Inhalt

OLG Nürnberg, Beschluss v. 03.02.2020 – 3 U 327/19
Titel:

Abgeltung von Ansprüchen aus einer Arbeitnehmererfindung durch Vergleich

Normenketten:
ZPO § 520, § 522, § 530, § 531
BGB § 121, § 143
ArbnErfG § 8, § 22
Leitsatz:
Für schuldrechtlich Ansprüche, die sich aus einer unbefugten Nutzung einer angezeigten (aber nicht wirksam in Anspruch genommenen) Arbeitnehmererfindung ergeben, gelten keine gesteigerten Formanforderungen im Hinblick auf einen Erlass- oder Vergleichsvertrag; auch die Ansprüche, die sich bei einer Inanspruchnahme ergeben, unterliegen der freien Parteidisposition. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Patent, Berufung, Erfindung, Anfechtung, Vorrichtung, Patentanwalt, Auskunft, Ausland, Rechtsverfolgung, Umfang, Mehrwertsteuer, Zugang, Anspruch, Abfindungsanspruch, Kosten der Rechtsverfolgung, wirksame Anfechtung, Anfechtung wegen Irrtums
Vorinstanz:
LG Nürnberg-Fürth, Endurteil vom 24.01.2019 – 19 O 8243/17
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 31.05.2022 – X ZR 41/20
Fundstelle:
GRUR-RS 2020, 59296

Tenor

I. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 24. Januar 2019, Aktenzeichen 19 O 8243/17, wird zurückgewiesen.
II. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das in Ziffer I. genannte Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die gegen ihn gerichtete Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte Sicherheit i.H.v. 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 250.000,00 € festgesetzt.

Gründe

1
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 24. Januar 2019 Bezug genommen.
2
Im Berufungsverfahren wird vom Kläger und Berufungsführer beantragt,
I. Das Urteil des Landgerichts Nürnberg vom 24.01.2019, AZ.: 19 O 8243/19, wird aufgehoben.
II. die Beklagte wird verurteilt,
1. dem Kläger darüber Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte im Zeitraum vom 09.09.1998 bis 01.04.2017 das Patent DE… „Vorrichtung zur Herstellung von Rohren“ im In- und im Ausland, in denen parallele Schutzrechte bestehen, hergestellt, vertrieben, in Verkehr gebracht und Lizenzen daran an Dritte vergeben hat, und zwar in einem geordneten Verzeichnis unter Angabe
- der Herstellungsmengen,
- der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der jeweiligen Abnehmer,
- der Namen und Anschriften der Lizenznehmer,
- der erzielten Lizenzeinnahmen und/oder Einnahmen aus Kauf- und Austauschverträgen, sämtliche Angaben aufgeschlüsselt nach Kalenderjahren oder den betrieblichen Abrechnungszeiträumen;
2. nach erfolgter Rechnungslegung an den Kläger eine vom Gericht zu bestimmende angemessene Vergütung für die Benutzungshandlungen zu I. I. 1 zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.02. eines jeden Jahres oder seit dem jeweiligen betriebsüblichen Abrechnungszeitpunkten auf für die Benutzungshandlungen im Vorjahreszeitraum angefallene Vergütung zu zahlen;
3. an den Kläger vorgerichtliche Kosten der Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 7.018,38 (jeweils einer vollen Geschäftsgebühr für den Rechtsanwalt und den Patentanwalt zzgl. jeweils Auslagenpauschale und gesetzliche Mehrwertsteuer) zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.
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Hilfsweise beantragt der Kläger Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und Zurückverweisung.
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Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
5
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 24. Januar 2019, Aktenzeichen 19 O 8243/17, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
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Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen. Auch die Ausführungen und weiteren Angriffsmittel in der Gegenerklärung vom 13. Januar 2020 geben zu einer Änderung keinen Anlass:
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1. Soweit der Berufungsführer geltend macht, die vom Senat im Hinweis vertretene Auffassung von Inhalt und Reichweite des Vergleichs berücksichtige nicht, dass damals ein Arbeitsgerichtsprozess anhängig war und die vorliegend verfahrensgegenständlichen Ansprüche dort nicht Streitgegenstand waren, sodass sich die Erledigungs- und Abgeltungswirkung nicht auf die vorliegend verfolgten Ansprüche beziehe, kann dieser Umstand wegen § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO sowie § 530 i.V.m. § 520 ZPO aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht berücksichtigt werden. Der Kläger hat weder in erster Instanz, nachdem die Beklagte den Vergleich in den Rechtsstreit eingeführt hat, noch in der Berufungsinstanz in der Berufungsbegründung den Umstand erwähnt, dass im damaligen Zeitraum ein derartiger Arbeitsgerichtsprozess anhängig war; er geht auch (abgesehen von der auch anders zu erklärenden Formulierung in Ziffer 8) aus der Vergleichsvereinbarung nicht selbst hervor, die auf einen entsprechenden Rechtsstreit nicht Bezug nimmt, keine Kostenregelung enthält und auch von den Parteien unterzeichnet wurde, also nicht gerichtlich protokolliert oder gem. § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt wurde. Insoweit ist das Vorbringen völlig neu. Jedenfalls, nachdem die Klagepartei erkennen musste, welche Wirkung das Erstgericht der Abgeltungsregelung beimisst, hätte es einer ordentlichen Prozessführung entsprochen, auf diesen Umstand - der dem Kläger naturgemäß bekannt gewesen sein muss - hinzuweisen.
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2. Auch die Anfechtung dieses Vergleichs kann dem Kläger nicht zum Erfolg verhelfen. Nach § 121 Abs. 1 S. 1 BGB setzt eine wirksame Anfechtung wegen Irrtums nach materiellem Recht voraus, dass sie unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, erfolgt. Der Kläger wurde jedenfalls durch das angegriffene Endurteil darauf aufmerksam, wie die von ihm abgegebene Willenserklärung objektiv zu verstehen ist, und dass er deshalb möglicherweise bei Abschluss des Vergleichs einem Irrtum unterlegen ist. Das Zuwarten bis Januar 2020 (den nach materiellem Recht erforderlichen zeitnahen Zugang der Erklärung an die Beklagte als Anfechtungsgegnerin, § 143 Abs. 1 u. 2 BGB, unterstellt, obwohl nicht vorgetragen ist, dass ein solcher bereits bewirkt worden sei) genügt dieser zeitlichen Vorgabe bei weitem nicht, auch wenn man berücksichtigt, dass die Partei nicht sofort handeln muss, sondern zunächst rechtlichen Rat einholen und eine gewisse Überlegungszeit in Anspruch nehmen darf. Auf die Frage, ob substantiiert zu einem relevanten Irrtum vorgetragen wurde, kommt es damit nicht mehr entscheidend an.
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3. Der Senat hält an seiner Auffassung fest, dass die Vergleichsvereinbarung den an eine solche zu stellenden Voraussetzungen unabhängig davon genügt, ob eine Inanspruchnahme der Erfindung erfolgt war oder nicht, weil in allen Alternativen die Anforderungen erfüllt wären. Für schuldrechtlich Ansprüche, die sich aus einer unbefugten Nutzung einer angezeigten (aber nicht wirksam in Anspruch genommenen) Erfindung ergeben hätten, gelten keine gesteigerten Formanforderungen im Hinblick auf einen Erlass- oder Vergleichsvertrag; auch die Ansprüche, die sich bei einer Inanspruchnahme ergeben, unterliegen der freien Parteidisposition (§ 22 S. 2 ArbnErfG).
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Zudem hat der Senat bereits ausgeführt, dass nach seiner Überzeugung dem Kläger aufgrund der gesamten Umstände jedenfalls grundsätzlich - wenn auch vielleicht nicht im Detail - bewusst gewesen sein muss, dass ihm wegen des Patents DE… „Vorrichtung zur Herstellung von Rohren“, welches von im entwickelt und von der Beklagten genutzt wurde, Ansprüche zustehen dürften. Immerhin war er infolge seiner Stellung bei der Beklagten aufgrund anderer Vorgänge mit den Grundzügen des Arbeitnehmererfindungsrechts vertraut und wurden von ihm deswegen im Zuge der Verhandlungen über sein Ausscheiden auch Forderungen tatsächlich gegenüber den maßgeblichen Verhandlungsführern der Beklagten erhoben.
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Weiter zutreffend erscheinen zudem die Erwägungen dazu, dass sich der übergangene Arbeitnehmer die vom Arbeitgeber durch die Anmeldung erlangte Schutzrechtsposition innerhalb der Fristen des § 8 S. 3 f. PatG abtreten lassen muss bzw. gerichtlich vindizieren muss, wenn er sich den Einwand widerrechtlicher Entnahme erhalten will.
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4. Soweit der Berufungskläger nunmehr einzelne Berechnungsparameter benennt, ergibt sich daraus weiterhin noch nicht mit der zu fordernden Gewissheit, dass eine Berücksichtigung von Ansprüchen wegen der Erfindung nicht erfolgt sein kann. Es bestanden zwischen den Parteien bereits erhebliche Differenzen über den Anteilswert bzw. den Abfindungsanspruch. Weiterhin gilt, dass die Vereinbarung insgesamt einen Kompromisscharakter unter Einbeziehung mehrerer Aspekte (u.a. Höhe und Dauer der Gehaltszahlung, Dienstwagen) darstellt und es dem Kläger nicht gelungen ist, aufzuzeigen, dass die Ansprüche weder mit einem bestimmten Betrag angesetzt worden sind noch eine Einigung daraufhin erfolgt ist, dass diese Ansprüche aufgrund Entgegenkommens der Beklagten in anderen Punkten außer Ansatz bleiben sollen.
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Der Senat entscheidet dabei auf Grundlage des ihm vorab per Telefax übersandten Exemplars der Gegenerklärung, auch wenn diesem keine Anlagen beigefügt waren. Da die verlängerte Frist zur Einreichung der Stellungnahme um mehr als 2 Wochen abgelaufen ist und die Vorlage der vollständigen Erklärung seit mehr als einer Woche angemahnt wurde, hätte es der Berufungsführerpartei obliegen, für die vollständige Übermittlung zu sorgen, bevor der Senat abschließend entscheidet. Überdies ist aber auch nicht ersichtlich, welche zusätzlichen relevanten Argumente den Anlagen - die ohnehin schriftsätzliches Vorbringen nicht ersetzen können - zu entnehmen sein könnten.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10 ZPO.
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Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.