Titel:
Urheberrechtsverletzung durch Einbindung der Fotografie einer Protestaktion in Eigenwerbung einer Partei
Normenketten:
UrhG § 97 Abs. 2
UrhG § 97a Abs. 3
UrhG § 50
UrhG § 51
Leitsätze:
1. Eine Fotografie, die unter Ausnutzung der besonderen Gestaltungsmittel von Lichtbildwerken eine besondere Stimmung oder eine außergewöhnliche Situation im Aufnahmemoment vermittelt, genießt Urheberrechtsschutz. (Rn. 17 – 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Verwendung eines Lichtbildes, das einen Künstler während einer Protestaktion darstellt, durch eine Partei unter Einbindung ihrer charakteristischen Parteifarbe, ihres Logos und eines Slogans unter Schaffung des Eindrucks eines Werbe- oder Wahlplakats ist keine Berichterstattung im Sinne des § 50 UrhG und wegen Nutzung zur Illustration und eigener Werbung nicht vom Zitatzweck des § 51 UrhG gedeckt. (Rn. 21 – 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schadensersatz, Streitwert, Werbung, Berichterstattung, Verletzung, Unterlassung, Rechtsanwaltskosten, Ermessen, Gesamteindruck, Vollstreckung, Erstattung, Zahlung, Gegenstandswert, Urheberrechtsverletzung, Kosten des Rechtsstreits, vorgerichtliche Anwaltskosten, Ermessen des Gerichts
Rechtsmittelinstanz:
LG München I, Endurteil vom 20.06.2022 – 42 S 231/21
Fundstelle:
GRUR-RS 2020, 57939
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 904,50 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 14.06.2020 zu zahlen.
Die Widerklage wird abgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Streitwert wird bis zum 05.07.2020 auf 834,30 € und im Übrigen auf 1.380,80 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Der Kläger verlangt Zahlung von Schadens- und Aufwendungsersatz vor dem Hintergrund einer behaupteten Verletzung von Bildrechten, die Beklagte begehrt widerklagend Erstattung von Kosten für ihre vorgerichtliche Rechtsverteidigung.
2
Der Kläger ist Berufsfotograf. Die Beklagte betreibt unter dem Accountnamen „X.“ ein Facebookprofil, über das sie am 30.09.2020 folgenden Beitrag veröffentlichte:
Das dabei verwendete Lichtbild, das wie oben ersichtlich mit „Quelle: Facebook“ bezeichnet ist, zeigt eine Aufnahme des Aktionskünstlers „b. b.“, die am 29.09.2018 im Rahmen einer Protestaktion gegen eine Wahlveranstaltung des X. Kreisverbandes N. entstanden ist.
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Der Kläger, der die Urheberschaft des Lichtbildes für sich reklamiert, ließ die Beklagte daraufhin mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 08.10.2018 (Anlage K 1) zur Unterlassung, Entfernung, Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 358,00 € und Aufwendungsersatz in Höhe von 546,50 € (1,3 Geschäftsgebühr aus Gegenstandswert 6.358,00 €) auffordern. Die Beklagte gab die geforderte Unterlassungserklärung zwar nicht ab, löschte das Bild jedoch nach Eingang des Schreibens.
4
Der Kläger behauptet, die gegenständliche Fotografie erstellt zu haben.
- 1.
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Der Beklagte wird verurteilt an den Kläger in das Ermessen des Gerichts gestellten Schadensersatz, jedoch mindestens 358,00 € zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
- 2.
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Der Beklagte wird verurteilt den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 546,50 € zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu erstatten.
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Die Beklagte beantragt Klageabweisung.
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Widerklagend beantragt sie, den Kläger zur Zahlung von 546,50 € an die Beklagte zu verurteilen.
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Der Kläger beantragt Abweisung der Widerklage.
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Die Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation des Klägers. Sie habe das Foto von der Facebook-Seite des Künstlers „b. b.“ heruntergeladen. Dieser sei als Herausgeber anzusehen und sei allein ermächtigt, die Rechte des Urhebers auszuüben.
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Die Beklagte meint, das Foto sei auf diversen Facebook-Seiten frei verfügbar gewesen und erreiche nicht die erforderliche geistige Schöpfungshöhe. Das Foto sei als von § 51 UrhG gedecktes Zitat zur satirischen Antwort auf Verleumdungen gegen die Beklagte verwendet worden. Sie beruft sich zudem auf eine nach § 50 UrhG zulässige Berichterstattung über Tagesereignisse. Sie habe einen politisch motivierten „Tweet“ des Klägers, der das Foto beinhaltete, zum Gegenstand einer politischen Antwort gemacht.
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Sie ist daher der Auffassung, dass der Kläger die ihr für die Rechtsverteidigung gegen die unberechtigte Abmahnung entstandenen Kosten in Höhe von ebenfalls 546,50 € zu tragen habe.
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Das Gericht hat den Kläger sowie Herrn V., Mitglied des Vorstands der Beklagten, im Termin vom 06.11.2020 persönlich angehört. Zudem wurde Beweis erhoben in Form der Inaugenscheinnahme von Rohdateien der aufgenommenen Fotoserie des gegenständlichen Lichtbildes. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift vom 06.11.2020 (Bl. 35/36 d.A.) verwiesen.
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Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, Protokolle und sonstige Unterlagen des Verfahrens Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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I. Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte Schadensersatz in Höhe von 358,00 € für die unberechtigte Verwendung des von ihm erstellten Lichtbildes gem. § 97 Abs. 2 UrhG sowie Aufwendungsersatz in Höhe von 546,50 € gem. § 97a Abs. 3 S. 1 UrhG zu.
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1. Der Kläger ist Urheber des gegenständlichen Bildes. Er hat substantiiert vorgetragen, in welchem Zusammenhang er die Aufnahme erstellt hat und durch Vorlage einer Bildserie veranschaulicht, dass er im Besitz von Rohdateien einer Vielzahl von offensichtlich im engen Zusammenhang entstandenen weiteren Originalaufnahmen des gleichen Motivs ist. In dieser Konstellation muss der Verletzer, sofern er - wie regelmäßig der Fall - seinerseits materiellrechtlich zur Erkundigung über den Bestand der Rechtekette verpflichtet ist, eine von ihm behauptete abweichende Urheberschaft substanziiert darlegen, d.h. aufzeigen, wen er aus welchen Gründen für den Urheber hält (OLG Hamm ZUM 2009, 159 - Fallschirmsprung, unter Verweis auf BGH GRUR 2002, 190 - Die Profis). Insbesondere dann, wenn ein Fotograf eine ganze Serie von zusammenhängenden Fotos aus einem Fotoshooting im Prozess vorlegen kann, spricht ein Anscheinsbeweis dafür, dass sämtliche Fotos dieser Fotoserie von ihm stammen und kann der Verletzer die Urheberschaft nicht lediglich bestreiten, sondern muss zu einer konkreten anderweitigen Urheberschaft vortragen (Wandtke/Bullinger/Thum, 5. Aufl. 2019, UrhG § 7 Rn. 39; LG München I BeckRS 2008, 10053 - Digitalfotos; AG Düsseldorf NJOZ 2010, 685 - Autogrammkarte mit Fotografie).
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Dies ist der Beklagten nicht gelungen. Insoweit geht auch die Auffassung der Beklagten fehl, die Person „b. b.“ sei als Herausgeber i.S.d. § 10 Abs. 2 UrhG ermächtigt, die Rechte des Urhebers auszuüben. Allein die (berechtigte) Veröffentlichung eines Bildes auf einer Facebookseite führt nicht dazu, dass hierdurch eine Verlegereigenschaft begründet wird, für eine Herausgebervermutung fehlt es bereits an einer entsprechenden Bezeichnung.
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2. Die streitgegenständliche Aufnahme stellt auch ein persönliche geistige Schöpfung des Klägers i.S.d. § 2 Abs. 2 UrhG dar. Als Lichtbildwerke sind Lichtbilder geschützt, bei denen der Urheber durch den gezielten Einsatz eines oder mehrerer nachfolgend aufgezeigter Ausdrucksmittel das Bildresultat in einer Weise beeinflusst und prägt, dass eine persönliche und geistige Schöpfung nach § 2 Abs. 2 vorliegt (EuGH GRUR 2012, 166 (168 f.) - Painer/Standard; BGH GRUR 2000, 317 (318) - Werbefotos; Katzenberger GRUR Int. 1989, 116 (118 f.); auch → § 72 Rn. 7 ff.). Als wesentliche Gestaltungsmittel stehen dem Urheber bei Lichtbildwerken die Auswahl eines bestimmten Ausschnitts, die Entscheidung über die Brennweite des Aufnahmeobjektivs (die die Perspektive des Lichtbildwerkes bestimmt), die Entscheidung über die Schärfentiefe durch Wahl einer Blende, die Wahl des Aufnahmeformates, das die Bildauflösung bestimmt, sowie die Auswahl bestimmter Aufnahmematerialien, die den Bildeindruck maßgeblich prägen, zur Verfügung (Loewenheim/A. Nordemann § 9 Rn. 134 ff.). Urheberrechtsschutz wurde so etwa für Fotografien bejaht, die unter Ausnutzung dieser Gestaltungsmittel eine besondere Stimmung einer Person oder Personengruppe einfangen (Wandtke/Bullinger/Bullinger, 5. Aufl. 2019, UrhG § 2 Rn. 117 m.w.N.).
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Dies ist bei der gegenständlichen Aufnahme der Fall: Sie zeigt den Künstler „b. b.“ in einer außergewöhnlichen Pose, die gerade durch die Auswahl des Aufnahmemomentes geprägt ist und im Zusammenspiel mit dem Hintergrund der Protestveranstaltung einen einzigartigen Gesamteindruck vermittelt. Davon ging offensichtlich auch die Beklagte aus, die das Bild mit dem Slogan „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ versehen hat und somit selbst zum Ausdruck bringt, dass es sich um eine äußerst aussagekräftige und vervielfältigungswerte Aufnahme handelt.
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Im Übrigen wäre, selbst wenn man davon ausginge, dass das Bild nicht diese Erfordernisse erfüllt, ein gleichartiger urheberrechtlicher Schutz vor Vervielfältigung und Vorführung über § 72 Abs. 1 UrhG gewährleistet.
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3. Durch die unstrittige Einbindung des streitgegenständlichen Fotos auf ihrer Facebookseite hat die Beklagte sowohl das Vervielfältigungsrecht (§ 16 UrhG) wie auch das Vorführungsrecht (§ 19 Abs. 4 UrhG) bzw. das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG) des Klägers verletzt. Die Verwendung des Fotos ist unberechtigt erfolgt. Für eine etwaige Berechtigung durch Erwerb eines Nutzungsrechts wäre die Beklagte darlegungs- und beweisbelastet. Eine entsprechende Darlegung ist ihr jedoch nicht gelungen. Sie behauptet selbst nicht, vom Kläger als Urheber eine erforderliche Lizenz erworben zu haben. Ebensowenig trägt sie vor, dass der Künstler „b. b.“ von dessen Seite sie das Bild erlangt haben will, über ein Recht zur Lizenzierung verfügt hätte. Allein die Tatsache, dass der Kläger diesem Künstler die eigene Verwendung des Bildes gestattet hat und der Künstler sich anschließend für die durch die Verwendung durch die Beklagte erlangte Aufmerksamkeit bedankt hat, kann in keiner Weise zu Lasten des Klägers zu einer Nutzungsberechtigung führen.
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4. Die Verwendung des Bildes durch die Beklagte ist auch nicht von § 50 UrhG gedeckt, da es sich nicht um eine bloße Berichterstattung handelt. Berichterstattung ist insoweit die wirklichkeitsgetreue, sachliche Schilderung einer tatsächlichen Begebenheit. Abzugrenzen ist die sachliche Berichterstattung von Kommentaren und sonstigen Meinungsäußerungen des Autors. Zwar kann auch eine Verwendung, die wertet und kommentiert, als Berichterstattung anzusehen sein, allerdings muss dann die Information über die tatsächlichen Vorgänge im Vordergrund stehen (BGH GRUR 2002, 1050 - Zeitungsbericht als Tagesereignis). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Die Beklagte verwendet das Bild des Klägers nicht für eine Berichterstattung über die Protestveranstaltung. Sie schafft unter Verwendung des Bildes den Eindruck eines Werbe- oder Wahlplakats, indem sie ihre charakteristische Parteifarbe, ihr Logo und einen Slogan einbindet, um die Gegenveranstaltung verächtlich zu machen. Hierdurch berichtet sie nicht, sondern erschafft im eigenen Interesse Werbung für sich selbst.
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5. Aus den gleichen Gründen scheidet eine gerechtfertigte Verwendung zu Zwecken des Zitats gem. § 51 UrhG aus. Die Vorschrift erlaubt die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken und Werkteilen in anderen Werken nur in dem durch den Zitatzweck gebotenen Umfang. Allgemeine Voraussetzung für die Zulässigkeit des Zitats ist daher, dass es als Belegstelle oder Erörterungsgrundlage für selbstständige Ausführungen dient und eine innere Verbindung zu den eigenen Gedanken hergestellt wird (Wandtke/Bullinger/Lüft, 5. Aufl. 2019, UrhG § 51 Rn. 3), unzulässig ist es dagegen, Werk oder Werkteile in das zitierende Werk nur zur Ausschmückung aufzunehmen (BGHZ 50, 147 - Kandinsky I), als Blickfang ohne Belegfunktion zu verwenden (OLG Hamburg ZUM-RD 2004, 75 (79); GRUR-RR 2003, 33 - Maschinenmensch; KG ZUM 2010, 883 - Lichtbild im Lichtbild) oder mit Zitaten eigene Ausführungen des Autors zu ersetzen (Wandtke/Bullinger/Lüft, 5. Aufl. 2019, UrhG § 51). Kein die Nutzung rechtfertigender besonderer Zweck ist des Weiteren die Bewerbung von Produkten oder die Verwendung lediglich zur Illustration (BeckOK UrhR/Schulz, 29. Ed. 15.9.2020, UrhG § 51 Rn. 13 m.w. N.) Gerade dies hat die Beklagte hier jedoch getan: Sie nutzt die Fotografie zum einen, um einen Ausschnitt der gegen ihre Wahlveranstaltung gerichtete Protestveranstaltung zu bebildern und gleichzeitig, wie ausgeführt, durch zusätzliche Gestaltungselemente für Werbung zu eigenen Zwecken. Dies geht eindeutig sogar in zweierlei Hinsicht über die Zwecke eines Zitats hinaus.
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6. Die Rechtsverletzung geschah auch schuldhaft. Die Beklagtenpartei handelte zumindest fahrlässig, da sie die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht ließ. Wer ein fremdes urheberrechtlich geschütztes Werk nutzen will, muss sich über den Bestand des Schutzes wie auch über den Umfang der Nutzungsberechtigung Gewissheit verschaffen. Insoweit bestand eine Prüf- und Erkundigungspflicht der Beklagtenpartei (vgl. Dreier/Schulze, 5. Auflage, § 97 Rn. 57). Es gelten strenge Anforderungen (vgl. BGH, GRUR 1998, 569 - Beatles - Doppel-CD). Insoweit hätte sich die Beklagte ausreichend nach einer Lizenzpflicht erkundigen müssen. Dieser Pflicht kam sie jedoch nicht nach. Sie hat lediglich mitgeteilt, dass der Administrator ihres Facebook-Auftritts „gekuckt“ habe, ob auf dem Bild etwas von fremden Copyright-Rechten „draufgestanden“ habe. Dies reicht angesichts der Tatsache, dass sie ungefragt das Bild von einem fremden Internetauftritt schlicht kopiert hat, um es anschließend ebenso ungefragt selbst zu verwenden nicht aus und dürfte wenn nicht als vorsätzlicher als jedenfalls grob fahrlässiger Verstoß zu werten sein.
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7. Steht die Rechtsverletzung somit fest, so schuldet der Verletzer Schadensersatz nach § 97 Abs. 2 UrhG.
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a. Dabei kann nach § 97 Abs. 2 S. 3 UrhG der Schaden auch in Höhe einer angemessenen Lizenzgebühr berechnet werden; diese Schadensberechnungsart hat der Kläger vorliegend gewählt. Die Höhe des nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie zu zahlenden Schadensersatzes bemisst sich danach, was bei vertraglicher Einräumung ein vernünftiger Lizenzgeber gefordert und ein vernünftiger Lizenznehmer gewährt hätten. Bei der Berechnung dieses Schadensersatzanspruchs nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie kann - auch bei qualitativ hochwertigen Lichtbildern eines professionellen Fotografen - zwar nicht ohne weiteres auf die Honorarempfehlungen der Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing (MFM) zurückgegriffen werden, da es sich insoweit lediglich um Empfehlungen eines Interessenverbands handelt und diese Honorarempfehlungen bei derartigen Fotografien nicht generell als Maßstab beim Abschluss von Lizenzverträgen zu Grunde gelegt werden können; vielmehr ist die angemessene Lizenzgebühr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach § 287 ZPO zu schätzen (LG München I, MMR 2015, 467). Dabei ist objektiv auf den Betrag abzustellen, den der Verletzter als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte; es wird also der Abschluss eines Lizenzvertrages zu angemessenen Bedingungen fingiert, da niemand, der unerlaubt in ausschließliche Rechte anderer eingreift, besser stehen soll, als er im Falle eines ordnungsgemäßen Rechteerwerbs stünde (Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 11. Aufl. 2014, § 97, Rn. 87, m.w.N.). Insofern können die MFM-Empfehlungen als erster Anhaltspunkt dienen, im Übrigen schätzt das Gericht die Höhe der angemessenen Lizenzgebühr in diesem Verhältnis nach freier Überzeugung (§ 287 ZPO), wobei, wenn möglich, auch auf die eigene Vertragspraxis des Klägers abzustellen ist (BGH, GRUR 2009, 660). Das Gericht schätzt vorliegend unter Berücksichtigung der Qualität des Fotos, der Dynamik der Aufnahme einer laufenden Darbietung der ausübenden Kunst sowie Dauer, Art und Umfang der streitgegenständlichen Bildverwendung die hypothetische Lizenz entsprechend den Wertungen des Klägers auf 179,00 €. Dabei fällt insbesondere auch ins Gewicht, dass die Beklagte das Bild des Klägers, den sie selbst als „Sympathisant und Mitstreiter“ eines gegen sie gerichteten Bündnisses bezeichnet, offensichtlich gegen dessen politische Überzeugungen geradezu konterkariert hat. Einer solchen Verwendung hätte der Kläger sicherlich nur unter Berücksichtigung einer finanziellen Mehrvergütung zugestimmt.
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b. Wegen unterlassener Nennung des Urhebers ist hierauf ein einhundertprozentiger Zuschlag vorzunehmen (vgl. LG München I, MMR 2009, 137). Nach § 13 UrhG hat der Urheber das Recht auf Anerkennung seiner Urhebereigenschaft am Werk. Er kann bestimmen, ob das Werk mit einer Urheberbezeichnung zu versehen ist und welche Bezeichnung zu verwenden ist. Da auch der rechtmäßige Nutzer eines Werkes das Namensnennungsrecht des Urhebers ohne abweichende Vereinbarung zu beachten hat, wird durch die Schadensberechnung nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie die zusätzliche Rechtsverletzung durch die unterlassene Namensnennung, die auch Auswirkungen auf die materiellen Interessen des Urhebers (entgangener Werbewert) hat, nicht mit abgegolten. Dem Kläger steht daher ein Schadensersatz wegen der fehlenden Urheberbenennung nach § 97 Abs. 2 S. 1, 2 UrhG zu, der in Übereinstimmung mit der wohl überwiegend vertretenen Auffassung in der Rechtsprechung sowie in ständiger Rechtsprechung des hiesigen Gerichts bei einem professionellen Fotografen mit einem Zuschlag in Höhe von 100% des üblichen Nutzungshonorars zu bemessen ist (§ 287 ZPO).
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8. Daneben kann der Kläger gem. § 97a Abs. 1 S. 2 UrhG von der Beklagten außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 546,50 € verlangen.
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a. Eine Urheberrechtsverletzung der Beklagten zum Nachteil des Klägers liegt, wie oben dargestellt, vor. Der Beklagte wurde daraufhin mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 08.10.2018 zu Recht abgemahnt. Damit kann der Kläger von dem Beklagten die Kosten der Abmahnung gem. § 97a Abs. 1 S. 2 UrhG verlangen, da diese die erforderlichen Aufwendungen für die berechtigte Abmahnung darstellen.
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b. Der Ersatzanspruch besteht vorliegend in Höhe von 546,50 €. Er richtet sich nach dem Gegenstandswert für Unterlassungsanspruch und Schadensersatzforderung. Der Gegenstandswert für den - mit der Klage nicht verfolgten - Unterlassungsanspruch ist vorliegend von der Klägerseite zu Recht mit 6.000,00 € angesetzt worden. Denn der Gegenstandswert eines Unterlassungsanspruchs richtet sich generell nach dem Interesse des geschädigten Rechteinhabers an der künftigen Unterlassung gleichartiger Verletzungshandlungen, es ist also nicht allein auf die vom Kläger im Regelfall erhobene Lizenzgebühr abzustellen. Für den mit der Abmahnung geltend gemachten Unterlassungsanspruch scheint der von der Klägerseite angesetzte Streitwert von 6.000,00 € insbesondere angesichts der Bildqualität angemessen (§ 287 BGB). Zusätzlich mit dem ebenfalls in der Abmahnung geltend gemachten Schadensersatzanspruch ergibt sich mithin ein Gegenstandswert in Höhe von über 6.358,00 €. Gegen die geltend gemachte 1,3 Geschäftsgebühr bestehen im Hinblick auf Art und Umfang der zugrundeliegenden Rechtsprüfung keine Bedenken, da es sich beim Urheberrecht um eine Spezialmaterie handelt, bei der von einem eher hohen Schwierigkeitsgrad auszugehen ist (vgl. Fromm/ Nordemann, a.a.O., § 97a Rn 41).
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9. Der Kläger hat hinsichtlich der Schadensersatzforderung und der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten einen Zinsanspruch ab Rechtshängigkeit gem. §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1 S. 2, 288 BGB.
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II. Die zulässige Widerklage war dementsprechend abzuweisen. Auf Ausführungen unter Ziff.
I. kann insoweit verwiesen werden. Die Abmahnung durch den Kläger ist berechtigt erfolgt, so dass die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zur Rechtsverteidigung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt erstattungsfähig sind.
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III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708, 711 ZPO.
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Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 3 ZPO, 63 Abs. 2 S. 1 GKG. Der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung vorprozessual angefallener Rechtsanwaltskosten erhöht als Nebenforderung den Wert des Beschwerdegegenstands nicht, soweit er neben der Hauptforderung geltend gemacht wird, für deren Verfolgung Rechtsanwaltskosten angefallen sein sollen. Soweit diese Hauptforderung wie hier der Unterlassungsanspruch jedoch nicht Prozessgegenstand ist, handelt es sich bei dem geltend gemachten Anspruch nicht um eine Nebenforderung. Der Wert dieses Anteils ist durch eine Differenzrechnung zu ermitteln, bei der von den gesamten nach der Klagedarstellung vorprozessual angefallenen Rechtsanwaltskosten diejenigen (fiktiven) Kosten abzuziehen sind, die entstanden wären, wenn der Rechtsanwalt auch vorprozessual den Anspruch nur in der Höhe geltend gemacht hätte, wie er Gegenstand der Klage geworden ist (BGH, Beschluss vom 07. Juli 2020 - VI ZB 66/19 -, juris).
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Der widerklagend geltend gemacht Anspruch war hinzuzuaddieren, § 45 Abs. 1 S. 1 GKG.