUR 2008, 710 Rn. 32 - VISAGE; GRUR 2013, 752 Rn. 32 - Duff Beer; GRUR 2015, 587 Rn. 21 - PINAR).
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Die angesprochenen Verkehrskreise bestehen aus allen Personen, die als Abnehmer oder Interessenten der maßgeblichen Dienstleistungen eines Hubschrauberrettungsdienstes in Betracht kommen, vorliegend also aus den Mitarbeitern von Rettungsleitstellen, Rettungszweckverbänden, Krankenhäusern der höheren Versorgungsstufen mit Hubschrauberlandeplätzen sowie von verwandten Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben wie der Polizeien und Feuerwehren, die im Einzelfall über die Anforderung von Rettungshubschraubern entscheiden.
37
Soweit die Beklagte meint, die angesprochenen Verkehrskreise umfassten auch Spender und potentielle Spender, die ihr Geldmittel zur Verwendung im Hubschrauberrettungsdienst zuwenden möchten, ist dem nicht zu folgen. Bei Spendern und potentiellen Spendern handelt es nicht um die Abnehmer der konkreten Dienstleistungen eines Hubschrauberrettungsdienstes, da diese die Hubschrauber nicht anfordern und die Dienstleistungen nicht nachfragen können. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Spender Zuwendungen möglicherweise in der Hoffnung erbringen, selbst einmal als Erkrankter oder Unfallopfer von den Rettungsdienstleistungen profitieren zu können, und das Spendenaufkommen deshalb von der räumlichen Präsenz von Hubschraubern gerade des konkreten Rettungsdienstes abhängig sein soll. Auch bei Erkrankten oder Unfallopfern handelt es sich nämlich nicht um diejenigen Personen, die im Notfall die Dienstleistungen der Hubschrauberretter anfordern und nachfragen, da dies allein durch die Mitglieder der oben definierten Verkehrskreise geschieht. Im Übrigen würde bei einer Einbeziehung von Spendern oder potentiellen Spendern in die angesprochenen Verkehrskreise das Verkehrsverständnis von der Organisationsform des - hier gemeinnützigen - Markeninhabers und Hubschrauberrettungsdienstes abhängen, der die Marke z.B. auch an einen kommerziellen Betreiber von Rettungsdiensten veräußern könnte, bei dem dann auf das Verständnis z.B. der Aktionäre abzustellen wäre. Dies kann bei einer unveränderten Marke und bei unveränderten Dienstleistungen jedoch nicht richtig sein.
38
Der Senat kann die tatrichterlichen Feststellungen zum Verkehrsverständnis selbst treffen, da seine Mitglieder zwar nicht Angehörige der angesprochenen Verkehrskreise, aber ständig mit kennzeichenrechtlichen Streitigkeiten befasst sind.
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cc) Aus Sicht des angesprochenen Verkehrs haben die von der Beklagten umfangreich - auch in ihrem Schriftsatz vom 25.08.2020 (Bl. 232 ff. d.A.) - vorgelegten Nutzungsbeispiele bereits deshalb einen teilweise von der eingetragenen Marke abweichenden Charakter, weil diese nur auf einem Hubschrauber, offenbar einem Vorgänger des E. EC135 ohne FenestronHeckrotor, beruht, die vermeintlichen Nutzungen der Beklagten jedoch auch mit den anderen Modellen MBB/Kawasaki BK117, E. EC145 sowie A. Helicopters H135 und H145 erfolgt sind, die abweichende Gestaltungen, wie z.B. einen Fenestron-Heckrotor oder zusätzliche Seitenfenster sowie abweichende Proportionen aufweisen.
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Entscheidend ist letztlich aber, dass die Beklagte - ungeachtet des jeweiligen Hubschraubermodells - die Marke mit Hubschraubern nicht wie eingetragen benutzt, sondern stets zusätzliche Wortelemente, Buchstaben und alphanumerische Kombinationen hinzugefügt sind.
41
So zeigen die Abbildungen in Anlage B22 und auf den Seiten 26 bis 29 des Schriftsatzes vom 28.08.2017 (Bl. 126/129 d.A.) ausschließlich Hubschrauber, bei denen sich seitlich am Rumpf auf dem weißen Teil der Lackierung das Zeichen „…“ mit drei flügelartigen Streifen findet, das zudem auf dem oberen weißen Teil des oder der Seitenleitwerke erneut aufscheint. Soweit auf den Bildern die Unterseite der Helikopter erkennbar ist, zeigt sich dort ebenfalls auf dem weißen Teil des Rumpfes das Kürzel „…“, zumeist in Kombination mit dem Wort „Luftrettung“. Dieses Wort findet sich auch jeweils auf dem roten Teil der Hubschrauberseiten unterhalb der CockpitFenster. Entsprechende Gestaltungen zeigen auch die Seiten 11 bis 23 des Schriftsatzes vom 25.08.2020 (Bl. 242/254 d.A.) sowie die dazugehörigen Anlagen B 26 bis B 35, wo ausnahmslos die beschriebene zusätzliche Kennzeichnung der Hubschrauber mit „…“ und „Luftrettung“ aufscheint. Zum Teil ist diese Kennzeichnung auch zusätzlich vorne am Hubschrauber auf dem Mittelstück zwischen den Cockpitfenstern oberhalb eines Scheinwerfers aufgebracht (Anlagen B 22 und B 34).
42
Da es sich bei diesen zusätzlichen Zeichen um Wortelemente und nicht beschreibende Buchstabenkombinationen handelt, die eine eigene kennzeichnende Wirkung haben, kann keine rechtserhaltende Benutzung der eingetragenen Marke aufgrund der von der darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten (vgl. BGH GRUR 2021, 736 Rn. 22 - STELLA) angeführten Benutzungsbeispiele angenommen werden. Der Verkehr erkennt nicht die eingetragene Marke, sondern nimmt die einzelnen Wortzeichen, allenfalls in Kombination mit den gewählten Farben Rot und Weiß und deren räumlicher Aufbringung, nicht aber die Marke in ihrer eingetragenen Form wahr.
43
dd) Dagegen kann nicht eingewandt werden, dass die zusätzlichen Zeichen aufgrund der Flughöhe der Helikopter in der Wahrnehmung des Verkehrs zurückträten, da die genannten Mitglieder des angesprochenen Verkehrs im Hinblick auf die vorgetragene rechtserhaltende Benutzung gerade auch in Situationen wie beispielsweise vor dem Start und nach der Landung auf oder an Krankenhäusern und Unfallstellen mit den Helikoptern in Berührung kommen, wo die zusätzlichen Zeichen ohne weiteres erkennbar sind.
44
ee) Weiter kann dagegen nicht eingewandt werden, dass nach der Rechtsprechung des EuGH in den Verfahren L. (GRUR 2018, ...) und D. (GRUR-RS 2019, ...) die abweichende Benutzung dennoch als rechtserhaltend anzusehen sei, weil es auf die konkrete Art der eingetragenen Marke im Sinne einer dreidimensionalen Marke, Formmarke, Farbmarke oder Positionsmarke nicht ankomme und der Schutzgegenstand deshalb nicht auf die stilisierte Form beschränkt werden dürfe.
45
Zwar lässt sich aus der L.-Entscheidung ableiten, dass ein Zeichen nicht ausschließlich aus einer Form besteht, wenn die Eintragung der Marke nicht diese Form, sondern nur die Aufbringung einer Farbe an einer bestimmten Stelle der Ware schützen soll (EuGH, a.a.O., Rn. 24 - L.). Dies ist hier zum einen nicht der Fall, denn anders als in der L.-Entscheidung, in der die Marke ausdrücklich dahingehend beschrieben ist, dass die (dargestellte) Kontur des Schuhs nicht von der Marke umfasst ist, sondern nur dem Zweck dient, die Position der Marke zu zeigen, fehlt ein solcher Zusatz bei der Streitmarke. Dies ändert zum anderen im vorliegenden Fall an der durch alphanumerische Zeichen ergänzten abweichenden Benutzung der Marke auch dann nichts, wenn man die Marke nicht als rein dreidimensionale Marke versteht, sondern als eine solche, die auch die Aufbringung der roten und weißen Farbe an bestimmten Stellen des Hubschraubers schützen soll. Der Verkehr nimmt nämlich auch insoweit die einzelnen Wortzeichen wahr, allenfalls in Kombination mit den gewählten Farben Rot und Weiß und deren räumlicher Aufbringung, erkennt aber nicht die eingetragene Marke, mag sie nun als dreidimensionale Marke oder als Positionsmarke in Bezug auf die Farbaufbringung zu verstehen sein.
46
Auch aus der D.-Entscheidung folgt nichts anderes. Selbst wenn man insoweit annimmt, dass für die Beurteilung der ernsthaften Benutzung einer Marke eine Einstufung in eine Bildmarke, eine dreidimensionale Marke oder eine eigene Kategorie von Marken ohne Bedeutung ist (EuGH, a.a.O., Rn. 42 ff. - D.), nimmt der Verkehr vorliegend die Hubschrauber aufgrund der hinzugefügten alphanumerischen Zeichen nicht als Benutzung der eingetragenen Marke wahr, da er einen betrieblichen Herkunftshinweis in diesen hinzugefügten Zeichen, allenfalls noch in Kombination mit der Form- und Farbgestaltung, nicht aber allein in letzteren erblickt, mögen diese als dreidimensionale Marke, als Positionsmarke oder als sonstige Markenkategorie zu gelten haben.
47
ff) Auch die von der Beklagten angeführten Grundsätze der M.-Entscheidung des BGH (GRUR 2002, ...) führen vorliegend zu keinem anderen Ergebnis. Hiernach kommt es bei einem Zeichen aus Wort- und Bildelementen darauf an, ob die Gestaltung vom angesprochenen Verkehr wie bei einem Gesamtzeichen im Zusammenhang wahrgenommen wird oder ob der Verkehr daran gewöhnt ist, in einer Gesamtaufmachung einzelnen Elementen eine eigenständige, von der Kennzeichnungsfunktion anderer Bestandteile unabhängige Kennzeichnungsfunktion zuzuerkennen (BGH, a.a.O., Seite 174, letzter Absatz- M.). Nur in letzterem Fall wäre vorliegend von einer rechtserhaltenden Benutzung auch in der Kombination mit den alphanumerischen Zeichen auszugehen, wenn der Verkehr den Farb- und Formbestandteilen eine von diesen unabhängige Kennzeichnungsfunktion zuerkennen würde. Dies ist nach dem oben Gesagten jedoch nicht der Fall, weil der Verkehr in der benutzten Ausgestaltung der Hubschrauber allein in der rotweißen Farbkombination zusammen mit der Formgestaltung keine Bestandteile mit Kennzeichnungsfunktion erkennt, zumal die Verwendung einer rotweißen Lackierung im Rettungsdienst weit verbreitet und - wie die Verwendung durch die J. sowie die grenzüberschreitend tätige Schweizer R. zeigen (vgl. Seite 12 des Schriftsatzes der Klägerin vom 27.01.2021, Bl. 245) - auch bei Rettungshubschraubern betreiberübergreifend üblich ist und damit den Kennzeichnungsgewohnheiten für damit erbrachte Dienstleistungen entspricht.
48
2. Soweit das Landgericht die Beklagtenmarke Nr. ... (Anlage K 5) für verfallen erklärt hat (Ziffer II. des landgerichtlichen Urteils), hat die Berufung ebenfalls keinen Erfolg. Insoweit kann auf die Ausführungen unter 1. verwiesen werden.
49
Soweit die Beklagte anführt, eine Entscheidung über den Verfallsantrag der Klägerin stelle einen Verstoß gegen das Verbot der alternativen Klagehäufung dar, ist ihr Vorbringen insoweit unverständlich, als sie auf Seite 17 der Berufungsbegründung vom 16.11.2020 (Bl. 323 d.A.) von „zwei alternativ vorgetragenen Begründungen für den Verfall der Beklagtenmarke“ ausgeht, dabei aber auf die Stelle des landgerichtlichen Urteils (Seite 20 unten, Seite 21 oben) verweist, die sich mit dem Nichteintritt der innerprozessualen Bedingung für den Hilfsantrag betreffend die Nichtigkeit befasst. Im Hinblick auf die im Übrigen beklagte Umstellung des Haupt- und Hilfsverhältnisses zwischen Verfalls- und Nichtigkeitsantrag kann nicht erkannt werden, warum der Beklagten hieraus Nachteile erwachsen sein sollten, zumal es der zivilprozessualen Üblichkeit entspricht, sich auch gegen Hilfsanträge verteidigen zu müssen, wenn der Eintritt der entsprechenden innerprozessualen Bedingung nicht vorhersehbar ist. Mit der von der Beklagten angeführten sogenannten TÜV-Rechtsprechung (BGH GRUR 2011, 521 - TÜV), die sich mit der alternativen Klagehäufung ohne Bestimmung der Reihenfolge der Streitgegenstände befasst, hat das nichts zu tun.
50
3. Lediglich im Hinblick auf die vorgerichtlichen Kosten für die Abwehr der vermeintlich unberechtigten Abmahnung (Anlage K 3) und die Gegenabmahnung (Anlage K 8) ist die Berufung begründet (Ziffer III. des landgerichtlichen Urteils).
51
a) Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren für die Abwehr der Abmahnung aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu, da es insoweit an einem Verschulden in Form von Fahrlässigkeit fehlt.
52
aa) Die Abmahnung der Beklagten vom 29.07.2016 (Anlage K 3) enthielt zwar ein ernsthaftes und endgültiges Unterlassungsbegehren, indem sie die Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufforderte.
53
bb) Es fehlte allerdings an einem Verschulden der Beklagten in Form von Fahrlässigkeit nach § 276 Abs. 1, Abs. 2 BGB, da diese vor dem Verfallsantrag in jedenfalls vertretbarer Art und Weise eine Verletzung angenommen hat, zumal die Prüfung des Auslandsbezugs zu C. und die Frage der Verwechslungsgefahr komplexe und nicht nur eindeutig zu beantwortende Rechtsfragen aufwarfen. Es würde die Sorgfaltspflichten eines Markeninhabers überspannen, wenn von ihm zum Zeitpunkt der Abmahnung eine bessere Beurteilung der Rechtslage verlangt würde als zum Zeitpunkt eines Hauptsacheverfahrens (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 14, Rn. 819; BGH GRUR 2018, 832 Rn. 89 - Ballerinaschuh; GRUR 1976, 715, 717 - Spritzgießmaschine; GRUR 2006, 432 Rn. 25 - Verwarnung aus Kennzeichenrecht II; GRUR 2016, 630 Rn. 37 - Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung II).
54
b) Auch im Hinblick auf die Gegenabmahnung vom 08.08.2016 (Anlage K 8) steht der Klägerin gegen die Beklagte kein Anspruch auf Kostenerstattung aus §§ 683 Satz 1, 670, 677 BGB zu, da diese nicht erforderlich war (Ziffer III. des landgerichtlichen Urteils).
55
Der Abgemahnte braucht grundsätzlich nicht seinerseits abzumahnen, bevor er eine negative Feststellungsklage erhebt, weil das rechtliche Interesse an der Feststellung des Nichtbestehens des Unterlassungsanspruchs bereits aus der Berühmung des Abmahnenden folgt und sich dieser bei einer ohne Abmahnung erhobenen negativen Feststellungsklage nicht durch ein sofortiges Anerkenntnis der Kostenlast entziehen kann (BGH GRUR 2004, 790, 792 - Gegenabmahnung; GRUR 2012, 1273 Rn. 13 - Stadtwerke W.).
56
Die Kosten für eine Gegenabmahnung kann der negative Feststellungskläger nur erstattet verlangen, wenn die Gegenabmahnung ausnahmsweise erforderlich war (OLG Hamm BeckRS 2009, 89545). Eine Gegenabmahnung ist ausnahmsweise geboten, wenn anzunehmen ist, der Abmahnende werde aufgrund der übermittelten Information seinen vermeintlichen Unterlassungsanspruch fallen lassen (BGH GRUR 2004, 790, 792 - Gegenabmahnung; OLG Stuttgart WRP 1985, 449), z.B. weil mit der Gegenabmahnung ein ganz neuer rechtlicher oder tatsächlicher Gesichtspunkt geltend gemacht wird, der ohne weiteres zur Rücknahme der Berühmung führen muss (OLG Frankfurt WRP 1981, 282), oder weil der Abmahnende erkennbar von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen war (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl., § 13, Rn. 90-92).
57
Vorliegend handelt es sich nicht um einen Ausnahmefall, in dem ausnahmsweise eine Gegenabmahnung geboten gewesen wäre. Der Sachverhalt, insbesondere die Auslandsberührung zu C., war klar umrissen. Auch die Diskussion der möglicherweise fehlenden Verwechslungsgefahr entspricht dem üblichen Austausch unterschiedlicher rechtlicher Standpunkte und hat nicht erwarten lassen, dass die Beklagte vor Klageerhebung von ihrer Berühmung abrücken würde. Schließlich rechtfertigt sich die Gegenabmahnung auch nicht durch den Hinweis auf die vermeintlich zwischen den Parteien bestehende Koexistenzvereinbarung, da deren wirksames Zustandekommen aufgrund der Vertretungsverhältnisse jedenfalls zweifelhaft war. Die Kosten der Gegenabmahnung sind daher mangels Erforderlichkeit nicht ersatzfähig.
58
4. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
59
Die Rechtssache hat aufgrund ihres Einzelfallcharakters keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO.
60
Auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor.