Titel:
Unbegründete kennzeichenrechtliche Abmahnung wegen rein dekorativer Verwendung eines Hubschrauberdesigns
Normenketten:
MarkenG § 14, § 25 Abs. 2 S. 1, S. 2, § 26
BGB § 286 Abs. 1 S. 1, S. 2, § 288, § 291, § 670, § 683, § 823
ZPO § 92 Abs. 1 S. 1, § 253 Abs. 1, § 296a, § 709 S. 1
GKG § 39 Abs. 1, § 45 Abs. 1 S. 2, § 51 Abs. 1
Leitsätze:
1. Ansprüche des Markeninhabers nach § 14 MarkenG scheiden aus, wenn die Benutzung zu rein beschreibenden Zwecken erfolgt (ebenso EuGH BeckRS 2009, 70671 Rn. 61 – L’Oréal/Bellure). (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ob ein Zeichen rein beschreibend verwendet wird, ist anhand der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls unter Berücksichtigung des Gesamteindrucks zu beurteilen, der bei den angesprochenen Verkehrskreisen aufgrund der Zeichenverwendung entsteht. Als Beurteilungsgrundsätze sind dabei neben dem Inhalt des Zeichens (ebenso BGH BeckRS 2003, 30304104 – Festspielhaus) heranzuziehen unter anderem die Kennzeichnungsgewohnheiten im maßgeblichen Warensektor (ebenso BGH BeckRS 2010, 16516 Rn. 20 – DDR-Logo), die Positionierung des zu beurteilenden Zeichens sowie die weitere Gestaltung des Produkts/der Verpackung, insbesondere das Hinzutreten oder Fehlen weiterer Kennzeichen (ebenso BGH BeckRS 2012, 16903 – pjur/pure). (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3. In der Verwendung einer Farbe liegt nur in Ausnahmefällen eine markenrechtlich relevante Benutzung, etwa wenn die angegriffene Farbe in der angegriffenen Verwendungsform durch herkömmliche Herkunftshinweise nicht in den Hintergrund gedrängt wird und daher als Herkunftshinweis in Betracht kommt (ebenso BGH BeckRS 2005, 2849 – Lila Schokolade). (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
4. Bei dreidimensionalen Marken kann bereits in der Gestaltung des Produkts selbst oder der Form der Verpackung ein Herkunftshinweis liegen. Bei der Annahme, in der Verwendung einer Warenform könne zugleich ein Herkunftshinweis gesehen werden, ist jedoch Zurückhaltung geboten, weil sich der Schutz des Markenrechts vor allem gegen die Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion der Marke richtet und nicht gegen die Übernahme technischer Lösungen, von Gebrauchseigenschaften oder ästhetischen Gestaltungsgedanken durch Mitbewerber für deren Waren (ebenso BGH BeckRS 2007, 11985 Rn. 22 – Pralinenform I). Nach der Lebenserfahrung fasst der Verbraucher die Formgestaltung einer Ware regelmäßig nicht in gleicher Weise wie Wort- und Bildmarken als Herkunftshinweis auf, weil es bei der Warenform zunächst um eine funktionelle und ästhetische Ausgestaltung der Ware selbst geht (ebenso BGH BeckRS 2016, 92 Rn. 27 – Bounty). (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
5. Der Nachweis der rechtserhaltenden Benutzung hat sich inhaltlich auf Art, Ort, Umfang und Dauer der Benutzung in den jeweils relevanten Zeiträumen zu beziehen. Es ist vom Markeninhaber somit darzulegen und ggf. zu beweisen, in welcher Form und für welche Waren/Dienstleistungen die Marke verwendet und welche Umsätze dabei in welchen Zeiträumen erzielt wurden. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Marke, Patent, Markenanmeldung, Herkunftshinweis, Eintragung, Versorgung, Behinderung, Zeichen, Ware, Abmahnung, Unterlassungsanspruch, Dienstleistungen, Kennzeichnung, Markenamt, rechtserhaltende Benutzung, gesetzlicher Vertreter, Einrede der Nichtbenutzung
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Urteil vom 09.12.2021 – 29 U 5868/20
Fundstelle:
GRUR-RS 2020, 60632
Tenor
I. Es wird festgestellt, dass der Beklagten gegenüber der Klägerin kein Anspruch zusteht, es zu unterlassen, die dreidimensionale Marke …04 im Bereich der Rettungsdienstleistungen, insbesondere als Design von Luftfahrzeugen im Rettungsdienst, zu verwenden oder durch eine konzernmäßig verbundene Gesellschaft verwenden zu lassen, wenn das Luftfahrzeug aussieht wie folgt:
II. Die am 04.04.2012 beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer … eingetragene dreidimensionale Marke wird für verfallen erklärt.
III. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Euro 5.274,- nebst Zinsen hieraus in Höhe von jährlich 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.09.2016 zu zahlen.
IV. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
V. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 60 %, die Beklagte 40 %.
VI. Das Urteil ist in Ziffern III. und V. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
sowie folgenden Beschluss
Der Streitwert wird für die Zeit bis zur Klageerweiterung mit Schriftsatz vom 30.01.2017 auf Euro 155.314,- festgesetzt, für die Zeit bis zur Klageerweiterung mit Schriftsatz vom 30.06.2020 auf Euro 255.314,- und für die Zeit danach auf Euro 305.314, -.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über eine dreidimensionale Farbmarke der Beklagten.
2
Die Klägerin, eine gemeinnützige Stiftung, setzt sich für die Verbesserung der Notfallhilfe ein. Die Beklagte wurde in den 70er Jahren auf Initiative der Klägerin gegründet und führt u.a. Luftrettungen durch. Im Sommer 2008 kam es zu Unstimmigkeiten zwischen den Parteien, seit dem gehen sie getrennte Wege.
3
Die Beklagte ist Inhaberin der dreidimensionalen Farbmarke Nr. 30 2008 079 104
angemeldet am 12.12.2008, eingetragen am 04.04.2012 (Registerauszug K5, nachfolgend: Beklagtenmarke), die Schutz genießt insbesondere für Transportdienstleistungen eines Rettungsdienstes.
4
Aus dieser Marke wandte sich die Beklagte mit dem verfahrensgegenständliche Abmahnschreiben vom 29.07.2016 (K3) gegen die Klägerin und machte geltend, die Klägerin verwende für die von ihr unterhaltenen Helikopter ein Design, das die Beklagtenmarke verletze. Insbesondere verletze die Klägerin die Beklagtenmarke durch die Abbildung eines dieser Rettungshubschrauber in ihrer Pressemitteilung vom 13.06.2016 (Anlage K7). In dieser von der Klägerin auf ihrer Website veröffentlichten Pressemitteilung berichtete die Klägerin über den Aufbau eines modernen Rettungswesens in China. Neben der Pressemitteilung über den Start des Projekts hatte die Klägerin einen Downloadbereich eingerichtet. In diesem befand sich folgendes Foto eines Hubschraubers mit Bildunterschrift:
(Bild gemäß Seite 2 der Anlage K7)
5
Wenn man dieses Feld anklickte, erschien das folgende Bild:
(Bild gemäß Seite 4 der Anlage K7)
6
Gegen diese Abmahnung der Beklagten wehrte sich die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 08.08.2016 (K8) und verlangte eine Unterlassungserklärung (Seiten 4/5 der Anlage K8). Sie stützte sich dabei unter anderem auf eine Koexistenzvereinbarung aus dem Jahr 2016 (K9), deren Zustandekommen zwischen den Parteien streitig ist.
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Die Klägerin macht geltend, es solle gerichtlich festgestellt werden, dass die streitgegenständliche Abmahnung der Beklagten vom 29.07.2016 unberechtigt gewesen sei. Nicht zuletzt sei die Abmahnung deshalb unberechtigt gewesen, weil die Beklagte die Beklagtenmarke nicht rechtserhaltend benutze.
8
Die Klägerin könne außerdem die Kosten für die Verteidigung gegen die Abmahnung der Beklagten sowie die Kosten für ihre Gegenabmahnung vom 08.08.2016 ersetzt verlangen.
9
Mit Blick auf die Koexistenzvereinbarung aus dem Jahr 2016 (K9) sei es der Beklagten außerdem verwehrt, aus ihrer Marke außergerichtlich Rechte gegen die Klägerin herzuleiten. Diese Vereinbarung sei auch wirksam abgeschlossen worden, insbesondere habe es dem auf Seiten der Beklagten aufgetretenen Zeugen N… nicht an der erforderlichen Vertretungsmacht gefehlt.
10
Auch sei die Beklagtenmarke wegen Verfalls zu löschen. Hilfsweise sei sie für nichtig zu erklären, weil der Klägerin ältere Rechte an der Beklagtenmarke zustünden. Schließlich stamme das die Beklagtenmarke ausmachende rot-weiße Hubschrauberdesign von den Zeugen P…-E… S… und J… S…. Diese hätten der Klägerin ausschließliche urheberrechtliche Nutzungsrechte an ihrem Werk eingeräumt. Weiter hilfsweise sei die Beklagtenmarke wegen Bösgläubigkeit für nichtig zu erklären. Denn die Beklagte habe die Beklagtenmarke unmittelbar nachdem sie ihre Kooperation mit der Klägerin beendet habe angemeldet, die Markenanmeldung sei gezielt gegen die Klägerin gerichtet gewesen.
11
Zunächst hat die Klägerin die in der Klageschrift zusammen mit ihrem Schriftsatz vom 30.01.2017 (Blatt 42/43) wiedergegebenen Anträge gestellt. Diese Anträge hat sie mit Schriftsatz vom 17.10.2017 (Blatt 150/152) sowie im Termin vom 17.10.2017 (Seiten 3/4 des Sitzungsprotokolls vom 17.10.2017, Blatt 156/157) geändert. Mit Schriftsatz vom 30.06.2020 (Blatt 198/200) hat sie die Anträge erneut geändert und nochmals im Termin vom 14.07.2020 (S. 3 des Sitzungsprotokolls vom 14.007.2020, Blatt 229) modifiziert.
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Die Klägerin beantragt zuletzt:
I. Es wird festgestellt, dass der Beklagten gegenüber der Klägerin kein Anspruch zusteht, es zu unterlassen, die dreidimensionale Marke …04 im Bereich der Rettungsdienstleistungen, insbesondere als Design von Luftfahrzeugen im Rettungsdienst, zu verwenden oder durch eine konzernmäßig verbundene Gesellschaft verwenden zu lassen, wenn das Luftfahrzeug aussieht wie folgt:
„
II. Die Beklagte wird verurteilt, es unterlassen außergerichtlich aus der Eintragung und Benutzung ihrer deutschen Marke …04 Rechte gegen die Klägerin herzuleiten.“
III. Im Wege der Zwischenfeststellungsklage (zu Antrag II) beantragt die Klägerin: Es wird festgestellt, dass die Koexistenzvereinbarung gemäß Anlage K9 sowie insbesondere die Verpflichtung in § 1 (1) der Koexistenzvereinbarung wirksam ist.
IV. Für den Fall des Unterliegens mit Antrag III.:
Die am 04.04.2012 beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer …04 eingetragene dreidimensionale Marke wird für verfallen erklärt.
Hilfsweise: die beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer …04 eingetragene dreidimensionale Marke wird für nichtig zu erklären.
V. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin
1. außergerichtliche Kosten in Höhe von 3.175,33 €
2. sowie weitere außergerichtliche Kosten für die Gegenabmahnung vom 08.08.2016 in Höhe von 3.175,33 €
nebst Zinsen hieraus in Höhe von jeweils 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
13
Die Beklagte beantragt
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Die Beklagte trägt vor, durch die Veröffentlichung der Pressemitteilung vom 13.06.2016 auf ihrer Homepage habe die Klägerin die Beklagtenmarke verletzt. Es bestehe keine wirksame Koexistenzvereinbarung, weil der Unterzeichner der Vereinbarung auf Seiten der Beklagten, der Zeuge N… ohne Vertretungsmacht gehandelt habe. Dieser sei damals Aufsichtsrat und damit nicht gesetzlicher Vertreter der Beklagten gewesen. Die Voraussetzungen für eine Rechtscheinsvollmacht lägen nicht vor.
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Die Beklagtenmarke sei nicht verfallen, die Beklagte benutze sie rechtserhaltend. Sie habe die Beklagtenmarke auch nicht bösgläubig angemeldet und der Klägerin stünden an ihr keine älteren Rechte zu.
16
Mit insoweit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 25.08.2020 hat die Beklagte u.a. bezüglich der Benutzung der Beklagtenmarke ergänzend vorgetragen (Blatt 232/263).
17
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 17.10.2017 und vom 14.07.2020 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist zum Teil begründet.
19
A. Die Klage hat in Klageantrag I. Erfolg, denn die Beklagten kann von der Klägerin nicht – wie geschehen in der Abmahnung vom 29.07.2016 – verlangen, es zu unterlassen, die Beklagtenmarke im Bereich der Rettungsdienstleistungen, insbesondere als Design von Luftfahrzeugen im Rettungsdienst, zu verwenden oder durch eine konzernmäßig verbundene Gesellschaft verwenden zu lassen, wenn das Luftfahrzeug wie im Antrag wiedergegeben aussieht. Ein diesbezüglicher Unterlassungsanspruch der Beklagten scheitert – abgesehen von der Anwendbarkeit deutschen Kennzeichenrechts wegen evtl. fehlenden Inlandsbezugs („commercial effect“) und der Kennzeichnungskraft der Beklagtenmarke – an der erforderlichen markenmäßigen Verwendung des die Beklagtenmarke ausmachenden Zeichens durch die Klägerin (unten Ziffer I.) und der fehlenden rechtserhaltenden Benutzung der Beklagtenmarke durch die Beklagte (unten Ziffer II.).
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I. Die Klägerin verwendet die Beklagtenmarke nicht markenmäßig.
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Ansprüche des Markeninhabers nach § 14 MarkenG scheiden aus, wenn die Benutzung zu rein beschreibenden Zwecken erfolgt (EuGH C-487/07, GRUR 2009, 756 Rn. 61 – L’Oréal/Bellure; vgl. auch BGH GRUR 2009, 502 Rn. 29 – pcb). Ob ein Zeichen rein beschreibend verwendet wird, ist anhand der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls unter Berücksichtigung des Gesamteindrucks zu beurteilen, der bei den angesprochenen Verkehrskreisen aufgrund der Zeichenverwendung entsteht. Als Beurteilungsgrundsätze sind dabei neben dem Inhalt des Zeichens (BGH GRUR 2003, 732 – Festspielhaus) heranzuziehen unter anderem die Kennzeichnungsgewohnheiten im maßgeblichen Warensektor (vgl. BGH GRUR 2010, 838 Rn. 20 – DDR-Logo), die Positionierung des zu beurteilenden Zeichens (vgl. z.B. BGH GRUR 2012, 1040 Rn. 18 – pjur/pure) sowie die weitere Gestaltung des Produkts/der Verpackung, insbesondere das Hinzutreten oder Fehlen weiterer Kennzeichen (vgl. BGH GRUR 2002, 809 – Frühstücks-Drink I; GRUR 2002, 812 – Frühstücks-Drink II; GRUR 2012, 1040 – pjur/pure).
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1. Bei der Beklagtenmarke handelt es sich um eine dreidimensionale Farbmarke. Das geschützte Zeichen betrifft dabei nicht die Farbe als solche, sondern ihre Positionierung. Kennzeichenrechtliche Ansprüche aus Farbmarken bestehen ebenfalls nur gegen solche Verwendungsformen, in denen die vermeintlich markenverletzende Verwendung einer Farbe durch einen Dritten als markenmäßig aufgefasst wird. Da die Abnehmer daran gewöhnt sind, dass in nahezu allen Bereichen Farben auf Produkten oder Verpackungen allein der Produktgestaltung dienen und nicht der Kennzeichnung (vgl. z.B. BGH GRUR 2005, 1044 (1046) – Dentale Abformmasse), ist dies nur sehr selten der Fall.
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Nur in Ausnahmefällen liegt daher in der Verwendung einer Farbe eine markenrechtlich relevante Benutzung, etwa wenn die angegriffene Farbe in der angegriffenen Verwendungsform durch herkömmliche Herkunftshinweise nicht in den Hintergrund gedrängt wird und daher als Herkunftshinweis in Betracht kommt (BGH GRUR 2005, 427 – Lila Schokolade; OLG Hamburg NJOZ 2009, 1776 – NIVEA-Blau; OLG Köln GRUR-RR 2013, 213 – Wörterbuch-Gelb). Abzustellen ist auch auf die Kennzeichnungsgewohnheiten auf dem betroffenen Waren- und Dienstleistungssektor (BGH GRUR 2014, 1101 Rn. 29 – Gelbe Wörterbücher).
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2. Bei dreidimensionalen Marken wie der Beklagtenmarke kann bereits in der Gestaltung des Produkts selbst oder der Form der Verpackung ein Herkunftshinweis liegen. Bei der Annahme, in der Verwendung einer Warenform könne zugleich ein Herkunftshinweis gesehen werden ist jedoch Zurückhaltung geboten, weil sich der Schutz des Markenrechts vor allem gegen die Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion der Marke richtet und nicht gegen die Übernahme technischer Lösungen, von Gebrauchseigenschaften oder ästhetischen Gestaltungsgedanken durch Mitbewerber für deren Waren (BGH GRUR 2007, 780 Rn. 22 – Pralinenform I). Nach der Lebenserfahrung fasst der Verbraucher die Formgestaltung einer Ware regelmäßig nicht in gleicher Weise wie Wort- und Bildmarken als Herkunftshinweis auf, weil es bei der Warenform zunächst um eine funktionelle und ästhetische Ausgestaltung der Ware selbst geht. Auch eine besondere Gestaltung der Ware selbst wird daher eher diesem Umstand zugeschrieben als der Absicht, auf die Herkunft der Ware hinzuweisen (BGH GRUR 2007, 780 Rn. 26 – Pralinenform I; GRUR 2010, 1103 Rn. 30 – Pralinenform II; GRUR 2016, 197 Rn. 27 – Bounty). Es ist daher bei der Frage, ob der Verbraucher ausnahmsweise in der Warenform einen Herkunftshinweis erkennt, besonders auf die jeweiligen Gepflogenheiten im maßgeblichen Warensektor abzustellen.
25
Ob die angesprochenen Verkehrskreise in der Warenform einen Herkunftshinweis erkennen, hängt unter Umständen auch von der Kennzeichnungskraft der Beklagtenmarke ab (BGH GRUR 2010, 1103 Rn. 33 – Pralinenform II; GRUR 2008, 793 Rn. 18 – Rillenkoffer; GRUR 2016, 197 Rn. 29 – Bounty): Verbindet der Verbraucher etwa aufgrund der Bekanntheit der Gestaltung des Produkts des Markeninhabers mit dieser zugleich einen Herkunftshinweis, wird er im selben Warensektor auch in ähnlichen Gestaltungsformen eher eine markenmäßige Benutzung erkennen als in solchen Warenbereichen, in denen ihm keine entsprechende Kennzeichnungspraxis geläufig ist (BGH GRUR 2016, 197 Rn. 33 – Bounty). Allerdings spielt dabei – ähnlich wie bei der Verwendung von Farben – das Hinzutreten bzw. Fehlen weiterer als Herkunftshinweis in Betracht kommender Zeichen eine nicht unerhebliche Rolle (OLG Köln GRUR-RR 2012, 341 – Ritter-Sport; OLG Frankfurt GRUR-RR 2012, 255 – Goldhase III), so dass im Einzelfall selbst bei Bekanntheit der Beklagtenmarke im Rechtssinne das Hinzutreten anderer Kennzeichen zu einer „Überlagerung“ im Gesamteindruck führen kann mit der Folge, dass der Verbraucher im Hinblick auf andere übliche Zeichenformen (Wortmarken etc) die ihm aus einem anderen Zusammenhang bekannte Warenform nicht mehr als Herkunftshinweis ansieht.
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3. Vorliegend macht die Beklagte mit ihrer Abmahnung in erster Linie geltend, dass die Klägerin für die von ihr unterhaltenen Helikopter folgendes Design verwende:
27
Dementsprechend bildet diese Abbildung auch den Mittelpunkt des Klageantrags Ziffer I. In dem oben dargestellten Sinn verwendet die Klägerin hier die Beklagtenmarke aber nicht kennzeichenmäßig. Die rot-weiße Gestaltung weist den Verkehr nämlich nur auf den Bereich der Rettungsdienste hin, es handelt sich um typische Farben in diesem Bereich. Außerdem sind im Bereich des Rettungsdienstes typischerweise klare, einfache, eingängige Zeichen zu finden (Malteser, Rotes Kreuz, Halbmond). Diesen misst der Verkehr herkunftshinweisende Bedeutung zu.
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Zudem wird auf dem abgebildeten Hubschrauber insgesamt 8mal das Zeichen gemäß Unionsmarke 003968708 der Klägerin, der sog. S…-Stern der Klägerin
verwendet, zum Teil mit dem Hinweis ®.
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Jedenfalls verblasst die rot-weiße Farbgestaltung im kennzeichenrechtlichen Sinne neben den S…-Sternen und tritt zurück. Daran ändert auch nichts der von der Beklagten mit ihrer hierzu nicht nachgelassenen Quadruplik vom 25.08.2020 behauptete Marktanteil der Beklagten im Luftrettungswesen von 32 % (Seite 9 des Schriftsatzes, Blatt 240). Insbesondere lässt sich vom Marktanteil nicht auf die Bekanntheit der Beklagtenmarke schließen, allein diese würde aber in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen.
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II. Zudem wehrt sich die Klägerin erfolgreich gegen den von der Beklagten mit ihrer Abmahnung geltend gemachten Unterlassungsanspruch mit der Einrede der Nichtbenutzung.
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Nach § 25 Abs. 2 S. 1 und 2 MarkenG hat der Markeninhaber auf eine Nichtbenutzungseinrede hin nachzuweisen, dass er die Beklagtenmarke in den jeweils relevanten Zeiträumen nach Maßgabe des § 26 MarkenG benutzt hat. Die Beklagte hat die rechtserhaltende Benutzung der Beklagtenmarke für die von ihr beanspruchten Waren und Dienstleistung nicht dargetan.
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Dass sich die Beklagtenmarke zum Zeitpunkt der Abmahnung vom 29.07.2016 noch in der Benutzungsschonfrist befand (diese lief mit Blick auf die Eintragung der Beklagtenmarke am 04.04.2012 am 05.04.2017 ab) ist dabei unschädlich. Für die Frage der Berechtigung der Abmahnung kommt es auf die objektive Berechtigung der Abmahnung an (BGH GRUR 1963, 255, 257 – Kindernähmaschinen zur Rechtswidrigkeit des Vorgehens des dortigen Klägers nach rückwirkender Gebrauchsmusterlöschung).
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1. Inhaltlich hat sich der Nachweis der rechtserhaltenden Benutzung auf Art, Ort, Umfang und Dauer der Benutzung in den jeweils relevanten Zeiträumen zu beziehen. Es ist vom Markeninhaber somit darzulegen und ggf. zu beweisen, in welcher Form und für welche Waren/Dienstleistungen die Marke verwendet und welche Umsätze dabei in welchen Zeiträumen erzielt wurden (Hacker, Markenrecht, 5. Auflage, C § 14 Rn. 380). Diesen Anforderungen genügt die Beklagte nicht, so fehlt z.B. jeglicher Beklagtenvortrag zu Umsätzen.
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2. Auch sieht die Kammer in den von der Beklagten vorgelegten Benutzungsbelegen keine markenmäßige und damit keine rechtserhaltende Benutzung.
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Der Begriff der „Benutzung“ i.S.d. § 26 ist nicht legaldefiniert. Er ist zwar grundsätzlich unabhängig vom Begriff der „rechtsverletzenden Benutzung“ auszulegen (BGH GRUR 1980, 52, 53 – Contiflex; GRUR 2000, 1038, 1039 – Kornkammer; EuGH C-40/01, GRUR 2003, 425 Rn. 32-43 – Ansul/Ajax). Allerdings darf der Begriff der rechtserhaltenden Benutzung grundsätzlich nicht weiter gehen als der Begriff der rechtsverletzenden Benutzung (BGH GRUR 2012, 1261 Rn. 13 – Orion). Entscheidend ist, ob die Benutzung der Marke funktionsgerecht erfolgt, dh ob die Marke dabei der Unterscheidung von Waren oder Dienstleistungen des Markeninhabers von denjenigen Dritter dient und damit ihrer Herkunftsfunktion nachkommt (BGH GRUR 2009, 60 Rn. 22 – LOTTOCARD).
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Eine rein dekorative Verwendung eines Zeichens ist in der Regel nicht rechtserhaltend (OLG München NJW-RR 1996, 1260 – THE BEATLES; BPatG GRUR 1998, 148 (151) – SAINT MORIS/St. Moritz). Es gilt daher im Einzelfall zu prüfen, ob der Verkehr in dem Zeichen möglicherweise auch einen Herkunftshinweis sieht (OLG Düsseldorf GRUR-RR 2016, 153 – Pippi; KG GRUR-RR 2003, 310 – Fertigzigaretten).
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Die Beklagte reicht zum Benutzungsbeleg zahlreiche Abbildungen von Hubschraubern ein (z.B. Zusammenstellung der Benutzung gemäß Anlagenkonvolut B22 und B23; Werbematerial gemäß Anlagen B26 bis B35; auf Seiten 26/29 der Duplik vom 28.08.2017 (Blatt 126/129) und auf Seiten 11/13 und Seiten 14/16 der insoweit nicht nachgelassen Quadruplik vom 25.08.2020 (Blatt 242/244; Blatt 245/247)). Diese Bilder sind teilweise sehr klein, es stehen zum Teil Personen vor dem abgebildeten Hubschrauber, einige der abgebildeten Hubschrauber sind sehr klein oder nicht ganz zu sehen. In diesen Fällen kann nicht beurteilt werden, ob die farbliche Gestaltung der Hubschrauber überhaupt der Beklagtenmarke entspricht. Sie genügen dem Benutzungsnachweis nicht.
38
In Bezug auf Bilder, die gut beurteilt werden können gilt, dass auf sämtlichen dort gezeigten Hubschraubern zusätzlich das DRF-Logo der Beklagten zu sehen ist, z.B.
(oberes Foto gemäß Seite 27 der Duplik vom 28.08.2017, Blatt 127)
(unteres Foto Seite 26 der Duplik vom 28.08.2017, Blatt 126).
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Es werden also in etwa die Zeichen Luftrettung (Marke DE 302009022535 der Beklagten) bzw. Luftrettung (Marke DE302009022536 der Beklagten, Registerauszüge B21) verwendet.
40
Die farbliche Gestaltung der abgebildeten Hubschrauber versteht der angesprochene Verkehr nach Überzeugung der Kammer vor diesem Hintergrund nicht als Herkunftshinweis. Die DRF-Logos stehen im Vordergrund, daneben tritt die farbliche Gestaltung als ergänzendes oder nebensächliches Element in den Hintergrund. Denn die rot-weiße Gestaltung der Hubschrauber weist den Verkehr in erster Linie auf den Bereich der Rettungsdienste hin. Diese Farbgestaltung verblasst im kennzeichenrechtlichen Sinne neben der Verwendung des DRF-Logos und tritt daneben zurück.
41
Vor diesem Hintergrund geht die Kammer selbst für Transportdienstleistungen eines Rettungsdienstes; Transport von Kranken und Behinderten; Transport von Blutkonserven, Gewebeproben und Seren (Klasse 39) sowie für Kraftfahrzeuge und Luftfahrzeuge für Transportdienstleistungen eines Rettungsdienstes (Klasse 12) nicht von einer rechtserhaltenden Benutzung der Beklagtenmarke aus, auch wenn die Beklagte unstreitig mit den auf Seiten 26/29 der Duplik (Blatt 126/129) abgebildeten Hubschraubern über 38.000 Einsätze im Jahr durchführt (Seite 30 der Duplik, Blatt 130; Seite 14 der hierzu nicht nachgelassenen Quadruplik, Blatt 245; Seite 24 der Triplik II vom 30.06.2020, Blatt 221). Anders als die Beklagte meint (Seite 24 der insoweit nicht nachgelassenen Quadruplik, Blatt 225), steht ihr der Schutz der Klasse 12 für Luftfahrzeuge eines Rettungsdienstes auch nicht als Reflex ihrer monopolartigen Stellung zu.
42
Darüber hinaus werden die von der Beklagten für den Bereich der Fortbildung (Klasse 41) eingeblendeten Abbildungen von Hubschraubern (Seiten 18/23 der insoweit nicht nachgelassenen Quadruplik, Blatt 249/254) vom Verkehr nicht als Herkunftshinweis für Fortbildungen verstanden, sondern als ästhetisches Gestaltungselement. Gleiches gilt für die Hubschrauberabbildungen in dem Werbematerial gemäß Anlagen B26 bis B35, das die Beklagte vorgelegt hat in Bezug auf die Dienstleistungen Aus- und Fortbildung im Bereich erste Hilfe; Veranstaltung und Durchführung von Seminaren; Organisation und Veranstaltung von Konferenzen, Kongressen; Personalentwicklung durch Aus- und Fortbildung; Veranstaltung und Durchführung von Workshops (Ausbildung); Demonstrationsunterricht in praktischen Übungen (Klasse 41). Zu den weiteren Dienstleistungen der Klasse 41 (nämlich zu Organisation und Veranstaltung von Symposien, Veranstaltung und Leitung von Kolloquien und Erziehung auf Akademien; Erziehung und Unterricht; Fernkurse; Veranstaltung von Ausstellungen für kulturelle oder Unterrichtszwecke; Herausgabe von Texten (ausgenommen Werbetexte); Veröffentlichung von Büchern; Herausgabe von Verlagsdruckerzeugnissen und Druckereierzeugnissen in elektronischer Form, auch im Internet; Herausgabe von Zeitschriften und Büchern in elektropnischer Form, auch im Internet; Onlinepublikation von elektronischen Büchern und Zeitschriften; Veranstaltung von Bällen; Veranstaltung von Lotterien) hält die Beklagte überhaupt keinen Vortrag.
43
Soweit die Beklagte in ihrer hierzu nicht nachgelassenen Quadruplik (Seite 8/9, Blatt 239/240) vorträgt, sie erbringe im wesentlichen medizinische Dienstleistungen in der notfallmedizinischen Versorgung (Klasse 44) und zwar in gemäß dem Markenschutz gestalteten Hubschraubern, hat sie nicht einmal behauptet, dass die dafür eingesetzten Hubschrauber kein DRF-Logo tragen. Dies wäre aber mit Blick auf die von der Beklagten vorgelegten zahlreichen Bilder von Hubschraubern mit DRF-Logo erforderlich gewesen. Zu den übrigen Dienstleistungen der Klasse 44 fehlt Beklagtenvortrag.
44
An diesem Ergebnis ändert auch das von der Beklagten mit ihrer insoweit nicht nachgelassenen Quadruplik (dort Seite 9, Blatt 240) eingereichte Manual zu ihrer Corporate Identity nichts. Denn inhaltlich hat sich der Nachweis der rechtserhaltenden Benutzung auf Art, Ort, Umfang und Dauer der Benutzung in den jeweils relevanten Zeiträumen zu beziehen. Dass das Manual dazu Angaben enthält, ist von der Beklagten nicht vorgetragen.
45
3. Soweit die Beklagte in ihrer Quadruplik anregt, man möge beim Internetsuchdienst die Begriffe „rot-weiße Luftretter“ eingeben (Seite 10 der Quadruplik, Blatt 241), die Kammer möge zur weiteren Veranschaulichung auf Facebook der Gruppe „Luftrettung“ beitreten (Seite 13 der Quadruplik, Blatt 244), sie möge sich von den umfangreichen Einträgen durch Augenschein überzeugen (Seite 16 der Quadruplik, Blatt 247), sie möge sich unter angegebenen Links einen Überblick über das umfangreiche Lehrangebot der Beklagten verschaffen (Seite 19 der Quadruplik, Blatt 250) oder die Kammer möge auf die Unterseite eines Fotos gehen (Seite 20 Quadruplik, Blatt 251) ist die Kammer dem nicht nachgekommen. Schließlich gilt im hiesigen Zivilprozess der Beibringungsgrundsatz, die Kammer führt nicht selbstständig Recherchen durch. Würden solche Recherchen einem Urteil zugrunde gelegt, würde damit zudem gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verstoßen, weil für die Gegenseite unabsehbar ist, was das Ergebnis einer solchen Recherche ist.
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B. Dagegen war die Klage in Antrag Ziffer II. abzuweisen. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch zu, es zu unterlassen außergerichtlich aus der Eintragung und Benutzung der Beklagtenmarke Rechte gegen die Klägerin herzuleiten.
47
Das Gesetz (etwa § 823 BGB oder Lauterkeitsrecht) stellt einen derart weiten Unterlassungsanspruch nicht zur bereit. Denn mit dem Antrag soll jede außergerichtliche Geltendmachung von Rechten aus der Beklagtenmarke verboten werden. Aber nicht jede Geltendmachung stellt einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb oder etwa eine Behinderung dar.
48
Ein Unterlassungsanspruch gemäß Klageantrag Ziffer II. folgt auch nicht aus der Koexistenzvereinbarung vom 05.03.2013 (K9), denn die Kammer ist nicht von deren Abschluss überzeugt. Schließlich fehlte es dem auf Seiten der Beklagten handelnden Zeugen N… (der inzwischen verstorben ist) an der für den Abschluss der Vereinbarung erforderlichen Vertretungsmacht.
49
Er war zum Zeitpunkt des Abschlusses unstreitig Aufsichtsrat der Beklagten, also nicht ihr gesetzlicher Vertreter. Eine Vollmachtserteilung für den konkreten Fall hat die Klägerin nicht dargelegt. Die Beklagte trifft insoweit auch keine sekundäre Darlegungslast.
50
Auch soweit sich die Klägerin auf eine Anscheins-/Duldungsvollmacht beruft, dringt sie damit nicht durch. Die Rechtsscheinvollmacht als Vertrauenshaftung bindet den Vertretenen nur, wenn durch sein Verhalten ein objektiver Vertrauenstatbestand begründet wurde, der auf eine Bevollmächtigung des angeblichen Vertreters schließen lässt (BGH NJW 1952, 657 [658]; 1962, 2196 [2197]; BGHZ 40, 197 [204] = NJW 1964, 203; BGH WM 1971, 1500 [1501]; 1973, 612 [613]). Das Verhalten des angeblich Vertretenen, aus dem heraus der Geschäftsgegner glaubt auf eine Bevollmächtigung schließen zu können, muss hierfür von einer gewissen Häufigkeit und Dauer sein (BGH NJW 1956, 460; 1956, 1673; WM 1969, 43; 1986, 901; DB 1971, 1664; NJW-RR 1986, 1169; NJW 1998, 1854 [1855]; ZfBR 1998, 141 [142]; NJW 2007, 987 [989]; 2011, 2421 [2422]). Erforderlich sind hierfür regelmäßig mehrere Fälle über einen längeren Zeitraum (BGH NJW-RR 1986, 1169; NJW 2005, 2985 [2987]; 2007, 987 [988]; OLG Düsseldorf NJOZ 2010, 139 [140]; OLG Hamm BeckRS 2010, 22726).
51
Hier ist nicht ersichtlich, dass abweichend von der Regel das einmalige vermeintliche Hervorrufen eines Rechtsscheins durch den Vertretenen genügt. Zudem fehlt Vortrag der Klägerin zu Verhalten der Beklagten, aus dem heraus sie auf eine Bevollmächtigung des Zeugen N… hätte schließen können. Ihre Ausführungen, der Zeuge sei mit Kenntnis der Beklagten nach außen rechtsgeschäftlich für sie aufgetreten, insbesondere bei Unterzeichnung der streitgegenständlichen Koexistenzvereinbarung (Seite 12 der Klageschrift, Blatt 12), genügt dem jedenfalls nicht. Ebenso wenig reicht die Behauptung der Klägerin aus, der Zeuge N… sei bei der Beklagten der „Herrscher aller Reussen“ gewesen (Seite 6 der Replik vom 30.01.2017, Blatt 47). Auch sieht die Kammer nicht wie die Klägerin im Schreiben der Beklagten vom 26.08.2016 (K 10) einen Beleg dafür, dass die Beklagte das Auftreten des Zeugens geduldet hätte. Schließlich handelt es sich bei dem Schreiben nur um die Antwort auf die Gegenabmahnung der Klägerin vom 08.08.2016, in dem die Beklagte zudem die Vertretungsmacht des Zeugen in Abrede stellt.
52
C. Damit ist die Klage auch in Klageantrag Ziffer III. erfolglos, der darauf gerichtet ist, festzustellen, dass die Koexistenzvereinbarung gemäß Anlage K9 sowie insbesondere die Verpflichtung in § 1 (1) der Koexistenzvereinbarung wirksam ist.
53
D. Nachdem die Klage in Antrag Ziffer III. erfolglos ist, ist die innerprozessuale Bedingung für Klageantrag Ziffer IV. eingetreten. In diesem Klageantrag hat die Klage Erfolg. Wie oben gezeigt, wurde die Beklagtenmarke nicht rechtserhaltend benutzt, die Beklagtenmarke ist daher antragsgemäß für verfallen zu erklären.
54
Damit ist der nur hilfsweise gegenüber dem Antrag auf Verfall gestellte Antrag auf Nichtigerklärung der Beklagtenmarke wegen älterer Rechte oder wegen bösgläubiger Anmeldung (Seite 3 des Sitzungsprotokolls vom 14.07.2020, Blatt 229) mangels eingetretener innerprozessualer Bedingung nicht zu prüfen.
55
E. Mit Klageantrag Ziffer V. begehrt die Klägerin zum einen die Kosten für die Verteidigung gegen die Abmahnung in Höhe von Euro 3.175,33 und zum anderen die Kosten für ihre Gegenabmahnung vom 08.08.2016 in Höhe von Euro 3.175,33.
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Mit der wie gezeigt unberechtigten Abmahnung hat die Beklagte in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin eingegriffen. Die Klägerin kann daher Ersatz ihrer Aufwendungen für die außergerichtliche Verteidigung nach § 823 Abs. 1 BGB verlangen.
57
Auch die Kosten für die Gegenabmahnung stehen der Klägerin zu. Es war zu erwarten, dass die anwaltlich zunächst nicht vertretene Beklagte nach Hinweis auf die Sach- und Rechtslage von ihrer Abmahnung Abstand nehmen würde und ein Rechtsstreit vermieden werden kann. Daher bestand Anlass für die Gegenabmahnung. Die Kosten dafür kann die Klägerin nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß § 683, § 670 BGB verlangen.
58
Die von der Klägerin für die Verteidigung gegen die Abmahnung und die Gegenabmahnung geltend gemachten Kosten in Höhe einer 1,5 Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von Euro 150.000, zuzüglich Auslagenpauschale sind auch angemessen. Jedoch beträgt die 1,5 Geschäftsgebühr Euro 2.637,- (wie die Klägerin auf Seite 16 der Klageschrift richtig anführt), sodass sich zuzüglich Auslagenpauschale ein Betrag von Euro 2.657,- ergibt, je für die Verteidigung gegen die klägerische Abmahnung und für die Gegenabmahnung. Im übrigen war die Klage daher in diesem Antrag abzuweisen.
59
Die Klägerin hat aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 S. 1, S. 2 BGB, § 253 Abs. 1 ZPO auch Anspruch auf Verzugszins ab Zustellung der Klage am 29.09.2016. Nach § 291, § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB beträgt der Verzugszins für das Jahr 5 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz.
60
F. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO. Verteilungsmaßstab ist dabei der Gebührenstreitwert, der wiederum vom Streitgegenstand abhängt (Herget in: Zöller, ZPO, 32. Auflage, Rz. 2 zu § 92). Dabei entfallen auf Klageantrag Ziffern I. und II. je 21 %, auf Klageantrag Ziffern III. und IV. je 14 % und auf Klageantrag Ziffer V. 2 %. Weiter entfallen auf die im Termin vom 14.07.2020 zurückgenommenen Klageanträge Ziffern V. und VI. aus dem Klägerschriftsatz vom 30.06.2020 (Blatt 199) ebenfalls je 14 %. Die Klägerin unterliegt in Klageanträgen Ziffern II., III. und teilweise in Klageantrag Ziffer V. Weiter hat sie die Kosten zu tragen, soweit sie die Klage zurückgenommen hat (Anträge Ziffern V. und VI.).
61
Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit war hinsichtlich der Feststellung (Urteilstenor Ziffern I.) des Verfalls (Urteilstenor Ziffern II.) nur hinsichtlich der Kosten zu treffen, weil sowohl das Feststellung- als auch das Gestaltungsurteil über keinen vollstreckbaren Inhalt verfügt. Insoweit folgt die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 1 ZPO, weil das Urteil eine Vollstreckung im Wert von mehr als Euro 1.500,- ermöglicht. Auch hinsichtlich der Kostenerstattung (Urteilstenor Ziffer III.) greift § 709 S. 1 ZPO.
62
G. Soweit der nachgereichte Schriftsatz der Beklagten vom 25.08.2020 anderes als bloße Rechtsausführungen enthält, war er gemäß § 296a ZPO nicht mehr zu berücksichtigen (vgl. Greger in: Zöller, ZPO, 32. Auflage, Rdnr. 4 zu § 132). Eine Wiedereröffnung der Verhandlung nach § 156 ZPO hinsichtlich des neuen Vortrags war nicht geboten (vgl. auch BGH NJW 2000, 142 f. und Greger in: Zöller, ZPO, 32. Auflage, Rdnr. 4 und 5 zu § 156). Dies gilt auch soweit der tatsächliche Vortrag der Beklagten in diesem Schriftsatz über die Frage der rechtserhaltenden Benutzung der Beklagtenmarke hinaus geht.
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H. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 51 Abs. 1, § 39 Abs. 1, § 45 Abs. 1 S. 2 GKG