Titel:
Keine Geldentschädigung für Einschränkungen bei der Nutzung eines sozialen Netzwerks
Normenketten:
ZPO § 256
BGB § 241, § 242, § 253, § 280, § 823
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1
Leitsätze:
1. Der zeitweiligen Einschränkung der privaten Kommunikationsmöglichkeiten auf einem sozialen Netzwerk kommt für sich genommen kein Vermögenswert zu; die Einschränkung des „Kontakts nach außen“ kann allenfalls im Rahmen des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb einen Vermögensschaden begründen. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die vertragspflichtwidrige Einschränkung von Kommunikationsmöglichkeiten, die dem Nutzer eines sozialen Netzwerks ohnehin nur aufgrund des mit dem Netzwerkbetreiber geschlossenen Nutzungsvertrags zur Verfügung stehen, verletzt diesen nicht in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. (Rn. 49) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, AGB, Rechtsanwaltskosten, Verletzung, Deckungszusage, Streitwert, Feststellung, Auskunft, Pflichtverletzung, Unterlassung, Sperrung, Beitrag, Ordnungshaft, Kosten des Rechtsstreits, Treu und Glauben, Feststellung der Rechtswidrigkeit
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Endurteil vom 14.12.2021 – 18 U 6997/20 Pre
Fundstelle:
GRUR-RS 2020, 57624
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 40.500,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Klägerin macht diverse Ansprüche im Zusammenhang mit zwei auf ihrem f.-Profil eingestellten und von der Beklagten am 11.03.2019 bzw. am 03.09.2019 gelöschten Beiträgen geltend.
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Die Klägerin unterhielt und nutzte seit 2013 ein privates Nutzerkonto auf dem von der Beklagten betriebenen sozialen Netzwerk.
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Die Beklagte änderte im Jahr 2018 ihre Nutzungsbedingungen, und zwar insbesondere im Hinblick auf den Umgang mit sogenannter „Hassrede“. Die AGB sind seitdem in Nutzungsbedingungen (Anlage K1) sowie Gemeinschaftsstandards (Anlage K3) gegliedert.
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Am 11.03.2019 erhielt die Klägerin von der Beklagten die Mitteilung, dass sie für einen Zeitraum von 30 Tagen gesperrt werde, da der von ihr zuvor gepostete Beitrag gegen die Gemeinschaftsstandards der Beklagten verstoße.
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Bei dem von der Beklagten beanstandeten Beitrag handelte es sich um einen Screenshot, welcher den Ausschnitt einer Diskussion wiedergab, an welcher sich die Klägerin zuvor beteiligt hatte.
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Der Post lautete [wiedergegeben in Textform] auszugsweise:
„H. Sch. Br. Bo. nazi schlampe auf Speed wenn ich mir den Trollverlauf so anseh .… nur geh lieber auf Afd Seiten da passt du dazu und die Polizei weiß wen sie wo abholen muss .… Das Grundgesetz scheint dir so fremd wie Realität … der böse dreckige nazi ist der Verbrecher gegen Juden und Muslime und das Pack ist nicht Deutschland … Das was du meinst ging 45 nach 1000 Jahren unter …“
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Die Klägerin wies gegenüber dem Support der Beklagten daraufhin, dass es sich bei dem Post um einen Screenshot handele, durch welchen sie selbst durch einen Dritten beleidigt worden sei und bat um sofortige Aufhebung der Sperre.
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Die Klägerin ist der Auffassung, der gepostete Screenshot sei als zulässige Meinungsäußerung zu werden. Die Klägerin habe vorliegend lediglich einen Beitrag veröffentlicht, in welchem sie von einem Dritten beleidigt wurde. Die Löschung des Posts sowie die Verhängung einer Sperre durch die Beklagte sei rechtswidrig gewesen. Weder stelle der Beitrag einen rechtswidrigen Inhalt im Sinne von § 1 Abs. 3 NetzDG dar, noch könne die Löschung oder die Sperre auf eine Verletzung der Gemeinschaftsstandards der Beklagten gestützt werden, da diese nicht gegen die Standards verstoßen habe. Im Übrigen seien die Gemeinschaftsstandards gemäß §§ 307 ff. BGB unwirksam.
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Am 03.09.2019 wurde die Klägerin von der Beklagten erneut gesperrt für einen von ihr geposteten Beitrag folgenden Inhalts [in Textform; eckige Klammerzusätze Beschreibung durch das Gericht]:
„Br. Bo. An. Ir.-W. weißt du was DU bist für mich nicht von Bedeutung deswegen brauchst du mich auch nicht mögen! [3 Emoj zwinkernd mit Kussmund] die Sachsen sind sicher auch nicht stolz auf dich dann passt es ja [3 Emoji lachend mit Tränen in den Augen]“
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Die Klägerin verlangte daher die Wiederherstellung der Posts, das Unterlassen der künftigen Löschung oder Sperrung ihres Profils für das erneute einstellen dieser beiden Beiträge, Schadensersatz, die Erteilung verschiedener Auskünfte sowie Berichtigung des sie betreffenden Datensatzes hinsichtlich der Anzahl der ihr zur Last gelegten Verstöße gegen die Nutzungsbedingungen der Beklagten. Damit neben begehrt sie die Feststellung, dass die am 11.03.2019 bzw. 03.09.2019 vorgenommene Sperrung ihres Profils jeweils rechtswidrig gewesen sei.
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Als Nebenforderungen begehrt die Klägerin die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren sowie Kosten für die Einholung einer Deckungszusage ihrer Rechtsschutzversicherung.
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Die Klägerin hat ihre Klage vom 18.06.2019 mit Schriftsatz vom 17.10.2019 geändert und beantragt zuletzt,
1. Es wird festgestellt, dass der Beklagten kein Recht Zustand, den unter Ziffer 2 genannten, am 11.03.2019 gelöschten Beitrag der Klägerin auf der Plattform www.f..com zu entfernen und gegen die Klägerin wegen dieses Beitrags eine Sperre in Form einer Einschränkung der Nutzungsmöglichkeiten der Plattform zu verhängen.
2. Der Beklagten wird aufgegeben, den am 11.03.2019 gelöschten Beitrag der Klägerin:
„H. Sch. Br. Bo. nazi schlampe auf Speed wenn ich mir den Trollverlauf so anseh .… nur geh lieber auf Afd Seiten da passt du dazu und die Polizei weiß wen sie wo abholen muss .… Das Grundgesetz scheint dir so fremd wie Realität … der böse dreckige nazi ist der Verbrecher gegen Juden und Muslime und das Pack ist nicht Deutschland … Das was du meinst ging 45 nach 1000 Jahren unter …“
3. Es wird festgestellt, dass der Beklagten kein Recht Zustand, den unter Ziffer 4 genannten, am 03.09.2019 gelöschten Beitrag der Klägerin auf der Plattform www.f..com zu entfernen und gegen die Klägerin wegen dieses Beitrags eine Sperre in Form einer Einschränkung der Nutzungsmöglichkeiten der Plattform zu verhängen.
4. Der Beklagten wird aufgegeben, den am 03.09.2019 gelöschten Beitrag der Klägerin:
„Br. Bo. An. Ir.-W. weißt du was DU bist für mich nicht von Bedeutung deswegen brauchst du mich auch nicht mögen! [3 Emoj zwinkernd mit Kussmund] die Sachsen sind sicher auch nicht stolz auf dich dann passt es ja [3 Emoji lachend mit Tränen in den Augen]" wieder freizuschalten.
5. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, die Klägerin für das Einstellen des in Ziffer 2 gezeigten Bildes auf www.f..com erneut zu sperren oder den Beitrag zu löschen. Für den Fall der Zuwiderhandlung wird ihr ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft angedroht, die Ordnungshaft ist zu vollziehen an den Vorständen.
6. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, die Klägerin für das Einstellen des in Ziffer 4 gezeigten Bildes auf www.f..com erneut zu sperren oder den Beitrag zu löschen, wenn sich dieser auf eine Diskussion mit einer anderen Nutzerin und hierbei negativen Äußerungen der Klägerin gegenüber bezieht. Für den Fall der Zuwiderhandlung wird ihr ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft angedroht, die Ordnungshaft ist zu vollziehen an den Vorständen.
7. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen, ob die Sperre gemäß Ziffer 1 und 3 durch ein beauftragtes Unternehmen erfolgte und im letzteren Fall, durch welches.
8. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen, ob sie konkrete oder abstrakte Weisungen, Hinweise, Ratschläge oder sonst irgendwelche Vorschläge von der Bundesregierung oder nachgeordneten Dienststellen hinsichtlich der Löschung von Beiträgen und/oder der Sperrung von Nutzern erhalten hat, und gegebenenfalls welche.
9. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 3.000,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.500,00 € seit dem 11.03.2019 sowie aus 1500 € seit dem 03.09.2019 zu zahlen.
10. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von Rechtsanwaltskosten
a. Für die außergerichtliche Tätigkeit in Fall 1 in Höhe von 691,33 €,
b. Für die Einholung einer Deckungszusage für die außergerichtliche Tätigkeit in Fall 1 in Höhe von 201,71 € und c. Für die Einholung einer Deckungszusage für die Klage in Fall 1 in Höhe von 729,23 € durch Zahlung an die Kanzlei REPGOW freizustellen.
11. Nur für den Fall, dass im Hinblick auf die Sperre vom 11.03.2019 einer der Anträge in Ziffer 1, 2 und 5, 7- 9 begründet ist, wird die Beklagte verurteilt, die Daten der Klägerin dahingehend zu berichtigen, dass das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen durch den am 11.03.2019 gelöschten Beitrag aus dem Datensatz der Beklagten gelöscht wird und der Zähler, der die Zahl der Verstöße erfasst, um einen Verstoß zurückgesetzt wird.
12. Nur für den Fall, dass im Hinblick auf die Sperre vom 03.09.2019 einer der Anträge in Ziffer 3, 4, 6 - 9 begründet ist, wird die Beklagte verurteilt, die Daten der Klägerin dahingehend zu berichtigen, dass das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen durch den am 11.03.2019 [sic.] gelöschten Beitrag aus dem Datensatz der Beklagten gelöscht wird und der Zähler, der die Zahl der Verstöße erfasst, um einen Verstoß zurückgesetzt wird.
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Die Beklagten beantragen,
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Die Beklagte ist der Auffassung, sie habe im Einklang mit ihren vertraglichen rechten und der ihrer Nutzer gehandelt, als sie die streitgegenständlichen Beiträge entfernte und das Konto der Klägerin vorübergehend für gewisse Funktionen sperrte, weil diese scheinbar gegen Nutzungsbedingungen und Richtlinien verstieß, denen sie zustimmte.
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Nachdem die Beklagte den Beitrag vom 11.03.2019 zunächst entfernt hatte habe sie eine Neubewertung des Inhalts vorgenommen.
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Eine Pflichtverletzung sei hierin nicht zu sehen. Der Beitrag der Klägerin schien eine genau bezeichnete Person (Br. Bo.) anzugreifen indem sie den Kommentar eines Drittnutzers teilte, der diese Person als „Nazi schlampe auf speed“ bezeichnete. Die erstmalige Bewertung durch die Beklagte sei insofern vertretbar gewesen als der Benutzername der Klägerin nicht mit dem in der URL ihres Kontos genannten Namen oder ihrem echten Namen übereinstimmte. Nach zunächst erfolgtet Entfernung sei die Beklagte zu dem Schluss gekommen, dass der Post wiederhergestellt werden sollte. Dies sei jedoch nicht mehr möglich gewesen, da der Inhalt in der Zwischenzeit dauerhaft von dem F. Service gelöscht wurde.
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Der Wiederherstellungsanspruch hinsichtlich des Posts vom 03.09.2019 sei durch Erfüllung erloschen.
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Die Beklagte ist ferner der Auffassung, der Feststellungsantrag der Klägerin sei bereits unzulässig. Insbesondere bestehe kein Interesse an Feststellungsurteilen zu allgemeinen Rechtsfragen oder zukünftigen oder vergangenen Rechtsbeziehungen.
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Hinsichtlich des geltend gemachten in Unterlassungsanspruchs bestehe keine Wiederholungsgefahr.
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Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch sei nicht hinreichend bestimmt. Insbesondere ist nicht dargetan inwieweit die Klägerin einen finanziellen Schaden erlitten hat. Eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts ist vorliegend nicht gegeben.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die beiden Sitzungsprotokolle vom 18.02.2020 und 25.09.2020 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist überwiegend, mit Ausnahme der gestellten Festsstellungsanträge zulässig.
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1. Das Landgericht München II ist sachlich gemäß §§ 23, 71 GVG und örtlich nach § 32 ZPO zuständig.
24
Die internationale Zuständigkeit folgt der örtlichen Zuständigkeit.
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2. Für die Anträge Ziff. 1 und 3 gemäß der zuletzt gestellten Fassung im Schriftsatz vom 17.10.2019 besteht kein Feststellungsinteresse. Die beiden Anträge sind unzulässig, § 256 ZPO.
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Gegenstand einer Feststellungsklage kann grundsätzlich nur das Bestehen oder Nichtbestehen eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses sein. Ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn sich aus der Feststellung noch Rechtsfolgen für die Gegenwart oder Zukunft ergeben können (BGH, Urteil vom 17.06.2016, Az. V ZR 2 72/15; OLG München, Urteil vom 18.02.2020, Az. 18 U 3465/19 Pre Tz. 60 m.w.N.).
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Die den beiden Feststellungsanträgen der Ziffern 1 und 3 der Klageanträge zugrunde liegenden Maßnahmen sind mit dem Entfernen der beiden Beiträge und dem Ablauf der Sperre bereits beendet.
28
Das Feststellungsinteresse kann nicht auf ein Rehabilitierungsbedürfnis gestützt werden, denn die Rechtswidrigkeit der Sperrung ist Voraussetzung der mit der Klage ebenfalls geltend gemachten Wiederherstellungs-, Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche und in diesem Zusammenhang ohnehin inzident zu prüfen. Auch hätte die Feststellung der Rechtswidrigkeit noch nicht zur Folge, dass der diese Sperrung betreffende Vermerk aus dem Datensatz der Beklagten entfernt würde. Es besteht auch insofern der Vorrang der Leistungsklage (so auch OLG München, Urteil v. 07.01.2020, Az. 18 U 1491/19 Pre Tz. 88 m.w.N.).
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Die weiteren (zulässigen) Klageanträge zu Ziff. 2 und 4 bis 10 sind unbegründet. Es bestehen weder Ansprüche auf Wiederherstellung der streitgegenständlichen Posts (dazu unter Ziff. II. 2. und II. 3.) noch auf Unterlassung (Ziff. II.4.), Auskunft (Ziff. II.5.) oder Schadensersatz (Ziff. II.6.).
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Damit scheitern auch die als Nebenforderung geltend gemachten Ansprüche auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren oder Kosten für die Einholung einer Deckungszusage von der Rechtsschutzversicherung der Klägerin.
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1. Soweit die Klagepartei sich gegen die vorrübergehende Entfernung der Posts wendet, fehlt es bereits an einer Pflichtverletzung. Die Beklagte ist berechtigt, Posts, welche scheinbar gegen die Gemeinschaftsstandards verstoßen, vorläufig zu entfernen, um sie dann einer Einzelfallprüfung zu unterziehen (vgl. z.B. OLG Bamberg Beschluss v. 05.08.2020, Az. 3 U 90/20 vorgelegt als Anlage B 111).
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Dies ist nach Angaben der Beklagten in beiden hier streitgegentändlichen Fällen erfolgt.
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Dem äußeren Anschein nach war aufgrund der Namensverschiedenheit bei dem am 11.03.2019 nicht erkennbar, dass sich der Inhalt gegen die Klägerin selbst und nicht gegen eine Dritte richtet. Dass es sich bei der Bezeichnung „Nazi Schlampe auf speed“ um eine strafbare Beleidigung im Sinne des § 185 StGB handelt, bedarf keiner weiteren Erörterung.
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Die strafrechtliche Relevanz entfällt nur dadurch, dass die Klägerin als Adressatin der Beleidigung sich nicht zugleich über eine andere Person in herabwürdigender Weise äußert.
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Auch bei dem Beitrag vom 03.09.2019 erscheint auf den ersten Blick ein Verstoß gegen die Gemeinschaftsstandards nicht fernliegend, da die Klägerin ihre Geringschätzung der Ansichten einer konkret bezeichneten Dritten Ausdruck verleiht.
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2. Die Wiederherstellung des Posts vom 11.03.2019 ist infolge der endgültigen Löschung unmöglich, so dass der Anspruch auf Wiederherstellung entfällt, § 275 BGB. Die Unmöglichkeit, die Daten wieder auf dem Konto einzustellen, wurde von der Beklagten hinreichend belegt, vgl. Anlagen B 122a und B 122b.
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3. Der Anspruch auf Wiederherstellung des Posts vom 03.09.2019 ist wegen Erfüllung erloschen, § 362 BGB. Die Beklagte hatte den Post bereits am 28.01.2020 wieder eingestellt.
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4. Die gestellten Unterlassungsanträge gemäß Ziff. 5 und 6 sind mangels Wiederholungsgefahr unbegründet. Es fehlt vorliegend bereits, wie oben dargelegt, an einer Pflichtverletzung seitens der Beklagten beim Entfernen der beiden Beiträge. Eine Wiederholungsgefahr im konkreten Fall, nachdem die Beklagte im Rahmen der Abwägung zu dem Schluss gelangt ist, dass die beiden Beträge nicht zu beanstanden sind, ist nicht gegeben.
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5. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Auskunft darüber zu, ob die streitgegenständlichen Sperren durch ein beauftragtes Unternehmen und gegebenenfalls durch welches erfolgt sind.
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Aus dem Nutzungsvertrag in Verbindung mit den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten lässt sich ein derartiger Auskunftsanspruch nicht ableiten. Ein Auskunftsanspruch aus Treu und Glauben gemäß § 242 BGB ist ebenfalls nicht ersichtlich, da bereits nicht nachvollziehbar dargetan wird, dass der Klagepartei Ansprüche gegen etwaige Dritte zustehen könnten. Die rechtliche Grundlage aller denkbaren Erfüllungs- und Schadensersatzansprüche beruht auf dem zwischen den Parteien bestehenden Nutzungsvertrag in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB. Dritte haften der Klagepartei wegen des relativen Charakters des Schuldverhältnisses weder auf Erfüllung noch auf Schadensersatz. In einer im Auftrag der Beklagten vorgenommenen Sperrung des Profils durch Dritte kann auch keine Verletzung der Klagepartei in absoluten Rechten im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) oder dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) gesehen werden. Die Möglichkeit der Klägerin, ihre Meinung auf der von der Beklagten betriebenen Plattform zu äußern und zu verbreiten ist nicht per se, sondern nur aufgrund des zwischen den Parteien geschlossenen Nutzungsvertrag es eröffnet (so auch OLG München, 18 U 3465/19 Pre sowie 18 U 1491/19 Pre m.w.N.).
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Ebenso wenig ist eine Anspruchsgrundlage für den Klageantrag zu Ziffer 8 ersichtlich mit welchem die Klagepartei Auskunft darüber verlangt, ob die Beklagte Weisungen, Hinweise, Ratschläge oder sonst irgend welche Vorschläge von der Bundesregierung oder nachgeordneten Dienststellen hinsichtlich der Löschung von Beiträgen und/oder der Sperrung von Nutzern erhalten hat.
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Das OLG München, 18 U 1491/19 Pre -, Rn. 196 - 197, juris führt hierzu aus:
„Eine Anspruchsgrundlage für dieses Auskunftsbegehren ist nicht ersichtlich. Einem Anspruch aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) steht ungeachtet aller übrigen Voraussetzungen bereits der Umstand entgegen, dass Ansprüche des Klägers gegen die Bundesregierung und dieser nachgeordnete Stellen im Zusammenhang mit der Löschung von Beiträgen und der Sperrung seines Profils, deren Vorbereitung die verlangte Auskunft dienen könnte, aus Rechtsgründen von vornherein ausgeschlossen sind. Wie oben unter Ziffer II 5 im Einzelnen dargelegt, finden sämtliche in Betracht kommenden Ansprüche des Klägers im Zusammenhang mit der Löschung eines von ihm auf F. eingestellten Beitrages oder einer von der Beklagten gegen ihn verhängten Sperrung ihre Rechtsgrundlage ausschließlich in dem zwischen den Parteien bestehenden Vertragsverhältnis und richten sich deshalb gegen die Beklagte als seine Vertragspartnerin.
Für Weisungen der Bundesregierung an die Beklagte fehlt es nicht nur - wie das Landgericht zutreffend erkannt hat - an einer Rechtsgrundlage. Es kann auch dahinstehen, ob die Bundesregierung „massiv auf die Geschäftspolitik der Beklagten Einfluss (nimmt)“, wie der Kläger behauptet (Berufungsbegründung, S. 9 = Bl. 276 d.A.). Denn selbst wenn die Beklagte mit den streitgegenständlichen Löschungen und Sperrungen rechtswidrigen Weisungen der Bundesregierung nachgekommen wäre, wofür der Kläger keinerlei belastbare Tatsachen vorträgt, würde dies nichts daran ändern, dass für diese Maßnahmen und deren Folgen dem Kläger gegenüber allein die Beklagte verantwortlich wäre.“
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Dem schließt sich das erkennende Gericht in rechtlicher Hinsicht für den vorliegenden Fall vollumfänglich an.
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6. Ein Schadensersatzanspruch, sei es aus § 280 Abs. 1 oder §§ 823 ff. BGB, scheitert - ungeachtet aller übrigen Voraussetzungen - daran, dass die Klägerin nicht nachvollziehbar dargelegt hat, welcher materielle Schaden in Höhe des geltend gemachten Betrages entstanden sein soll. Die Darlegungs- und Beweislast für die Entstehung des Schadens und dessen Höhe trifft bei sämtlichen Haftungstatbeständen den Geschädigten (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 78. Aufl., 280 Rn. 34; Palandt-Sprau, § 823 Rn. 80 f.).
45
Der zeitweiligen Einschränkung ihrer privaten Kommunikationsmöglichkeiten auf „F.“ kommt für sich genommen kein Vermögenswert zu. Die Einschränkung des „Kontakts nach außen“ kann allenfalls im Rahmen des von § 823 Abs. 1 BGB als „sonstiges Recht“ geschützten Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (vgl. hierzu Palandt-Sprau, BGB, 78. Aufl., § 823 Rn. 133 ff.) einen Vermögensschaden begründen. Wegen eines immateriellen Schadens kann gemäß § 253 Abs. 1 BGB Entschädigung in Geld nur in den gesetzlich bestimmten Fällen gefordert werden.
46
Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Schmerzensgeldanspruchs aus § 253 Abs. 2 BGB liegen offensichtlich nicht vor. Die Klagepartei ist nicht in einem der in dieser Vorschrift genannten Rechtsgüter verletzt worden. Auf andere Rechtsgüter und absolute Recht ist die Vorschrift nicht entsprechend anwendbar (Palandt-Grüneberg, BGB, 78. Aufl., § 253 Rn. 11).
47
Der Klägerin steht ferner auch kein Anspruch auf eine Geldentschädigung wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG) zu.
48
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung begründet die schuldhafte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bei der Kollision mit der Meinungs- bzw. Pressefreiheit einen Anspruch auf eine Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Hierbei sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, also das Ausmaß der Verbreitung und Veröffentlichung, die Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessenschädigung des Verletzten, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 17.12.2013 - VI ZR 211/12, Rn. 38, NJW 2014, 2029).
49
Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass das zwischen den Parteien bestehende Schuldverhältnis über § 241 Abs. 2 BGB durch die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte der Parteien geprägt wird, kann diese Rechtsprechung nicht ohne Weiteres auf Pflichtverletzungen im Rahmen eines bestehenden Vertragsverhältnisses übertragen werden. Denn eine pflichtwidrige Einschränkung von Kommunikationsmöglichkeiten, die der Klagepartei ohnehin nur aufgrund des mit der Beklagten geschlossenen Nutzungsvertrags zur Verfügung stehen, verletzt sie nicht in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.
50
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den engeren persönlichen Lebensbereich und die Entfaltung seiner Grundbedingungen (BVerfGE 121, 69, 90). Es bietet Schutz gegen eine umfassende Einschränkung der personalen Entfaltung bzw. der Privatautonomie (BVerfGE 72, 115, 170). Insoweit geht es um die Grundbedingungen freier Selbstbestimmung und Entfaltung, während für einzelne Beeinträchtigungen der Privatautonomie die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) einschlägig ist Die zeitweiligen Sperrungen des Profils der Klägerin waren nicht mit einer umfassenden Einschränkung ihrer personalen Entfaltung im vorgenannten Sinne verbunden. Die Funktionseinschränkungen waren befristet; auch während der Sperrfristen konnte sie uneingeschränkt fremde Inhalte zur Kenntnis nehmen. Die Klagepartei war während dieser Zeiträume auch nicht daran gehindert, ihre Meinungen auf andere Weise kundzutun. Wenn man die bestehende Einschränkung, während der befristeten Sperren Beiträge auf „F.“ einzustellen, überhaupt als Beeinträchtigung des Schutzbereichs des allgemeinen Persönlichkeitsrechts werten wollte, läge - ihre Rechtswidrigkeit einmal unterstellt - jedenfalls keine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung vor.
51
Unabhängig davon fehlt es auch an der weiteren Voraussetzung für die Zubilligung einer Geldentschädigung, dass die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Wenn die Beklagte mit der Sperrung eines Nutzers oder der Löschung eines von diesem auf der Plattform eingestellten Beitrags schuldhaft ihre Vertragspflichten gegenüber dem Nutzer verletzt, stehen diesem Ansprüche auf Unterlassung, Folgenbeseitigung und Schadensersatz im Wege der Naturalrestitution zu, die gerichtlich - bei Vorliegen der prozessualen Voraussetzungen auch im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes - durchgesetzt werden können (so auch OLG München, Urteil vom 07. Januar 2020 - 18 U 1491/19 Pre -, Rn. 199 - 207, juris).
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7. Mangels Hauptanspruch besteht auch kein Anspruch auf den Ersatz etwaiger vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltsgebühren/ Kosten für die Einholung der Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung Ziff. 10
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8. Ausführungen zu den Hilfsanträgen erübrigen sich, da die Bedingung für die Hilfsanträge nicht eingetreten ist.
54
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 ZPO.
55
Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in den §§ 39, 40, 48 GKG i.V.m. § 3 ZPO. Die Klägerin hatte bei Klageerhebung ihr Interesse mit 25.000,00 € beziffert und später mit Klageerweiterung mit insgesamt 40.500,00 € angegeben.