Titel:
Irreführende und aggressive Praktiken eines Softwareunternehmens beim Vertrieb so genannter Upgrades
Normenketten:
UWG § 5
UWG § 4a Abs. 1 S. 1
MPG § 4 Abs. 1 Nr. 1
MPSV § 2 Nr. 1
MPSV § 2 Nr. 3
Leitsätze:
1. Die Ankündigung eines Software-Entwicklungsunternehmens gegenüber einem Vertragspartner - einem Arzt - mit der Weiterverwendung der L.-Software ohne die Durchführung des angebotenen Upgrades sei ein Sicherheitsrisiko im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 1 MPG verbunden, stellt einen innerbetrieblichen Vorgang des Softwareunternehmens dar, über den der Vertragspartner keine genaue Kenntnis haben kann, während die Beklagte hierüber zur weiteren Aufklärung in der Lage ist. (redaktioneller Leitsatz)
2. Die gleichzeitige Ankündigung des Software-Unternehmens, es werde ihrer Meldepflicht gemäß §§ 2 Nr. 1, 3 Abs. 1 oder 3 MPSV nachkommen müssen und unverzüglich eine entsprechende Mitteilung an das BfArM erstatten, wenn der Adressat des Schreibens nicht binnen der gesetzten Frist von zwei Wochen eine Bestätigung übermittele, wonach sich die „alte“ L.-Software nicht mehr im Einsatz befinde, stellt sich als eine aggressive geschäftliche Handlung im Sinne von § 4a Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 3 UWG dar. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Mitbewerber
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 31.05.2019 – 17 HK O 2149/18
Fundstellen:
MD 2020, 366
CR 2021, 7
GRUR-RS 2020, 6437
LSK 2020, 6437
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 31.05.2019, Az. 17 HK O 2149/18, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass
1. der Unterlassungstenor zu Ziff. I. lautet wie folgt:
„…zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Kunden zur Bestellung eines Upgrades dadurch zu veranlassen, dass diesen erklärt wird, diese dürften bereits erworbene Software ohne ein solches Upgrade nicht mehr benutzen, und anderenfalls - schon wegen Fehlens eines Upgrades die Sicherheit der Patienten über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaften vertretbares Maß hinaus gefährdet sei, sofern dies geschieht wie mit dem als Anlage K 3 beigefügten Schreiben.“
2. festgestellt wird, dass der klägerische Unterlassungsantrag im Übrigen erledigt ist.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das Urteil des Landgerichts München I vom 31.05.2019, Az. 17 HK O 2149/18, wird ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt. Die Beklagte kann die Vollstreckung hinsichtlich des Unterlassungstenors (Ziff. I.) durch Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000,- EUR und hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
sowie folgenden Beschluss:
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 30.000,- EUR festgesetzt.
Tatbestand
1
Der Kläger macht gegen die Beklagte wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche geltend.
2
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, dessen satzungsgemäße Aufgabe die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder ist, insbesondere die Achtung darauf, dass die Regeln des unlauteren Wettbewerbs eingehalten werden. Die Beklagte ist eine Entwicklerin von Software und beschäftigt sich mit Softwarelösungen für den orthopädischen Chirurgen.
3
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird zunächst gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
4
Das Landgericht hat die Beklagte dazu verurteilt, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Kunden zur Bestellung eines Upgrades dadurch zu veranlassen, dass diesen erklärt wird, diese dürften bereits erworbene Software ohne ein solches Upgrade nicht mehr benutzen, und anderenfalls
- schon wegen Fehlens eines Updates die Sicherheit der Patienten über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaften vertretbares Maß hinaus gefährdet sei, und/oder
- durch sie, die Beklagte, eine Meldung an das BfArM erfolge, obgleich tatsächlich keine Meldung eines entsprechenden Rückrufs angezeigt worden ist, sofern dies geschieht, wie mit dem als Anlage K 3 beigefügten Schreiben.
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Das Schreiben gemäß Anlage K 3 lautete wie folgt:
„Weiterhin hat das Landgericht die Beklagte verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Abmahnkosten in Höhe von 178,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit 10.03.2018 zu zahlen.“
6
Zur Begründung hat das Landgericht Folgendes ausgeführt:
7
Die Aktivlegitimation des Klägers gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG sei gegeben, insbesondere gehöre ihm eine erhebliche Zahl von Unternehmen an, welche Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf denselben Markt vertrieben. Dabei sei grundsätzlich ein großzügiger Maßstab anzulegen und reiche es auch, dass die Mitgliedsunternehmen eine zumindest nicht gänzlich unbedeutende Beeinträchtigung durch die Wettbewerbsmaßnahme mit einer gewissen, wenn auch nur geringen Wahrscheinlichkeit zu befürchten hätten. Das Wettbewerbsverhältnis werde in der Regel durch die Zugehörigkeit zur selben Branche oder zumindest zu angrenzenden Branchen begründet. Dabei sei allerdings nicht erforderlich, dass der Mitbewerber gerade bei den Waren oder Dienstleistungen, die mit den beanstandeten Wettbewerbsmaßnahmen beworben würden oder von diesen betroffen seien, mit den Mitgliedsunternehmen in Wettbewerb stehe. Unter Berücksichtigung dieses großzügigen Maßstabes sei vorliegend nicht darauf abzustellen, dass die Mitglieder des Klägers Hersteller bzw. Vertreiber sogenannter Stand-Alone-Software sein müssten, es reiche vielmehr die Zugehörigkeit zur selben Branche aus, nämlich zu Heilmitteln im weiteren Sinne. Die in Rede stehende Software ermögliche die vollständige präoperative Planung eines Gelenkersatzes in einer digitalen Umgebung. Letztendlich sei es Ziel der Software, Heilung von Patienten herbeizuführen. Damit sei die in Rede stehende Software der Branche „Heilmittel“ zuzuordnen. Insoweit gehöre dem Kläger, wie sich aus Anlage K 1, Seiten 16 ff., ergebe, eine erhebliche Anzahl von Unternehmen an, die ebenfalls auf dem Gebiet der Heilmittel tätig seien.
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Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch sei nach §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, 3, 5 Abs. 1 Satz 1 UWG begründet, denn durch die in Rede stehende Mitteilung an Dr. W. (Anlage K 3) habe die Beklagte eine unlautere irreführende geschäftliche Handlung vorgenommen im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG. Die Beklagte habe mit dem Schreiben gemäß Anlage K 3 dem Empfänger Dr. W. mitgeteilt, dass dieser, wenn er die Software ohne das Upgrade weiterbenutze, gegen § 4 Abs. 1 Nr. 1 MPG verstoßen würde, und dass dies sogar über §§ 40, 41 MPG strafrechtliche Konsequenzen sowie verwaltungsrechtliche Maßnahmen nach sich ziehe. Den Nachweis, dass der begründete Verdacht bestehe, dass durch die weitere Nutzung der in Rede stehenden Software die Sicherheit oder Gesundheit der Patienten gefährdet werde im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 1 MPG, habe die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte aber nicht erbracht. Diese rechtfertige das streitgegenständliche Schreiben damit, dass das Ärztehaus bzw. die Praxis Dr. W. gegen das Medizinproduktegesetz verstoßen würde. Wegen dieses vermeintlichen Verstoßes fühle sich die Beklagte berechtigt, die in Rede stehenden Äußerungen gegenüber Dr. W. zu tätigen. Bei diesen Umständen, nämlich vermeintliche Verstöße gegen Gesetze, handele es sich allerdings um rechtfertigende Gründe, welche die Beklagte dazu berechtigen sollten, unter Verwendung der in Rede stehenden Äußerungen den angesprochenen Dr. W. zu einem Upgrade zu bewegen. Aus diesem Grund sei vorliegend nicht die Klagepartei darlegungs- und beweispflichtig dahingehend, darzulegen und zu beweisen, dass ein solcher Gesetzesverstoß seitens Dr. W. nicht vorgelegen habe, sondern sei vielmehr die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass ein solcher Gesetzesverstoß tatsächlich vorliege.
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Den Beweis dafür habe die Beklagte nicht erbracht. Insoweit habe sie vorgetragen, dass die orthopädische präoperative Planungssoftware OrthoPlanner inzwischen von deren Hersteller, der L. GmbH, nicht mehr beobachtet, betreut und fortentwickelt werde, dass die Gewährleistung für die gekauften Produkte L. Planner ausgelaufen sei und es daher keinen Anspruch des jeweiligen Käufers gegen den Hersteller, die L. GmbH, auf Beobachtung, Betreuung und Fortentwicklung gebe. Weiterhin habe sie vorgetragen, dass eine Wartung des Produktes L. OrthoPlanner, insbesondere auch für Herrn Dr. W., gerade nicht mehr erfolge. Des Weiteren sei vorgetragen worden, dass die Software L. OrthoPlanner nicht einmal mehr beobachtet werde und der Umstand, dass die Software fehlerfrei funktioniere, durch deren Hersteller, die L. GmbH, nicht mehr genügend festgestellt werde. Diese Tatsachen hätten gegebenenfalls eine mögliche Gefahr bei weiterer Anwendung der Software im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 1 MPG begründen können. Den diesbezüglichen Sachvortrag habe die Beklagte aber nicht bewiesen. Die Beklagte habe für die von ihr insoweit benannten Zeugen den vom Gericht angeforderten Auslagenvorschuss nicht einbezahlt, so dass die Zeugen nicht geladen und somit auch nicht vernommen worden seien. Damit sei der Beweis einer möglichen Gefährdung von Sicherheit und Gesundheit der Patienten bei Weiterverwendung der Software seitens Dr. W. durch die insoweit beweispflichtige Beklagte nicht erbracht worden. Der erforderliche Nachweis ergebe sich insbesondere auch nicht aus der seitens der Beklagten vorgelegten Anlage B 1, einem Informationsschreiben der Firma L. an ihre Kunden. Denn in diesem Schreiben teile die Firma L. den Kunden lediglich mit, „bestehende Installationen werden von uns im Rahmen der Wartungsverträge weiter betreut, Neuinstallationen aber nicht mehr vorgenommen“. Dies bedeute aber, dass durch diese Mitteilung von L. gerade die oben aufgeführten Tatsachen nicht bewiesen würden, weil es sich bei der Software, welche Dr. W. nutze, offensichtlich um eine bereits bestehende Installation und nicht um eine Neuinstallation handele.
10
Damit stehe zur Überzeugung der Kammer (§ 286 ZPO) gerade nicht fest, dass die Firma O. bzw. Dr. W. die bereits erworbene Software ohne das angebotene Upgrade nicht mehr benutzen dürfe und wegen Fehlens eines Updates die Sicherheit der Patienten über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaften vertretbares Maß hinausgehend gefährdet sei. Damit habe die Beklagte mit nicht nachgewiesenen Behauptungen versucht, den Adressaten dazu zu bewegen, ein Update der Software durchführen zu lassen, obwohl gerade nicht feststehe, dass ein solches Update erforderlich sei und ohne ein solches die Software nicht mehr weiter benutzt werden dürfe. Die Handlung der Beklagten sei zweifelsfrei geeignet gewesen, den Adressaten zu einer geschäftlichen Handlung zu veranlassen, nämlich den Erwerb des Updates, die er anderenfalls, wenn er gewusst hätte, dass die Vorwürfe der Beklagten gar nicht zutreffend seien, nicht getätigt hätte. Damit ergebe sich der Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2; 5 Abs. 1 UWG. Darauf, dass letztendlich der Adressat Dr. W. das ihm angedachte Upgrade nicht durchführen habe lassen, komme es nicht an, weil die diesen gegenüber getätigte Äußerung darauf abgezielt habe und dazu geeignet gewesen sei, ihn zu einer bestimmten geschäftlichen Handlung zu veranlassen, der Erfolgseintritt sei dazu nicht erforderlich.
11
Die Beklagte habe auch nicht zur Überzeugung der Kammer (§ 286 ZPO) nachgewiesen, dass sie zu einer Meldung an das BfArM berechtigt gewesen sei wegen Vorliegens eines Vorkommnisses im Sinne von § 2 Nr. 1 MPSV. Voraussetzung insoweit wäre zunächst gewesen, dass die Beklagte nachgewiesen hätte, dass ein Vorkommnis im Sinne dieser Vorschrift vorliege, also dass tatsächlich die in Rede stehende Software von dem Hersteller nicht mehr beobachtet, betreut und fortentwickelt werde, dass die Gewährleistung für die verkauften Produkte L. OrthoPlanner ausgelaufen sei und es daher keinen Anspruch des jeweiligen Käufers gegen den Hersteller, die L. GmbH, auf Beobachtung, Betreuung und Fortentwicklung gebe, und ferner, dass eine Wartung des Produktes insbesondere auch für Herrn Dr. W. bzw. die Firma O., nicht mehr erfolge und dass die Software L. OrthoPlanner nicht einmal mehr beobachtet werde und der Umstand, dass die Software fehlerfrei funktioniere, durch deren Hersteller nicht mehr genügend festgestellt werde. Nur dann, wenn dies seitens der Beklagten nachgewiesen worden wäre, hätte die Möglichkeit eines Vorkommnisses im Sinne von § 2 Nr. 1 MPSV im Raum gestanden. Den entsprechenden Nachweis habe die Beklagte aber nicht erbracht. Aus diesem Grund sei sie auch nicht berechtigt gewesen, dem Adressaten des Schreibens anzudrohen, dass eine Meldung an das BfArM erfolgen werde, wenn das entsprechende Update nicht gebucht werde. Auch diese Äußerung sei irreführend und dazu geeignet, den Adressaten zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 UWG).
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Auch der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung der Abmahnkostenpauschale sei begründet nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG, da die klägerische Abmahnung aus den vorgenannten Gründen berechtigt gewesen sei. Die geltend gemachten Verzugszinsen seien nach §§ 288, 291 BGB begründet.
13
Den Antrag der Beklagten vom 18.06.2019 auf Tatbestandsberichtigung gemäß § 320 ZPO (Bl. 136/140 d. A.), hat das Landgericht mit Beschluss vom 16.07.2019 (Bl. 144/147 d. A.) zurückgewiesen.
14
Die Beklagte hat gegen das ihr am 04.06.2019 zugestellte Endurteil mit Schriftsatz vom 02.07.2019 (Bl. 149 a d.A.) Berufung eingelegt, die sie nach antragsgemäßer Fristverlängerung (Bl. 155 d.A.) mit Schriftsatz vom 04.09.2019 (Bl. 156/172 d.A.) begründet hat.
15
Die Beklagte führt unter ergänzender Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen zur Begründung ihrer Berufung Folgendes aus:
16
Es werde ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG bzw. Art. 47 Abs. 2 der Grundrechte-Charta durch das Erstgericht gerügt, das wesentlichen Vortrag der Beklagten nicht zur Kenntnis genommen habe. Entgegen den Feststellungen des Landgerichts habe die Beklagte von der L. GmbH den Kundenstamm für die Software „L. OrthoPlanner“ und, damit einhergehend, die entsprechenden Pflege- und Vertriebsrechte an dieser Software erworben, wie seitens der Beklagten erstinstanzlich unwidersprochen vorgetragen worden sei.
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Der Tatbestand des Urteils des Landgerichts erwecke weiterhin den falschen Eindruck, dass es für Herrn Dr. W. nur die Möglichkeit des Upgrades auf die Software der Beklagten gegeben habe. Tatsächlich habe die Beklagte in dem gegenständlichen Schreiben Herrn Dr. W. aber auch freigestellt, zu erklären, dass er künftig die Nutzung der Software „L. OrthoPlanner“ für seine Operationsplanung unterlasse. Herr Dr. W. sei damit frei darin gewesen, zu entscheiden, ob er seine Software durch einen Anbieterwechsel upgraden wolle. In jedem Fall habe er fortan die Nutzung der Software L. OrthoPlanner zu unterlassen gehabt. Auch dies habe die Beklagte bereits erstinstanzlich wiederholt vorgetragen.
18
Das Landgericht habe weiterhin unzutreffend die Aktivlegitimation des Klägers gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG bejaht. Gemessen an dem vom Erstgericht aufgezeigten Maßstab sei eine Aktivlegitimation des Klägers offenkundig nicht gegeben. Dem Kläger gehörten schon keine Unternehmen an, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf denselben Markt wie die Beklagte vertrieben. Kein Unternehmen, das Mitglied des Klägers sei, sei in derselben Branche oder zumindest in einer angrenzenden Branche wie die Beklagte tätig. Die Beklagte konkurriere auch nicht mit denjenigen Verbandsmitgliedern des Klägers, die dieser in seiner dem Erstgericht vorgelegten Mitgliederliste unter dem Stichwort „Heilmittel und Heilwesen-Dienstleistungen“ führe. Das Erstgericht verkenne insoweit schon, dass die durch das Medizinproduktgesetz (MPG) und die Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte regulierten Unternehmen eben nur mit nach diesen Bestimmungen regulierten Unternehmen konkurrierten und konkurrieren könnten. Das regulatorische Recht bestimmten insofern „den“ Markt, hier konkret denjenigen für aktive Medizinprodukte, zu dem auch eine Planungssoftware für orthopädische Operationen gehöre. Zur Bestimmung der maßgeblichen Branche sei entgegen der verfehlten Sichtweise des Erstgerichts allein die in Rede stehende, von der Beklagten vertriebene Software, also die Software MediC. maßgeblich. Da eine solche Software üblicherweise von einem Hersteller von aktiven Medizinprodukten angeboten werde, müssten die Mitglieder des Klägers eben auch zu der Branche der Hersteller aktiver Medizinprodukte gehören. Andere Unternehmen dürften mit ihren nicht zertifizierten Produkten an diesem Markt schon gar nicht teilnehmen. Vorliegend gehe es also nicht nur um den Markt der Medizinprodukte im Sinne des MPG, sondern um denjenigen, der Hersteller und Vertreiber von aktiven Medizinprodukten im Sinne des MPG.
19
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch sei entgegen der Sichtweise des Erstgerichts auch in der Sache unbegründet, da die Beklagte durch die in Rede stehende Mitteilung an Herrn Dr. W. nicht unlauter, sondern pflichtgemäß gehandelt habe. Eine unlautere irrführende geschäftliche Handlung liege damit nicht vor. Dabei sei nochmals darauf zu verweisen, dass das Erstgericht bereits nicht den zutreffenden Sachverhalt zugrunde gelegt habe. Tatsächlich habe die Beklagte mit dem gegenständlichen Schreiben Herrn Dr. W. mitgeteilt, eine Meldung an das BfArM vorzunehmen, sofern die Beklagte seitens Herrn Dr. W. bis zum Ende des Monats Oktober 2017 keine Rückmeldung wegen des Upgrades - und nicht etwa nur eines Updates - erhalte, wobei es Herrn Dr. W. dabei ausdrücklich freigestanden habe, entweder auf die Nutzung der Software zu verzichten oder aber das von der Beklagten angebotene Upgrade vorzunehmen. In den anliegenden Informationen sei mitgeteilt worden, dass dann, wenn sich Herr Dr. W. nicht für das Upgrade entscheide und dieser gleichwohl die Software weiter nutze, er ein Medizinprodukt in Betrieb nehme, dieses weiterbetreibe und anwende, obwohl dies nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 MPG verboten sei, weil der begründete Verdacht bestehe, dass er die Sicherheit und Gesundheit seiner Patienten durch die weitere Nutzung der Software gefährde. Die Beklagte sei mit dem Anschreiben an Herrn Dr. W. lediglich den sie treffenden regulatorischen Pflichten nachgekommen. Grundsätzlich trage hier der Kläger die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die von ihm behauptete Rechtsverletzung durch die Beklagte vorliege und zudem die Voraussetzungen der Unzulässigkeit der maßgeblichen Rechtsverletzung auch erfüllt seien. Die Beklagte müsse sich insofern auch nicht auf ihre sekundäre Darlegungslast, der sie uneingeschränkt nachgekommen sei, verweisen lassen. Eine Umkehr der Beweislast sei mit der sekundären Darlegungslast nämlich nicht verbunden. Es sei damit allein die Sache des Klägers zu beweisen, ob die behauptete Rechtsverletzung durch die Beklagte vorliege und ob zudem die Voraussetzungen der Unzulässigkeit der maßgeblichen Rechtsverletzung erfüllt seien.
20
Zu berücksichtigen sei ferner, dass der maßgebliche Wortlaut der vorgelegten Veröffentlichungen der L. GmbH maßgeblich sei und nicht etwa deren ergebnisorientierte Auslegung durch den Kläger. Einer Einvernahme der Zeugen habe es daher nicht bedurft, zumal die L. GmbH auf ihre Website erklärt habe, „bestehende Installationen werden von uns im Rahmen der Wartungsverträge weiter betreut, Neuinstallationen aber nicht mehr vorgenommen“. Bestehende Wartungsverträge gebe es aber gerade keine mehr. Das Produkt sei damit (faktisch) abgekündigt. L. gehe also selbst ausdrücklich von einer Abkündigung der Software „L. OrthoPlanner“ aus. In dem entsprechenden Anschreiben der L.GmbH sei niedergelegt: „Gleichzeitig verpflichtet es uns, sicherzustellen, dass Sie auch in Zukunft komfortabel und zuverlässig Ihre endoprothetische Versorgung planen und dokumentieren können. Daher freuen wir uns, Ihnen eine Kooperation mit der Firma mediC. H. ankündigen zu können, die Ihnen einen reibungslosen und einfachen Umstieg ermöglicht“. Auch dadurch werde deutlich, dass das Produkt abgerufen sei. Klar sei insoweit auch, dass die Beklagte dazu im Weiteren durch die L. GmbH eingeschaltet werde. Die Beklagte handele daher auch als Vertreterin der L. GmbH. Insoweit durchaus überraschend beachte das Erstgericht die Regelungen der §§ 164 ff. BGB bei seiner Entscheidung jedoch nicht. Eine ausgelaufene Gewährleistung besage zunächst, dass die diesbezüglichen Pflichten des Herstellers entfielen, er müsse für eine mangelhafte Leistung also nicht mehr einstehen. Damit entfalle aber insbesondere auch die Pflicht des Herstellers, dem Kunden einen „Support“ bieten zu müssen. Das Erstgericht ignoriere insoweit maßgeblichen Sachverhalt: Die L. GmbH habe sich nach dem Ende der Gewährleistung entschlossen, das Produkt abzukündigen. Einer solchen Abkündigung stehe - weil eben die Gewährleistung entfallen sei - kein Anspruch des Kunden (mehr) entgegen, eine Nutzung der Software ermöglichen zu können.
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Das Erstgericht setze sich insoweit - und auch dies nur rudimentär - mit der Veröffentlichung auf der Website der L. GmbH auseinander, jedoch nicht mit deren von der Beklagten vorgelegten Anschreiben. Damit reflektiere das Erstgericht aber eben nur einen unwesentlichen Teil des tatsächlich maßgeblichen Sachverhaltes. Es sei nochmals darauf hinzuweisen, dass die Beklagte es schon nicht versucht habe, zwingend ein Upgrade der Software durchführen zu lassen. Es hätte vielmehr die schlichte Mitteilung genügt, die Software nicht mehr zu nutzen. Die Handlung der Beklagten sei damit zweifelsfrei schon nicht dafür geeignet, den Adressaten zu einer geschäftlichen Handlung, nämlich den Erwerb des Upgrades, zu veranlassen.
22
Die Beklagte habe tatsächlich nachgewiesen, dass sie zu einer Meldung an das BfArM wegen Vorliegens eines Vorkommnisses im Sinne von § 2 Nr. 1 MPSV berechtigt sei. Aus diesem Grund sei sie verpflichtet, den Adressaten des Schreibens darauf hinzuweisen, dass durch sie, die Beklagte, eine Meldung an das BfArM erfolgen werde, wenn die Software weiterhin benutzt werde. Die Beklagte handele dabei auch im Interesse und im Auftrag der L. GmbH.
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Im Gegensatz zu Updates, die zu kleinen Verbesserungen oder Fehlerbehebungen führen könnten, und bei denen kein neues Konformitätsbewertungsverfahren notwendig sei im Sinne von § 6 MPG, da sich durch das Update weder der Zweck noch die technischen Voraussetzungen änderten, handele es sich bei Upgrades um echte Funktionserweiterungen, also um eine Neuversion der Software, für die der Hersteller den Konformitätsprozess der Stand-Alone-Software erneut durchlaufen müsse, bevor er es in den Verkehr bringen dürfe. Da ein Upgrade zwingend auch die aktuelle Systemumgebung abbilde und die Ärzte als Betreiber Instandhaltungs- und Instandsetzungspflichten gemäß §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 und 4, 7 Abs. 1 MPBetrV n.F. träfen, die in letzter Konsequenz dazu führten, dass die Ärzte und sonstigen Betreiber stets das neueste Betriebssystem verwenden müssten, gebe es keinen Raum mehr dafür, alte Versionen betreiben zu können und zu dürfen. Zudem beobachteten die Hersteller nur die aktuellen Versionen eines Programms. Nach einer Übergangsfrist dürfe damit keine alte Programmversion mehr betrieben werden, sofern es sich bei dieser - wie vorliegend - um ein aktives Medizinprodukt handele. Kein Hersteller eines aktiven Medizinproduktes liefere - bis auf einen Übergangszeitraum - noch notwendige Updates für alte Versionen aktiver Medizinprodukte. Demzufolge sei bei Vorliegen eines Upgrades einer Stand-Alone-Software regelmäßig zu vermuten, dass alle älteren Versionen dieser Software die Sicherheit und die Gesundheit gefährdeten, nachdem mit dem Begeben eines Upgrades die alten Versionen abgerufen würden.
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Die Beklagte habe den Kundenstamm der L. GmbH für das Produkt L. OrthoPlanner erworben und sich wegen dieses Produktes an die vormaligen Kunden der L. GmbH gewandt. Damit habe sie Kenntnis von wesentlichen Umständen dazu gehabt, wer die Software erworben habe und diese in der Folge der Abkündigung nicht mehr habe nutzen dürfen. Die Beklagte hätte es somit keinesfalls so erscheinen lassen dürfen, als dass die Software noch genutzt werden dürfe, da sie sonst dafür hätte einstehen müssen. Vielmehr habe sie vormalige Kunden der L. GmbH darauf hinweisen müssen, dass sie das Produkt nicht mehr benutzen dürften. Dies sei Grundlage dafür gewesen, dass die L. GmbH ihren Kundenstamm an die Beklagte veräußert habe. Die Beklagte habe in der Folge die Software L. OrthoPlanner ordnungsgemäß abgewickelt. Dies freilich mit dem Vorteil, sich so weitere Kunden erschließen zu können.
25
Die Gefährdung durch das weitere Verwenden der Software werde nicht damit begründet, dass ein Upgrade existiere, sondern tatsächlich liege die Gefährdung bereits darin, dass eine vom Hersteller abgerufene, also schon nicht mehr beobachtete Software zur Planung von Operationen genutzt werde. Fehler dieser Software würden daher weder strukturiert festgestellt, noch würden die Nutzer der Software über solche Fehler informiert. Es gebe mithin auch keine stets fehlerfrei arbeitende Software. Überdies entstünden als zwangsläufige Begleiterscheinung der Schaffung immer digitaler Prozesse immer „neue“ Fehler. Die Gefahr ergebe sich insbesondere schon daraus, dass die zwischenzeitlichen Upgrades und Updates des Betriebssystems Microsoft Windows zwingend Upgrades und Updates der Software L. OrthoPlanner erforderten, um diese tatsächlich noch betreiben zu dürfen. Es gebe also gar keine legale Möglichkeit mehr, die Software L. OrthoPlanner zu betreiben, da diese - eben wegen deren Abkündigung - weder notwendige Updates noch Upgrades erhalte, obwohl das Betriebssystem fortentwickelt worden sei. Vorsorglich sei auch nochmals darauf hinzuweisen, dass Herr Dr. W. auch zwingend dazu verpflichtet gewesen sei, das Betriebssystem auf den Computern aktuell zu halten, auf welchen er präoperative Planungssoftware zur Operationsplanung nutze.
26
Die Beklagte beantragt,
- 1.
-
Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München I - 17. Kammer für Handelssachen - vom 31. Mai 2019, zugestellt am 4. Juni 2019, 17 HKO 2149/18, wird die Klage abgewiesen.
- 2.
-
Eventualiter: Der Rechtsstreit wird unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Landgericht München I zurückverwiesen.
die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass es im Tenor des Landgerichts I. 1. Spiegelstrich statt eines „Updates“ eines „Upgrades“ heißt und dass festgestellt wird, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache im Umfang des Tenors I. 2. Spiegelstrich erledigt ist.
28
Der Kläger führt hierzu unter ergänzender Bezugnahme auf seinen erstinstanzlichen Vortrag Folgendes aus:
29
Das Landgericht sei zu Recht von der Aktivlegitimation des Klägers ausgegangen. Die hiergegen hervorgebrachten Bedenken der Beklagten beruhten auf einem zu engen Verständnis des Mitbewerberbegriffs, denn die Beklagte beschränke diesen letztlich lediglich auf Unternehmen, welche ebenfalls „Planungssoftware für orthopädische Operationen“ anböten. Für das Wettbewerbsverhältnis mache es keinen Unterschied, auf welchem Wege eine Linderung oder Heilung erreicht werde. Der Orthopäde werde daher in Abhängigkeit von der Bereitschaft des Patienten, sich einem operativen Eingriff zu unterziehen, nicht nur operative Maßnahmen in Erwägung ziehen, sondern auch konservative Maßnahmen wie etwa Krankengymnastik, Unterspritzungen mit Hyaloronsäure, Wärmepackungen oder einfach nur die Linderung des Schmerzes mittels Gabe von Schmerzmitteln. Zu den Mitbewerbern gehörten daher nicht nur die Anbieter von physiotherapeutischen Behandlungen, sondern auch die Hersteller und Vertreiber von Medizinprodukten der Klassen 1 und 1 A, die Hersteller und Vertreiber von Arzneimitteln und natürlich auch jeder Arzt und jedes Klinikum, welches derartige Patienten behandele, denn natürlich lasse sich eine Operation auch ohne Planungssoftware durchführen.
30
Das Landgericht sei auch zu Recht von einer irreführenden und den angeschriebenen Arzt Dr. W. zu Unrecht nötigenden Handlung der Beklagten ausgegangen. Das angegriffene Schreiben erwecke bei dem Adressaten den Eindruck, er müsse sich entweder zu dem von der Beklagten angebotenen Upgrade entscheiden, oder aber zum Neuerwerb einer anderweitigen Planungssoftware. Seine bisherige Planungssoftware könne er nicht weiterverwenden, da dies die Gesundheit seiner Patienten gefährde. Aus diesem Grunde müsse die Beklagte eine Meldung beim BfArM einreichen, was ordnungsrechtliche Konsequenzen bedeute. Die angebliche Patientengefährdung durch das weitere Verwenden der L.-Software werde von der Beklagten damit begründet, es existiere von ihr ein Upgrade, letztlich also eine neue, eigens programmierte Software. Die von der Beklagten behaupteten Gründe einer Gesundheitsgefahr seien aus der Luft gegriffen und bloße unsubstantiierte Behauptungen. Weder sei dargetan, welche konkreten Gefährdungen durch die weitere Nutzung der Software bestehen sollten, noch weshalb ihre eigene Software derartige Gefährdungen ausschließe. Soweit die Beklagte erneut unsubstantiiert behaupte, die L. GmbH würde ihren Kunden keinen Support mehr bieten, Gewährleistungsrechte an ihrer Software würden enden oder wären „abgekündigt“ sei dies unrichtig, wie sich aus dem Schreiben der L. GmbH (Anlage B 1) ergebe. Rein vorsorglich würden die vorstehenden Behauptungen der Beklagten noch einmal mit Nichtwissen bestritten und ebenfalls reinvorsorglich gegenbeweislich und unter Bestreiten der Beweislast als Zeuge der Geschäftsführer der L. GmbH, S. A., in Bezug auf die gegnerische Behauptung angeboten, die L. Software werde von der L. GmbH nicht mehr beobachtet, betreut und fortentwickelt und die Wartung des Produktes L. OrthoPlanner insbesondere auch für Herrn Dr. W. erfolge nicht/nicht mehr.
31
Anders als von der Beklagten behauptet, treffe sie auch keine regulatorische Verpflichtung zu einer Meldung gegenüber dem BfArM in Bezug auf die L.-Software. Die Beklagte trage hierzu vor, den Kundenstamm für die Software L. OrthoPlanner und damit einhergehend die entsprechenden Pflege- und Vertriebsrechte an dieser Software von der L. GmbH erworben zu haben. Diesen Sachvortrag wolle sie angeblich bereits erstinstanzlich gehalten haben, welcher vom Kläger angeblich unstreitig gestellt geblieben sei. Tatsächlich habe die Beklagte erstinstanzlich derartiges nicht behauptet, sehe man einmal davon ab, dass aus dem Erwerb eines Kundenstammes nicht zugleich auch gefolgert werden könne, man habe Pflege- und Vertriebsrechte an einer Software erworben. Darüber hinaus sei aber schon die Behauptung, einen Kundenstamm erworben zu haben, unsbustantiiert. Einen Kundenstamm könne man nicht erwerben, denn die Kunden seien nicht veräußerbar. Man möge ja Daten vom Kunden oder Nutzungsrechte an einem derartigen Datensatz erwerben können, nicht aber die Kunden selbst. Der gegnerische Vortrag, welchen sie angeblich erstinstanzlich gehalten haben wolle, sei somit nicht einmal einlassungsfähig. Das angebliche Erwerben eines fremden Kundenstammes -was auch immer die Beklagte darunter verstehe - führe auch nicht dazu, dass die Beklagte nun quasi selbst verantwortlich für die Software ihrer Mitbewerberin, der GmbH, würde. Auch die neue Behauptung der Beklagten, von der L. GmbH zum Verfassen des Schreibens (Anlage K 3) beauftragt worden zu sein und insoweit als Vertreterin gehandelt zu haben, sei als verspätet zurückzuweisen und werde mit Nichtwissen bestritten. Auch insoweit werde gegenbeweislich der Geschäftsführer der L. GmbH, S. A., unter bestreiten der Beweislast als Zeuge angeboten.
32
In Bezug auf den dritten Teil des Unterlassungsantrags sei die Meldung an das BfArM durch die Beklagte nunmehr vorgenommen worden und der Betroffene habe hiervon Kenntnis erlangt, wodurch die in dem Schreiben gemäß Anlage K 3 geschaffene Drohkulisse ihre gewollte Wirkung nicht mehr entfalten könne, so dass der Rechtsstreit hinsichtlich dieses Teils der Hauptsache für erledigt erklärt werde.
33
Die Beklagte hat der Teilerledigterkärung mit Schriftsatz vom 30.10.2019 (Bl. 184/193 d. A.) widersprochen.
34
Der Senat hat mit Verfügung vom 11.09.2019 (Bl. 173/175 d.A.) Hinweise erteilt.
35
Ergänzend wird auf die von dem Prozessbevollmächtigten eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 23.01.2020 (Bl. 203/208 d. A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die gemäß § 511 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere gemäß §§ 519 Abs. 1, Abs. 2, 517 ZPO form- und fristgerecht eingelegte und gemäß § 520 Abs. 2, Abs. 3 ZPO begründete Berufung der Beklagten hat im Ergebnis keinen Erfolg.
37
Soweit der Kläger den Unterlassungsantrag (Ziff. I.) im Berufungsverfahren teilweise für erledigt erklärt hat, war die Erledigung antragsgemäß festzustellen. Der weiterhin anhängige Teil des Unterlassungsantrags ist im Übrigen - mit der vom Kläger vorgenommenen Klarstellung in Bezug auf den Begriff „Upgrade“ - zulässig und begründet. Demzufolge hat das Landgericht dem Kläger auch den geltend gemachten Abmahnkostenerstattungsanspruch zu Recht zugesprochen.
38
Die Klage ist zulässig.
39
1. Der Kläger ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG prozessführungs- und klagebefugt.
40
a) Nach den mit der Berufung nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts ist der Kläger nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung zur Erfüllung seiner satzungsgemäßen Aufgaben im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG in der Lage.
41
b) Das Landgericht hat auch rechtsfehlerfrei festgestellt, dass dem Kläger eine erhebliche Zahl von Unternehmen angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG.
42
aa) Nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG sind Verbände anspruchsberechtigt, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmen angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben. Dabei kommt es im Lauterkeitsrecht nach der Rechtsprechung darauf an, ob sich die betreffenden Waren oder Dienstleistungen ihrer Art nach so gleichen oder nahe stehen, dass der Absatz des einen Unternehmers durch irgendein wettbewerbswidriges Handeln des anderen beeinträchtigt werden kann (vgl. BGH GRUR 2015, 1240 Rn. 15 m.w.N. - Der Zauber des Nordens). Es reicht aus, dass die Mitgliedsunternehmen eine zumindest nicht gänzlich unbedeutende Beeinträchtigung durch die Wettbewerbsmaßnahme mit einer gewissen, wenn auch nur geringen Wahrscheinlichkeit zu befürchten haben (st. Rspr. vgl. BGH GRUR 2006, 778 Rn. 19 - Sammelmitgliedschaft IV; BGH GRUR 2007, 610 Rn. 17 - Sammelmitgliedschaft V; BGH GRUR 2007, 809 Rn. 14 - Krankenhauswerbung; BGH GRUR 1998, 498, 499 - Fachliche Empfehlung III). Es muss also ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Mitgliedsunternehmen und dem Verletzer bestehen, das in der Regel durch die Zugehörigkeit zur selben oder zumindest zu angrenzenden Branchen begründet wird, wobei grundsätzlich auf den Branchenbereich abzustellen ist, dem die beanstandete Wettbewerbsmaßnahme zuzurechnen ist (BGH a.a.O. - Sammelmitgliedschaft IV; BGH a.a.O. - Sammelmitgliedschaft V; BGH a.a.O. - Krankenhauswerbung); dagegen ist nicht maßgeblich, ob der Mitbewerber gerade bei den Waren oder Dienstleistungen, die mit den beanstandeten Wettbewerbsmaßnahmen beworben worden sind, mit den Mitgliedsunternehmen im Wettbewerb steht (BGH GRUR 2007, 809 Rn. 14 - Krankenhauswerbung; siehe auch Köhler/Bornkamm/Feddersen, 38. Aufl. 2020, UWG § 8 Rn. 3.35 ff.).
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bb) Der Kläger hat anhand der vorgelegten Mitgliederliste (Anlagen K 1) dargelegt, dass ihm unter anderem Unternehmen der Heilmittelbranche, Hersteller und Händler von Medizinprodukten, Arzneimitteln und Naturheilmitteln, eine Apothekerkammer, Apothekenvereine und Apotheken angehören. Die von der Beklagten angebotene Software dient zur präoperativen Planung eines Gelenkersatzes in einer digitalen Umgebung. Dabei ist entgegen der Einlassung der Beklagten der Kreis der potentiellen Mitbewerber im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nicht auf die Anbieter aktiver Medizinprodukte beschränkt. Denn die Behandlung eines Patienten mit Gelenkbeschwerden kann auch durch die Verabreichung von Arzneimitteln, Naturheilmitteln oder unter Verwendung bestimmter Medizinprodukte angestrebt werden. Die Hersteller und Händler dieser Branchen, also auch die dem Kläger in erheblicher Anzahl angehörigen Unternehmen aus der Heilmittelbranche, Hersteller und Händler von Arzneimitteln und von Naturheilmitteln, stehen folglich mit den von ihnen angeboten Waren und Dienstleistungen ihrer Art nach der streitgegenständlichen Software so nahe, dass der Absatz dieser Mitglieder des Klägers durch ein wettbewerbswidriges Handeln der Beklagten beeinträchtigt werden kann.
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2. Soweit der Kläger den Unterlassungsantrag teilweise für erledigt erklärt hat - nämlich soweit sich dieser auf die Ankündigung der Beklagten in dem streitgegenständlichen Schreiben (Anlage K 3) bezog, wonach durch die Beklagte eine Meldung an das BfArM erfolge, obgleich tatsächlich keine Meldung eines entsprechenden Rückrufs angezeigt worden ist (2. Spiegelstrich des ursprünglichen Klageantrags zu I.) -, liegt darin eine gemäß § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Klageänderung (vgl. MüKo/Schulz, ZPO, 5. Aufl. 2016, § 91 a Rn. 79 m.w.N.). Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben, da die Klägerin die mit dem Feststellungsantrag verbundene günstige Kostenfolge - soweit tatsächlich eine Erledigung eingetreten ist - nur durch die Antragsänderung erreichen kann (MüKo/Schulz, a.a.O., § 91 a Rn. 81).
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Die Klage ist begründet.
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1. Der Unterlassungsantrag ist - soweit dieser im Berufungsverfahren nicht vom Kläger teilweise für erledigt erklärt wurde - gem. §§ 8 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. §§ 3, 5 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1 UWG begründet. Die Behauptung der Beklagten in dem Schreiben vom 08.09.2017 (Anlage K 3), wonach der Adressat des Schreibens die von ihm verwendete L.-Software ohne das von der Beklagten angebotene Upgrade nicht mehr benutzen dürfe und anderenfalls schon wegen Fehlens eines Upgrades die Sicherheit der Patienten über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaften vertretbares Maß hinaus gefährdet sei, stellt eine irreführende Angabe über wesentliche Merkmale einer Ware oder Dienstleistung im Sinne von § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG dar.
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a) Gem. § 5 Abs. 1 S. 2 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über die im Gesetz aufgeführten Umstände beinhaltet. Für die Unrichtigkeit einer behaupteten Tatsache im Rahmen des Irreführungstatbestands nach § 5 UWG trägt grundsätzlich die Klagepartei die Darlegungs- und Beweislast. Allerdings kommen ihr Darlegungs- und Beweiserleichterungen zugute, wenn es um die Aufklärung von Tatsachen geht, die in den Verantwortungsbereich der Beklagtenseite fallen, insbesondere wenn es sich um innerbetriebliche Vorgänge handelt, deren genaue Kenntnis sich der außerhalb des Geschehensablaufs stehenden Klagepartei entzieht, so dass es ihr nicht möglich ist, den Sachverhalt von sich aus aufzuklären, während der Beklagte über diese Kenntnisse verfügt und die notwendige Aufklärung ohne weiteres leisten kann. In solchen Fällen entspricht es dem auch im Prozess geltenden Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB), dass der Beklagte die erforderliche Aufklärung leistet, sofern sie ihm nach den Umständen zuzumuten ist (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl. 2020, § 5 Rn. 1.245, 1.246, § 12 Rn. 2.92; BGH GRUR 1963, 270, 271 - Bärenfang; BGH GRUR 1975, 78, 79 - Preisgegenüberstellung; BGH GRUR 2004, 246, 247 - Mondpreise; BGH GRUR 2007, 251 Rn. 31 - Regenwaldprojekt II; BGH GRUR 2013, 1058 Rn. 23 - Kostenvergleich bei Honorarfactoring; BGH GRUR 2014, 578 Rn. 14 - Umweltengel für Tragetasche). Bei dem Umstand, ob mit der Weiterverwendung der L.-Software ohne die Durchführung des angebotenen Upgrades ein Sicherheitsrisiko im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 1 MPG verbunden ist, handelt es sich um einen innerbetrieblichen Vorgang, über den der Kläger keine genaue Kenntnis haben kann, während die Beklagte hierüber zur weiteren Aufklärung in der Lage ist. Somit trifft die Beklagte nach den dargelegten Grundsätzen insoweit eine sekundäre Darlegungslast. Nicht gefolgt werden kann dem Landgericht jedoch dahingehend, dass damit auch eine Umkehr der Beweislast einhergehen würde. Die sekundäre Darlegungslast führt in aller Regel nicht zu einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast, sondern schränkt die volle Darlegungs- und Beweislast des Klägers nur ein (vgl. Harte/Henning, 4. Aufl. 2016, UWG § 5 M Rn. 13 m.w.N.; s.a. BGH GRUR 2017, 386 Rn. 15 - Afterlife; BGH GRUR 2016, 1280 Rn. 33 - Everytime we touch; a. A. Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 5 Rn. 1.245 am Ende; § 12 Rn. 2.92).
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b) Die sekundäre Darlegungslast greift allerdings erst ein, wenn der Kläger seine primäre Darlegungslast erfüllt hat, indem er - im Rahmen seiner Möglichkeiten - greifbare Anhaltspunkte für die geltend gemachte Irreführung dartut. Der Kläger hat insoweit bereits mit Klageschrift vom 12.02.2018, Seite 12, unter Bezugnahme auf das Schreiben der Ärztekammer Schleswig-Holstein vom 07.12.2017 (Anlage K 4) ausgeführt, dass die Nichtvornahme eines Upgrades einer Stand-Alone-Software weder zu einem Sicherheitsrisiko führe, noch eine Melde- oder Rückrufpflicht auslöse. Ein Upgrade führe lediglich dazu, dass dem Anwender der Software weitere Möglichkeiten angeboten würden, ohne dass er diese Möglichkeiten zwingend in Anspruch nehmen müsse. Fehler würden bei einem Upgrade nicht behoben und seien vorliegend auch nicht bekannt, vielmehr habe die streitgegenständliche Software bei dem Adressaten des streitgegenständlichen Schreibens (Anlage K 3), Herrn Dr. W., bislang fehlerfrei gearbeitet. Damit hat der Kläger seiner primären Darlegungslast genüge getan. Denn ohne weitere Darlegungen seitens der Beklagten erschließt sich für einen Außenstehenden nicht, aus welchen Gründen - entsprechend der Behauptung der Beklagten - bei fehlender Inanspruchnahme des angebotenen Upgrades eine Weiterverwendung der hier streitgegenständlichen L.-Software die Sicherheit und die Gesundheit der Patienten über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaften vertretbares Maß hinausgehend unmittelbar oder mittelbar gefährden könnte im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 1 MPG bzw. dass die Software Mängel aufwiese, durch die Patienten gefährdet werden könnten. Demgegenüber kann von der Beklagten, die derartige Behauptungen aufgestellt hat, erwartet werden und ist es ihr auch zumutbar, dass sie hierüber nähere Aufklärung leistet.
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c) Die Beklagte hat hierzu vorgetragen, dass derjenige, der keine aktuelle Software nutze, seiner Instandhaltungspflicht nicht nachkomme und gegen § 14 S. 2 MPG verstoße. Die medizinische und technische Qualität könne nur durch regelmäßige Udates/Upgrades gewährleistet werden. Die Nichtvornahme von Upgrades bei nicht weiter beobachteter Software - also bei solcher, für die die gesetzliche Gewährleistungsfristen abgelaufen seien - führe zu einem abstrakten Sicherheitsrisiko (vgl. LGU, Seite 5, 2. Abs.; Klageeerwiderung vom 09.04.2018, Seiten 6 ff.). Die gegenständliche L.-Software werde inzwischen von der L. GmbH nicht mehr beobachtet, betreut und fortentwickelt, die Gewährleistung für die gekauften Produkte sei ausgelaufen und es gebe daher keinen Anspruch des jeweiligen Käufers gegen den Hersteller, die L.GmbH, auf Beobachtung, Betreuung und Fortentwicklung, so dass eine Beobachtung und Wartung des Produktes, insbesondere auch für Herrn Dr. W., gerade nicht mehr erfolge (LGU Seite 8 unter Ziff. 2.). Die Beklagte sei durch die L. GmbH mit Teilen der Abkündigung der gegenständlichen Software betraut worden (Schriftsatz vom 04.03.2019, Seite 7 unter 3.a), Bl. 110 d. A.). Dadurch, dass die Software durch einen Hersteller abgerufen oder aber ein Software-Upgrade durch den Hersteller durchgeführt werde, ergebe sich ein abstrakter Fehlerverdacht in Bezug auf die „alte“ Software. Ein Software-Upgrade sei die Instandsetzung der Software, die zur Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit führe. Damit sei aber zugleich klargestellt, dass eine nicht instandgesetzte Software als nicht funktionsfähig gelte (vgl. Schriftsatz vom 04.03.2019, Seite 5 unter (dd) (Bl. 108 d. A.).
50
d) Mit diesem in sich nicht schlüssigen Vortrag hat die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt.
51
aa) Das Vorbringen der Beklagten ist bereits deshalb unsubstantiiert, weil die ohne Durchführung des Upgrades angeblich bestehenden Mängel bzw. die angeblichen Fehlfunktionen der Software und deren Ursachen nicht beschrieben werden bzw. die von der Software ausgehenden Risiken nicht dargestellt werden (vgl. auch § 14 Abs. 2 S. 2 MPSV). Insbesondere hat die Beklagte im Hinblick auf die streitgegenständliche, von dem Adressaten des Schreibens (Anlage K 3) verwendete Software nicht konkret vorgetragen, dass und inwiefern diese aufgrund einer Aktualisierung eines zugrunde liegenden Betriebssystems nur noch fehlerhaft funktioniere. Soweit die Beklagte erstinstanzlich ausgeführt hat, es liege „durchaus im Bereich des Möglichen“, dass durch ein geändertes Betriebssystem eine fehlerhafte OP-Planung berechnet werde, wobei wesentlich sei, was am Betriebssystem geändert worden sei und ob die Änderungen insbesondere Schnittstellen der Software beträfen (vgl. Schriftsatz vom 30.08.2018, Seite 10 unter gg), Bl. 78 d. A.), fehlen substantiierte Ausführungen dazu, dass in Bezug auf die vorliegend streitgegenständliche L.-Software entsprechende Änderungen an einem gängigen Betriebssystem zu einer möglichen Störung der Zusammenarbeit zwischen der Software und Betriebssystem führen würden und wie diese Störung sich in der Verwendung manifestieren würde. Auch der seitens der Beklagten ins Feld geführte Umstand, dass der Hersteller eines Software-Upgrades aufgrund einer neuen Version eines Betriebssystems den Konformitätsprozess (§ 6 Abs. 2 MPG) erneut durchlaufen muss, ist in vorliegendem Zusammenhang unbehelflich, denn dieser beruht darauf, dass das Upgrade als solches einer neuen Überprüfung zu unterziehen ist, vermag aber nicht zu dem Schluss zu führen, dass die bisherige Software-Version abstrakte oder gar konkrete Sicherheitsmängel aufweisen würde. Letztlich handelte es sich bei dem von der Beklagten angebotenen „Cross-Update“ (vgl. Schreiben vom 09.09.2017, 3. Abs., Anlage K 3) auch nicht um ein Upgrade im Sinne einer überarbeiteten Version der streitgegenständlichen L.-Software, sondern, wie die Beklagte selbst einräumt, um eine eigenständige Software der Beklagten, die sie alternativ zu dem bisherigen L.-Produkt anbietet und vertreibt (vgl. Schriftsatz vom 30.10.2019, Seite 9, erster Abs., Bl. 193 d. A.: „Es bestand seitens der Beklagten kein Interesse daran, das immaterielle Wirtschaftsgut L. Orthoplanner zu erwerben, da sie, die Beklagte, zum einen über eine eigene Software verfügte und zum anderen der Erwerb der Assets L. OrthoPlanner sich als zu aufwändig erwiesen hätte. So hätte der Erwerb einer solchen Software eine komplexe Due Diligence erfordert.“).
52
bb) Es erschließt sich weiterhin auch nicht, dass - wie von Beklagtenseite argumentiert - aufgrund einer abgelaufenen Gewährleistungsfrist keine Wartung einer Software mehr erfolgen würde. Soweit die Beklagte mit ihrer Berufung beanstandet, das Erstgericht habe sich nur mit der Veröffentlichung auf der Webseite der L. GmbH auseinandergesetzt, nicht jedoch mit deren von der Beklagten vorgelegten Anschreiben (vom 15.07.2016), so ergibt sich auch aus dem Anschreiben nicht, dass die gegenständliche L.-Software aufgrund einer künftig nicht mehr erfolgenden Wartung, insbesondere auch betreffend das von Dr. W. verwendete Produkt, nicht mehr sicher eingesetzt werden kann. Dagegen spricht vielmehr, wie auch das Landgericht bereits festgestellt hat (vgl. LGU Seite 9 oben), dass die L. GmbH gegenüber ihren Kunden erklärt hat, dass bestehende Installationen im Rahmen der Wartungsvertrage weiter betreut würden. Es ist auch nicht dargetan, dass die Beklagte einen zwischen der L. GmbH und Dr. W. bestehenden Vertrag übernommen hätte, insbesondere geht eine solche Vertragsübernahme mit dem - tatsächlich bereits erstinstanzlich seitens der Beklagten vorgetragenen (vgl. Klageerwiderung, Seite 3, vorletzter Abs., Bl. 23 d. A.) - Erwerb des Kundenstamms/der Kundenadressen nicht ohne Weiteres einher. Etwaige Kündigungen von Seiten der Beklagten wären daher ohne Bedeutung (vgl. Anlage K 3 letztes Blatt: „von uns abgekündigte mediC.l.Software“). Ebenso wenig kann aus dem Anschreiben der L. GmbH vom 15.07.2016 (oder aus den sonstigen vorgetragenen Umständen) gefolgert werden, dass die Beklagte von dieser als deren Vertreterin wirksam im Sinne von §§ 164 ff. BGB zur Kündigung eines Vertrags mit Herrn Dr. W. bevollmächtigt worden wäre, vielmehr ist dort lediglich von einer „Kooperation“ die Rede. Die im vorletzten Absatz des Schreibens angekündigten Erläuterungen hinsichtlich der für den Kunden sich ergebenden Änderungen sind im Übrigen nicht vorgelegt worden. Vor diesem Hintergrund erweist sich auch der Vortrag der Beklagten, wonach sie durch die L. GmbH „mit Teilen der Abkündigung der Software L. OrhoPlanner betraut worden“ sei, als unsubstantiiert.
53
cc) Auch soweit die Beklagte rügt, das Landgericht habe seiner Entscheidung einen unzutreffenden Sachverhalt zugrunde gelegt, weil es nicht berücksichtigt habe, dass es dem Adressaten Herrn Dr. W. im Schreiben vom 08.09.2017 auch freigestanden habe, mitzuteilen, dass er auf die Nutzung der Software verzichte, greift dieser Einwand nicht durch. Denn das Schreiben war jedenfalls auch darauf gerichtet, den Adressaten im Sinne des ersten Klageantrags, zur Bestellung eines Upgrades zu veranlassen (Anlage K 3, Bl. 1: „Wir bieten Ihnen daher letztmalig die Chance, in ihrem Hause veraltete L. Anwendung durch die aktuellste mediC.®Classic Version, mit Hilfe unseres einmaligen Angebots zu „crossupdaten“.“).
54
e) Es handelt sich um eine relevante Irreführung im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG, da diese geeignet ist, bei dem Adressaten irrige Vorstellungen über das angebotene Software-Produkt der Beklagten hervorzurufen - nämlich dass diese ein sicherheitsrelevantes Funktionsdefizit und ein daraus folgendes Benutzungsverbot der L.-Software auszugleichen vermag -, wodurch der Adressat zu einer geschäftlichen Entscheidung - den Erwerb des angebotenen Software-Upgrades - veranlasst werden soll, die er anderenfalls nicht getroffen hätte.
55
f) Auch die Abwägung der widerstreitenden Interessen und die Prüfung der Verhältnismäßigkeit (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, a.a.O., § 5 Rn. 1.200 ff.) führen nicht zu einem abweichenden Ergebnis, da keine Gesichtspunkte vorgetragen oder erkennbar sind, die ein zu berücksichtigendes Interesse der Beklagten an einer derartigen Verhaltensweise begründen könnten.
56
g) Die gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG erforderliche Wiederholungsgefahr wird durch die Verletzungshandlungen indiziert und besteht mangels Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung seitens der Beklagten fort.
57
2. Soweit der Kläger den Unterlassungsantrag teilweise für erledigt erklärt hat - nämlich soweit sich dieser auf die Ankündigung der Beklagten in dem streitgegenständlichen Schreiben (Anlage K 3) bezog, wonach durch die Beklagte eine Meldung an das BfArM erfolge, obgleich tatsächlich keine Meldung eines entsprechenden Rückrufs angezeigt worden ist -, war dem nunmehr gestellten Feststellungsantrag stattzugeben, nachdem die ursprüngliche Klage auch insoweit zulässig und begründet war und nach Klageerhebung mit der erfolgten Meldung an das BfArM ein erledigendes Ereignis eingetreten ist.
58
a) Die Ankündigung der Beklagten in dem streitgegenständlichen Schreiben (Anlage K 3), sie werde ihrer Meldepflicht gemäß §§ 2 Nr. 1, 3 Abs. 1 oder 3 MPSV nachkommen müssen und unverzüglich eine entsprechende Mitteilung an das BfArM erstatten, wenn der Adressat des Schreibens, Dr. W., nicht binnen der gesetzten Frist von zwei Wochen eine Bestätigung übermittele, wonach sich die „alte“ L.-Software nicht mehr im Einsatz befinde, stellt sich als eine aggressive geschäftliche Handlung im Sinne von § 4a Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 3 UWG dar, mit der Folge dass der geltend gemachte, zulässige Unterlassungsantrag ursprünglich gemäß §§ 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG begründet war.
59
aa) Gem. § 4a Abs. 1 S. 1 UWG handelt unlauter, wer eine aggressive geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser andernfalls nicht getroffen hätte. Nach § 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG ist eine geschäftliche Handlung aggressiv, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers durch eine unzulässige Beeinflussung erheblich zu beeinträchtigen. Eine unzulässige Beeinflussung liegt vor, wenn der Unternehmer eine Machtposition gegenüber dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zur Ausübung von Druck, auch ohne Anwendung oder Androhung von körperlicher Gewalt, in einer Weise ausnutzt, die die Fähigkeit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt (§ 4a Abs. 1 S. 3 UWG). Eine Machtposition i.S.d. § 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG ist eine überlegene Stellung, die situativ oder strukturell begründet sein kann (BGH GRUR 2018, 1251 Rn. 60 - Werbeblocker II).
60
bb) Vorliegend ergibt sich eine derartige Machtposition der Beklagten daraus, dass sie für sich in Anspruch nimmt, als - vermeintlich - meldepflichtige Verantwortliche gem. § 3 Abs. 1, Abs. 3 MPSV eine Mitteilung über ein angebliches Vorkommnis im Sinne von § 2 Nr. 1 MPSV in dem Praxisunternehmen des Herrn Dr. W. zu erstatten. Hierdurch ist sie in der Lage, Druck auf den Adressaten ihrer Ankündigung auszuüben, indem dieser vor die Wahl gestellt wird, entweder die Nutzung der Software einzustellen, oder das von der Beklagten angebotene Upgrade in Anspruch zu nehmen, um eine derartige Meldung zu vermeiden. Die Beurteilung, ob durch die Ausübung von Druck die Fähigkeit des Adressaten zu einer informierten Entscheidung wesentlich eingeschränkt ist, richtet sich danach, ob das Urteilsvermögen des durchschnittlichen Adressaten so beeinträchtigt wird, dass er die Vor- und Nachteile des Geschäfts nicht mehr hinreichend wahrnehmen und gegeneinander abwägen kann (BGH a.a.O. Rn. 68 - Werbeblocker II). Vorliegend handelt es sich bei dem angesprochenen Adressaten um einen Arzt, dessen Entscheidungsfreiheit dadurch beeinflusst werden soll, dass er mit einer drohenden Verhaltensweise im Sinne von § 4a Abs. 3 Nr. 2 UWG - Ankündigung einer Meldung an das BfArM - zu einer geschäftlichen Entscheidung - Erwerb des Upgrades der Beklagten - veranlasst werden soll. Dies stellt eine unangemessene und unzulässige Beeinflussung dar, nachdem es - unabhängig davon, ob die Beklagte überhaupt als meldepflichtige Person im Sinne von § 3 Abs. 1, 3 MPSV angesehen werden kann - jedenfalls an der Feststellung eines Meldungsgrundes im Sinne von §§ 3 Abs. 1, 2 Nr. 1 MPSV fehlt. Ein meldepflichtiges Vorkommnis im Sinne von § 2 Nr. 1 MPSV ist eine Funktionsstörung, ein Ausfall, eine Änderung der Merkmale oder der Leistung oder eine unsachgemäße Kennzeichnung oder Gebrauchsanweisung eines Medizinproduktes, die oder der unmittelbar oder mittelbar zum Tod oder zu einer schwerwiegenden Verschlechterung des Gesundheitszustands eines Patienten, eines Anwenders oder einer anderen Person geführt hat, geführt haben könnte oder führen könnte; als Funktionsstörung gilt auch ein Mangel der Gebrauchstauglichkeit, der eine Fehlanwendung verursacht. Wie oben (unter 1.) bereits ausgeführt, tragen die zugrunde liegenden Feststellungen die Annahme einer derartigen Funktionsstörung der von dem Adressaten des streitgegenständlichen Schreibens (Anlage K 3) verwendeten L.-Software jedoch nicht.
61
b) Der zulässige und gem. § 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 4a UWG begründete Unterlassungsantrag ist mit der nach Rechtshängigkeit erfolgten Meldung an das BfArM unbegründet geworden, hat sich also hierdurch erledigt, da die seitens der Beklagten aufgestellte Drohkulisse und damit einhergehende Druckausübung auf den Adressaten infolge der tatsächlichen Ausführung des angedrohten Verhaltens nicht mehr bestand.
62
3. Die geltend gemachten Abmahnkosten stehen dem Kläger gegenüber der Beklagten aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG zu, nachdem die klägerische Abmahnung aus den vorgenannten Gründen berechtigt war.
63
1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 91 ZPO.
64
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.
65
3. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache erfordert, wie die Ausführungen unter II. zeigen, lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.
66
4. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 S. 1 GKG. Da die Teil-Erledigterklärung erst im Laufe des Berufungsverfahrens erfolgt ist, hat sie auf den Streitwert keinen Einfluss (§ 40 GKG).