Inhalt

LG München I, Endurteil v. 20.07.2021 – 33 O 7534/21
Titel:

Erfolgreicher Verfügungsantrag aus einer Unionsmarke für die Vermittlung von Online-Zahlungsdienstleistungen 

Normenketten:
UMV Art. 9 Abs. 2 Buchst. b, Art. 3, Art. 125 Abs. 5, Art. 126 Abs. 2, Art. 130 Abs. 1
ZPO § 921 S. 1, § 936
Leitsätze:
1. Einem Antrag fehlt nicht wegen unzulässigen forum shoppings das Rechtsschutzbedürfnis, weil die antragstellende Inhaberin einer in Benutzungsschonfrist befindlichen Unionsmarke gegen eine Zeichenverwendung in einem Mitgliedstaat vorgeht, auf dessen Markt sie bisher noch nicht aktiv geworden ist. Dies gilt jedenfalls, sofern sie eine Verletzungshandlung im Inland substantiiert behauptet und Anhaltspunkte dafür fehlen, dass dies in rechtlich zu missbilligender Weise nur zu dem Zweck erfolgt, Druck auf die Antragsgegnerin auf anderen Märkten auszuüben. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein relevanter Inlandsbezug (commercial effect) liegt vor, wenn eine in englischer Sprache gehaltene Ankündigung einen Internet-Dienst für Zahlungsdienstleistungen als global agierendes soziales Medium betrifft, das auf die weltweite Kommunikation und Vernetzung der registrierten Teilnehmer zielt und sich damit auch an deutsche Verkehrskreise richtet. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verwechslungsgefahr, Eintragung, Leistungen, Zeichen, Dienstleistungen, Vollziehung, Mitgliedstaat, Unterlassungsanspruch, Internet, Gerichtsstand, Versicherung, Kennzeichnungskraft, Anlage, Markenverletzung, eidesstattliche Versicherung, Bundesrepublik Deutschland, einstweiligen Rechtsschutz
Fundstelle:
GRUR-RS 2021, 24332

Tenor

I. Der Antragsgegnerin wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu EUR 250.000,00 und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle der Wiederholung bis zu zwei Jahren, letztere zu vollziehen an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern,
verboten,
im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland das Zeichen „Tip Jar“ für die Vermittlung von Zahlungsdienstleistungen zu benutzen.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

1
Die Antragstellerin verfolgt im Wege der einstweiligen Verfügung gegenüber der Antragsgegnerin einen markenrechtlichen Unterlassungsanspruch.
2
Die Antragstellerin hat nach eigenem, unbestritten gebliebenen Vortrag unter dem Zeichen „TIPJAR“ eine online Plattform für den bargeldlosen Zahlungsverkehr entwickelt und auf den Markt gebracht (vgl. Screenshots, Anlage ASt 1). Sie ist Inhaberin der am 06.05.2020 angemeldeten und am 28.10.2020 eingetragenen Unionswortmarke Nr. 018 235 145 „TIPJAR“ (nachfolgend: Verfügungsmarke). Das Zeichen beansprucht Schutz u.a. für Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 36 und 42, nämlich „Software und herunterladbare Anwendungssoftware für die Verarbeitung, Ausführung, Verwaltung von Geldgeschäften und Transaktionen mit Wertinstrumenten; Software für elektronische, Online-, E-Commerce-Zahlungen; Software für die Erleichterung und Durchführung des Transfers von Werteinheiten; Banking-Software; Zahlungsbearbeitung; Elektronischer Zahlungsverkehr; Zahlungsverkehr; Elektronische Zahlungsdienste; Finanzwesen; Vermögenstransferdienste; Vermittlungsdienste für Finanzierungen; Internationale Bankgeschäfte, Elektronische Bankgeschäfte, Online-Banking und Private Banking; Abwicklung von Transaktionen für Dritte; Einziehung von Geldern; Software as a Service [SaaS] für oder in Bezug auf Finanzgeschäfte, Geldgeschäfte, Bankgeschäfte, sichere Hinterlegung, Maklerdienste, Vermittlungsdienste, Investmentgeschäfte, Umtausch, Handel und Transferdienstleistungen“ (Registerauszug, Anlage ASt 2). Eine Geschäftstätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland unterhält die Antragstellerin nicht.
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Die Antragsgegnerin ist Teil des T…-Konzerns, der den bekannten Microblogging Dienst „T…“ betreibt. Die Antragsgegnerin mit Sitz in Irland ist für den Betrieb dieses Dienstes innerhalb der gesamten EU verantwortlich (Wikipedia-Auszug, Anlage ASt 3, Internetauszug, Anlage Ast 4, eidesstattliche Versicherung …, Anlage AG 1).
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Am 06.05.2021 wurde auf der Website https://blog….r.com/en_us/topics/product/2021/introducing-tip-jar.html unter der Überschrift „Introducing Tip Jar“ die Einführung einer neuen Funktion mit Namen „Tip Jar“ auf dem Microblogging-Dienst „T…“ angekündigt (Screenshots, Anlage ASt 5).
5
Die für das Verfahren relevanten Passagen in dem Beitrag lauten:
„Tip Jar allows people to add external links to their third-party payment accounts so others can send them tips directly through those third-party services.“
„Tip Jar is an easy way to support the incredible voices that make up the conversation on T…. This is a first step in our work to create new ways for people to receive and show support on T… - with money.“
6
Die „Tip Jar“-Funktion soll es Nutzern ermöglichen, anderen Nutzern für bestimmte Beiträge ein Trinkgeld zukommen zu lassen. Die Zuweisung des Trinkgeldes soll dabei unter Einbindung eines externen Zahlungsdienstleisters, wie etwa P…, erfolgen (Screenshots, Anlage ASt 5). Die „Tip Jar“ - Funktion befindet sich derzeit in der Beta-Phase und erlaubt nur einer begrenzten Anzahl von Personen weltweit, ihrem T… Konto eine Trinkgeldkasse hinzuzufügen. „Tip Jar“-Dienstleistungen sind zudem nur dort erhältlich, wo der betreffende Nutzer T… in englischer Sprache benutzt. In der deutschen Sprachfassung wird der Service standardmäßig als Trinkgeldkasse bezeichnet, in den Sprachfassungen anderer Länder der EU mit dem jeweiligen landessprachlichen Begriff (eidesstattliche Versicherung, Anlage AG 1, Internetausdrucke, Anlagen AG 4 und AG 14). Potentiell ist die englischsprachige Version der T…-App auch auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nutzbar. Hierfür bedarf es aber, so die Menüsprache des betreffenden Smartphones Deutsch ist, einer Änderung der Spracheinstellung des jeweiligen Mobiltelefons.
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Die „Tip Jar“-Funktion wird auf dem von T… betriebenen Microblogging-Dienst in erster Linie mit einem „Geldschein-Symbol“ gekennzeichnet, dass sich mittig im oberen Drittel der Startseite des jeweiligen Nutzerkontos befindet. Bei Anklicken dieses Symbols erscheint einmalig der Begriff „Tip Jar“ wörtlich in der T…-App (zu den Einzelheiten vgl. Schriftsatz vom 09.06.2021, S. 2/3, Bl. 24/25 d.A., Antragserwiderung S. 6/7, Bl. 35/36 d.A., eidesstattliche Versicherung, Anlage AG 1).
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Die verfahrensgegenständliche Ankündigung der Einführung der Zahlungsfunktion „Tip Jar“ bei T… erhielt weltweit mediale Aufmerksamkeit, so auch in Deutschland (Presseartikel, Anlagen ASt 6 und ASt 7).
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Wegen der Ankündigung im Internet (Anlage ASt. 5) ließ die Antragstellerin die Antragsgegnerin mit englischsprachigem Anwaltsschreiben vom 21.05.2021 abmahnen und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auffordern (Abmahnung, Anlage ASt. 8). Daran anschließende vorgerichtliche Korrespondenz der Parteien führte nicht zu einer gütlichen Einigung (vgl. Korrespondenz, Anlage ASt. 9). Die Antragsgegnerin hat insbesondere die geforderte Unterlassungserklärung nicht abgegeben.
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Die Antragstellerin trägt vor, unter dem Zeichen „Tip Jar“ bewerbe und biete die Antragsgegnerin Online-Zahlungsdienste an. Die betreffende Website werde ausweislich des Impressums (Screenshot, Anlage ASt. 4) von der Antragsgegnerin betrieben. Die Mitteilung richte sich zudem auch an Nutzer in Deutschland, denn die Ausführungen seien in Deutschland abrufbar. Es liege zudem durch das Betreiben des Zahlungsdienstes unter dem Zeichen „Tip Jar“ eine relevante Verletzungshandlung vor. Die Annahme einer solchen sei nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil die Benutzung in englischer Sprache erfolge. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass von den rund 2,8 Millionen wöchentlichen und 1,4 Millionen täglichen T…-Nutzern in Deutschland eine wesentliche Anzahl, nämlich mehr als 132.500 Nutzer, ihr Konto des Kurznachrichtendienstes in englischer Sprache verwende (vgl. Verkehrsbefragung, Anlage ASt 16) und somit „Tip Jar“-Dienstleistungen beanspruchen könne. Der Umstand, dass in Deutschland regelmäßig Deutsch als Sprache des Microblogging-Dienstes der Antragsgegnerin voreingestellt sei, ändere hieran nichts. So sei eine Änderung der Spracheinstellungen ohne erheblichen Aufwand möglich (zu Einzelheiten Replik S. 16/19, Bl. 94/97 d.A.). Die Tatsache, dass auch deutsche Nutzer T… auf Englisch verwendeten, sei auch aus zahlreichen Beiträgen solcher Nutzer ersichtlich. Von diesen werde der verfahrensgegenständliche Dienst der Antragsgegnerin nämlich ebenfalls als „Tip Jar“ bezeichnet (Screenshots, Anlage ASt 13).
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Die Antragstellerin ist der Ansicht, die Verwendung des Begriffs „Tip Jar“ in der verfahrensgegenständlichen Mitteilung (Anlage ASt 5) sowie auf der Online-Plattform T… greife in die Rechte an der Verfügungsmarke ein. Der Begriff „Tip Jar“ werde in den angegriffenen Verletzungshandlungen markenmäßig verwendet, eine rein beschreibende Verwendung, wie sie von der Antragsgegnerin vertreten werde, liege nicht vor. Auch sei kennzeichenrechtliche Verwechslungsgefahr nach Art. 9 Abs. 2 lit. b) UMV gegeben. Die Verfügungsmarke sei jedenfalls durchschnittlich kennzeichnungskräftig, zwischen den sich gegenüberstehenden Zeichen bestehe Identität. Ferner sei von Waren- bzw. Dienstleistungsidentität oder wenigstens hochgradiger Ähnlichkeit auszugehen. Die Antragsgegnerin benutze das Zeichen „Tip Jar“ auch in Deutschland. Ein relevanter Inlandsbezug sei sowohl in Bezug auf die Bewerbung im Internet als auch in Bezug auf die Nutzung auf der Plattform selbst gegeben. Eine solche könne die Antragsgegnerin ohne weiteres durch Geoblocking technisch verhindern. In anderem Zusammenhang mache sie von der Möglichkeit des Geoblocking auch durchaus Gebrauch (Screenshots, Anlage ASt 20). Folglich liege der von der Rechtsprechung geforderte commercial effect vor.
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Die Antragstellerin beantragt zuletzt:
Der Antragsgegnerin wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 Euro, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, letztere zu vollziehen an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern der Antragsgegnerin verboten, im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland das Zeichen
Tip Jar
für die Vermittlung von Zahlungsdienstleistungen zu benutzen. Sie stützt ihren Anspruch in erster Linie auf das Vorliegen von Wiederholungsgefahr und lediglich hilfsweise auf das Bestehen von Erstbegehungsgefahr.
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Die Antragsgegnerin beantragt:
I. Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen;
II. hilfsweise im Falle des Erlasses eine Umstellungsfrist von acht Wochen anzuordnen;
III. weiter hilfsweise, die Anordnung oder Vollziehung der einstweiligen Verfügung von einer Sicherheitsleistung der Antragstellerin gemäß §§ 936, 921 S. 1 ZPO abhängig zu machen.
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Die Antragsgegnerin behauptet, die Website, auf der die angegriffene Ankündigung von „Tip Jar“ vorgehalten werde, werde nicht von ihr, sondern von ihrer US-amerikanischen Muttergesellschaft, der T. Inc., betrieben. In der Mitteilung würden auch keine Online-Zahlungsdienste beworben. Der Begriff „Tip Jar“ bezeichne dort lediglich die Plattform-interne Funktion, Trinkgelder zu geben und zu erhalten. Soweit die Antragstellerin vortrage, eine wesentliche Anzahl der wöchentlichen und täglichen T…-Nutzer verwendeten ihr T…-Konto in englischer Sprache, werde dies bestritten. Aus der von der Antragstellerin vorgelegten Verkehrsbefragung folge nichts Gegenteiliges. Diese sei zahlreichen Einwänden ausgesetzt. So sei aus der Umfrage die ihr zugrundeliegende Methodik schon nicht ersichtlich. Darüber hinaus werde auch die Aussagekraft der aus der Umfrage folgenden Ergebnisse in Frage gestellt.
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Die Antragsgegnerin meint, der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sei unter mehreren Gesichtspunkten bereits unzulässig. Zum einen nämlich betreibe die Antragstellerin durch Wahl des Gerichtsstandes ein unzulässiges Forum Shopping. Der Gerichtsstand sei allein deshalb gewählt worden, um in den Genuss der Vorzüge des deutschen Verfahrensrechts zu kommen und somit auf schnelle Weise einen Titel im einstweiligen Rechtsschutz zu erlangen. Um eine Unterbindung einer etwaigen Zeichennutzung in Deutschland gehe es der Antragstellerin nicht. Vielmehr verfolge sie einzig und allein das Ziel, Druck auf die Antragsgegnerin auf anderen Märkten auszuüben.
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Die Antragsgegnerin ist weiter der Auffassung, es liege keine Verletzung der Verfügungsmarke vor. Das angegriffene Zeichen „Tip Jar“ werde in den verfahrensgegenständlichen Benutzungen schon nicht markenmäßig verwendet. Der Begriff „Tip Jar“ sei vielmehr glatt beschreibend für einen Behälter zum Empfang von Trinkgeldern (Übersetzung, Anlage AG 5, Auszug Wikipedia, Anlage AG 6), wie er gerade in der US-amerikanischen Gastronomie vielfach vorzufinden sei (Artikel, Anlage AG 7). Auch in Deutschland sei der Begriff „Tip Jar“ üblich geworden und werde von den deutschen Verkehrskreisen sofort verstanden (SZ-Artikel, Anlage AG 8, Beispiele aus Deutschland, Anlage AG 9). Auch der virtuelle „Tip Jar“ sei - ähnlich wie der virtuelle Einkaufskorb - in Deutschland weit verbreitet. Die Antragsgegnerin benutze den Begriff „Tip Jar“ in den angegriffenen Verletzungsformen auch rein beschreibend. Der Begriff werde nicht blickfangmäßig herausgestellt, ein Fettdruck finde sich allenfalls bei der Verwendung des Zeichens in einer Überschrift. Bei rein beschreibenden Angaben könne eine markenmäßige Benutzung zudem selbst bei blickfangmäßig herausgestellten Bezeichnungen nicht angenommen werden. Daneben bestehe auch keine kennzeichenrechtliche Verwechslungsgefahr. Die Antragsgegnerin nutze das Zeichen allenfalls im Zusammenhang mit einer bloßen Vermittlung. Die Abwicklung der Zahlungen erfolge über einen Drittanbieter. Es fehle daher an der erforderlichen Waren- bzw. Dienstleistungsähnlichkeit. Die Kennzeichnungskraft der Verfügungsmarke sei ferner nicht gegeben, weil diese glatt beschreibend sei.
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Die Antragsgegnerin meint weiter, für die Annahme einer Markenverletzung in Deutschland fehle es am erforderlichen Inlandsbezug. Für deutsche Nutzer der Plattform der Antragsgegnerin sei Deutsch als Sprache standardmäßig eingestellt. Ein deutscher Nutzer müsse einen erheblichen Aufwand betreiben, um die englischsprachige Schreibweise zu sehen zu bekommen. Die allenfalls minimale Zeichennutzung in Deutschland reiche somit für die Annahme eines hinreichenden Inlandsbezugs nicht aus.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.07.2021 (Bl. 121/122 d.A.) Bezug genommen.
19
Das Gericht hat Hinweise gegeben (Bl. 56, 61 d.A.).

Entscheidungsgründe

20
Die einstweilige Verfügung war wie zuletzt beantragt zu erlassen, weil der Antrag zulässig ist und sowohl Verfügungsanspruch als auch Verfügungsgrund glaubhaft gemacht sind.
21
A. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig.
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I. Das angerufene Gericht ist gem. Art. 125 Abs. 5 UMV international zuständig, weil die Antragstellerin eine Verletzungshandlung im Inland durch die Verwendung der angegriffenen Bezeichnung „Tip Jar“ in der auch im Inland abrufbaren Pressemitteilung sowie in der auch im Inland nutzbaren englischen Sprachversion ihres Microblogging-Dienstes schlüssig behauptet hat, mögen auch die Entscheidungen und Maßnahmen im Hinblick auf diese Nutzungshandlungen in einem anderen Mitgliedstaat getroffen worden sein (vgl. EuGH GRUR 2019, 1047 Rn. 64 - AMS Neve/Heritage Audio). Insoweit hat die Antragsgegnerin zu Recht die internationale Zuständigkeit nicht gerügt (vgl. etwa Zöller/Schultzky, ZPO, 33. Auflage, § 39 Rdnr. 4 zur Möglichkeit der rügelosen Einlassung auch im Hinblick auf die internationale Zuständigkeit). Die sachliche Zuständigkeit folgt aus §§ 937 Abs. 1, 943 Abs. 1 ZPO, § 140 Abs. 1 MarkenG, Art. 124 UMV, die örtliche Zuständigkeit aus §§ 937 Abs. 1, 943 Abs. 1, §§ 32, 39 Abs. 1 ZPO.
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II. Der Verfügungsantrag ist dringlich, insbesondere ist mit Einreichung des Antrags am 02.06.2021 bei Gericht die im Bezirk des OLG München geltende strenge Monatsfrist zwischen erstmaliger Kenntniserlangung von dem streitgegenständlichen Verstoß und der Beantragung einer einstweiligen Verfügung (vgl. OLG München, GRUR-RR 2017, 89, 94 m.w.N.) gewahrt. Die Antragstellerin hat unwidersprochen vorgetragen, von der verfahrensgegenständlichen Verletzungshandlung erstmals am 06.05.2021 Kenntnis erlangt zu haben.
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III. Der Antragstellerin fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Ein unzulässiges forum shopping liegt nicht vor. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass ein Marktzutritt der Antragstellerin in Deutschland bislang nicht erfolgt ist. Die Antragstellerin hat durch Anmeldung und Eintragung der Verfügungsmarke als Unionsmarke hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass ihre geschäftliche Tätigkeit nicht auf das Gebiet eines bestimmten Mitgliedsstaates beschränkt ist. Eine Entscheidung über das ob und wie eines Markteintritts in den verschiedenen Mitgliedsstaaten muss ihr jedoch selbst überlassen bleiben. Hinzu kommt, dass sich die im Übrigen sehr junge Verfügungsmarke noch in der Benutzungsschonfrist befindet. Die entsprechenden europarechtlichen Vorschriften der UMV räumen aber dem Markeninhaber unabhängig von der tatsächlichen Zeichennutzung in den ersten fünf Jahren ab der Eintragung das Recht ein, Verletzungshandlungen auf dem gesamten Gebiet der EU zu verhindern (Art. 126, 130 Abs. 1 UMV). Von dieser gesetzlich eingeräumten Möglichkeit hat die Antragstellerin vorliegend Gebrauch gemacht. Zudem hat sie eine Verletzungshandlung im Inland substantiiert behauptet. Anhaltspunkte dafür, dass dies in rechtlich zu missbilligender Weise nur zu dem Zweck erfolgte, Druck auf die Antragsgegnerin auf anderen Märkten auszuüben, sind demgegenüber nicht ersichtlich.
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B. Die Kognitionsbefugnis des Gerichts folgt aus Art. 126 Abs. 2 UMV. Eine Verletzungshandlung auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ist gegeben. Der insoweit erforderliche Inlandsbezug liegt vor.
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I. Ein relevanter Inlandsbezug ist regelmäßig dann gegeben, wenn im Inland unter dem fraglichen Zeichen Waren oder Dienstleistungen angeboten werden. Ob eine relevante Verletzungshandlung im Inland vorliegt, bedarf allerdings dann besonderer Feststellungen, wenn das beanstandete Verhalten seinen Schwerpunkt im Ausland hat (BGH GRUR 2005, 431, 432 - HOTEL MARITIME; BGH GRUR 2018, 417 Rn. 37 - Resistograph). Daher darf nicht jedes im Inland abrufbare Angebot für Dienstleistungen oder Waren aus dem Ausland im Internet bei Verwechslungsgefahr mit einem Kennzeichen kennzeichenrechtliche Ansprüche auslösen. Erforderlich ist vielmehr, dass das Angebot einen hinreichenden wirtschaftlich relevanten Inlandsbezug („commercial effect“) aufweist. Ob ein derartiger Inlandsbezug besteht, ist aufgrund einer Gesamtabwägung der Umstände festzustellen (BGH GRUR 2005, 431, 433 - HOTEL MARITIME; BGH GRUR 2014, 601 Rn. 45 - englischsprachige Pressemitteilung). Dabei sind einerseits die Auswirkungen der Kennzeichenbenutzung auf die inländischen wirtschaftlichen Interessen des Zeicheninhabers zu berücksichtigen. Andererseits ist maßgebend, ob und inwieweit die Rechtsverletzung sich als unvermeidbare Begleiterscheinung technischer oder organisatorischer Sachverhalte darstellt, auf die der in Anspruch Genommene keinen Einfluss hat, oder ob dieser etwa durch die Schaffung von Bestellmöglichkeiten aus dem Inland oder die Lieferung auch ins Inland zielgerichtet von der inländischen Erreichbarkeit profitiert (BGH GRUR 2012, 621 Rn. 36 - OSCAR; BGH GRUR 2018, 417 Rn. 37 - Resistograph).
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II. Gemessen hieran liegt im Streitfall ein relevanter Inlandsbezug vor. Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des konkreten Falles ist zunächst davon auszugehen, dass die verfahrensgegenständliche Ankündigung im Internet (Anlage ASt 5) sich auch an deutsche Verkehrskreise richtete. Dies folgt aus der Überlegung, dass der von der Antragsgegnerin betriebene Microblogging-Dienst ein global agierendes soziales Medium ist. Sinn und Zweck des Programms ist gerade die weltweite Kommunikation und Vernetzung der registrierten Teilnehmer. Daher ist es auch naheliegend, dass die Ankündigung neuer Funktionen etc. in erster Linie in derjenigen Sprache erfolgt, die ein Großteil der Nutzer verstehen wird - nämlich in Englisch, weil es sich hierbei um eine der meistgesprochenen Sprachen der Welt handelt. Folglich richtet sich eine solche Ankündigung auch an sämtliche Nutzer weltweit, mithin auch die deutschen Verkehrskreise. Dafür, dass sich der verfahrensgegenständliche Blog-Beitrag auch an deutsche Verkehrskreise richtete, spricht ferner die Tatsache, dass dieser sowohl in den deutschen Fachmedien (vgl. Anlagen ASt. 6 und ASt. 7) als auch von deutschen T… Nutzern (vgl. Anlagen ASt. 13 und Ast. 14) mit Interesse aufgenommen wurde.
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Aber auch im Hinblick auf die verfahrensgegenständliche Nutzung des Zeichens „Tip Jar“ in der T… App liegt eine Verletzungshandlung auf dem Gebiet der BRD vor. Die Antragstellerin hat insoweit vorgetragen und durch Vorlage einer Verkehrsbefragung glaubhaft gemacht, dass eine nicht unerhebliche Anzahl der deutschen T…-Nutzer die T… App in englischer Sprache benutzen (vgl. Anlage ASt 16). Insoweit liegt auch nicht, wie die Antragsgegnerin meint, ein nur minimaler Inlandsbezug vor. In diesem Zusammenhang ist zu sehen, dass die Antragsgegnerin aufgrund des potentiell überragend großen Nutzerkreises Vorteile aus der internationalen Ausrichtung ihres Microblogging-Dienstes zieht. Demgemäß muss sie auch für die daraus resultierenden Risiken einstehen, die im konkreten Fall darin bestehen können, dass auch deutsche Verkehrskreise die angebotenen Leistungen in englischer Sprache nutzen bzw. anderenfalls geeignete Vorkehrungen - etwa durch Geo-Blocking - treffen, um eine solche Benutzung auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu verhindern.
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C. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist auch begründet, weil die Antragstellerin einen Verfügungsanspruch glaubhaft gemacht hat. Der Antragstellerin steht der geltend gemachte markenrechtliche Unterlassungsanspruch aus Art. 130 Abs. 1 i.V.m. Art. 9 Abs. 2 lit b), Abs. 3 UMV zu, weil die Antragsgegnerin sowohl in der angegriffenen Ankündigung auf der Website (Anlage ASt. 5) also auch in der englischsprachigen Version der T… App das angegriffene Zeichen „Tip Jar“ markenmäßig benutzt und insoweit im Verhältnis zur Verfügungsmarke die Gefahr von Verwechslungen besteht.
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I. Die allgemeinen Voraussetzungen des markenrechtlichen Abwehranspruchs liegen vor Die Antragstellerin ist als Inhaberin der Verfügungsmarke aktivlegitimiert und die angegriffenen Zeichenverwendungen betreffen nicht lediglich den privaten Bereich, stellen daher also ohne Weiteres ein Handeln „im geschäftlichen Verkehr“ i.S.d. Art. 9 Abs. 2 UMV dar.
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II. Die Antragsgegnerin ist auch passivlegitimiert. Dass sie für den Betrieb des Microblogging-Dienstes „T…“ auf dem Gebiet der EU verantwortlich ist, also auch für die Gestaltung der hierauf beruhenden T… App, stellt die Antragsgegnerin nicht in Abrede. Aber auch in Bezug auf die Verantwortlichkeit für die verfahrensgegenständliche Veröffentlichung auf der Internetseite https://blog…..com hat die Antragstellerin die maßgeblichen Umstände glaubhaft gemacht. Aus dem vorgelegten Screenshot des Impressums (Anlage ASt. 4) ergibt sich, dass die Antragsgegnerin die auf der Internetseite www…..com veröffentlichten Inhalte anbietet. Der Einwand der Antragsgegnerin, die betreffende Internetseite werde von ihrer Muttergesellschaft betrieben, kann vor diesem Hintergrund nicht verfangen.
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III. Die Antragsgegnerin benutzt das Zeichen „Tip Jar“ sowohl in der unter https://blog…..com veröffentlichten Ankündigung (Anlage ASt 5) als auch im Rahmen der englischsprachigen Version der T… App markenmäßig.
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1. Eine solche markenmäßige Verwendung ist jedenfalls dann gegeben, wenn die Benutzung im Rahmen des Produkt- oder Leistungsabsatzes jedenfalls auch zur Unterscheidung der Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer dient (st. Rspr., vgl. nur EuGH GRUR 2003, 55, 57 f. - Arsenal Football Club; BGH, GRUR 2017, 397 Rn. 92 - World of Warcraft II; BGH, GRUR 2017, 730 Rn. 21 - Sierpinski-Dreieck; BGH, GRUR 2017, 520 Rn. Rn. 26 - MICRO COTTON). Eine rein beschreibende Verwendung stellt ebenso wenig eine relevante Benutzung dar wie ein rein dekorativer Gebrauch des Zeichens (vgl. EuGH, GRUR 2009, 756 Rn. 61 - L’Oreal/Bellure). Dabei ist allerdings von dem Grundsatz auszugehen, dass im Zweifel ein markenmäßiger Gebrauch vorliegt. Nur wenn das Zeichen zweifelsfrei nicht in diesem Sinne als betriebliches Herkunftszeichen aufgefasst wird, ist ein solcher zu verneinen (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Auflage, § 14 Rdnr. 143 ff.).
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Für die Frage, ob im konkreten Fall eine markenmäßige Benutzung vorliegt, ist auf das Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise abzustellen. Maßgeblich ist regelmäßig das Verständnis eines allgemein informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers (vgl. EuGH GRUR Int. 2010, 129 Rn. 61 - La Española/Carbonell; EuGH GRUR 2010, 1098 - Calvin Klein/HABM; BGH GRUR 2011, 148 Rn. 13 - Goldhase II; BGH GRUR 2010, 833 Rn. 12 - Maltesterkreuz II). Dieses Verkehrsverständnis kann die Kammer vorliegend selbst feststellen, weil ihre Mitglieder als Durchschnittsverbraucher und Nutzer von Zahlungsdiensten im Internet zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören (st. Rspr., vgl. nur OLG München GRUR-RR 2016, 270 - Klosterseer).
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2. Gemessen hieran stellt sich die Benutzung des Zeichens „Tip Jar“ sowohl in der im Internet vorgehaltenen Ankündigung (Anlage Ast. 5) als auch in der englischsprachigen Version der T… App als markenmäßig dar. Bei der Ankündigung im Internet ist das Zeichen jedenfalls in der Überschrift blickfangmäßig ausgestaltet. Ein rein beschreibender Zeichengebrauch liegt entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht vor. Ein solcher lediglich beschreibender Gebrauch setzt voraus, dass die angesprochenen Verkehrskreise das Wort „Tip Jar“ klar und ohne Weiteres nur als englische Entsprechung einer Beschreibung für einen Zahlungsdienst bzw. die Dienstleistung einer Zahlungsdienstvermittlung auffassen. Dies ist aber nicht der Fall. Selbst wenn man der Antragsgegnerin darin folgen würde, dass das Behältnis der Trinkgeldkasse - im Englischen „Tip Jar“ - den angesprochenen Verkehrskreisen geläufig sei, so folgt daraus lediglich, dass eine markenmäßige Benutzung gerade für ein solches Behältnis ausscheidet. Die Antragsgegnerin benutzt das Zeichen „Tip Jar“ allerdings nicht für eine klassische Trinkgeldkasse, die darüber hinaus mehrheitlich in den US-amerikanischen Gastronomien vorzufinden ist, sondern zur Kennzeichnung der Vermittlung bestimmter Zahlungsdienstleistungen. Insoweit verfängt das Argument der Antragsgegnerin nicht, die angesprochenen Verkehrskreise würden die Kennzeichnung als virtuelle Entsprechung der analogen Trinkgeldkasse, ähnlich der virtuellen Einkaufstasche in diversen Online-Shops, begreifen. Denn einerseits benutzt die Antragsgegnerin die angegriffene Bezeichnung nicht wie eine virtuelle Trinkgeldkasse, sondern allein für die Vermittlung bestimmter Zahlungsdienste. Andererseits ist zu sehen, dass die virtuelle Trinkgeldkasse einen nicht im Ansatz so hohen Verbreitungsgrad aufweist, wie der virtuelle Einkaufskorb, der letztlich in nahezu jedem Online-Shop vorzufinden ist. Schon wegen der noch nur vereinzelten Verbreitung dieses Phänomens - die Streitparteien sind bislang die einzigen Nutzer des Zeichens auf dem Gebiet des E-Commerce - ist es aus Sicht der Kammer ausgeschlossen, dass die angesprochenen Verkehrskreise das Zeichen „Tip Jar“ allein als Beschreibung einer virtuellen Trinkgeldkasse auffassen.
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IV. Zwischen den kollidierenden Zeichen „TIPJAR“ und „Tip Jar“ besteht kennzeichenrechtliche Verwechslungsgefahr gem. Art. 9 Abs. 2 lit. b) UMV.
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1. Die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr impliziert eine Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, wobei ein geringer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (EuGH GRUR 1998, 922 Rn. 17 - Canon; EUGH GRUR 2008, 343 Rn. 48 - BAINBRIDGE; EuGH GRUR Int. 2009, 397 Rn. 46 - MOBELIX/OBELIX). Hiernach ist wegen des Vorliegens hochgradiger Zeichenähnlichkeit sowie jedenfalls hochgradiger Dienstleistungsähnlichkeit eine Verwechslungsgefahr selbst bei Annahme von leicht unterdurchschnittlicher Kennzeichnungskraft gegeben.
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2. Die Kammer geht vorliegend von leicht unterdurchschnittlicher Kennzeichnungskraft (vgl. die Einteilung in BGH GRUR 2013, 833 Rn. 55 - Culinaria/Villa Culinaria) der Verfügungsmarke aus, weil diese wegen der Assoziationsmöglichkeit mit dem Behältnis „Trinkgeldkasse“ jedenfalls über beschreibende Anklänge verfügt.
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3. Zwischen den sich gegenüberstehenden Zeichen „TIPJAR“ und „Tip Jar“ besteht hochgradige schriftbildliche Ähnlichkeit, weil der einzige Unterschied in der Zusammen- bzw. Getrenntschreibung besteht. Darüber hinaus besteht klangliche Identität und Identität im Bedeutungsgehalt. Insgesamt ist deshalb von hochgradiger Zeichenähnlichkeit auszugehen.
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4. Zwischen den von der Verfügungsmarke geschützten Dienstleistungen „Elektronischer Zahlungsverkehr; Zahlungsverkehr; Elektronische Zahlungsdienste; Finanzwesen; Vermögenstransferdienste; Vermittlungsdienste für Finanzierungen“ und der von der Antragsgegnerin mit „Tip Jar“ gekennzeichneten Vermittlung von Zahlungsdienstleistungen besteht jedenfalls hochgradige Ähnlichkeit.
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a. Bei der Beurteilung der Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit sind alle relevanten Faktoren zu beachten, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören vordergründig, aber nicht abschließend deren Art, Verwendungszweck und Nutzung sowie ihre Eigenschaft als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (EuGH GRUR 1998 922 Rn. 23 - Canon; EuGH GRUR 2006, 582 Rn. 85 - VITAFRUIT; EuGH GRUR Int. 2009, 397 Rn. 65 - MOBELIX/OBELIX).
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b. Gemessen hieran kann eine hochgradige Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Dienstleistungen nicht in Abrede gestellt werden. Die von der Verfügungsmarke geschützten Dienstleistungen „Elektronischer Zahlungsverkehr; Zahlungsverkehr; Elektronische Zahlungsdienste; Vermögenstransferdienste“ und die Vermittlung von Zahlungsdiensten stehen jedenfalls in einem Ergänzungsverhältnis. Die beanspruchten „Vermittlungsdienste für Finanzierungen“ und die Vermittlung von Zahlungsdienstleistungen haben demgegenüber gemein, dass im Zentrum der Dienstleistung eine Vermittlungsleistung für bestimmte Finanzprodukte im weitesten Sinne besteht. Auch insoweit besteht ein Ähnlichkeitsverhältnis.
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V. Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr ist aufgrund der erfolgten Verletzungshandlung indiziert. Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung hat die Antragsgegnerin nicht abgegeben.
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VI. Anlass für die Einräumung einer achtwöchigen Umstellungsfrist, wie von der Antragsgegnerin hilfsweise beantragt, besteht nicht. Es ist zwar grundsätzlich anerkannt, dass dem Schuldner eines Unterlassungsanspruchs in bestimmten Fallgestaltungen unter Abwägung der gegenseitigen Interessen im Rahmen von § 242 BGB eine Aufbrauchs- oder Umstellungsfrist bewilligt werden kann. Voraussetzung ist aber, dass dem Schuldner durch ein unbefristetes Verbot unverhältnismäßige Nachteile entstünden und die Belange sowohl des Gläubigers als auch der Allgemeinheit durch eine befristete Fortsetzung des Störungszustandes nicht unzumutbar beeinträchtigt werden (BGH GRUR 1974, 474, 476 - Großhandelshaus; BGH GRUR 1982, 425, 431 - Brillen-Selbstabgabestellen; BGH GRUR 1990, 522, 528 - HBV-Familien- und Wohnungsrechtsschutz). Unabhängig davon, dass nach dem Vortrag der Antragsgegnerin keine solchen Nachteile ersichtlich sind, die ihr ohne Gewährung einer Umstellungsfrist entstehen würden, sprechen auch die Interessen der Antragstellerin an einer möglichst sofortigen Umstellung deutlich gegen eine solche. Dabei ist zu sehen, dass die Antragstellerin nach eigenem, zuletzt in der mündlichen Verhandlung konkretisierten Vortrag, zwar derzeit allein in Großbritannien mit ihrem Zahlungsdienst „TIPJAR“ aktiv ist, insoweit aber einen Markteintritt auch in Deutschland beabsichtigt. Durch die fortgesetzte Nutzung des verwechslungsfähigen Zeichens „Tip Jar“ durch die bekannte und über nicht unerhebliche Marktmacht verfügende Antragsgegnerin besteht aber die Gefahr, dass die angesprochenen Verkehrskreise das Zeichen untrennbar mit der Antragsgegnerin verbinden und so der Marktzutritt der Antragstellerin mit ihrem Produkt „TIPJAR“ erschwert oder faktisch unmöglich gemacht wird.
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D. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 ZPO.
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E. Einer gesonderten Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf es nicht. Es folgt aus der Natur der Sache, dass die einstweiligen Rechtsschutz gewährende Entscheidung sofort vollstreckbar sein muss (Musielak/Voit/Huber, ZPO, 16. Aufl., § 935 Rn. 9). Anlass, den Erlass der einstweiligen Verfügung bzw. deren Vollzug von der Leistung einer Sicherheit durch die Antragstellerin abhängig zu machen (§§ 936, 921 S. 1 ZPO), besteht nicht, zumal der Rechtsbestand der Verfügungsmarke auch mit Blick auf ein mögliches Hauptsacheverfahren gesichert erscheint, weil die Verfügungsmarke allenfalls über beschreibende Anklänge verfügt. Andererseits hat die Antragsgegnerin auch nicht substantiiert vorgetragen, ob und inwieweit ihr durch Vollziehung der einstweiligen Verfügung schwere und unwiderrufliche Nachteile drohen, zumal sich die in Rede stehende Funktion erst in der Beta-Phase befindet und nur einer begrenzten Anzahl von Personen überhaupt zur Verfügung steht.