Inhalt

OLG München, Urteil v. 27.05.2021 – 29 U 3902/20
Titel:

Irreführende Werbung für Kindermilch

Normenketten:
VO (EG) 1924/2006 Art. 3 Abs. 2 lit. a
UWG § 5
Leitsätze:
1. Werden aufgrund von Irreführung angegriffene Aussagen im Antrag mit „und/oder“ verknüpft, kann der Antrag nur Erfolg haben, wenn jede der Äußerungen für sich genommen irreführend ist. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine unzulässige Irreführung liegt nur dann vor, wenn sich diese isoliert aus der Aussage ergibt. (Rn. 49) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Werbung, Mehrbedarf, Berufung, Kind, Verbraucher, Bundesamt, Anlage, Versorgung, Verpackung, Unterlassungsanspruch, Verkehrskreis, Marktteilnehmer, Berufungsverfahren, werben, gesundheitsbezogene Angaben
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 05.06.2020 – 39 O 15946/19
Rechtsmittelinstanzen:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 02.06.2022 – I ZR 93/21
OLG München, Urteil vom 11.04.2024 – 29 U 3902/20
Fundstelle:
GRUR-RS 2021, 56502

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Landgerichts München I vom 05.06.2020, Az. 39 O 15946/19, aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung iHv 115% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit iHv 115% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
IV. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf EUR 30.000,-- festgesetzt.

Entscheidungsgründe

A.
1
Der Kläger macht gegen die Beklagte lauterkeitsrechtliche Unterlassungs- und Kostenerstattungsansprüche wegen vermeintlicher irreführender Angaben in Bezug auf Kindermilchprodukte der Beklagten geltend.
2
Der Kläger ist der Dachverband aller 16 Verbraucherzentralen und weiterer verbraucherorientierter Organisationen in Deutschland. Er ist in die beim Bundesamt für Justiz geführte Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen.
3
Die Beklagte ist ein Lebensmittelunternehmen und vertreibt ua die hier streitgegenständlichen Produkte „H.Kindermilch COMBIOTIK ab 1+ Jahr“ und „H. Kindermilch COMBIOTIK ab 2+ Jahr“.
4
Diese Produkte bewarb die Beklagte zum einen auf ihrer unter www.h..de/milchnahrung abrufbaren Website mit einem TV-Spot, der als solcher nicht streitgegenständlich ist und zu dessen Inhalt auf den Klagevortrag (Bl. 5/6 d.A.) sowie auf die Klageerwiderung (Bl. 23/24 d.A) verwiesen wird, und zum andere mit folgenden, aus Anlage K1 ersichtlichen Aussagen:
5
Beim Anklicken des dort jeweils blau hervorgehobenen Kästchens öffnete sich eine Seite, auf der sich ua die Erläuterung befand: „Kleinkinder benötigen bis zu 3x mehr Calcium und sogar 7x mehr Vitamin D als Erwachsene pro kg Körpergewicht.“
6
Ebenfalls im Zusammenhang mit den streitgegenständlichen Produkten fanden sich auf der Webseite der Beklagten unter www.h. .de/milchnahrung unter der Überschrift „Ernährung“ die nachfolgend eingelichteten Angaben (Anlage K2):
7
Schließlich befanden sich auf den Verpackungen der streitbefangenen Produkte die nachfolgend eingelichteten Angaben (Anlage K3):
8
Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte mit den vorstehenden Angaben den Eindruck erweckt habe, dass ein Kind in der Gesamtmenge 7x mehr Vitamin D als ein Erwachsener benötige, und mahnte daher die Beklagte mit Schreiben vom 03.06.2019 (Anlage K4) ab. Eine Unterlassungserklärung hat die Beklagte auch im Anschluss an den in Anlagen K5 mit K11 vorgelegten weiteren Schriftwechsel nicht abgegeben.
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Der Kläger meint, ihm stehe jeweils ein Unterlassungsanspruch aus § 8 UWG sowie § 3 UKlaG zu, weil die beanstandete Werbung gegen Art. 7 Abs. 1 LMIV, Art. 3 Abs. 1 lit. a) und d) HCVO, § 3a UWG, § 2 UKlaG, § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, § 5a UWG verstoße.
10
In Bezug auf Anlage K1 trägt der Kläger vor, die Beklagte bewerbe das Produkt mit der Aussage: „7x mehr brauchst Du als ich, wirst groß, gesund - ganz sicherlich“ sowie „7x mehr Vitamin D, starke Knochen bis zum Zeh …“. Diese Angabe sei irreführend. Tatsächlich benötige ein Kind 7x mehr Vitamin D pro Kilogramm Körpergewicht und nicht 7x mehr Vitamin D bezogen auf die Gesamtmenge an Vitamin D als ein Erwachsener. Dies werde nicht deutlich (S. 9 der Klageschrift).
11
In Bezug auf Anlage K2 beanstandet der Kläger die Angabe: „Darum benötigt Ihr Kind 7x mehr Vitamin D als ein Erwachsener - Erfahren Sie mehr über Vitamin D und den Einfluss auf das Immunsystem und den Knochenaufbau.“ Diese Angabe sei gleichfalls irreführend. Auch hier werde der Eindruck erweckt, ein Kind benötige in der Gesamtmenge 7x mehr Vitamin D als ein Erwachsener. In diesem Text seien keine Einschränkungen oder Erläuterungen ersichtlich. Der Leser gehe davon aus, dass diese Aussage stimme, und müsse nicht damit rechnen, dass die weiteren Ausführungen, die unter der weiteren Verlinkung angezeigt werden könnten, diese Aussage einschränken oder inhaltlich verändern würden (S. 10 der Klageschrift).
12
Die Werbung auf der Verpackung (Anlage K3) mit der Aussage „In der Zusammensetzung von H. Kindermilch wird berücksichtigt, dass ein Kleinkind durchschnittlich 3x mehr Calcium1 und 7x mehr Vitamin D1 als ein Erwachsener benötigt“ stelle auch eine Irreführung dar. Die 1 werde folgendermaßen aufgelöst: „Mehrbedarf an Nährstoffen Kleinkinder vs. Erwachsene pro kg KG (EFSA 2013, Männer 80 kg, Kleinkinder 12 kg).“ Der Verbraucher erwarte, dass das Kind insgesamt 3x mehr Calcium und 7x mehr Vitamin D benötige als ein Erwachsener. Tatsächlich beziehe sich die Aussage nicht auf die Gesamtmenge Vitamin D, sondern auf die Menge pro Kilogramm Körpergewicht. Die Irreführung könne auch nicht durch die 1 aufgelöst werden, da die Aussage „pro kg KG“ nicht als pro Kilogramm Körpergewicht verstanden werde. Eine weitere Erläuterung sei nicht auffindbar (S. 10, 11 der Klageschrift).
13
Die pauschale Angabe, dass der Bedarf von Kleinkindern an Vitamin D bezogen auf das Körpergewicht siebenmal höher sei als bei Erwachsenen, sei zwischen den Parteien nicht unstreitig (S. 2 der Replik, Bl. 36 d.A). Tatsächlich gehe die EFSA sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern im Alter von 1 bis 17 Jahren von einem täglichen Bedarf von 15 µg aus (Anlage K12). Demzufolge sei der Bedarf an Vitamin D für Erwachsene und Kinder sowie Kleinkinder gleichgroß. Abzustellen sei nämlich auf die Gesamtmenge und nicht auf ein jeweiliges Körpergewicht, weil dies bei jedem Individuum variiere (Bl. 36 d.A.).
14
Sämtliche streitbefangenen Angaben bezögen sich zumindest mittelbar auf das von der Beklagten beworbene Produkt, da dieses sogar bildlich wiedergegeben werde (S. 3 der Replik, Bl. 37 d.A.). Die Werbung der Beklagten sei irreführend, weil der durchschnittlich informierte Verbraucher die Angaben dahingehend verstehe, dass die vom Kind benötigte Menge der Nährstoffe absolut siebenmal bzw. dreimal höher sei als bei einem Erwachsenen und dass deshalb das so konzipierte Produkt der Beklagten besonders werthaltig sei. Tatsächlich hätten Kinder gegenüber Erwachsenen keinen Mehrbedarf an Vitamin D bzw. Calcium (Bl. 37 d.A.). Die Angabe „pro kg KG“ sei nicht nur unüblich, sondern für den Verbraucher auch gänzlich unverständlich. Es sei dem Verbraucher nicht geläufig, dass dieses Akronym für Körpergewicht stehen solle. Entscheidend sei indes, dass die ausgelobten Angaben den Eindruck erweckten, ein Kind benötige in der Gesamtmenge siebenmal mehr Vitamin D bzw. dreimal mehr Vitamin C [sic!] als ein Erwachsener. Der Leser gehe davon aus, dass diese Aussage stimme, und müsse nicht damit rechnen, dass die weiteren Ausführungen, die unter der weiteren Verlinkung angezeigt werden könnten, diese Aussage einschränkten oder inhaltlich sogar änderten. Es sei üblich und auch vom Verbraucher erwartet, dass Referenzmengen pro Person und Tag angegeben würden. Dies entspreche der Lebensmittelkennzeichnung nach Anhang XIII der LMIV und auch den Empfehlungen der EFSA (Anlage K12). Deshalb habe der Verbraucher auch keinen Anlass, andere Bezugswerte zu suchen und zu prüfen (Bl. 38 d.A.).
15
In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hat der Klägervertreter schließlich zum Klageantrag Ziffer 3 erklärt, dass beanstandet werde, dass die Aussage an sich unklar sei. Auch die Auflösung mit der 1 sei nicht ausreichend, da der Verbraucher „kg KG“ nicht verstehe (vgl. Protokoll vom 19.05.2020, dort S. 2, Bl. 42 d.A.).
16
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern, zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen für die Produkte „H. Kindermilch COMBIOTIK ab 1+ Jahr“ und/oder „H. Kindermilch COMBIOTIK ab 2+ Jahr“ mit den Angaben zu werben bzw. werben zu lassen:
1. „7x mehr brauchst Du als ich, wirst groß, gesund - ganz sicherlich“
und/oder
„7x mehr Vitamin D, starke Knochen bis zum Zeh“, sofern dies geschieht, wie in Anlage K1 wiedergegeben;
und/oder
2. „Darum benötigt Ihr Kind 7x mehr Vitamin D als ein Erwachsener - Erfahren Sie mehr über Vitamin D und den Einfluss auf das Immunsystem und den Knochenaufbau.“, sofern dies geschieht, wie in Anlage K2 wiedergegeben;
und/oder
3. „In der Zusammensetzung von H. Kindermilch COMBIOTIK wird berücksichtigt, dass ein Kleinkind durchschnittlich 3x mehr Calcium1 und 7x mehr Vitamin D1 als ein Erwachsener benötigt“, sofern dies geschieht, wie in Anlage K3 wiedergegeben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 214,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem der Zustellung der Klage darauffolgenden Tag zu zahlen.
17
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
18
Sie ist der Auffassung, dass keine der beanstandeten Handlungen irreführend sei. Es lägen auch keine Verstöße gegen HCVO und LMIV vor.
19
Bei den in Bezug auf Anlage K2 angegriffenen Aussagen fehle es bereits an einer gesundheits- bzw. nährwertbezogenen Angabe. Die dortige Aussage stehe nicht im Kontext mit irgendeinem Produkt. Es handele sich vielmehr um einen allgemeinen Artikel, der generell den Mehrbedarf eines Kindes an bestimmten Vitaminen erläutere.
20
Die Aussagen „siebenmal mehr Vitamin D“ bzw. „dreimal mehr Calcium“ seien zudem völlig unspezifisch und riefen bei durchschnittlich informierten Adressaten keinerlei Vorstellung über den tatsächlichen mengenmäßigen Mehrbedarf an Vitamin D bzw. Calcium hervor. Die durchschnittlich informierten Adressaten der Werbung würden den Aussagen lediglich die nach Auffassung der Beklagten unstreitig zutreffende Aussage entnehmen, dass der Bedarf an Vitamin D bzw. an Calcium im Kleinkindalter höher sei als bei einem Erwachsenen. Der durchschnittlich informierte Adressat mache sich jedoch keinerlei Gedanken dazu, ob sich die Aussage auf die absolute Menge beziehe oder auf die relative Menge (dh die einzunehmende Menge bezogen auf das Körpergewicht). Selbst wenn er die Aussage im ersteren Sinn verstehen würde, liege kein Wettbewerbsverstoß vor, denn unstreitig decke das Produkt den benötigten Mehrbedarf an Vitamin D des Kindes ab. Unabhängig davon stelle die Beklagte bei jeder der beanstandeten Aussagen die Bezugsgröße klar.
21
Mit Urteil vom 05.06.2020, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, hat das Landgericht der Klage vollumfänglich stattgegeben. Der Kläger habe die geltend gemachten Ansprüche wegen irreführender bzw. mehrdeutiger Angaben bei nährwert- und gesundheitsbezogenen Aussagen gem. Art. 3 S. 2 a) HCVO. Die Aussagen suggerierten ferner, dass eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung generell nicht die erforderlichen Mengen an Nährstoffen liefern könne und die beworbene Kindermilch daher besonders wertvoll sei, was unzulässig gem. Art. 3 S. 2 d) HCVO sei. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
22
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszug. Darüber hinaus rügt sie, dass das Erstgericht in Bezug auf Ziffer 1 des Urteilstenors im Tatbestand den klägerischen Vortrag hinsichtlich der Anlagen K1, K2 und K3 falsch wiedergegeben habe und so in den Entscheidungsgründen zu einer falschen und für die Beklagte nachteiligen Schlussfolgerung gelangt sei. Ferner habe das Erstgericht in Bezug auf Ziffer 1 des Tenors unzutreffender Weise Unterlassungsansprüche hinsichtlich der Anlagen K1, K2 und K3 auf der Grundlage von Art. 3 Abs. 1 lit. a) und d) HCVO bejaht.
23
Sie beantragt,
das Urteil des Landgerichts München vom 5. Juni 2020, Az. 39 O 15946/19 aufzuheben und die Klage vollumfänglich abzuweisen.
24
Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
25
Er erklärt, sich die seiner Ansicht nach zutreffenden Feststellungen des Landgerichts zu eigen zu machen, und ist der Auffassung, dass das Landgericht den Sachverhalt zutreffend festgestellt und die Erwartung des Verbrauchers zutreffend gewertet habe, weil Kinder gegenüber Erwachsenen keinen erhöhten Bedarf an Vitamin D und Calcium hätten.
26
Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt (Schriftsätze vom 16.04.2021, Bl. 111/112 d.A., und vom 19.04.2021, Bl. 114 d.A.), woraufhin der Senat am 21.04.2021 beschlossen hat, gemäß § 128 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden (Bl. 117/118 d.A.).
B.
27
Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg. Entgegen der Auffassung des Landgerichts stehen dem Kläger die von ihm geltend gemachten Ansprüche bei Berücksichtigung seines Vorbringens unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
28
I. Soweit das Landgericht der Beklagten untersagt hat, im Rahmen geschäftlicher Handlungen für die im Tenor genannten Produkte mit den Angaben zu werben bzw. werben zu lassen: „7x mehr brauchst du als ich, wirst groß, gesund - ganz sicherlich“ und/oder „7x mehr Vitamin D, starke Knochen bis zum Zeh“, sofern dies geschieht wie in Anlage K1 wiedergegeben, kann die für den geltend gemachten Anspruch erforderliche Irreführung nicht angenommen werden, weil sich bereits den angegriffenen Aussagen das vom Kläger bzw. vom Landgericht angenommene Verkehrsverständnis in Bezug auf deren Inhalt nicht entnehmen lässt und daher auch keine für die Irreführung erforderliche Abweichung des Verkehrsverständnisses von der Realität festgestellt werden kann. Auch andere Unlauterkeitsgründe können dem Vorbringen des Klägers nicht entnommen werden.
29
1. Das Landgericht hat ausgeführt, dass die angegriffenen Aussagen sowohl nährwertbezogene als auch gesundheitsbezogene Angaben seien und beide Aussagen sowohl mit dem Nährstoff bzw. der Substanz „Vitamin D“ werben würden und auch einen Zusammenhang zu gesunden Knochen oder gesundem Wachstum darstellen würden. Ohne eine auf der Webseite selbst befindliche Erklärung zur Bezugsgröße könne die Bewerbung „7x mehr brauchst Du als ich“ absolut und damit irreführend verstanden werden, nämlich dass ein Kind in der Gesamtmenge 7x mehr Vitamin D brauche als ein Erwachsener. Ein Vielfaches einer Gesamtmenge suggeriere eine höhere Wertigkeit eines Produkts, das diesen vielfachen Bedarf abdecken solle, gegenüber einer nur ein- oder zweifachen Gesamtmenge. Das Produkt erwecke damit auch den Anschein, dass dieser hohe „7-fache“ Nährstoffbedarf besonders einfach durch dieses Produkt gedeckt werden könne, nicht etwa durch eine natürliche Nahrung, wie sie auch Erwachsene zu sich nehmen würden.
30
2. Auf diese Begründung kann der zugesprochene Anspruch nicht gestützt werden.
31
a) Nach Art. 3 Abs. 2 lit. a) HCVO dürfen nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben nicht falsch, mehrdeutig oder irreführend sein. Letzteres hat das Landgericht in Bezug auf die in Ziffer I.1 untersagten Äußerungen angenommen.
32
b) Der vom Landgericht angenommenen Irreführung steht jedoch entgegen, dass es bereits an einer zutreffenden Feststellung der Verkehrsauffassung über den Inhalt der beanstandeten Angaben fehlt.
33
aa) Ob eine lauterkeitsrechtlich zu beurteilende Angabe irreführend ist, bestimmt sich danach, wie die angesprochenen Verkehrskreise diese Angabe inhaltlich auffassen und ob das so ermittelte Verkehrsverständnis vom Inhalt der Aussage von der Realität abweicht (vgl. Büscher, in: Büscher, UWG, 1. Aufl., 2019, § 5 Rn. 152). Voraussetzung ist daher zunächst die Ermittlung der Vorstellung des Verkehrs von der zu beurteilenden Angabe in einem ersten Prüfungsschritt (vgl. Büscher, in: Büscher, UWG, 1. Aufl., 2019, § 5 Rn. 156).
34
bb) Die Auffassung des Landgerichts, der Verkehr verstehe die angegriffenen Aussagen dahingehend, dass ein Kind in der Gesamtmenge 7x mehr Vitamin D brauche als ein Erwachsener, teilt der Senat - der an die Beurteilung der Verkehrsauffassung durch das Erstgericht nicht gebunden ist und der aufgrund seiner ständigen Befassung mit lauterkeitsrechtlichen Streitigkeiten über die notwendige Sachkunde verfügt, um die Verkehrsauffassung in Bezug auf die streitgegenständlichen Äußerungen festzustellen - nicht.
35
(i) Soweit die von I. 1 erfassten Äußerungen mit „und/oder“ verknüpft sind, folgt daraus, dass dieses so ausgesprochene, auf Irreführung gestützte Verbot nur dann Bestand haben kann, wenn jede der beiden Äußerungen für sich genommen und in der Art, wie sie aus Anlage K1 ersichtlich ist, irreführend im oben dargestellten Sinn ist.
36
(ii) Das ist jedoch nicht der Fall:
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(1) Die Aussage „7x mehr brauchst du als ich, wirst groß, gesund - ganz sicherlich“ lässt überhaupt nicht erkennen, wer von was 7x mehr braucht als wer, um ganz sicherlich groß und gesund zu werden. Diese w-Fragen werden auch nicht durch den als Anlage K1 vorgelegten Screenshot beantwortet, so dass die vom Landgericht erkannte Irreführung in Bezug auf einen etwaigen Vitamin-D-Bedarf durch diese Aussage nicht hervorgerufen werden kann.
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(2) Nichts anderes gilt in Bezug auf die Aussage „7x mehr Vitamin D, starke Knochen bis zum Zeh“: Zwar ist hier die Rede von einem Siebenfachen an Vitamin D, von Kindern einerseits und Erwachsenen andererseits wie auch von einem etwaigen Bedarf an Vitamin D ist in dieser Angabe jedoch nichts enthalten.
39
(3) Auch die Kombination beider Aussagen (aufgrund der „und“-Verknüpfung) führt nicht zu dem vom Landgericht angenommenen Verkehrsverständnis. Da es aufgrund des Antrags auch bei der zu prüfenden „und“-Verknüpfung allein auf den Inhalt der Anlage K1 ankommt und insbesondere nicht auf den weiteren Inhalt der Webseite der Beklagten oder gar auf den für die Produkte bereitgestellten TV-Spot, ist der Kombination beider Aussagen nur zu entnehmen, dass „Du“ 7x mehr Vitamin D als „ich“ brauchst, um ganz sicherlich groß und gesund zu werden, insbesondere starke Knochen „bis zum Zeh“ zu erhalten. Dass durch „Du“ und „ich“ bei isolierter Betrachtung jedoch ein Vergleich zwischen Kindern und Erwachsenen im Allgemeinen hergestellt wird und deshalb ein genereller Bedarfsvergleich angestellt werden soll, kann nicht erkannt werden. Um zu diesem Verständnis zu gelangen, sind indes weitere Informationen erforderlich, wie ja auch der klägerische Vortrag selbst belegt, der zur Erläuterung seiner Anträge zunächst den (nicht streitgegenständlichen) TV-Spot anführt und den dort vernehmbaren Dialog. Da dies jedoch nicht Eingang in das dem Antrag folgende tenorierte Verbot gefunden hat, kann hierauf auch nicht abgestellt werden.
40
cc) Vor diesem Hintergrund kann der vom Landgericht gezogenen Schlussfolgerung der aufgrund der angenommenen Fehlvorstellung suggerierten höheren Wertigkeit des Produkts nicht gefolgt werden.
41
3. Auch mit einer anderen Begründung kann das vom Landgericht in Ziffer I. 1 ausgesprochene Verbot nicht aufrechterhalten werden.
42
a) Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 lit. a) HCVO besteht auch nicht im Hinblick auf die dort genannten weiteren Tatbestandsalternativen.
43
aa) Es kann an dieser Stelle dahinstehen, inwieweit sich die rechtlichen Anforderungen in Bezug auf die weiteren in Art. 3 Abs. 2 lit. a) HCVO genannten Merkmale „falsch“ und „mehrdeutig“ von denen des Merkmals „irreführend“ unterscheiden (vgl. hierzu: Rathke/Hahn, in: Zipfel/Rathke, LebensmittelR, 177. EL, Stand Juli 2020, Art. 3 HCVO Rn. 11, 12). Denn die Beurteilung, ob Angaben „falsch“ oder „mehrdeutig“ sind, lässt sich ebenfalls nur dann vornehmen, wenn ein Vergleich zwischen dem Inhalt einer Angabe mit der Realität vorgenommen wird und hierbei Abweichungen festgestellt werden. Grundvoraussetzung ist mithin auch insoweit zunächst die Feststellung des Inhalts der zu beurteilenden Angabe.
44
bb) Diese obliegt zwar dem Tatrichter, setzt jedoch entsprechenden und substantiierten Sachvortrag des Klägers voraus.
45
(i) Nach der Rechtsprechung des BGH kann ein Kläger auch bei einem auf das Verbot der konkreten Verletzungsform gerichteten Klageantrag sein Rechtsschutzbegehren aufgrund der im Zivilprozess geltenden Dispositionsmaxime dahin fassen, dass aus einem bei natürlicher Betrachtungsweise einheitlichen Lebenssachverhalt nur bestimmte Teile zur Beurteilung herangezogen werden sollen. Als in diesem Sinne selbstständig zu beurteilende Teile eines einheitlichen Streitgegenstands, die mit einem auf das Verbot einer konkreten Verletzungsform gerichteten Antrag geltend gemacht werden können, kommen beispielsweise verschiedene Irreführungsaspekte in Betracht. Der weitgefasste Streitgegenstandsbegriff darf nicht dazu führen, dass der Beklagte neuen Angriffen des Klägers gegenüber schutzlos gestellt oder gezwungen wird, sich von sich aus gegen eine Vielzahl von lediglich möglichen, vom Kläger aber nicht konkret geltend gemachten Irreführungsaspekten zu verteidigen. Der Kläger ist daher gehalten, in der Klage substanziiert diejenigen Irreführungsaspekte darzulegen und zu den gemäß § 5 Abs. 1 UWG dafür maßgeblichen Tatbestandsvoraussetzungen einer irreführenden geschäftlichen Handlung konkret vorzutragen, auf die er seinen Klageangriff stützen will. Dementsprechend darf auch das Gericht eine Verurteilung nur auf diejenigen Irreführungsgesichtspunkte stützen, die der Kläger schlüssig vorgetragen hat (vgl. BGH, GRUR 2018, 431 Rn. 16 - Tiegelgröße).
46
(ii) Die schlüssige Darlegung eines Irreführungsgesichtspunkts setzt Vortrag dazu voraus, durch welche Angabe welcher konkrete Verkehrskreis angesprochen wird, welche Vorstellungen die Angabe bei diesem angesprochenen Verkehrskreis ausgelöst hat, warum diese Vorstellung unwahr ist und dass die so konkretisierte Fehlvorstellung geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte. Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann sich der Beklagte hinreichend gegen den Angriff des Klägers verteidigen und das Gericht sodann prüfen, ob es - aus eigener Sachkunde oder nach Einholung eines Sachverständigengutachtens - die Voraussetzungen einer irreführenden geschäftlichen Handlung feststellen kann (vgl. BGH, GRUR 2018, 431 Rn. 16 - Tiegelgröße).
47
(iii) Diese Grundsätze sind auch auf die vorliegende Fallkonstellation, die der gleichen Interessenlage der Parteien entspricht, anzuwenden mit der Folge, dass der Senat vorliegend im ersten Prüfungsschritt nur zu beurteilen hat, ob das vom Kläger behauptete Verständnis von der beanstandeten Aussage zutrifft, und nicht, ob ein etwaiges anderes nicht vom Kläger behauptetes Verkehrsverständnis vorliegt, welches dann auf seine Richtigkeit hin zu überprüfen wäre.
48
cc) In Bezug auf Anlage K1 hat der Kläger in der Klageschrift vorgetragen, die Beklagte bewerbe das Produkt mit der Aussage: „7x mehr brauchst Du als ich, wirst groß, gesund - ganz sicherlich“ sowie „7x mehr Vitamin D, starke Knochen bis zum Zeh …“. Diese Angabe sei irreführend. Tatsächlich benötige ein Kind 7x mehr Vitamin D pro Kilogramm Körpergewicht und nicht 7x mehr Vitamin D bezogen auf die Gesamtmenge an Vitamin D als ein Erwachsener. Dies werde nicht deutlich (S. 9 der Klageschrift). In der Replik hat der Kläger darüber hinaus geltend gemacht, die Werbung der Beklagten sei irreführend, weil der durchschnittlich informierte Verbraucher diese Angaben dahingehend verstehe, dass die vom Kind benötigte Menge der Nährstoffe absolut siebenmal bzw. dreimal höher sei als bei einem Erwachsenen, und dass deshalb das so konzipierte Produkt der Beklagten besonders werthaltig sei. Tatsächlich hätten Kinder gegenüber Erwachsenen keinen Mehrbedarf an Vitamin D bzw. Calcium (Bl. 37 d.A.).
49
dd) Wie oben bereits dargestellt, lässt sich den isoliert und nur auf Anlage K1 bezogenen Äußerungen ein derartiges Verständnis der angesprochenen Verbraucher jedoch nicht entnehmen. Eine Beurteilung, ob die angegriffenen Aussagen falsch oder mehrdeutig sind, lässt sich daher auf der Basis des klägerischen Vorbringens nicht treffen.
50
ee) Die vom Landgericht im Tatbestand seines Urteils wiedergegebenen und zum tatsächlichen Vorbringen des Klägers abweichenden Äußerungen sind nicht in die Prüfung des Senats mit einzubeziehen. Dabei kann dahinstehen, inwieweit diese überhaupt vom Berufungsgericht zu berücksichtigen wären, denn vorliegend hat der Kläger seinen Vortrag zum Verkehrsverständnis in Bezug auf die streitgegenständlichen Äußerungen nicht geändert. Soweit er in der Berufungserwiderung lediglich pauschal ausführt, sich die Feststellungen des Landgerichts zu eigen zu machen, erfasst dies nicht die uU unzutreffende Wiedergabe von streitigem Sachvortrag, da es sich insoweit nicht um Feststellungen handelt.
51
b) Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 lit. d) HCVO kann ebenfalls nicht erkannt werden.
52
aa) Nach Art. 3 Abs. 2 lit. d) HCVO dürfen nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben nicht erklären, suggerieren oder auch nur mittelbar zum Ausdruck bringen, dass eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung generell nicht die erforderlichen Mengen an Nährstoffen liefern kann.
53
bb) Wie der angesprochene Verkehr die Angaben gem. I. 1 des landgerichtlichen Tenors nach Auffassung des Klägers verstehen soll, wurde bereits dargelegt. Demzufolge behauptet auch der Kläger nicht, dass mit diesen zumindest das zum Ausdruck gebracht wird, was mit der genannten Vorschrift untersagt wird.
54
cc) Soweit das Landgericht gleichwohl zu dem Ergebnis gelangt ist, dass ein Vielfaches einer Gesamtmenge eines wichtigen Vitamins eine höhere Wertigkeit eines Produkts suggeriere und damit das Produkt auch den Anschein erwecke, dass der hohe „7-fache“ Nährstoffbedarf besonders einfach durch dieses Produkt gedeckt werden könnte, nicht etwa durch eine natürliche Nahrung, wie sie auch Erwachsene zu sich nehmen (vgl. S. 7 LGU, Bl. 50 d.A.), vermag auch dies nicht einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 lit. d) HCVO zu begründen, auch wenn sich der Kläger diese Feststellungen nunmehr zu eigen macht. Denn da es sich bei dem Produkt um ein Nahrungsmittel für Kinder handelt, könnte überhaupt nur dann ein Verstoß gegen die Vorschrift angenommen werden, wenn die beanstandeten Angaben (und nicht das beworbene Produkt selbst) als nährwert- oder gesundheitsbezogene Angaben anzusehen wären und zumindest suggerierten, dass eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung für Kinder nicht die erforderlichen Mengen an Nährstoffen liefern könne. Dass durch die Angaben eine derartige Annahme bei den angesprochenen Verkehrskreisen hervorgerufen würde, behauptet indes weder der Kläger, noch lässt sich dies den Ausführungen des Landgerichts entnehmen.
55
c) Schließlich kann hinsichtlich dieser Angaben aus Anlage K1 auch kein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 LMIV oder § 5 UWG angenommen werden, da - wie bereits dargestellt - die hierfür erforderliche Irreführung nicht festgestellt werden kann. Inwieweit der vom Kläger durch die Nennung der Norm behauptete Verstoß gegen § 5a UWG vorliegen soll, ist nicht ersichtlich.
56
II. Soweit das Landgericht der Beklagten in Ziffer I. 2 untersagt hat, für die streitbefangenen Produkte mit der Angabe zu werben bzw. werben zu lassen: „Darum benötigt ihr Kind 7x mehr Vitamin D als ein Erwachsener - erfahren Sie mehr über Vitamin D und den Einfluss auf das Immunsystem und den Knochenaufbau“, sofern dies geschieht wie in Anlage K2 wiedergegeben, hat die Berufung der Beklagten ebenfalls Erfolg, denn auch insoweit steht dem Kläger unter Berücksichtigung seines Klagevorbringens der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu.
57
1. Das Landgericht hat die Auffassung vertreten, dass die Aussage auf der Website ohne Aufklärung über die Bezugsgröße jedenfalls für einen Teil der angesprochenen Verkehrskreise eine mehrdeutige und irreführende nährwertbezogene Angabe iSv Art. 3 Abs. 2 lit. a) HCVO in Bezug auf das konkrete Produkt sei.
58
2. Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen, denn weder dem Vortrag des Klägers noch den Feststellungen des Landgerichts lässt sich entnehmen, dass die untersagte Äußerung als nährwertbezogene Angabe anzusehen wäre, die zudem irreführend oder mehrdeutig wäre.
59
a) Gem. Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 HCVO ist eine nährwertbezogene Angabe eine Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel besondere positive Nährwerteigenschaften besitzt. Voraussetzung ist mithin, dass der angesprochene Verkehr in der zu überprüfenden Aussage etwas Produktbezogenes erkennt.
60
b) Maßgeblich ist daher auch hier das Verkehrsverständnis, welches nach den eingangs dargestellten Grundsätzen anhand des klägerischen Sachvortrags vom Tatrichter zu ermitteln ist.
61
c) Vorliegend lässt sich dem klägerischen Vortrag jedoch nicht entnehmen, dass und vor allem welchen Inhalt der angesprochene Verkehr der beanstandeten Aussage im Hinblick auf die Nährwerteigenschaften des Produkts entnimmt. Vielmehr behauptet der Kläger lediglich, hier werde der Eindruck erweckt, ein Kind benötige in der Gesamtmenge 7x mehr Vitamin D als ein Erwachsener. In diesem Text seien keine Einschränkungen oder Erläuterungen ersichtlich. Der Leser gehe davon aus, dass diese Aussage stimme und müsse nicht damit rechnen, dass die weiteren Ausführungen, die unter der weiteren Verlinkung angezeigt werden könnten, diese Aussage einschränken oder inhaltlich verändern würden (S. 10 der Klageschrift). Dass und welche Nährwerteigenschaften aber dem Produkt zugeschrieben werden, legt der Kläger nicht dar.
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Soweit der Kläger in der Replik pauschal behauptet, die Werbung der Beklagten sei irreführend, weil der durchschnittlich informierte Verbraucher diese Angaben dahingehend verstehe, dass die vom Kind benötigte Menge der Nährstoffe absolut siebenmal bzw. dreimal höher sei als bei einem Erwachsenen, und dass deshalb das so konzipierte Produkt der Beklagten besonders werthaltig sei, führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung, denn auch insoweit legt der Kläger nicht dar, welche besonderen Nährwerteigenschaften dem Produkt zugeschrieben werden sollen.
63
Ein derartiger Vortrag ist auch nicht obsolet, sondern maßgeblich für die Frage, ob eine irreführende oder mehrdeutige Angabe anzunehmen ist oder nicht. Denn wenn der angesprochene Verkehr - was naheliegend ist - die seitens des Klägers behauptete besondere Werthaltigkeit des Produkts aufgrund der konkret beanstandeten Angabe darin erblickt, dass das beworbene Produkt den (tatsächlichen) Bedarf eines Kindes an Vitamin D deckt, ist dieses Verständnis auch nach dem klägerischen Sachvortrag nicht falsch, so dass eine Irreführung oder Mehrdeutigkeit einer so verstandenen nährwertbezogenen Angabe nicht erkannt werden kann.
64
Da auch das Landgericht in Bezug auf das Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise hinsichtlich der in Anlage K2 enthaltenen Angaben in Bezug auf die Nährwerteigenschaften der streitbefangenen Produkte keine Feststellungen getroffen hat, geht das sich zu Eigen machen des Klägers insoweit ins Leere.
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3. Ein Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 LMIV scheidet mangels entsprechenden Sachvortrags des Klägers ebenfalls aus. Da es nach dieser Vorschrift allein darauf ankommt, ob Informationen über Lebensmittel irreführend sind, ist es auch insoweit erforderlich, dass der Kläger dartut, dass die beanstandeten Äußerungen überhaupt solche über Lebensmittel sind. Wie oben bereits dargestellt, fehlt es hieran jedoch, da sich dem klägerischen Vorbringen nicht entnehmen lässt, welche konkreten Eigenschaften der angesprochene Verkehr dem Produkt aufgrund der beanstandeten Aussage beimisst. Da es an derartigem Vortrag fehlt, kann zwangsläufig eine Diskrepanz zwischen einem derartigen produktbezogenen Verkehrsverständnis einerseits und der Realität andererseits nicht festgestellt werden. Folglich kann auch nicht erkannt werden, ob eine Fehlvorstellung des Verkehrs überhaupt dazu geeignet wäre, auf die Kaufentscheidung Einfluss zu nehmen - was jedenfalls dann zweifelhaft erscheint, wenn der Verkehr (was naheliegt) lediglich davon ausgeht, dass die streitbefangenen Produkte einen tatsächlich bestehenden Bedarf eines Kindes an Vitamin D decken (was auch vom Kläger nicht bezweifelt wird).
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4. Schließlich kann aus den dargestellten Gründen auch keine Irreführung nach § 5 UWG angenommen werden. Dass vorliegend ein Verstoß gegen § 5a UWG in Betracht kommen soll, ist dem klägerischen Vorbringen erst recht nicht zu entnehmen.
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III. Soweit das Landgericht schließlich die auf der Produktverpackung befindliche Angabe „In der Zusammensetzung von H. Kindermilch COMBIOTIK wird berücksichtigt, dass ein Kleinkind durchschnittlich 3x mehr Calcium1 und 7x mehr Vitamin D1 als ein Erwachsener benötigt“, wenn dies geschieht wie in Anlage K3 wiedergegeben, verboten hat, so hat die Berufung der Beklagten auch insoweit Erfolg. Auch diese Angabe kann weder unter Berücksichtigung des klägerischen Vorbringens noch unter Heranziehung der Feststellungen des Landgerichts untersagt werden.
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1. Das Landgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die beanstandete Aussage trotz des unter 1 angeführten Textes irreführend und mehrdeutig iSv Art. 3 Abs. 2 lit. a) HCVO sei. Durch die plakative beanstandete Aussage werde suggeriert, dass ein Kind die 7-fache Menge des Lebensmittels benötige, um seinen Nährstoffbedarf hinsichtlich Vitamin D zu decken, so dass diese Kindermilch als besonders wertvoll im Verhältnis zu Erwachsenennahrung erscheine. Auch suggeriere die gesamte Darstellung auf der Produktverpackung den angesprochenen Verkehrskreisen, dass diese Kindermilch besonders geeignet sei, die erforderlichen erhöhten Mengen an Nährstoffen für Kinder zu liefern und die ausreichende Versorgung durch dieses Produkt besser gedeckt werden könne als durch normale Nahrung in angemessen Mengen, was unzulässig gem. Art. 3 Abs. 2 lit. d) HCVO sei.
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2. Auch dieser Beurteilung vermag sich der Senat nicht anzuschließen.
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a) Die beanstandete Äußerung, dass in der Zusammensetzung von H. Kindermilch COMBIOTIK das weiter in der Äußerung Aufgeführte berücksichtigt worden sei, kann bereits deswegen nicht als falsch, mehrdeutig oder irreführend iSv Art. 3 Abs. 2 lit. a) HCVO angesehen werden, weil sich weder dem klägerischen Vorbringen noch den Feststellungen des Landgerichts, die sich der Kläger in der Berufung pauschal zu eigen macht, entnommen werden kann, dass und inwieweit die Zusammensetzung des Produkts falsch, mehrdeutig oder irreführend dargestellt worden wäre. Hierzu wäre erforderlich gewesen, die tatsächliche Zusammensetzung mit derjenigen zu vergleichen, die das Produkt nach der Vorstellung der Verkehrskreise aufgrund der beanstandeten Äußerung haben soll. Da hierzu jeglicher Vortrag fehlt, kann ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 lit a) HCVO nicht erkannt werden.
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b) Auch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 lit. d) HCVO liegt nicht vor, denn die beanstandete Äußerung bezieht sich auf die Zusammensetzung eines konkreten Produkts und lässt keinerlei Bezug zu einer Ernährung ohne dieses Produkt erkennen.
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3. Auch aus anderen vom Kläger vorgetragenen Umständen kann das in I. 3 tenorierte Verbot nicht aufrechterhalten werden.
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a) Ein Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 LMIV bzw. § 5 UWG scheitert auch hier daran, dass sich dem klägerischen Vorbringen nicht entnehmen lässt, welches konkrete Verständnis der angesprochene Verkehr von der in der Aussage angesprochenen Zusammensetzung der Produkte haben soll, geschweige denn inwieweit dieses von der Realität abweichen soll und dass sich eine etwaige Fehlvorstellung auf seine Kaufentscheidung auswirken würde.
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b) Zu einem Verstoß gegen § 5a UWG schließlich fehlt jeglicher Vortrag.
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IV. Da der Kläger zur Begründung der in Ziffer II. zugesprochenen Abmahnkosten nichts anderes vorgetragen hat, ist auch insoweit kein Anspruch zu erkennen, da sich dem klägerischen Vorbringen nicht entnehmen lässt, dass die zugrunde liegende Abmahnung berechtigt gewesen wäre. Mangels Anspruchs nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG aF hat die Berufung der Beklagten auch insoweit Erfolg.
C.
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Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache erfordert, wie die Ausführungen unter B. zeigen, lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.