Titel:
Aktivlegitimation des ausschließlichen Lizenznehmers aufgrund Einzugsermächtigung
Normenkette:
MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 1, § 25, § 26, § 30 Abs. 3
Leitsatz:
Eine ausschließliche Lizenznehmerin kann, wenn ihr eine materiellrechtlich wirkende Einzugsermächtigung erteilt ist, verlangen, dass die Auskünfte an sie selbst erteilt und Schadensersatzansprüche direkt an sie geleistet werden. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schadensersatz, Marke, Wortmarke, Schadensersatzanspruch, Italien, Berufung, Abmahnkosten, Zustimmung, Auskunft, Verletzung, Streitwert, Unterlassung, Dienstleistungen, Lizenznehmer, Kosten des Rechtsstreits, Co KG, Auskunft und Rechnungslegung
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 10.11.2020 – 33 O 3709/18
Fundstelle:
GRUR-RS 2021, 54507
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 10.11.2020 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung aus Ziffer I. 1. des landgerichtlichen Versäumnis- und Endurteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von € 80.000,00, aus Ziffer I. 5. und 6. des landgerichtlichen Versäumnis- und Endurteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils € 500,00 sowie im Übrigen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe bzw. in Höhe von 115% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Entscheidungsgründe
1
Die Parteien streiten um die Verletzung zweier deutscher Marken durch den Vertrieb von Parfüms.
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Die Klägerin mit Sitz in der Schweiz stellt Duftwässer her und vertreibt sie, so unter anderem Parfüms unter den Marken „H. B.“ und „E.“. Die Beklagte ist eine spanische Parfümhändlerin.
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Inhaberin der deutschen Wortmarke „H. B.“ mit der Nr. DE …62 (Anlage K 1), die Schutz unter anderem für Parfümerien, Seifen, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege und Mittel zur Haarpflege einschließlich Haarwässer genießt, ist die H. B. Trade M1. M2. GmbH & Co. KG in M.
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Inhaberin der deutschen Wortmarke „E.“ mit der Nr. DE …21 (Anlage K 1) mit Schutz für Parfümerien sowie Mittel zu Körper- und Schönheitspflege ist die Z. Verwaltungsgesellschaft mbH in N.
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Die Beklagte lieferte im März 2017 an eine H.P. GmbH 150 Exemplare des Parfüms H. B. Woman EdP 90 ml (Anlage K 4), bei denen es sich um Parallelimporte handelte, da die Produkte von der Klägerin ursprünglich in den USA in Verkehr gebracht worden waren (Anlage K 5). Eine Zustimmung zum Reimport in den Europäischen Wirtschaftsraum war nicht erfolgt. Die Beklagte erzielte mit der Lieferung einen Gewinn von € 195,30.
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Zudem lieferte die Beklagte im November 2017 an die H. P. GmbH 72 Exemplare des Parfüms H. B. Jour EdP 30 ml. 32 der 72 Exemplare waren ursprünglich an einen Kunden in China geliefert worden, wobei wiederum keine Zustimmung zum Reimport der Produkte in den Europäischen Wirtschaftsraum vorlag. Die übrigen 40 Exemplare des Parfüms stammten aus einem Diebstahl von einem Unternehmensgelände der Klägerin in Italien. Der Klägerin ist nicht bekannt, ob die Beklagte beim Verkauf der 72 Exemplare einen Gewinn erzielte.
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Die Klägerin ließ die Beklagte durch Anwaltsschreiben vom 15.05.2017 (Anlage K 7) und 27.11.2017 (Anlage K 12) abmahnen.
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Die Klägerin ist der Auffassung, sie sei im Hinblick auf die geltend gemachten Verletzungen beider Marken prozessführungsbefugt und aktivlegitimiert.
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Ihr stehe gegen die Beklagte nicht nur ein Unterlassungsanspruch wegen des tatsächlichen Vertriebes der genannten Exemplare von „H. B.“-Parfüms, sondern aufgrund von Erstbegehungsgefahr auch bezüglich der weiteren von ihr selektiv vertriebenen Produkte der Marke „E.“ zu.
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Daneben könne sie Schadensersatz, Ersatz der Abmahnkosten und im Hinblick auf die Parfüms H. B. Jour EdP 30 ml, für die ihr ein Gewinn nicht bekannt sei, auch Auskunft zur Vorbereitung und Bezifferung des Schadensersatzes sowie Schadensersatzfeststellung verlangen.
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Die Beklagte ist der Auffassung, die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert. Die Klagemarken würden nicht rechtserhaltend benutzt. Im Hinblick auf die Marke „E.“ fehle es an einer Verletzungshandlung. Eine Erstbegehungsgefahr bestehe nicht.
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Das Landgericht hat am 17.06.2019 ein Versäumnis- und Endurteil (Bl. 41/52 d.A.) mit folgendem Tenor erlassen:
I. Die Beklagte wird im Wege der Säumnis verurteilt,
- 1.
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Es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,- Euro, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, zu unterlassen, Duftwässer und Kosmetikprodukte der Marken H. B. und/oder E. in Deutschland einzuführen, dort anzubieten, zu bewerben und/oder zu vertreiben und/oder dort einführen, anbieten, bewerben und/oder vertreiben zu lassen, wenn die Produkte nicht von der jeweiligen Markeninhaberin selbst oder von einem Dritten mit deren Zustimmung im Inland, in einem der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erstmals in den Verkehr gebracht worden sind;
- 2.
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an die Klägerin 1.973,90 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.07.2017 zu zahlen;
- 3.
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an die Klägerin weitere 195,30 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.07.2018 zu zahlen;
- 4.
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an die Klägerin weitere 1.973,90 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.12.2017 zu zahlen;
- 5.
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der Klägerin Auskunft zu erteilen über den Vorlieferanten der 72 Exemplare H. B. Jour EdP 30 ml, die die Beklagte am 08.11.2017 unter der Rechnung mit der Nummer 1999 an die H. P. GmbH geliefert hat, unter Vorlage von aussagekräftigen Rechnungen und Lieferbelegen;
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der H. B. T. M2. GmbH & Co. KG Auskunft über den Umfang zu erteilen, in dem sie die H. B. Jour EdP 30 ml der Vorlieferantin gemäß Ziffer I. 5 vertrieben hat, unter Angabe ihrer vollständigen Umsätze nach Art einer geordneten Rechnungslegung sowie des von der Beklagten erzielten Gewinns.
II. Im Wege der Säumnis wird festgestellt, dass die Beklagte der H. B. T. M2. GmbH & Co. KG den Schaden zu ersetzen hat, der dieser aus dem Vertrieb von außereuropäischen Duftwässern und Kosmetikprodukten der Marke H. B. (festgestellte Verletzung) entstanden ist und der über Ziffern I. 2, I. 3 und I. 4 hinausgeht.
III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
VI. Der Streitwert wird endgültig auf 110.195,30 Euro festgesetzt.
VII. Soweit die Klage abgewiesen wurde, wird die Berufung nicht zugelassen.
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Auf den Einspruch der Beklagten hin hat das Landgericht das Versäumnis- und Endurteil, soweit es ein Versäumnisurteil ist, durch Endurteil vom 10.11.2020 (Bl. 141/155 d.A.) aufrechterhalten.
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Die Beklagte greift dieses Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens mit ihrer Berufung vom 10.12.2020 an.
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Die Beklagte beantragt,
I. Das Urteil des Landgerichts München I, Aktenzeichen 33 O 3709/18 vom 10.11.2020 wird aufgehoben.
II. Die Klage wird abgewiesen.
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Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
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Zur Ergänzung wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 09.12.2021 sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
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Die Berufung der Klägerin ist zulässig aber unbegründet.
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1. Die in jeder Lage des Verfahrens zu prüfende internationale Zuständigkeit ergibt sich aus Art. 7 Nr. 2 EuGVVO i.V.m. Art. 73 Abs. 1 EuGVVO und Art. 64 Abs. 2 lit. a) LugÜ. Zudem hat sich die Beklagte nach Art. 26 Abs. 1 EuGVVO rügelos eingelassen.
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2. Deutsches Recht ist nach Art. 8 Abs. 1 Rom II-VO anwendbar, da die Klägerin Markenschutz für Deutschland beansprucht.
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3. Die Klägerin ist im Hinblick auf beide Klagemarken, nämlich „H. B.“ und „E.“, für die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Ersatz vorgerichtlicher Kosten, Schadensersatz sowie Schadensersatzfeststellung aus §§ 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5, Abs. 6; 19 Abs. 1, Abs. 3 MarkenG; §§ 242; 683 Satz 2, 667, 670 BGB aktivlegitimiert.
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Soweit die Beklagte mit ihrer Berufung rügt, das Landgericht hätte die Aktivlegitimation für Auskunfts- und Schadensersatzansprüche Dritter nicht annehmen dürfen, weil kein Fall des § 30 Abs. 3 oder Abs. 4 MarkenG vorliege, dringt sie damit nicht durch. Ausweislich der Bestätigungen in Anlage K 28 haben beide Inhaberinnen der Marken „H. B.“ und „E.“ die Klägerin als ausschließliche Lizenznehmerin ermächtigt, Rechte aus den Markeneintragungen umfassend gegen die Beklagte geltend zu machen, einschließlich der Rechte, Unterlassungsansprüche geltend zu machen und Auskünfte und Schadensersatz zu verlangen. Die Klägerin sollte hiernach ferner berechtigt sein, sämtliche Auskünfte im Zusammenhang mit dem hiesigen Verfahren unmittelbar an sich selbst zu verlangen, Ansprüche auf Schadensersatz einzuziehen und entsprechende Zahlungen mit befreiender Wirkung für die jeweilige Markeninhaberin entgegenzunehmen.
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Zwar eröffnet § 30 Abs. 3 MarkenG dem Lizenznehmer alleine die Prozessführungsbefugnis, die Vorschrift verleiht jedoch keine Aktivlegitimation, so dass dem Lizenznehmer kein eigener Schadensersatzanspruch oder Auskunftsanspruch aus der verletzten Marke zusteht (BGH GRUR 2012, 630 Rn. 49 - Converse II). Dies hat zwar zur Folge, dass der Lizenznehmer auch mit Zustimmung des Markeninhabers grundsätzlich nur auf Zahlung bzw. Auskunftserteilung an den Markeninhaber klagen kann, etwas anderes gilt jedoch, wenn der Markeninhaber den ausschließlichen Lizenznehmer ebenfalls materiell zum Einzug der eigenen Forderung berechtigt (OLG Köln WRP 2009, 1290, 1295 - AQUA CLEAN KOI; BeckOK MarkenR/Taxhet, 27. Ed. 1.7.2021, MarkenG, § 30, Rn. 97).
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Letzteres ist im hiesigen Verfahren der Fall. Entsprechend der Anlage K 28 haben die Markeninhaberinnen die Klägerin nicht nur prozessual zur Geltendmachung der entsprechenden Ansprüche ermächtigt, sondern auch eine materiellrechtlich wirkende Einzugsermächtigung erteilt, so dass die Klägerin verlangen kann, dass die Auskünfte an sie selbst erteilt und Schadensersatz direkt an sie geleistet wird. Auf einen Beitritt nach § 30 Abs. 4 MarkenG kommt es vorliegend nicht an.
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4. Die deutschen Marken „H. B.“ und „E.“ wurden auch rechtserhaltend im Sinne von §§ 25 Abs. 1, 26 MarkenG benutzt.
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aa) Nach § 25 Abs. 2 MarkenG trägt der Verletzungskläger die Darlegungs- und Beweislast für die rechtserhaltende Benutzung der Klagemarke.
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bb) Ihrer Darlegungslast ist die Klägerin dadurch nachgekommen, dass sie die Benutzung der Marke „H. B.“ durch das Anlagenkonvolut K 21 dargelegt hat, wodurch - inhaltlich unbestritten - der Vertrieb von Parfümprodukten unter der Marke in diversen Ladengeschäften im ganzen Bundesgebiet in den Jahren 2016, 2017, 2018 und 2019 dargestellt wird, so dass es auf das wegen der teilweisen Verwendung abweichender Zeichen wie „H.“ und „B.“, der umfangreichen Schwärzungen sowie der unterschiedlichen Produkte wie z.B. Duschgel im Einzelnen nicht nachvollziehbare Anlagenkonvolut K 19 nicht ankommt.
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Im Hinblick auf die Verwendung der Marke „E.“ für Parfüms hat die Klägerin ihrer Darlegungslast durch die Anlage K 26 genügt, durch die ebenfalls der - inhaltlich unbestrittene - Vertrieb entsprechender Parfüms mit der Marke in verschiedenen Ladengeschäften sowie die Verwendung durch Werbeflyer in den Jahren 2015, 2016, 2017, 2018 und 2019 belegt wird. Auch insoweit kommt es auf das nur teilweise nachvollziehbare Anlagenkonvolut K 24 nicht an.
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Soweit die Beklagte moniert, eine rechtserhaltende Benutzung sei nicht anzunehmen, da nach dem Vortrag der Klägerin vollkommen offenbleibe, welche Umsätze mit welcher Gestaltungsführung für welches Produkt erwirtschaftet worden sein sollen, kann dem nicht gefolgt werden. Eine Marke muss für die Annahme der Ernsthaftigkeit ihrer Benutzung in einer üblichen und wirtschaftlich sinnvollen Art und Weise benutzt werden (BGH GRUR 2013, 725 Rn. 38 - Duff Beer). Hierzu ist es erforderlich, dass der Inhaber die Marke benutzt, um für die jeweiligen Waren oder Dienstleistungen einen Marktanteil zu gewinnen oder zu behalten (EuGH GRUR 2003, 425 Rn. 37, 43 - Ansul/Ajax; BGH GRUR 2012, 180 Rn. 42 - Werbegeschenke; GRUR 2012, 1261 Rn. 12 - Orion). Allerdings kann auch eine geringfügige Verwendung der Marke ausreichend sein. Es gibt zwar keine Deminimis-Regel, allerdings muss die Benutzung einer Marke nicht immer umfangreich sein (EuGH Slg. I 2004, 1161 Rn. 25 - La Mer Technology; GRUR 2003, 425 Rn. 35-39 - Ansul/Ajax; GRUR 2006, 582 Rn. 72-74 - VITAFRUIT; BGH GRUR 2006, 152 Rn. 24 - GALLUP).
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Hiernach ist vom hinreichenden Nachweis einer ausreichenden Benutzung durch die Dokumentation von Verkaufsständen und Flyern gemäß den Anlagen K 21 und K 26 auszugehen, da diese eine erhebliche Benutzung der Klagemarken an einer Vielzahl von Orten und über einen längeren Zeitraum belegen. Die Anlage K 21 zeigt auf den in Ladengeschäften vorhandenen Aufstellern gerade die Verwendung des Zeichens „H. B.“ für dort abgebildete Parfümflacons und die Verwendung unterhalb eines Zeichens „B.“, wobei teilweise die Parfüms nicht nur mit abgebildet sind, sondern zusätzlich auch in vitrinenartigen Kästen oder Regalen präsentiert werden. Auch aus der Anlage K 26 ergibt sich die Verwendung des konkreten Zeichens „E.“ für Parfüms, zumal dort wiederum in Regalen mit dem Zeichen kartonverpackte Flacons mit dem gleichen Zeichen aufscheinen, Schaufensterdekorationen mit gekennzeichneten Werbeaufstellern um Glasflakons in auffälliger Größer ergänzt werden und auch die Werbeflyer wiederum Flacons abbilden, auf denen das Zeichen selbst zu sehen ist und wo es in der Artikelbeschreibung wiederholt wird.
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Auf die von der Beklagten infrage gestellte Benutzung durch sie selbst gemäß Anlage K 18 und die diskutierte Rechtsprechung des OLG Frankfurt a.M. kommt es daher nicht an.
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5. Soweit die Beklagte rügt, es fehle bereits an einer vorgetragenen Verletzungshandlung im Hinblick auf die Marke „E.“, so dass die Klägerin hierfür keine Unterlassungsansprüche geltend machen könne, dringt sie damit nicht durch. Zu Recht hat das Landgericht aufgrund der Verletzungshandlungen für Parfüms der Marke „H. B.“ eine Erstbegehungsgefahr nach § 14 Abs. 5 Satz 2 MarkenG auch für Verletzungshandlungen bezüglich Parfüms der Marke „E.“ angenommen.
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Hat ein Beklagter ein bestimmtes Schutzrecht verletzt, begründet dies nicht ohne weiteres die Vermutung, dass er auch andere dem Verletzungskläger zustehende oder von ihm berechtigt wahrgenommene Schutzrechte verletzen wird. Für die Annahme einer solchen Begehungsgefahr kann aber die Lebenserfahrung sprechen: so ist es für Außenseiter-Händler attraktiv, Duftwässer, die über ein selektives Vertriebssystem abgesetzt werden, auf dem Graumarkt zu beschaffen, um so ihre Kunden auch mit solchen hochpreisigen, exklusiven Produkten beliefern zu können. Dabei wird der Außenseiter-Händler in der Regel versuchen, durch ein Angebot der verschiedenen Luxusparfüms die unterschiedlichen Kundenpräferenzen möglichst weitgehend abzudecken, so dass davon auszugehen ist, dass er auch verschiedene gleichartige Luxusparfüms beschaffen wird (BGH GRUR 2006, 421 Rn. 39 ff. - Markenparfümverkäufe).
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Nach diesen Grundsätzen ist auch vorliegend der Lebenserfahrung nach davon auszugehen, dass die Beklagte ebenso, wie sie sich Graumarkt-Ware von „H. B.“-Parfums aus den USA und China verschafft hat, sich auch Luxusparfüms der Marke „E.“ auf diesem Weg verschaffen wird, um als Außenseiterin gegenüber dem Vertrieb durch die Klägerin ihre Kunden mit einem breiten Sortiment solch gleichartiger Parfüms beliefern zu können. Ihrer eigenen Internetseite (Anlage K 18) ist zu entnehmen, dass sie selbst beabsichtigt, auch E.-Parfüms zu vertreiben oder dies tatsächlich tut, wobei sie auch ausdrücklich auf ihre Internationalität verweist.
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Diesbezüglich kommt es auf die Frage, ob die Klägerin selbst Markeninhaberin oder von dieser zur Prozessführung ermächtigte und materiellrechtlich zur Einziehung befugte ausschließliche Lizenznehmerin ist, nicht an, zumal die oben genannten Grundsätze vom BGH auch für den Fall der berechtigten Wahrnehmung von Schutzrechten aufgestellt worden sind (BGH, a.a.O., Rn. 40 - Markenparfümverkäufe).
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Im Ergebnis ist daher auch für den Vertrieb von nicht erschöpfter Graumarktware von „E.“-Parfüms, für die die Klägerin die Rechte der Markeninhaberin wahrnimmt, von einer Erstbegehungsgefahr im Sinne von § 14 Abs. 5 Satz 2 MarkenG auszugehen. Dass und warum hierbei eine rechtsmissbräuchliche Bündelung von Markenrechten Dritter erfolgt sein soll, um die Beklagte gegenüber der Situation zu benachteiligen, in denen keine ermächtigten und zur Einziehung befugte Lizenznehmer tätig werden, ist nicht ersichtlich.
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6. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Die Rechtssache hat aufgrund ihres Einzelfallcharakters keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor.