Inhalt

LG München I, Endurteil v. 10.11.2020 – 33 O 3709/18
Titel:

Keine Berufung auf fehlende rechtserhaltende Benutzung der Klagemarke bei eigenem Vertrieb der fremden Originalparfums

Normenketten:
MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3, Abs. 5, Abs. 6, § 19, § 24 Abs. 1, § 140
ZPO § 32, § 91 Abs. 1 S. 1, § 343 S. 1, § 344, § 709 S. 1, S. 3
EuGVVO Art. 7 Nr. 2
BGB § 242, § 280 Abs. 1, Abs. 2, § 286, § 288 Abs. 1, § 670, § 677, § 683 S. 1
Leitsätze:
1. Für die Prozessführungsbefugnis reicht es aus, dass die Klägerin behauptet, ihr stünden die geltend gemachten Ansprüche zu. Ob sie ihr tatsächlich zustehen, ist eine Sache der Begründetheit. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist grundsätzlich Aufgabe der Beklagten, die Umstände der Erschöpfung darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Eine Umkehr der Beweislast ist nur dann angebracht, wenn das Vertriebssystem des Markeninhabers diesem die Möglichkeit eröffnet, die Märkte der Mitgliedstaaten abzuschotten, und zudem die tatsächliche Gefahr einer Abschottung der nationalen Märkte besteht, falls der in Anspruch genommene Dritte den Nachweis führen muss, dass die Voraussetzungen der Erschöpfung vorliegen (ebenso BGH BeckRS 2012, 9354 Rn. 29 – CONVERSE II). (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bietet die Beklagte mit Zustimmung der Markenrechtsinhaberin in den Verkehr gebrachte Waren, also Originale, an, muss die Beklagte Indizien vorgetragen, die eine rechtserhaltende Benutzung in Frage stellen (ebenso OLG Frankfurt a.M. BeckRS 2019, 29283 Rn. 32 – Batterie-Plagiat). (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Wortmarke, Schadensersatzanspruch, Zustimmung, Unterlassungsanspruch, Erstattung, Verkauf, Anordnung, Auskunft, Umfang, Beweislast, Vertrieb, Klageschrift, Leistung, Klage, Erstattung der Kosten, ohne Auftrag, rechtserhaltende Benutzung
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Urteil vom 09.12.2021 – 29 U 7124/20
Fundstelle:
GRUR-RS 2020, 61468

Tenor

I. Das Versäumnis- und Endurteil vom 17.06.2019 wird aufrechterhalten, soweit es ein Versäumnisurteil ist.
II. Auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
III. Die vorläufige Vollstreckung aus dem genannten Versäumnis- und Endurteil darf nur gegen Leistung folgender Sicherheit fortgesetzt werden:
1. Tenor Ziffer 1.1. des Versäumnis- und Endurteils (Unterlassung): Euro 40.000,-
2. Tenor Ziffern I.5 und I.6 des Versäumnis- und Endurteils (Auskunft): je Euro 1.500,-
Im übrigen ist das Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Klägerin macht kennzeichenrechtliche Ansprüche betreffend die Marken „… und „… geltend.
2
Sie stellt her und vertreibt Duftwässer. Die Beklagte ist eine spanische Parfümhändlerin.
3
Bei einer Überprüfung von Produkten, die die Beklagte an die … GmbH (nachfolgend: … lieferte, identifizierte die Klägerin 150 Exemplare des Parfums … als markenrechtsverletzende Parallelimporte (vgl. Rechnung, Anlage K 4). Die Produkte waren von der Klägerin ursprünglich in den USA in Verkehr gebracht worden (vgl. Datenbankauszug, Anlage K 5). Eine Zustimmung zum Reimport in den Europäischen Wirtschaftsraum lag nicht vor. Mit dem Verkauf an … erzielte die Beklagte insgesamt einen Gewinn in Höhe von Euro 195,30 (vergleiche im einzelnen Seiten 7/8 der Klageschrift).
4
Bei einer Überprüfung weiterer Produkte, die die Beklagte an … lieferte, identifizierte die Klägerin 72 Exemplare des Parfums … als markenrechtsverletzend (vgl. Rechnung, Anlage K 6). 32 dieser 72 Exemplare waren ursprünglich an einen Kunden der Klägerin in China geliefert worden. Eine Zustimmung zum Reimport der Produkte in den Europäischen Wirtschaftsraum lag ebenfalls nicht vor. Die restlichen 40 Produkte der Lieferung der Beklagten an … stammten aus einem Diebstahl von einem Gelände der Klägerin in Italien aus dem März 2016. Ob die Beklagte beim Verkauf dieser Exemplare an … Gewinn erzielte, ist der Klägerin nicht bekannt.
5
Inhaberin der deutschen Wortmarke … mit Priorität vom 03.08.1983 und Schutz unter anderem für Parfümerie, Seifen, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Mittel zur Haarpflege einschließlich Haarwässer ist die … (kurz: … Registerauszug Anlagenkonvolut K1).
6
Die Klägerin vertreibt Duftwässer nicht nur unter dieser Marke „…, sondern auch unter „…“. Inhaberin der deutschen Wortmarke „…“ (…) mit Priorität vom 12.10.2001 und Schutz unter anderem für Parfümerien, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege ist die … Verwaltungsgesellschaft mbH (kurz: … Registerauszug Anlagenkonvolut K1).
7
Mit Anwaltsschreiben vom 15.05.2017 und 27.11.2017 ließ die Klägerin die Beklagte erfolglos abmahnen (vgl. Abmahnungen, Anlagen K 7 und K 12; nachfolgende Korrespondenz, Anlagen K 8 bis K 11 und K 13 bis K 14). Hierfür entstanden ihr Kosten in Höhe von je Euro 1.973,80.
8
Die Klägerin trägt vor, sie sei zwar nicht Inhaberin der als verletzt geltend gemachten Marken, sie sei aber dennoch prozessführungsbefugt und aktivlegitimiert.
9
Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stehe ein markenrechtlicher Unterlassungsanspruch wegen der Markenverletzung gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG durch den Vertrieb der … und der … durch die Beklagte zu. Ein Unterlassungsanspruch bestehe wegen Erstbegehungsgefahr auch bezüglich der weiteren von ihr selektiv vertriebenen Produkte der Marke „…“.
10
Gemäß § 14 Abs. 6 MarkenG sowie nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag könne die Klägerin auch Erstattung der Kosten für die Abmahnungen verlangen. Der Schadensersatzanspruch gemäß § 14 Abs. 6 MarkenG umfasse ferner den Gewinn, den die Beklagte mit dem Vertrieb der rechtsverletzenden Parallelimporte gemacht habe.
11
Hinsichtlich der …stehe der Klägerin ein Auskunftsanspruch aus § 19 Abs. 1 MarkenG zu. Weiter könne sie Auskunft über den Umfang der Verletzung geltend machen. Diese Auskunft diene der Vorbereitung der Bezifferung des Schadensersatzanspruchs gemäß § 14 Abs. 6 MarkenG, dessen Feststellung verlangt werde.
12
Nachdem nach Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens (Verfügung vom 12.04.2018, Blatt 10/12) keine Verteidigungsanzeige eingegangen war, hat die Kammer am 17.6.2019 folgendes Teil-Versäumnis- und Endurteil (Blatt 41/52) erlassen, wobei die Klageabweisung in Tenor Ziffer III. nur den Zeitraum des eingeklagten Verzugszins in Klageantrag Ziffer I.4. (Seite 2 der Klageschrift vom 08.03.2018, Blatt 2) betraf (vgl. Seit 8 des Versäumnisurteils, Blatt 49):
I. Die Beklagte wird im Wege der Säumnis verurteilt,
1. es bei Meidung der näher bezeichneten Ordnungsmittel unterlassen,
Duftwässer und Kosmetikprodukte der Marken … und/oder … in Deutschland einzuführen, dort anzubieten, zu bewerben und/oder zu vertreiben und/oder dort einführen, anbieten, bewerben und/oder vertreiben zu lassen, wenn die Produkte nicht von der jeweiligen Markeninhaberin selbst oder von einem Dritten mit deren Zustimmung im Inland, in einem der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum erstmals in den Verkehr gebracht worden sind;
2. an die Klägerin 1.973,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.07.2017 zu zahlen;
3. an die Klägerin weitere 195,30 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.07.2018 zu zahlen;
4. an die Klägerin weitere 1973,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.12.2017 zu zahlen;
5. der Klägerin Auskunft zu erteilen über den Vorlieferanten der 72 Exemplare … die die Beklagte am 08.11.2017 unter der Rechnung mit der Nummer 1999 an die … GmbH geliefert hat, unter Vorlage von aussagekräftigen Rechnungen und Liefer belegen;
6. der … Auskunft über den Umfang zu erteilen, in dem sie die … der Vorlieferanten gemäß Ziffer I.5 vertrieben hat, unter Angabe Ihrer vollständigen Umsätze nach Art einer geordneten Rechnungslegung sowie des von der Beklagten erzielten Gewinns.
II. Im Wege der Säumnis wird festgestellt, dass die Beklagte der … GmbH & Co. KG den Schaden zu ersetzen hat, der dieser aus dem Vertrieb von außereuropäischen Duftwässer und Kosmetikprodukten der … (festgestellte Verletzung) entstanden ist und der über Ziffern 1.2, 1.3 und 1.4 hinausgeht.
III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
13
Gegen dieses, der Beklagten am 31.07.2019 in Spanien zugestellte Urteil der Kammer richtet sich der Einspruch der Beklagten mit Schriftsatz vom 30.08.2019, per Fax am selben Tag bei Gericht eingegangen.
14
Zur Begründung ihres Einspruchs trägt die Beklagte vor, die geltend gemachten Ansprüche bestünden nicht, weil die Klagemarken nicht rechtserhaltend benutzt würden. Auch treffe nicht zu, dass die streitgegenständliche Ware ohne Zustimmung der Klägerin in den Raum der EU verbracht worden sei. In Bezug auf die Marke … habe die Klägerin zudem keine Verletzung dargetan, insoweit fehle es an der Wiederholungsgefahr. Auch Erstbegehungsgefahr bestehen nicht.
15
Die Beklagte beantragt,
das Versäumnisurteil vom 17.06.2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
16
Die Klägerin verfolgt ihre ursprünglichen Klageansprüche weiter und beantragt,
das Versäumnisurteil vom 17.06.2019 aufrechtzuerhalten.
17
Hierauf erwidert die Klägerin, die Klagemarken würden durchaus rechts erhaltend benutzt. Sofern Beklagte dies in Abrede stellen, sei dies vor dem Hintergrund ihrer eigenen Vertriebstätigkeit mit Parfümprodukten der Klagemarken unzulässig, jedenfalls aber unbeachtlich.
18
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle vom 28.01.2020 (Blatt 97/100) und vom 10.11.2020 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

19
Das Versäumnis- und Endurteil vom 17.06.2019 (kurz: Urteil) war aufrechtzuerhalten, soweit es ein Versäumnisurteil war, weil die Entscheidung, die auf Grund der neuen Verhandlung zu erlassen ist, mit der in dem Urteil enthaltenen Entscheidung übereinstimmt, § 343 S. 1 ZPO. Die Klage ist zulässig (unten Lit. A) und im Umfang des Urteil begründet (unten Lit. B).
20
A. Die Klage ist zulässig. Das angerufene Gericht ist zuständig (unten Ziffer I.) und die Klägerin ist prozessführungsbefugt (unten Ziffer II.).
21
I. Das hiesige Gericht ist international zuständig gemäß Art. 7 Nr. 2 EuGVVO, örtlich gemäß § 32 ZPO und sachlich gemäß § 140 MarkenG.
22
II. Auch ist die Klägerin hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche prozessführungsbefugt.
23
Soweit die Klägerin Leistung an sich selbst verlangt (Tenor Ziffern 1.1. bis I.5 des Urteils) reicht es für die Prozessführungsbefugnis aus, dass die Klägerin – wie geschehen – behauptet, ihr stünden die geltend gemachten Ansprüche zu. Ob sie ihr tatsächlich zustehen, ist Sache der Begründetheit (Weth in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl., Rn. 18 zu § 51).
24
Soweit die Klägerin über fremde Ansprüche, nämlich die der Markenrechtsinhaberin … den Prozess im eigenen Namen führt, liegt gewillkürte Prozessstandschaft vor. Dies betrifft die Auskunftserteilung gemäß Tenor Ziffer 1.6 des Urteils und die Schadensersatzfeststellung gemäß Tenor Ziffer II des Urteils. Die Klägerin ist auch insoweit prozessführungsbefugt, die gewillkürte Prozessstandschaft ist zulässig. Die Klägerin wurde von den Markeninhabern zu dieser Art der Prozessführung ermächtigt und sie hat als ausschließliche Lizenznehmerin der Marke ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Prozessführung. Das Prozessführungsrecht der Klägerin sowie der Umstand, dass sie ausschließliche Lizenznehmerin der … ist, folgt aus dem Bestätigungsschreiben vom 25.05.2020 (Anlagenkonvolut K28), weil dort die Klägerin von der Markenrechtinhaberin in dem hiesigen Verfahren zur Geltendmachung von Rechten aus den Marken ermächtigt wird. Der Unterzeichner dieses Bestätigungsschreibens ist auch befugt, die Markeninhaberin zu vertreten, wie der Auszug aus dem Handelsregister vom 31.01.2020 (K17) zeigt. Das Bestreiten der Beklagten sowohl der Vertretungsmacht des Unterzeichners des Bestätigungsschreibens sowie des Umstandes, dass die Klägerin ausschließliche Lizenznehmerin ist, ist mit Blick auf diese Substantiierung durch den Handelsregisterauszug und das Bestätigungsschreiben unbeachtlich.
25
B. Die Klage ist im Umfang des zusprechenden Urteils begründet (dort Klageabweisung in Urteilstenor Ziffer III. nur betreffend den Zeitraum des eingeklagten Verzugszinses in Klageantrag Ziffer I.4. (vgl. Seite 2 der Klageschrift vom 08.03.2018, Blatt 2; Seit 8 des Urteils, Blatt 49).
26
I. Die Klägerin ist aktivlegitimiert, auch soweit sie Leistung an sich selbst verlangt, also in Bezug auf Ziffern I.1. bis I.5. des Tenors des Urteils. Dies folgt in Bezug auf Ansprüche wegen Verletzung der Klagemarke „…“ jedenfalls aus dem Bestätigungsschreiben vom 25.05.2020 und in Bezug auf Ansprüche wegen Verletzung der Klagemarke … aus dem Bestätigungsschreiben vom 19.05.2020 (Anlagenkonvolut 28). In den genannten Bestätigungsschreiben wird die Klägerin in Bezug auf das hiesige Verfahren zur Geltendmachung und Einziehung der Ansprüche ermächtigt. Die Unterzeichner des Bestätigungsschreibens … sind auch vertretungsbefugt, wie sich aus dem Auszug aus dem Handelsregister vom 18.03.2020 (K 29) ergibt (zur Vertretungsmacht des Unterzeichners des Bestätigungsschreibens „…“, siehe oben).
27
II. Der Unterlassungsanspruch (Tenor Ziffer 1.1. des Urteils) folgt aus § 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 und 5 MarkenG.
28
1. Die Beklagte hat ohne Zustimmung des Markeninhabers mit der jedenfalls durchschnittlich kennzeichnungskräftigen Klagemarke … identische Zeichen für identische Waren, nämlich Parfümprodukte, im Inland markenmäßig benutzt hat, was Doppelidentität im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG begründet. Der Unterlassungsanspruch umfasst nach BGH GRUR 2006, 421 – Markenparfümverkäufe (v.a. Rz. 38 ff.) auch im Kern gleichartige Verletzungshandlungen betreffend die Klagemarke ….
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2. Die Voraussetzungen der Erschöpfung nach § 24 Abs. 1 MarkenG sind in Bezug auf die in Rede stehenden „…“-Waren nicht gegeben. Die Umstände der Erschöpfung darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen ist grundsätzlich Aufgabe der Beklagten (vgl. auch Hinweis der Kammer Seite 2 des Beschlusses vom 21.04.2020, Blatt 122). Diese allgemeine Beweisregel ist hier auch nicht mit Blick auf das Vertriebssystem des Markeninhabers zu modifizieren. Denn eine Umkehr der Beweislast wegen des Vertriebssystems ist nur dann angebracht, wenn dieses Vertriebssystem dem Markeninhaber die Möglichkeit eröffnet, die Märkte der Mitgliedstaaten abzuschotten und zudem die tatsächliche Gefahr einer Abschottung der nationalen Märkte besteht, falls der in Anspruch genommene Dritte den Nachweis führen muss, dass die Voraussetzungen der Erschöpfung vorliegen (BGH GRUR 2012, 630, Rz. 29 – CONVERSE II). Dass eine solche tatsächliche Gefahr einer Marktabschottung besteht, ist nicht sichtlich. Dabei übersieht die Kammer nicht die höchstrichterlich an den diesbezüglichen Vortrag anzulegenden Maßstäbe (BGH, a.a.O., Rz. 30). Aber die Beklagte hat vorliegend lediglich mit Nichtwissen bestritten, dass die Klägerin ein selektives Vertriebssystem betreibt, dass es sich bei den streitgegenständlichen Waren um Parallelimporte handelt bzw. dass die Ware ohne die Zustimmung der Klägerin in den Raum der EU verbracht worden sei (Seite 2 der Klageerwiderung vom 16.01.2020, Blatt 92).
30
3. Zudem dringt die Beklagte mit ihrer Nichtbenutzungseinrede nicht durch.
31
a) Aus dem von der Klägerin vorgelegten Anlagenkonvolut K 19 ergeben sich 137 Stück zwischen 2016 und 2019 abgesetzter …-Parfums. Dies reicht in Art und Umfang der Benutzung für den Rechtserhalt aus. Vor diesem Hintergrund genügt das Bestreiten der Beklagten nicht, insbesondere sind in diesem Anlagenkonvolut anders als die Beklagte meint nicht alle Zahlen geschwärzt. Auch ergibt sich aus ihnen der Benutzungszeitraum.
32
b) Für … belegt Anlagenkonvolut K24 den Absatz von über 5.000 Stück „…“-Parfums. Dies genügt für die rechtserhaltende Benutzung von „…“ für Parfums. Auch hier gilt, dass das Bestreiten der Beklagten unzureichend ist, auch hier sind nicht sämtliche Zahlen geschwärzt.
33
c) Hinzu kommt, dass die Beklagte nach unbestrittenem Klägervortrag mit „…“ und „…“ (dabei dürfte es sich um eine verkürzte Wiedergabe bzw. eine Falschbezeichnung handeln, so auch die Klägerin Seite 4 ihres Schriftsatzes vom 26.05.2020, Blatt 130) gekennzeichnete Produkte vertreibt, wie auch der Auszug ihrer Website (K18) belegt. Da nicht davon auszugehen, dass hier permanente Markenrechtsverletzungen begangen werden, ist anzunehmen, dass die Beklagte mit Zustimmung der Markenrechtsinhaberin in den Verkehr gebrachte Waren, also Originale anbietet. Vor diesem Hintergrund müsste die Beklagte Indizien vorgetragen, die eine rechtserhaltende Benutzung in Frage stellen (OLG Frankfurt a.M. GRUR-RR 2020, 102, Rz. 32 – Batterie-Plagiate).
34
III. Dementsprechend stehen der Klägerin bzw. der … auch die Folgeansprüche auf Auskunftserteilung gemäß § 242 BGB bzw. § 19 MarkenG (Tenor Ziffern I.5. und I.6. des Urteils) und Schadensersatz im Wege der Abschöpfung des Verletzergewinns in der geltend gemachten Höhe von 195,30 Euro (Tenor Ziffer I.3. des Urteils) bzw. Feststellung der darüber hinausgehenden Schadensersatzpflicht gemäß § 14 Abs. 6 MarkenG (Tenor Ziffer II. des Urteils) sowie auf Kostenerstattung gemäß §§ 683 S. 1, 670, 677 BGB (Tenor Ziffern I.2. und I.4 des Urteils) zu. Die Feststellung der Schadensersatzpflicht gemäß Ziffer II. des Tenors umfasst entsprechend der Stellungnahme der Klägervertreterin im Schriftsatz vom 14.08.2018 (dort Seite 2, Blatt 23) auf den richterlichen Hinweis vom 02.08.2018 (Blatt 18/19) betreffend die Entscheidung BGH GRUR 2006, 421 – Markenparfümverkäufe nur die in diesem Verfahren festgestellte Verletzung der Marke „….
35
IV. Die geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung von Verzugszinsen sind im zugesprochenen Umfang gemäß § 280 Abs. 1 und 2, § 286, § 288 Abs. 1 BGB begründet, weil die einseitige Fristsetzung in dem als Anlage K 12 vorgelegten Schreiben nicht verzugsbegründend ist (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Auflage, § 286 Rdnr. 22 und 35).
36
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Voraussetzungen des § 344 ZPO lagen nicht vor.
37
D. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 3, S. 1 ZPO, weil das hiesige Endurteil ein Versäumnisurteil aufrechterhält und der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache Euro 1.250,- übersteigt.
38
Bei der Höhe der Sicherheit war in Bezug auf das Unterlassungsgebot (Tenor Ziffer 1.1. des Urteils) zu bedenken, dass der Schuldner aus ungerechtfertigter Vollstreckung geschützt sein soll (Herget in: Zöller, ZPO, 30. Auflage, Rz. 3 zu § 709). Bei der Verurteilung zur Auskunft (Tenor Ziffern I.5 und I.6. des Urteils) war die Höhe der Sicherheit nach dem voraussichtlichen Aufwand an Zeit und Kosten der Auskunftserteilung zu schätzen (Herget in: Zöller, ZPO, 32. Auflage, Rz. 6 zu § 709).