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LG München I, Endurteil v. 13.08.2021 – 33 O 16380/18
Titel:

Unzulässige Werbung für eine staatliche Lotterie 

Normenketten:
UWG § 3 Abs. 1, 3, § 3a, § 8 Abs. 3 Nr. 1
GlüStV 2012 § 1, § 5 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die Absicht der Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs reicht nicht aus, um ein Wettbewerbsverhältnis zu begründen, wenn ein Anbieter einer Zweitlotterie mit einer Glücksspiellizenz in Gibraltar nach dem Brexit nicht mehr in Deutschland tätig ist. (Rn. 63 – 67) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Werbung einer staatlichen Lotteriegesellschaft mit der Sportförderung aufgrund der mit der Lotterie generierten Einnahmen, kann eine unzulässige Werbung im Sinne des § 5 Abs. 1 GlüStV sein. (Rn. 72 – 93) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Zurverfügungstellen und Bewerben wöchentlicher Glückszahlen in einem Horoskop in Bezug auf eine Lotterie verstößt gegen § 3 Abs. 1 und Abs. 3 i.V. m. Nr. 16 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG. (Rn. 101 – 107) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein Werbefilm, in dem eine staatliche Lotteriegesellschaft glückliche und vermeintlich reiche Personen darstellt und der mit dem Musiktitel "Geiles Leben" unterlegt ist, stellt eine nach § 5 Abs. 1 GlüStV unzulässige Werbung dar. (Rn. 116 – 131) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Rechtsbruch
Fundstellen:
MD 2021, 1211
GRUR-RS 2021, 22251
LSK 2021, 22251

Tenor

I. Auf die Klage der Klägerin zu 2) hin wird der Beklagte verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, die Ordnungshaft zu vollstrecken an dem Präsidenten/der Präsidentin der Staatlichen Lotterieverwaltung, zu unterlassen:
1. durch Verwendung oder Verlinkung von Videoclips mittels der Videoplattform „YouTube“ für die Teilnahme an Glücksspiel zu werben, wenn dies geschieht wie dargestellt in Anlage K 1:
und/oder
2. für die Teilnahme an Glücksspiel zu werben durch Angabe von sog. Glückszahlen, die angeblich auf Horoskopen basieren und dadurch den Eindruck zu erwecken, die Verwendung der Glückszahlen steigere die Gewinnchancen, wenn dies geschieht wie nachstehend wiedergegeben:
3. durch Verwendung oder Verlinkung von Videoclips mittels der Videoplattform „YouTube“ für die Teilnahme an Glücksspiel zu werben, wenn dies geschieht wie im Videoclip „Geiles Leben“ Kurzfassung und/oder im Videoclip „Geiles Leben“ Langfassung in Anlage K 34.
II. Die Klage der Klägerin zu 1) wird abgewiesen.
III. Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Beklagten tragen die Klägerin zu 1) zu ½ und der Beklagte zu ½. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1) trägt diese selbst. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2) trägt der Beklagte.
IV. Das Urteil ist in Ziffern I.1., 2. und 3. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 50.000,- Euro vorläufig vollstreckbar. In Ziffer III. ist das Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu
vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die beiden Klägerinnen nehmen den Beklagten auf Unterlassung wegen verschiedener Glücksspielwerbungen auf YouTube bzw. Facebook in Anspruch.
2
Die Klägerin zu 1) ist eine in Gibraltar ansässige Ltd., die sog. Zweitlotterien anbietet. Die Zweitlotterien der Klägerin zu 1) lehnen sich an herkömmliche Lotterien staatlicher Glückspielanbieter (Primärlotterien) an und bieten Wetten auf den Ausgang von Ziehungen dieser Primärlotterien an. Sie sind ein dem Recht von Gibraltar unterliegendes Glücksspielangebot, das von der Regierung von Gibraltar lizenziert wurde (Anlagen K 17- K 20). Das Angebot der Klägerin zu 1) richtete sich an Kunden in Gibraltar und in den EU-Mitgliedstaaten. Bis zum 14.04.2019 richtete es sich auch an Spieler in Deutschland. Im Zuge des Brexit wurde das Angebot inaktiv gestellt.
3
Die Klägerin zu 1) beantragte im Februar 2017 die Zulassung zur Veranstaltung von Primärlotterien in Deutschland und Bayern bei der Regierung der Oberpfalz (Anlage K 4). Der Antrag auf Zulassung einer Primärlotterie wurde abgelehnt. Die Entscheidung wurde im Verwaltungsgerichtsverfahren angefochten und vom VG Regensburg mit Entscheidung vom 13.12.2018 rechtskräftig bestätigt. Nach einer Entscheidung des OLG Köln vom 10.05.2019, 6 U 196/18, besteht ein rechtskräftiger Unterlassungstitel gegen die Klägerin zu 1) für die Fortführung eines Zweitlotterieangebots in Deutschland.
4
Die Klägerin zu 2) ist eine in Malta ansässige Ltd., die seit dem 15.04.2019 über eine Vertriebsgesellschaft auf der Webseite www. com an deutsche Spieler gerichtete Zweitlotterien betreibt (Anlage K 21). Sie verfügt über eine Lizenz der maltesischen Glücksspielaufsichtsbehörde (Anlage K 22).
5
Der Beklagte organisiert und veranstaltet gem. Art. 1 Abs. 3, Art. 5 BayAGGlüStV über die Staatliche Lotterieverwaltung das staatliche Glücksspiel „LOTTOBayern“ auf seinem Staatsgebiet. Er ist verantwortlich für „Lotto 6 aus 49“, „Toto“, „ODDSET“, „SUPER6“, „SPIEL77“, „KENO“ und „Eurojackpot“.
6
Gemeinsam mit fünfzehn weiteren Landeslotteriegesellschaften bildet er den „Deutschen Lotto- und Totoblock“.
7
Der Beklagte betreibt den YouTube-Kanal „LOTTOBayern“ in eigener Verantwortlichkeit. Im Impressum des Kanals ist „www.lottobayern.de“ verlinkt. Der Beklagte unterhält zudem eine Facebook-Seite, in deren Impressum er als Verantwortlicher genannt ist.
8
Auf seinem YouTube-Kanal stellte der Beklagte unter der Überschrift „LOTTO warnt: Schwarzlotterien trocknen das Gemeinwohl aus“ ein Video zur Verfügung (Anlage K 1), das ein privater Fernsehsender produziert und dem Beklagten überlassen hatte. In dem Video wird die Verwendung von Lottogeldern auch für die Sportförderung thematisiert und über sog. „Zweitlotterien“ berichtet.
9
Auf seiner Facebook-Seite stellte der Beklagte jedenfalls vom 08.05.2018 bis zum 25.09.2018 ein Glückszahlenhoroskop im Wochenrhythmus zur Verfügung (Anlage K 8). Darin bewarb er die Teilnahme am Glücksspiel „Lotto 6 aus 49“, wobei wöchentlich wechselnd für ein Tierkreiszeichen ein Sinnspruch und drei Glückszahlen für die jeweilige Kalenderwoche dargestellt wurden. Über die Facebook-Seite konnte eine automatische Weiterleitung auf die Seite des Beklagten genutzt werden, wo der Verbraucher unter Verwendung der jeweiligen Glückszahlen den Lottoschein ausfüllen und einen „Horoskop-Tipp“ abgeben konnte. Der Verbraucher konnte dabei das Sternzeichen und die Anzahl der Felder, die getippt werden sollten, angeben. Entsprechend dieser Angaben wurden drei Tippfelder mit „Glückszahlen“ vorbelegt (Anlage K 8). Für weitere nicht im Facebook-Post erwähnte Glückszahlen verwies der Beklagte auf das Kundenmagazin „Glücksblatt“, dessen Herausgeber der Beklagte ist. Der Link zu dem Magazin konnte online abgerufen werden.
10
Auf dem YouTube-Kanal des Beklagten fand sich seit 06.06.2017 ein Videoclip mit dem Titel „Geiles Leben“ (Anlagen K 11 und K 34) in einer 30-sekündigen Kurzfassung. Auf dem Kanal findet sich auch ein Link zum YouTube-Kanal „EUROJACKPOTeurojackpot results“, der nicht vom Beklagten betrieben wird.
11
Auf dem YouTube-Kanal „EUROJACKPOT - eurojackpot results“ findet sich die Langversion des Videos „Geiles Leben“ mit einer Spieldauer von 2:00 Minuten (Anlagen K 12 und K 34). Das Video lief nach dem vom Beklagten bestrittenen Vortrag der Klägerinnen beim Anklicken des auf dem Kanal des Beklagten befindlichen Links zum YouTube-Kanal „EUROJACKPOTeurojackpot results“ automatisiert ab.
12
Beide Videos sind akustisch mit dem umgetexteten Titel „Geiles Leben“ von der Band Glasperlenspiel unterlegt.
13
Der Videoclip über die Verwendung von Lottogeldern „Sportförderung“ (Anlage K 1) ist 1.500 Mal, der Clip „Geiles Leben“ - kurz (Anlagen K 11 bzw. K 34) 5.800 Mal und der Clip „Geiles Leben“ - lang (Anlagen K12 bzw. K 34) 23.000 Mal von angemeldeten Nutzern aufgerufen worden. YouTube kann ohne vorherige Anmeldung genutzt werden. Die Videos enthielten keine Altersbeschränkung. Der YouTube-Kanal des Beklagten hatte Stand 17.06.2019 422.000 Aufrufe.
14
Auch ... unternimmt verschiedene Werbeaktivitäten. Im Fernsehen bewarb die Klägerin zu 1) ihr Produkt im Jahr 2017 mit einem Budget von ca. 50 Millionen Euro (Übersicht, Bl. 191 d. A.). ... verfügt zudem über verschiedene Online-Präsenzen. Auf YouTube existiert ein Kanal namens in dessen Impressum www...com verlinkt ist, auf dem sich u. a. ein deutschsprachiges Werbevideo mit dem Titel „Lebe Deinen Traum! Auch unvergessliche Momente für Jackpot-Gewinner - com“ befindet, wobei dieser Slogan u. a. mit Bildern einer Yacht vor einer Küste mit Sandstrand und einem Blick von einer Terrasse mit Meerblick unterlegt wird. verfügt über einen Instagram-, einen Pinterest- und einen Twitter-Account. 
.... wirbt außerdem mit E-Mails mit dem Absender „Deine Glückszahlen“ info@sparmehr.com und der Überschrift am 06.05.2021 mit dem w Aufmacher „Heute ist Dein Glückstag! Astro-Lotto“ und der Frage „Kennst Du Deine persönlichen Glückszahlen (…) Unsere Glückszahlen werden individuell erstellt - und sind daher nur für dich!“ (Bl. 657 - 660 d. A.). Beim Anklicken eines Links neben einem der zwölf Sternzeichen sind zehn „Tippfelder“ für eine Wette auf LOTTO 6aus49 mit jeweils sechs Tipps pro Feld ausgefüllt.
15
Die Klägerinnen tragen vor, dass der Beklagte in einem auf seinem YouTubeKanal abrufbaren Videoclip „Sportförderung“ (Anlage K 1 und Anlage K 34) einen Warnhinweis über Zweitlotterien als Aufhänger für eine Sympathiewerbung zu seinen Gunsten genutzt und die sozialen Verwendungszwecke von Lottogeldern gezielt herausgestellt habe.
16
In Bezug auf das streitgegenständliche Glückszahlenhoroskop werde der Verbraucher mit den Worten „Helfe Deinem Glück auf Sprünge und nutze unseren Horoskop-Tipp“ aktiv zum Glücksspiel aufgefordert.
17
In den Videos „Geiles Leben“ werde durch eine Überschüttung mit Statussymbolen dafür geworben, dass ein Lottogewinn den Eintritt in ein neues Leben verheiße.
18
Die Klägerinnen sind der Ansicht, dass die Klagen - entgegen der Auffassung des Beklagten - nicht rechtsmissbräuchlich seien, sondern eine zulässige Rechtsausübung darstellten. In Verfahren, in denen es zu Verurteilungen von privaten Anbietern wegen massenwirksamer TV-Werbung gekommen sei, seien nicht die verfahrensgegenständlichen Parteien Prozessteilnehmer gewesen, das Verfahren sei somit schon aus diesem Grund keine „Retourkutsche“. Der Einwand des Rechtsmissbrauchs sei auch unerheblich, da das streitgegenständliche Wettbewerbsverhalten des Beklagten zugleich die Interessen Dritter oder der Allgemeinheit berühre.
19
Beide Klägerinnen seien aktivlegitimiert, da sie Mitbewerberinnen des Beklagten seien, auf eine mögliche Rechtswidrigkeit der Dienstleistung komme es nicht an. Soweit die Klägerin zu 1) derzeit nicht am Markt aktiv sei, sei dies unschädlich, da auch potenzielle Wettbewerber zum Kreis der Aktivlegitimierten im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 3 UWG gehörten.
20
Die angegriffenen Werbemaßnahmen des Beklagten seien rechtswidrig, und auch die von dem Beklagten dargestellten Werbeausgaben privater Glücksspielanbieter rechtfertigten die Werbungen nicht.
21
Das Werbevideo „Sportförderung“ (Anlage K 1) verstoße gegen § 5 GlüStV, den Klägerinnen stünde daher ein Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 i.V. m. §§ 3 Abs. 1, 3a UWG, § 5 GlüStV zu. § 5 GlüStV sei an den Zielen des § 1 GlüStV auszurichten. Da es sich bei dem staatlichen Monopol um eine massive Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit handele, müssten Werbemaßnahmen der Anbieter die Ziele strikt beachten und seien maßvoll und strikt auf das zu beschränken, was erforderlich sei. Untersagt sei, dem Glücksspiel ein positives Image damit zu verleihen, dass die Einnahmen für Aktivitäten im allgemeinen Interesse verwendet würden (EuGH C-316-07 - Stoß). Zulässig sei insoweit nur eine sachliche Information im Sinne eines Rechenschaftsberichts (BGH I ZR 115/10, BeckRS 2012, 04572, Tz. 30). Eine solche läge hier nicht vor, so sei z. B. die Äußerung der Präsidentin von Lotto Bayern im streitgegenständlichen Video „Vereine brauchen ganz dringend Lottogelder, damit sie ihre Aufgaben erfüllen können“ appellativ. Eine Rechtfertigung über Art. 5 GG sei nicht gegeben, da der Beklagte Grundrechtsverpflichteter und nicht Grundrechtsberechtigter sei.
22
Das wöchentliche Glückszahlenhoroskop (Anlage K 8) stelle eine unzulässige unlautere geschäftliche Handlung im Sinne der Nr. 16 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG dar. Der Unterlassungsanspruch der Klägerinnen ergebe sich aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 i.V. m. §§ 5, 3 Abs. 1 und 3 i.V. m. Nr. 16 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG. Mit dem Glückshoroskop in der streitgegenständlichen Form werde eine „Erhöhung der Gewinnchancen“ suggeriert, es handele sich damit um eine stets unzulässige Handlung, zu einer tatsächlichen Irreführung müsse es nicht kommen. Die Unentgeltlichkeit des Angebots sei unschädlich.
23
Der Videoclip „Geiles Leben“ verstoße in der Kurz- (Anlage K 11 und Anlage K 34) und in der Langfassung (Anlage K 12 und Anlage K 34) gegen § 5 GlüStV. Der Anspruch der Klägerinnen auf Unterlassung ergebe sich aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 i.V. m. §§ 3 Abs. 1, 3 a UWG, § 5 Abs. 1 GlüStV. Die Videoclips seien das Gegenstück zu einer sachlichen Information, es handele sich nicht um eine sachliche Mitteilung der Gewinnchancen, sondern um eine aktive Anregung zur Spielteilnahme, die Gewinne würden verführerisch herausgestellt. Der Effekt werde durch die gewählten Bilder vervielfacht, wobei ein deutlich jugendbezogener Einschlag durch z. B. eine Ansprache mit „Du“, die Musik, die Veröffentlichung bei YouTube, die Symbolik und der Einsatz von Jugendsprache gewählt werde.
24
In der Langfassung wirkten zusätzliche Textelemente noch verstärkend. Anders als der Beklagte meine, sei von diesem nicht nur der Kanal „Eurojackpot“ verlinkt worden, auf dem sich das Video befunden habe. Da der Beklagte aktiv den Link zum Video gesetzt habe, der beim Anklicken sofort und ohne weiteres Zutun abgelaufen sei, hafte er dafür. Er habe sich diesen zu eigen gemacht (Anlage K 12).
25
Das vom Beklagten vorgelegte Gutachten (Anlage CBH 2), nach welchem die Suchtgefahr in Bezug auf Glücksspiel durch den Spot verringert werde, sei ein Privatgutachten und kein Beweis für dessen Unbedenklichkeit.
26
Die Klägerinnen mahnten den Beklagten unter Fristsetzung bis zum 30.10.2018 am 23.10.2018 ab und forderten diesen zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf (Anlage K 9). Der Beklagte wies die geltend gemachten Ansprüche am 30.10.2018 zurück (Anlage K 10).
27
Die Klägerinnen haben ihre Anträge aus der Klageschrift vom 21.11.2018 mit Klageschrift vom 29.01.2019 erweitert.
28
Die Klägerinnen beantragen zuletzt,
I. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, die Ordnungshaft zu vollstrecken an dem Präsidenten/der Präsidentin der Staatlichen Lotterieverwaltung, zu unterlassen:
1. durch Verwendung oder Verlinkung von Videoclips mittels der Videoplattform „YouTube“ für die Teilnahme an Glücksspiel zu werben, wenn dies geschieht wie dargestellt in Anlage K 1;
und/oder
2. für die Teilnahme an Glücksspiel zu werben durch Angabe von sog.
29
Glückszahlen, die angeblich auf Horoskopen basieren und dadurch den Eindruck zu erwecken, die Verwendung der Glückszahlen steigere die Gewinnchancen, wenn dies geschieht wie nachstehend wiedergegeben:
II. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, die Ordnungshaft zu vollstrecken an dem Präsidenten/der Präsidentin der Staatlichen Lotterieverwaltung, zu unterlassen, durch Verwendung oder Verlinkung von Videoclips mittels der Videoplattform „YouTube“ für die Teilnahme an Glücksspiel zu werben, wenn dies geschieht wie im Videoclip „Geiles Leben“ Kurzfassung und/oder im Videoclip „Geiles Leben“ Langfassung in Anlage K 34.
30
Der Beklagte beantragt,
Klageabweisung.
31
Der Beklagte trägt vor, dass zum Geschäftsmodell der Klägerinnen gegenwärtig ohne deutsche Glücksspielerlaubnis „Online-Casino-Spiele“ und „Wetten auf Primärlotterien“, u. a. auf die von dem Beklagten mit dem deutschen Lotto- und Totoblock veranstalteten Lotterien „6 aus 49“ und „Eurojackpot“ gehörten.
32
Der YouTube-Kanal des Beklagten habe lediglich eine Reichweite von 277 Abonnenten. Auch die Facebook-Seite des Beklagten entfalte nicht die von den Klägerinnen suggerierte Breitenwirkung, sie sei nicht öffentlich, Inhalte könnten nur von registrierten und eingeloggten Nutzern ab 18 Jahren gesehen werden. Die Abonnentenzahlen seien überschaubar im fünfstelligen Bereich, die Abrufzahlen im dreistelligen Bereich, der Beitrag habe wenige Likes.
33
Der Beklagte besitze eine Werbeerlaubnis „im Internet, einschließlich sozialer Netzwerke und im Fernsehen“ der Bezirksregierung Düsseldorf, wie sie nach § 5 Abs. 3 Satz 2 GlüStV erforderlich sei.
34
Der Videoclip „Sportförderung“ sei in rein sachlichem Tonfall gehalten. Das Video erkläre die Gegensätze von im Ausland ohne Erlaubnis agierenden Anbietern und staatlichen Lotterieanbietern, es werde nicht „appellartig“ die Spendenbereitschaft der Zuschauer angesprochen. Es handele sich um Sympathiewerbung für die gesellschaftlich wichtige Kinder- und Jugendarbeit. Der Hinweis auf den Finanzbedarf sei rein sachlich und erfolge zu Informationszwecken.
35
Das Video „Geiles Leben“ in der Kurzfassung habe geringe Abrufzahlen. Es spiele erkennbar mit einem Augenzwinkern mit überzeichneten Klischees. Es enthalte eine humorvolle Botschaft, die als solche auch für den Durchschnittsverbraucher erkennbar sei und fordere nicht außergewöhnlich offensiv zur Teilnahme am Glücksspiel auf.
36
Die Videos „Geiles Leben“ seien mit der Aufsichtsbehörde abgestimmt, die mitgeteilt habe, dass das Bildmaterial im Großen und Ganzen den Anforderungen entsprechen würde, lediglich der Text sei beanstandet worden (Anlage K 15f), daraufhin sei der Text erheblich angepasst worden (Anlage K 15g). Die fertige Fassung sei der Behörde übermittelt worden und es sei keine Beanstandung erfolgt (Anlage K 15h). Ein Gutachten (Anlage CBH 2) habe im Übrigen die Unbedenklichkeit des Spots nachgewiesen.
37
Das Video „Geiles Leben“ in der Langversion sei auf dem YouTube-Kanal des Beklagten nicht abrufbar. Der Beklagte betreibe den Kanal „Eurojackpot“ nicht. Der Beklagte habe den Beitrag nicht aktiv verlinkt. Der Kanal werde nur allgemein verlinkt.
38
Ungeachtet ihrer Illegalität bewerbe die ... Gruppe ihr Angebot unter Verstoß gegen § 5 GlüStV massiv. Die erlaubnislos am Markt agierenden Anbieter, wie z. B. die Klägerin zu 1), erzielten im Jahr 2015 größere Umsätze als legale Anbieter, wie der Beklagte, der 40% der Überschüsse für „good causes“ ausgebe, während die Klägerin zu 1) alle Überschüsse für sich vereinnahme.
39
Die Klägerinnen, denen es durch die Aufsichtsbehörden verwehrt sei, TV-Werbung zu schalten, würden ihr Angebot massiv über „Neue Medien“ bewerben.
40
Der Beklagte ist der Auffassung, die Klageerhebung sei rechtsmissbräuchlich, da mit dieser überwiegend sachfremde Interessen und Ziele verfolgt würden. Die Klage sei eine Retourkutsche dafür, dass die Klägerinnen selbst wegen massenwirksamer TV-Werbung von mehreren Gerichten verurteilt worden seien. Das Ziel der Klage sei nicht ein wettbewerbskonformes Verhalten des Beklagten, sondern ein „Nichtangriffspakt“. Die Rechtsmissbräuchlichkeit ergebe sich auch daraus, dass die Klägerinnen in derselben Weise werben würden wie der Beklagte. Die Anträge seien außerdem zu unbestimmt und nicht vollstreckbar, dies gelte für die Begriffe „Verwendung“ und „Verlinkung“ sowie „angeblich“ und „den Eindruck erwecken“.
41
Die Klägerin zu 1) sei nicht (mehr) aktivlegitimiert, da sie nicht mehr am deutschen Glücksspielmarkt tätig und eine Rückkehr nicht glaubhaft gemacht sei. Unstreitig existiere eine rechtskräftige Zurückweisung des Antrags auf Zulassung einer Primärlotterie durch das VG Regensburg vom 13.12.2018, RO 5 K 17.20146, und die Entscheidung des OLG Köln vom 10.05.2019, 6 U 196/18, nach welcher ein rechtskräftiger Unterlassungstitel für die Fortführung eines Zweitlotterieangebots bestehe. Es bestehe daher kein Wettbewerbsverhältnis. Ein potenzielles neues Wettbewerbsverhältnis für einen nicht benennbaren Zeitpunkt in der Zukunft reiche nicht aus.
42
Auch die Klägerin zu 2) sei nicht aktivlegitimiert. Sie habe keine Erlaubnis einer deutschen Behörde zum Angebot von Glücksspielen. Wetten auf Lotterien seien nach § 4 Abs. 4 Satz 2 GlüStV verboten. Die maltesische Lizenz sei ohne Belang.
43
Für alle angegriffenen Werbungen gelte, dass der Beklagte über eine gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 GlüStV erforderliche behördliche „Rahmenerlaubnis“ verfüge, in dessen Rahmen sich die Werbung bewege. Die Rahmenerlaubnis bedeute, dass nicht jede Werbung genehmigt werden müsse. Ausnahmsweise sei eine solche Absegnung für den angegriffenen Werbespot „Eurojackpot“ / „Geiles Leben“ sogar erfolgt.
44
Zudem sei es so, dass mit Blick auf die extensive Werbung illegaler Anbieter der Beklagte notwendigerweise hinreichend deutlich werben müsse, um überhaupt noch Aufmerksamkeit für sein sicheres, legales Angebot zu generieren und so seinem Kanalisierungsauftrag nachzukommen. Der EuGH habe zur kanalisierenden Glücksspielwerbung durch Monopolträger als Reaktion auf illegale Anbieter in seiner Entscheidung vom 18.05.2021, Rs. C-920-19, klargestellt, dass keine isolierte Prüfung einer isolierten Werbung, sondern eine Prüfung im Hinblick auf alle relevanten Umstände zu erfolgen habe. Auch nach BGH GRUR 2013, 956 - Glückspielpäckchen im Osternest erlaube und erfordere die Neuregelung des § 5 GlüStV wegen des zu erfüllenden Kanalisierungsauftrags, dass auf legale Angebote in wirksamer Weise aufmerksam gemacht werde.
45
Das Werbevideo „Sportwerbung“ halte sämtliche Vorgaben des § 5 GlüStV ein. Wenn Glückspielanbieterinnen wie die Klägerinnen als illegale, allein gewinnorientierte Anbieter bezeichnet würden, sei dies eine wahrheitsgemäße und sachliche Information über das Wesen der Zweitlotterien, für die sich der Beklagte auf die Meinungsfreiheit berufen könne, da er insoweit als Unternehmen tätig sei und keine hoheitlichen Aufgaben erfülle. Wenn dem Freistaat Bayern durch schmarotzerische Nachahmungsprodukte Gelder in Millionenhöhe entzogen würden, die dem Gemeinwohl fehlten, sei das eine Profitmaximierung zu Lasten des Freistaates Bayern. Die Verwendung der Gemeinwohlabgaben werde sachlich referiert dargestellt, der Hinweis auf die Angewiesenheit von Vereinen auf die Förderung sei auch sachlich. Ein Hinweis auf eine rechtswidrige Praxis müsse erlaubt sein.
46
Das Glückszahlenhoroskop auf Facebook verstoße nicht gegen Nr. 16 zu § 3 Abs. 3 UWG, da es sich nicht um ein „Produkt“ handele, mit dem sich Gewinnchancen erhöhen lassen sollen. Die Zahlen seien nur eine kostenlose Ausfüllhilfe wie beim „Quicktipp“, es würden auch nur drei und nicht sechs Zahlen vorgeschlagen, so dass man dies nicht als Chancenverbesserung verstehen könne.
47
Der Werbespot „Geiles Leben“ sei in voller Länge von der zuständigen Aufsichtsbehörde als Werbung im Internet gebilligt worden. Auch sei gutachterlich nachgewiesen, dass das Video die Ziele des § 1 GlüStV erfülle (Anlage CBH 2). Die Kurzfassung sei sprachlich noch gemäßigter als die Langfassung und enthalte weniger Bilder.
48
Mit Blick auf den Kanalisierungsauftrag aus § 1 S. 1 Ziff. 2 GlüStV sei zu berücksichtigten, dass staatliche Lotteriegesellschaften in gewissem Umfang attraktiv werben müssten, um angesichts des Werbedrucks der illegalen Anbieter überhaupt noch erkennbar zu sein und ihren Auftrag zur Hinführung auf das legale Glücksspielangebot erfüllen zu können. Werbung habe zwangsläufig Aufforderungscharakter; die konkretisierende Werberichtlinie gebe in § 5 Satz 2 Nr. 1 Werbe-RL vor, dass in einem für eine gesicherte Wahrnehmung notwendigen Umfang attraktiv geworben werden dürfe.
49
Es liege auch kein Verstoß gegen § 5 Abs. 2 GlüStV vor, da der Spot sich nicht an Minderjährige wende.
50
Für die Verlinkung auf dem Kanal „Eurojackpot Results“ sei der Beklagte im Übrigen nicht verantwortlich: Er habe das Video weder verbreitet noch aktiv verlinkt und sich auch den Link nicht zu eigen gemacht, es handele sich auch nicht um einen „Deeplink“.
51
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.06.2021 (Bl. 689/691) verwiesen.
52
Mit Beschluss vom 26.03.2021 (Bl. 629/633 d. A.) hat die Kammer eine vom Beklagten erhobene Drittwiderklage und Widerklage abgetrennt.

Entscheidungsgründe

53
Die zulässige Klage ist für die Klägerin zu 2) begründet, für die Klägerin zu 1) unbegründet und war insoweit abzuweisen.
A.
54
Die Klage ist zulässig.
55
I. Insbesondere ist die Klage als Ausdruck zulässiger Rechtsausübung nicht rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG a.F. bzw. § 8c Abs. 1 und 2 UWG n.F.
56
1. Ein Missbrauch liegt vor, wenn der Anspruchsberechtigte mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt und diese als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrensleitung erscheinen (BGH GRUR 2000, 1089 - Missbräuchliche Mehrfachverfolgungen; BGH WRP 2010, 640 - Klassenlotterie).
57
2. Soweit der Beklagte meint, die Klage der Klägerinnen sei als „Retourkutsche“ auf das Vorgehen des Deutschen Lotto und Toto Bundes (DTLB) gegen illegale Wettanbieter rechtsmissbräuchlich, trägt dieser Einwand nicht.
58
Denn unabhängig davon, dass eine Prozessführung als „Retourkutsche“ als solches nicht notwendigerweise rechtsmissbräuchlich ist (für Abmahnung als Reaktion auf eine vorausgegangene Abmahnung: OLG Frankfurt MMR 2009, 564; OLG Köln WRP, 1385; OLG München WRP 2014, 591), und ungeachtet dessen, dass beim Angriff von Werbemaßnahmen durch einen etwaigen Mitbewerber typischerweise ein berechtigtes Interesse der Rechtsverfolgung gegeben ist (Feddersen, in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Auflage, § 8c, Rn. 31), trägt der Einwand des Rechtsmissbrauchs hier auch deshalb nicht, weil die Rechtsverfolgung nicht nur die Interessen des Mittbewerbers, sondern auch die Interessen Dritter und der Allgemeinheit berührt, da eine Kontrolle von Werbemaßnahmen staatlicher Glückspielanbieter durch die staatlichen Lotteriegesellschaften selbst nicht stattfindet (OLG Hamburg GRUR-RR 2012, 21; BGH GRUR 2012, 411). Damit ist die Rechtsverfolgung nicht (überwiegend) sachfremd.
59
Schließlich ist auch der Umstand, dass das Angebot des Wettbewerbers ggf. selbst nicht rechtmäßig sein mag, unbeachtlich (OLG Hamburg GRUR-RR 2012, 21). Denn angesichts der erheblichen Bedeutung der mit dem Glücksspielstaatsvertrag verfolgten öffentlichen Interessen geht es nicht an, das Verhalten der inländischen Glücksspielveranstalter unter Hinweis auf etwaig rechtswidriges Verhalten aus dem Ausland agierender Anbieter von wettbewerbsrechtlicher Kontrolle freizustellen; dieser Einwand würde im Ergebnis eine Erscheinungsform des „uncleanhandsEinwands” darstellen, der dann keinen Erfolg haben kann, wenn die Rechtsverfolgung, wie hier, zugleich der Wahrung öffentlicher Interessen dient (vgl. BGH, GRUR 1977, 494 - DERMA-TEX; BGH, GRUR 1997, 537- Lifting-Creme; BGH, GRUR 1997, 681 - Produktwerbung).
60
II. Die Unterlassungsanträge sind gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt.
61
1. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Verbotsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt (st. Rspr.; vgl. BGH NJW 2011, 2657 - Doubleoptin-Verfahren).
62
2. Diesen Anforderungen genügt der von den Klägerinnen formulierte Unterlassungsantrag, indem er jeweils die konkrete Verletzungsform umschreibt und im Antrag zudem auf die streitgegenständlichen Werbungen ausdrücklich Bezug nimmt.
B.
63
I. Die Klage der Klägerin zu 1) ist unbegründet, da die Anspruchsberechtigung der Klägerin zu 1) gem. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht mehr bestanden hat.
64
1. Eine im Zeitpunkt der Verletzungshandlung gegebene Anspruchsberechtigung des Mitbewerbers gem. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG besteht nicht mehr, wenn der Mitbewerber die unternehmerische Tätigkeit, die diese Anspruchsberechtigung zunächst begründet hatte, vor dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung aufgegeben hat (BGH GRUR 2016, 1187- Stirnlampen, fortgeführt durch BGH GRUR 2020, 303 - Pflichten des Batterieherstellers).
65
2. So liegt der Fall hier. Im Zuge des Brexit ist die Klägerin zu 1) seit dem 14.04.2019 nicht mehr am deutschen Markt tätig, so dass sie sich auf Art. 56 AEUV für das gibraltarische Angebot - seit dem Ausscheiden des Vereinigten Königreichs aus der EU - nicht mehr berufen kann. Zudem wurde ihr Glückspielangebot jedenfalls für den deutschen Markt von einer Vertriebsgesellschaft der Klägerin zu 2) übernommen.
66
3. Selbst wenn hier die Klägerin zu 1) als (frühere) Mitbewerberin noch als mindestens potenzielle Wettbewerberin auf dem Markt angesehen werden könnte, würde dies die erforderliche Anspruchsberechtigung nicht begründen können. Denn diese Erweiterung des Mitbewerberbegriffs gilt nur für die Fälle des Schutzes vor unlauteren Handlungen im Sinne des § 4 UWG, die einen Marktauftritt des potenziellen Mitbewerbers verhindern oder erschweren sollen (Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Auflage, § 2, Rn. 104). Einen Verletzungsanspruch wegen Verstößen z.B. gegen Marktverhaltensregeln hingegen kann ein Mitbewerber nur geltend machen, wenn er eine entsprechende Tätigkeit im Zeitpunkt der Verletzungshandlung bereits aufgenommen und im Zeitpunkt der letzten Verhandlung noch nicht aufgegeben hatte, weil die Anerkennung eines nur potenziellen Wettbewerbsverhältnisses die Gefahr einer uferlosen Ausweitung der in § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG geregelten Anspruchsberechtigung des Mitbewerbers bedeuten würde (BGH GRUR 2020, 303 - Pflichten des Batterieherstellers).
67
4. Auf konkrete Vorbereitungshandlungen zur Aufnahme des Geschäftsbetriebs (Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Auflage, § 8, Rn. 3.29; OLG Brandenburg, GRUR-RR 2006, 167), kann die Klägerin zu 1) sich nicht berufen, denn die bloße Absicht der Wiederaufnahme eines Geschäftsbetriebs reicht insoweit nicht aus; vielmehr muss die konkrete Wahrscheinlichkeit eines Marktzutritts bestehen. Dies gilt umso mehr, wenn, wie vorliegend, rechtliche Hindernisse, wie der Brexit und eine rechtskräftige Zurückweisung des Antrags auf Zulassung einer Primärlotterie durch das VG Regensburg vom 13.12.2018, RO 5 K 17.20146 und die Entscheidung des OLG Köln vom 10.05.2019, 6 U 196/18 der Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs in Deutschland auf unbestimmte Zeit entgegenstehen.
68
II. Die Klage der Klägerin zu 2) ist hingegen begründet.
69
1. Der Klägerin zu 2) steht gemäß § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 i.V. m. § 3 a UWG, § 5 Abs. 1 GlüStV der mit der Klage geltend gemachte Unterlassungsanspruch in Bezug auf den Werbefilm „Sportförderung“ (Anlage K 1) gegen den Beklagten zu.
70
a. Zwischen den Parteien besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, denn beide Parteien bieten geschäftliche Dienstleistungen auf dem inländischen Markt des Glücksspielwesens an. Die Klägerin zu 2) ist als Mitbewerberin des Beklagten auf dem deutschen Glücksspielmarkt auch aktivlegitimiert im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG. Ihr fehlt die Klagebefugnis nicht deshalb, weil sie keine Erlaubnis einer deutschen Behörde zum Angebot von Glücksspielen, sondern nur eine maltesische Lizenz besitzt. Denn für die Stellung als Mitbewerberin ist es unerheblich, ob diese ihr Unternehmen in rechtlich zulässiger Weise betreibt (BGH GRUR 2005, 519 - Vitamin-Zell-Komplex).
71
b. In der Verlinkung auf den Werbefilm „Sportförderung“ auf dem „YouTube“-Kanal „LOTTO Bayern“, für den der Beklagte verantwortlich zeichnet, liegt eine geschäftliche Handlung des Beklagten im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG.
72
c. Der Film „Sportförderung“ verstößt gegen § 5 Abs. 1 GlüStV 2012 i.V. m. § 1 GlüStV 2012.
73
aa. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist die letzte mündliche Verhandlung, hier der 22.06.2021 (vgl. BGH GRUR 2013, 956 - Glückspäckchen im Osternest; BGH GRUR 2012, 1279 - DAS GROSSE RÄTSELHEFT). Es gilt daher der GlüStV 2012 in der bis 30.06.2021 gültigen Fassung, wobei die Ausführungsgesetze der Länder die eigentliche Rechtsgrundlage darstellen, hier: BayAGGlüStV.
74
bb. Gemäß § 5 Abs. 1 GlüStV 2012 ist Art und Umfang der Werbung für öffentliches Glücksspiel an den Zielen des § 1 GlüStV 2012 auszurichten. Aus der Gesamtschau der Ziffern 1-3 des § 1 GlüStV 2012 i.V. m. § 5 Abs. 1 GlüStV 2012 ergibt sich das Gebot, dass Werbung des Inhabers des staatlichen Monopols maßvoll und eng auf das begrenzt bleiben muss, was erforderlich ist, um die Verbraucher zu den kontrollierten Spielnetzwerken zu lenken (vgl. EuGH, Beschluss vom 18.05.2021, C-920/19 - Fluctus s.r.o. / Landespolizeidirektion Steiermark, Rz. 43 = BeckRS 2021, 12290). Diesen Anforderungen genügt der streitgegenständliche Film nicht.
75
(a) Bei dem streitgegenständlichen Film handelt es sich um Werbung. Der Begriff der Werbung ist gemäß Art. 2 lit. a WerbeRL2006/114/EG zu verstehen. Erfasst ist jedenfalls jede Form der Image- und Aufmerksamkeitswerbung, die über den Hinweis auf die Legalität der Monopolangebote hinaus Sympathien für das Glückspiel weckt (KG GRUR-RR 2010, 31; OLG Hamburg GRUR-RR 2012, 21), wie etwa in dem streitgegenständlichen Video, in welchem neben der Warnung vor Schwarzlotterien auf die Verwendung der Lottogelder zur Förderung von „Projekten, Sozialem, Breiten- und Spitzensport“ auch in der konkreten Höhe (423 Mio. Lottogelder im Staatshaushalt, davon 50 Mio. in die Sportförderung) verwiesen wird, wobei mit dem O-Ton der Präsidentin der LOTTO Bayern „Also ich glaub‘ das ist eminent wichtig. Man darf ja bei Sport nicht immer nur an Fußball denken. Denken Sie an die vielen Vereine, die über das ganze flache Land verteilt sind. Und die brauchen ganz, ganz dringend Lottogelder, damit sie ihre Aufgaben erfüllen können“ in besonders ausdrücklicher Form Sympathie für das Lottospiel geweckt werden soll.
76
(b) Zwar ist zu berücksichtigen, dass durch die Aufhebung des § 5 Abs. 2 GlüStV 2008 (gültig bis zum 30.06.2012), wonach Werbung für Glückspiel nicht gezielt zur Teilnahme am Glückspiel auffordern, anreizen oder ermuntern sollte, zwar geschlossen werden kann, dass etwas weniger strenge Anforderungen als zuvor zu gelten haben (Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Auflage, § 3a, Rn. 1.247). Art und Umfang der Werbung für öffentliches Glücksspiel sind aber weiterhin gemäß § 5 Abs. 1 GlüStV 2012 an den - insoweit unveränderten - Zielen des § 1 GlüStV auszurichten. Das in der alten Fassung normierte „Aufforderungs- und Anreizverbot“ (Mahne/Jouran, Die erlaubte Werbung für Glücksspiele nach dem Glückspielstaatsvertrag, NVwZ 2009, 1190ff.) ist auch nach der Neufassung jedenfalls als Gebot der Sachlichkeit zu verstehen.
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(c) Die Ziffern Nr. 1, 2 und 3 des § 1 GlüStV 2012 bestimmen, dass Ziel unter anderem ist, das Entstehen von Glückspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen (Ziffer 1), das Glücksspielangebot zu begrenzen und den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken, insbesondere ein Ausweichen auf nicht erlaubte Glücksspiele zu verhindern (Ziffer 2), und den Jugend- und Spielschutz zu gewähren (Ziffer 3).
78
(d) Werbung des Inhabers eines staatlichen Monopols muss nach diesen Vorschriften maßvoll und eng auf das begrenzt bleiben, was erforderlich ist, um die Verbraucher zu den kontrollierten Spielnetzwerken zu lenken. Werbung des Inhabers eines staatlichen Monopols darf damit nicht darauf abzielen, den natürlichen Spieltrieb der Verbraucher dadurch zu fördern, dass sie zu aktiver Teilnahme am Spiel angeregt werden, etwa indem ihm wegen der Verwendung der Einnahmen für im Allgemeininteresse liegende Aktivitäten ein positives Image verliehen wird (vgl. EuGH, Urteil vom 08.09.2010, C-316/07 - Markus Stoß u.a. / Wetteraukreis, Rn. 103 = BeckRS 2010, 91035 sowie jüngst EuGH, Beschluss vom 18.05.2021, C-920/19 - Fluctus s.r.o. / Landespolizeidirektion Steiermark, Rz. 43 = BeckRS 2021, 12290).
79
(e) Hiergegen verstößt das Video, denn es enthält explizit einen solchen Verweis auf die Einnahmen für das Allgemeininteresse, der - entgegen des Vortrags des Beklagten - weder als sachliche Information im Sinne eines „Rechenschaftsberichts“ (vgl. BGH, Urteil vom 17.08.2011, I ZR 115/10 = BeckRS 2012, 04572, Rz. 30) übermittelt wird, noch eine bloße Aufklärung über die Möglichkeiten des Glücksspiels darstellt. Vielmehr wird auch in der Abgrenzung der Staatlichen Lotterie zur Schwarzlotterie in Bezug auf die Verwendung von Spielgeldern („Lotto warnt vor illegalen Schwarzlotterien“…“Die schöpfen mittlerweile im Internet Millionenbeträge ab“ …“die Einnahmen gehen meist an die Anbieter selbst“…“im Gegensatz zu den Einnahmen der staatlichen Lotteriegesellschaften“) versucht, eine ausschließlich karitative Verwendung der Einnahmen des staatlichen Glücksspiels zu suggerieren und dieses als unbedingt empfehlenswert darzustellen.
80
Darüber hinaus wird auch ein Anreiz zur Spielteilnahme gesetzt, wenn die Präsidentin von LOTTO Bayern in Bezug auf die von Lottoeinnahmen geförderten Vereine, mit Bildern von glücklichen Kindern bei sportlichen Aktivitäten hinterlegt, zu geförderten Vereinen erklärt “Und die brauchen ganz, ganz dringend Lottogelder“. Mit der Beschreibung der Verwendung der Gewinne für den „guten Zweck“ und der Hinterlegung mit entsprechenden Bildern werden die Emotionen des Betrachters angesprochen und ihm vor Augen geführt, wie gut seine Lottogelder investiert wären.
81
Die mitgeteilten, sicherlich z. T. auch sachlichen Informationen, werden somit im Ergebnis in einer zum Spiel anreizenden Weise übersteigert (vgl. OLG Hamburg GRUR-RR 2012, 21), was den Vorgaben des GlüStV zuwiderläuft.
82
(f) Der Kanalisierungsauftrag (§ 1 Ziffer 2 GlüStV) der staatlichen Lotterien rechtfertigt die verfahrensgegenständliche, zum Glücksspiel regelrecht animierende Werbung nicht.
83
(1) Der Argumentation des Beklagten ist zwar insoweit zu folgen, als dass dem staatlichen Glücksspielangebot ein Auftrag zur Kanalisierung der vorhandenen Glückspielleidenschaft hin zu staatlichem Glücksspiel zukommt (für Sportwetten: BVerfGE 115, 276 [314]), was der Gesetzgeber in § 1 Satz 1 Ziff. 2 GlüStV 2012 zum Ausdruck gebracht hat.
84
Demgemäß läuft der Aufforderungscharakter einer Werbung allein nicht per se dem Ziel, „das Entstehen von Glückspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen“ zuwider. Denn der neue Regelungssatz des § 1 Satz 1 Ziffer 2 setzt auch voraus, dass auf legale Angebote in wirksamer Weise aufmerksam gemacht werden kann (BGH GRUR 2013, 956 - Glückspäckchen im Osternest).
85
(2) Hieraus folgt aber auch, dass bereits allein die Zulässigkeit der Werbung für staatliches Glückspiel, so wie in § 5 GlüStV normiert, Ausdruck der Kanalisierungsfunktion ist (vgl. auch LG München I, Urteil vom 10.06.2009 - 33 O 4084/09, BeckRS 2009, 87497). Eine ausgedehnte Werbepraxis des staatlichen Glücksspielanbieters, um mit einem möglicherweise ein vielfaches Werbevolumen umfassenden Angebot von anderen Wettanbietern mitzuhalten, ergibt sich daraus nicht, und - anders als der Beklagte meint - legitimiert der EuGH in der fluctusEntscheidung (EuGH, Beschluss vom 18.05.2021, C-920/19 - Fluctus s.r.o. / Landespolizeidirektion Steiermark = BeckRS 2021, 12290) nicht unter Kanalisierungsgesichtspunkten vergleichbar aggressive Werbung als Reaktion auf aggressive Geschäftspraktiken illegaler Anbieter.
86
Vielmehr stellt der EuGH in der vorzitierten Entscheidung fest, dass „um das Ziel, die Spielaktivitäten in kontrollierte Bahnen zu lenken, zu erreichen, die zugelassenen Anbieter eine verlässliche und zugleich attraktive Alternative zu den nicht geregelten Tätigkeiten bereitstellen müssen, was an und für sich das Anbieten einer breiten Palette von Spielen, Werbung in gewissem Umfang und den Einsatz neuer Vertriebstechniken beinhalten kann“ (EuGH, Beschluss vom 18.05.2021, C-920/19 - Fluctus s.r.o. / Landespolizeidirektion Steiermark, Rz. 40 = BeckRS 2021, 12290).
87
Damit aber ist - neben einer breiten Palette von Spielen und dem Einsatz neuer Vertriebstechniken - „Werbung in gewissem Umfang“ bereits Ausfluss der Kanalisierungsfunktion.
88
Folgerichtig beschreibt der EuGH gerade keine Öffnung der Kanalisierungsfunktion dahingehend, dass der staatliche Monopolist auf zunehmend aggressivere bzw. intensivere Werbung anderer (illegaler) Glückspielanbieter auch selbst aggressiver bzw. intensiver werben dürfte. Denn dies würde eine Aufwärtskaskade etablieren, die dem der Kanalisierungsfunktion (Ziffer 2) gleichrangigen Ziel des GlüStV 2012 in § 1 Ziffer 1, das Entstehen von Glückspielsucht zu verhindern, zuwiderliefe. Eine Dynamisierung der Grenzen zulässiger Werbung ist folglich mit den Zielen des GlüStV im Ergebnis nicht zu vereinbaren, so dass der Beklagte eine „Waffengleichheit“ mit privaten Anbietern nicht verlangen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.06.2013 - 8 C 17.12, BeckRS 2013, 56764).
89
Auch angesichts der erheblichen Bedeutung der mit dem Glücksspielstaatsvertrag verfolgten öffentlichen Interessen lässt sich nicht vertreten, die Anforderungen an das wettbewerbliche Verhalten der inländischen Glücksspielveranstalter unter Hinweis auf etwaiges rechtswidriges Verhalten aus dem Ausland agierender Anbieter relevant abzusenken.
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Es muss daher - auch eine massive Werbepraxis der Klägerinnen und anderer nicht staatlicher Anbieter unterstellt - die vom Inhaber eines staatlichen Monopols durchgeführte Werbung maßvoll und eng auf das begrenzt bleiben, was erforderlich ist, um die Verbraucher zu den kontrollierten Spielnetzwerken zu lenken.
91
Im Ergebnis darf auch nach der jüngsten, vom Beklagten zur Legitimation seiner Werbeaktivitäten bemühten Rechtsprechung des EuGH Werbung staatlicher Glückspielanbieter gerade nicht darauf abzielen, „den natürlichen Spieltrieb der Verbraucher dadurch zu fördern, dass sie zu aktiver Teilnahme am Spiel angeregt werden, etwa indem das Spiel verharmlost, ihm wegen der Verwendung der Einnahmen für im Allgemeininteresse liegende Aktivitäten ein positives Image verliehen wird oder seine Anziehungskraft durch zugkräftige Werbebotschaften erhöht wird, die bedeutende Gewinne verführerisch in Aussicht stellen“. Es verbleibt also ein relevanter Unterschied zwischen den Strategien des Monopolinhabers, die nur die potenziellen Kunden über die Existenz der Produkte informieren und durch Lenkung der Spieler in kontrollierte Bahnen einen geordneten Zugang zu Glücksspielen sicherstellen sollen, und Strategien, die zu aktiver Teilnahme an Glücksspielen auffordern und anregen. Differenziert werden muss mithin zwischen einer restriktiven Geschäftspolitik, die nur den vorhandenen Markt für den Monopolinhaber gewinnen oder die Kunden an ihn binden soll, und einer expansionistischen Geschäftspolitik, die auf das Wachstum des gesamten Marktes für Spieltätigkeiten abzielt (EuGH, Beschluss vom 18.05.2021, C-920/19 - Fluctus s.r.o. / Landespolizeidirektion Steiermark, Rz. 43 und 44 = BeckRS 2021, 12290).
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(3) Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der EuGH sich, soweit er in der vorzitierten Entscheidung darauf verweist, dass auch Umstände wie aggressive Werbemaßnahmen privater Anbieter zugunsten rechtswidriger Aktivitäten oder die Heranziehung neuer Medien wie das Internet zu berücksichtigen sind, insoweit nicht auf den Umfang zulässiger Werbung bezieht, sondern auf die Prüfung der Frage, ob eine Inkohärenz des dualen Systems der Organisation des Glückspielmarktes, der eine massive Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit bedeutet, im Hinblick auf Art. 56 EUV besteht (EuGH, Beschluss vom 18.05.2021, C-920/19 - Fluctus s.r.o. / Landespolizeidirektion Steiermark, Rz. 47, 49 - 53 = BeckRS 2021, 12290).
93
(g) Schließlich ist das Video „Sportförderung“, ungeachtet dessen, dass der hier in Gestalt der Staatlichen Lotterieverwaltung tätige Beklagte Grundrechtsverpflichteter ist (vgl. BVerfGE 21, 362, 369 ff.; BVerwG, Urteil vom 20.06.2013, 8 C 17/12), unter Gesamtwürdigung aller Umstände, auch unter Berücksichtigung des Art. 5 GG, als unzulässig zu bewerten. Denn selbst wenn für eine Darstellung des Systems von Zweitlotterien Anlass bestünde, überschreitet die hier in Rede stehende Darstellung jedenfalls das Maß des Gebotenen, auf die obige Argumentation unter B, II, 1, c, bb, (f) wird verwiesen.
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d. Weiter ist die Vorschrift des § 5 GlüStV dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Die Vorschrift dient dem Schutz vor Glücksspielsucht und setzt zu diesem Zweck der Werbung von Anbietern öffentlichen Glücksspiels Grenzen (OLG Köln Urteil v. 10.5.2019 - 6 U 196/18, BeckRS 2019, 24908 Rn. 31; OLG Hamburg, GRUR-RR 2012, 21 - LOTTO Guter Tipp; BGH GRUR 2011, 440 - Spiel mit; OLG München, GRUR-RR 2008, 310 - Jackpot-Werbung; für Sportwetten BGH GRUR 2012, 193 - Sportwetten im Internet II). Es handelt sich damit um eine Marktverhaltensregel im Sinne des § 3 a UWG.
95
e. Und schließlich ist die Aussage des Films „Sportförderung“ auch geeignet, die Interessen der Mitbewerber und Verbraucher im Sinne des § 3a UWG zu beeinträchtigen.
96
Verstöße gegen den GlüStV sind in der Regel geeignet, die Interessen der Mitbewerber und der Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen (Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Aufl., § 3a, Rn. 1.245). Hier ergibt sich keine Ausnahme zu dieser Regel, weil der Film geeignet ist, sowohl Personen, die bisher die Teilnahme am Glückspiel nicht beabsichtigt haben, sowie solche, die bereits grundsätzlich zu einem Glücksspiel, ggf. auch zu einem Glücksspiel der Klägerin zu 2) entschlossen waren, anzusprechen und deren Interesse auf das Angebot des Beklagten zu lenken.
97
Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang auf eine „geringe Reichweite“ der Videos abstellen möchte, kann dies die wettbewerbliche Relevanz angesichts der Bekanntheit von LOTTO Bayern, der Breitenwirkungen des Internets als solchem und auch der konkreten Einwirkung auf den Verbraucher (Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Auflage, § 3, Rn. 3.23.) nicht beseitigen.
98
f. Durch die erfolgte Verletzungshandlung ist die für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch erforderliche
99
2. Wiederholungsgefahr gegeben,§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG. Dies gilt auch, wenn, wie vorliegend, der Videoclip nicht mehr abrufbar ist. Die Wiederholungsgefahr kann nämlich allein durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ausgeräumt werden (st. Rspr., vgl. etwa BGH GRUR 1955, 97 - Constanze II; BGH GRUR 1972, 550 - Spezialsalz II; BGH GRUR 2008, 1108 - Haus & Grund III). Die Abgabe einer solchen Erklärung hat der Beklagte explizit abgelehnt (Anlage K 10). Der Klägerin zu 2) steht gemäß §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 i.V. m. § 3 Abs. 1 und 3 i.V. m. Nr. 16 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG der mit der Klage geltend gemachte Unterlassungsanspruch in Bezug auf das streitgegenständliche „Glücksspielhoroskop“ (Anlage K 8) gegen den Beklagten zu.
100
a. Zwischen den Parteien besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, beide Parteien bieten geschäftliche Dienstleistungen auf dem Markt des Glücksspielwesens an, siehe oben B.
II. 1. a. b. Das Zurverfügungstellen und Bewerben wöchentlicher Glückszahlenhoroskope auf der Facebook-Seite des Beklagten ist eine geschäftliche Handlung, § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG, für die der Beklagte auch verantwortlich ist. Sie zielt auf die Förderung des Absatzes der staatlichen Lotterie.
101
c. Das Zurverfügungstellen und Bewerben wöchentlicher Glückszahlen in Bezug auf eine Lotterie verstößt gegen § 3 Abs. 1 und Abs. 3 i.V. m. Nr. 16 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG.
102
(aa) Nr. 16 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG untersagt eine Äußerung, gleichgültig in welcher Form, der der Verbraucher entnehmen kann, das Produkt könne die Gewinnchancen bei Glückspielen, hierzu gehören vor allem Lotterien, erhöhen. Ausreichend ist, dass die Wirkung als möglich dargestellt wird (Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Auflage, Anh. zu § 3 UWG, Rn. 16.3).
103
So liegt der Fall hier: Mit der Angabe von drei Glückszahlen mit dem Zusatz „Deine Glückszahlen lauten:(…)“ und dem Hinweis „Helfe deinem Glück auf die Sprünge und nutze den Horoskop-Tipp unter…“ wird dem Verbraucher suggeriert, dass er seine Gewinnchancen erhöhen könne bzw. wortwörtlich „auf die Sprünge helfen“ könne. Durch diese vermeintliche Hilfestellung mittels vorgegebener „Glückszahlen“ gewinnt das Spiel an Attraktivität, und zwar nicht nur für Menschen, die für Astrologie empfänglich sind (vgl. KG GRUR-RR 2010, 29 - Horoskop-Spielschein), sondern auch für den verständigen, dem Glücksspiel nicht gänzlich abgeneigten Durchschnittsverbraucher, zu denen auch die Mitglieder Kammer als zumindest potentielle Lottospieler gehören.
104
Dass es sich bei dem Glückspielhoroskop um ein unentgeltliches Angebot handelt, ändert an der rechtlichen Einordnung des Horoskops nichts. Denn entscheidend ist, dass der Verbraucher glauben kann, er könne durch die Art des (Horoskop-)Tipps, unter Verwendung von vorgegebenen (Horoskop-)Zahlen höhere Gewinnchancen haben, als ohne die Verwendung der entsprechenden Zahlen.
105
Soweit der Beklagte sich darauf bezieht, dass es sich „lediglich um eine Ausfüllhilfe von drei Zahlen“ handelt, ändert dies an der rechtlichen Bewertung, dass das konkrete Glücksspiel durch die Ausfüllhilfe attraktiver gemacht werden soll, nichts. Drei Zahlen sind mehr als keine Zahl, was sich dem verständigen Durchschnittsverbraucher auch ohne Weiteres erschließt.
106
(bb) Die Werbung beschränkt sich auch nicht darauf, eine bereits vorhandene Spielleidenschaft zu kanalisieren. Die FacebookWerbung ist vielmehr darauf gerichtet, einen Entschluss zur Spielteilnahme erst hervorzurufen. Auf die obigen Ausführungen zum Umfang des Kanalisierungsauftrags staatlicher Lotterien wird verwiesen, B, II, 1, c, bb, (f).
107
(cc) Die Horoskopwerbung ist nicht durch Art. 5 GG gerechtfertigt. Ungeachtet dessen, dass der hier in Gestalt der Staatlichen Lotterieverwaltung tätige Beklagte Grundrechtsverpflichteter ist (siehe hierzu bereits unter B. II, 1, c, bb, (g)), ist die Horoskopwerbung unter Gesamtwürdigung aller Umstände als unzulässig zu bewerten. Selbst wenn grundsätzlich mit Blick auf die Kanalisierungsfunktion ein Anlass für die Gestaltung eines attraktiven Spielangebots für den Verbraucher besteht, überschreitet die streitgegenständliche Darstellung das Maß des Gebotenen, siehe oben B, II, 2, c, (bb).
108
d. Es handelt sich gem. § 3 Abs. 3 UWG um eine stets unzulässige Handlung, so dass sich der Beklagte nicht darauf berufen könnte, es habe im konkreten Fall keine geschäftliche Relevanz vorgelegen. Insofern geht auch der Vortrag des Beklagten zur geringen Reichweite des Facebook-Posts ins Leere.
109
e. Durch die erfolgte Verletzungshandlung ist die für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch erforderliche
110
3. Wiederholungsgefahr gegeben, § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG, auch wenn der angegriffene Facebook-Auftritt eingestellt wurde und nicht mehr abrufbar ist. Zur Meidung von Wiederholungen wird auf die entsprechenden Ausführungen unter B, II, 1, f. Bezug genommen. Der Klägerin zu 2) steht schließlich auch gemäß §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 i. V. m. § 3a UWG, § 5 Abs. 1 und Abs. 2 GlüStV 2012 der mit der Klage geltend gemachte Unterlassungsanspruch in Bezug auf den Werbefilm „Geiles Leben“ in der Kurzfassung (Anlage K 11 und Anlage K 34) und auf den Werbefilm „Geiles Leben“ in der Langefassung (Anlage K 12 und Anlage K 34) gegen den Beklagten zu.
111
a. Zwischen den Parteien besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, beide Parteien bieten geschäftliche Dienstleistungen auf dem Markt des Glücksspielwesens an, s. o. A.
112
II. 1. a. b. Die Verlinkung auf den Film „Geiles Leben“ ist in beiden Varianten (Lang- und Kurzfassung) eine geschäftliche Handlung, § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG, denn beide Varianten zielen, als Werbefilm für den Eurojackpot, auf die Förderung des Absatzes der staatlichen Lotterie ab.
113
aa. Die Kurzfassung hat der Beklagte unmittelbar auf seinem eigenen „YouTube“-Kanal „LOTTO Bayern“ gezeigt.
114
bb. Die Langversion ist zwar nur auf dem nicht von dem Beklagten betriebenen Kanal „Eurojackpot - eurojackpot results“ abrufbar gewesen. Der Beklagte hat sich den fremden Inhalt aber zu eigen gemacht (vgl. Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Auflage, § 8, Rn. 2.27/27a; BGH GRUR 2016, 209 - Haftung für Hyperlink), weil der Beitrag auf dem YouTube-Kanal „LOTTO Bayern“ unter dem Icon „EUROJACKPOT - eurojackpot results“ ausweislich der auf S. 6/7 des Schriftsatzes vom 29.01.2019 (Bl. 51/52 d. A.) direkt verlinkt gewesen ist. Der vom Beklagten auf S. 115 des Schriftsatzes vom 12.04.2019 (Bl. 201 d. A.) eingelichtete Screenshot der Übersichtsseite des YouTube-Kanals „EUROJACKPOT - eurojackpot results“ vom 05.04.2019 entkräftet den Vortrag der Klägerinnen, dass das streitgegenständliche Video vom Kanal LOTTO Bayern unmittelbar abrufbar war, nicht. Denn die Gestaltung der Übersichtsseite des YouTube-Kanals „EUROJACKPOT - eurojackpot results“ am 05.04.2019 besagt nichts über den Zustand der Seite bei Einreichung der Klageerweiterung am 30.01.2019. Dass es sich bei den im klägerischen Schriftsatz vom 29.01.2019 eingelichteten Screenshots um Fälschungen handeln soll, behauptet auch der Beklagte nicht.
115
Die Verlinkung vom eigenen YouTube-Kanal des Beklagten auf den YouTube-Kanal „EUROJACKPOT - eurojackpot results“ mit den dort enthaltenen Videos erfolgt zudem im eigenen werblichen Interesse des Beklagten, was sich schon daraus ergibt, dass dieser etwa hinsichtlich der dort eingestellten Ziehungsvideos darauf verweist, dass „LOTTO Bayern (…) Ihnen den Clip zur Verfügung“ stellt - rund um die Uhr“ (vgl. Einlichtung auf S. 54 des Schriftsatzes vom 24.06.2019, Bl. 404 d. A.). Der Beklagte haftet mithin für diese auf seiner eigenen Seite vorgehaltene Verlinkung - sei sie aktiv oder auch nur automatisiert (vgl. zu entsprechenden Überwachungs- und Prüfpflichten auch BGH GRUR 2016, 936 - Angebotsmanipulation bei Amazon) erfolgt - auf den Kanal „EUROJACKPOT - eurojackpot results“ und die dort abrufbaren Inhalte.
116
c. Der Film „Geiles Leben“ verstößt in beiden Fassungen gegen § 5 Abs. 1 GlüStV 2012 i.V. m. § 1 GlüStV 2012 und § 5 Abs. 2 GlüStV 2012.
117
aa. Auch wenn, wie bereits zuvor ausgeführt, aus der Aufhebung des § 5 Abs. 2 GlüStV a. F. (zum 01.07.2012), wonach Werbung für Glückspiel nicht gezielt zur Teilnahme am Glückspiel auffordern, anreizen oder ermuntern sollte, geschlossen werden kann, dass etwas weniger strenge Anforderungen als zuvor zu gelten haben (Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Auflage, § 3a, Rn. 1.247), sind gemäß § 5 Abs. 1 GlüStV 2012 Art und Umfang der Werbung für öffentliches Glücksspiel weiterhin an den - unveränderten - Zielen des § 1 GlüStV 2012 auszurichten. Auf die obigen Ausführungen zum Prüfungsumfang wird verwiesen (B, II, 1, c, bb, (b) - (d)).
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bb. Der Videoclip ist in beiden Fassungen das Gegenstück sachlicher Information und richtet sich darüber hinaus in unzulässiger Weise auch an Minderjährige.
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(1) Zum einen fordert das Video in beiden Versionen offensiv zur Teilnahme an der Eurojackpot-Lotterie auf. So thematisiert bereits in der Kurzfassung mit einer Dauer von 30 Sekunden der Musiktext ein „geiles Leben“, das u. a. mit den Worten „traumhafte Chamapgnerfeten“, „viel Geld“, „schicken Villen“ umschrieben wird und das mit Bildern diverser Statussymbole, so z. B. von luxuriösen Motorbooten, Champagner, teuren Uhren und Schmuck, Villen, Cabriolets, Privatjets und Sportwägen, visuell dargestellt wird. Am Ende heißt es zusammenfassend: „Eurojackpot…die Chance auf Dein Traumleben“. Die Möglichkeiten zur Erreichung eines „geilen Lebens“ mit diversen Annehmlichkeiten und Statussymbolen mit Hilfe des „Eurojackpot“ werden in dem genannten Clip in einer Art und Weise betont, die weit über eine sachliche Darstellung des Eurojackpots und dessen Gewinnchancen hinaus geht. Die mitgeteilte Information (insbesondere zur Höhe des Jackpots) wird damit in einer zum Spiel anreizenden Weise massiv übersteigert (vgl. OLG Hamburg GRUR-RR 2012, 21 - LOTTO guter Tipp), was den Vorgaben des GlüStV zuwiderläuft.
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In der Langfassung, die 2 Minuten dauert, enthält der Songtext neben den vorbeschrieben Textpassagen noch weitere Metaphern für ein luxuriöses Leben, so z. B. „24 h meine Rolex umgebunden“, „muss ich heute was besorgen, oder schick‘ ich meinen Assi lieber morgen“, „ich führ ein Leben ohne Grenzen, 52 Wochen pure Freiheit genossen“ „steig ich in den Privatjet und verschwinde“. Außerdem werden im Text mehrfach kausale Verknüpfungen zwischen einem „geilen Leben“ und dem Eurojackpot beschrieben, so z. B.
„Ich führ‘ jetzt so n’ richtig geiles Leben, zum Glück hab‘ ich den Schein am Kiosk abgegeben“;
„Die Chance auf so n‘ geiles Leben mit traumhaften Champagnerfeten, mit Fame, viel Geld, schicken Villen und Sonnenbrillen, wenn am Freitag die Millionen im Eurojackpot sind“;
„die Chance ist da, nicht ständig arbeiten zu gehen, ich führ‘ jetzt so ein richtig geiles Leben, weil auf der Quittung sieben Richtige stehen“.
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Die in einer zum Spiel anreizenden Weise massiv übersteigerte Information, z. B. zur Höhe des Jackpots, ist in der Langversion noch deutlicher, weil nämlich noch länger auf den Zuschauer mit Bildern und Texten von einem extremen Luxusleben eingewirkt wird, und weil die vermeintliche Verknüpfung eines „Traumlebens“ und der Teilnahme am „Eurojackpot“ noch extremer als in der Kurzversion betont wird.
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Im Ergebnis vermitteln daher - bei beiden Spots - die Bilder ein Leben im Luxus, das für den Verbraucher durch einen Gewinn im Eurojackpot als erreichbar dargestellt wird. Durch die Darstellung von wohlhabenden Menschen mit offensichtlich sehr guter Laune, die ein „geiles Leben“ führen, werden intensiv Emotionen des Betrachters angesprochen, und ihm suggeriert, dass er, wenn er an der Lotterie teilnimmt, die Möglichkeit hat, ebenso wie die dargestellten Personen ein glückliches und „geiles Leben“ zu führen.
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Über eine humorvolle Überzeichnung geht diese Darstellung deutlich hinaus.
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(2) Durch die Präsentation auf der Plattform „YouTube“, die eine auch von Jugendlichen bis 18 Jahren intensiv genutzte Plattform ist (JIM-Studie 2017, Anlage K14) erreicht der Beklagte mit diesen Inhalten nicht nur Minderjährige, sondern spricht diese auch gezielt an, was im Widerspruch zum Jugendschutzziel nach Ziffer 3 des Art. 1 des GlüStV 2012 und zu § 5 Abs. 2 GlüStV 2012 steht (BGH GRUR, 2013, 956 - Glückspäckchen im Osternest).
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cc. Auch diese Werbung beschränkt sich nicht darauf, eine vorhandene Spielleidenschaft zu kanalisieren. Die streitgegenständlichen Videos sind vielmehr darauf gerichtet, einen Entschluss zur Spielteilnahme erst hervorzurufen. Auf die obigen Ausführungen zum Umfang des Kanalisierungsauftrags staatlicher Lotterien wird verwiesen, B, II, 1, c, bb, (f).
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dd. Die Aussagen der Videos sind auch nicht durch Art. 5 GG gerechtfertigt. Ungeachtet dessen, dass der hier in Gestalt der Staatlichen Lotterieverwaltung tätige Beklagte Grundrechtsverpflichteter ist (siehe hierzu bereits unter B. II, 1, c, bb, (g)), sind beide Spots unter Gesamtwürdigung aller Umstände als unzulässig zu bewerten. Selbst wenn mit Blick auf die Kanalisierungsfunktion ein Anlass für die Gestaltung von Werbung für den Eurojackpot besteht, überschreiten die streitgegenständlichen Darstellungen das Maß des Gebotenen erheblich, vgl. insoweit auch B, II, 3, c, bb.
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ee. Die von den Klägerinnen als Anlagen K 15 k - K 15 m vorgelegten Rahmenerlaubnisse der Bezirksregierung Düsseldorf, auf die sich der Beklagte bezieht, ebenso wie die an diese anknüpfende Korrespondenz über die Gestaltung des Videos (Anlagen K 15 b - K 15 j) rechtfertigen die Gestaltung der beiden Werbespots „Geiles Leben“ nicht.
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Denn dem Beklagten, der die Rechtmäßigkeit der Videos damit verteidigen möchte, dass diese von der zuständigen Aufsichtsbehörde als Werbung im Internet über sog. „Eigenwerbekanäle“ erlaubt worden sei, ist von der Bezirksregierung Düsseldorf nur eine abstrakte behördliche Rahmenerlaubnis für „Werbung für Veranstaltung von Lotterien“ im Internet (einschließlich der sozialen Netzwerke) und im Fernsehen für die Lotterie „Eurojackpot“ erteilt worden. Eine abschließende rechtliche Bewertung der finalen und ausgestrahlten Filmversionen wurde hingegen nicht abgegeben. Aus der weitergehenden Korrespondenz mit der Bezirksregierung Düsseldorf ergibt sich lediglich, dass die Filme in Zwischenphasen der Produktion geprüft und auch z. T. beanstandet (Anlage K 15e) wurden, aber als solche nie von staatlichen Stellen abschließend bewertet wurden, worauf die Behörde auch deutlich hingewiesen hatte (Anlage K 15h). Eine abschließende Beurteilung der Rechtskonformität der gezeigten Filme durch die Aufsichtsbehörde konnte der Beklagte hingegen nicht vorweisen; ohnehin wäre nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) die Judikative an eine etwaige rechtliche Beurteilung der Exekutive auch nicht gebunden.
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ff. Auch das vom Beklagten vorgelegte Gutachten (CBH 2) legitimiert den Spot (Langversion) nicht. Insbesondere kann das Gutachten keinen Beweis für die rechtliche Unbedenklichkeit der Videos „Geiles Leben“ erbringen.
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Denn gänzlich unabhängig von der Auswahl des Privatgutachters, der Untersuchungsmethode und der Stichprobenzusammensetzung, wird im Gutachten gerade festgestellt, dass der Werbespot zu einer erhöhten Attraktivität für den Eurojackpot bzw. zu einem Anstieg des Spielinteresses führt. Dass der Film, nach den - von den Klägerinnen bestrittenen - Feststellungen im Gutachten, eine Kanalisierung zu weniger gefährlichen Spielen hin bewirkt, ändert nichts daran, dass die Werbung als solche im Widerspruch zu den rechtlichen Vorgaben steht. Hier ist der Verstoß nämlich zuvorderst darin zu sehen, dass Werbung des Inhabers des staatlichen Monopols nicht darauf abzielen darf, den Spieltrieb zu fördern, was er - wie von der Beklagten mit ihrem eigenen Gutachten belegt - tatsächlich tut. Die Grenzen einer zulässigen Kanalisierung sind daher deutlich überschritten. Insoweit wird zur Meidung von Wiederholungen auf die obigen Ausführungen unter B, II, 1, c, bb, (f) verwiesen, die für den Clip „Geiles Leben“ entsprechend gelten.
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Soweit sich das Parteigutachten des Beklagten auch zur Frage der rechtlichen Konformität des Werbespots verhält, ist festzuhalten, dass die rechtliche Einordnung der Zulässigkeit der angegriffenen Werbemaßnahmen des Beklagten der Kammer obliegt.
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d. Wie bereits unter B, II, 1, d, ausgeführt, ist die Vorschrift des § 5 GlüStV dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten im Sinne des § 3 a UWG zu regeln, auf die obigen Ausführungen wird zu Meidung von Wiederholungen verwiesen.
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e. Die beiden Werbefilme „Geiles Leben“ sind geeignet, die Interessen der Marktteilnehmer im Sinne des § 3a UWG zu beeinträchtigen. Insoweit wird auf die Ausführungen unter B, II, 1, e verwiesen, die für die beiden Clips „Geiles Leben“ entsprechend gelten.
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f. Durch die erfolgte Verletzungshandlung ist die für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr gegeben, § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG. Dies gilt auch, wenn, wie vorliegend, der Videoclip nicht mehr abrufbar ist (siehe hierzu bereits B, II, 1, f).
C.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und 2 ZPO.