Inhalt

LG München I, Endurteil v. 10.03.2020 – 33 O 17478/18
Titel:

Nichtigerklärung einer Unionsmarke im Rahmen der Widerklage nach zurückgenommener Verletzungsklage

Normenketten:
VO (EU) Nr. 2017/1001 Art. 9 Abs. 2 lit. b, Art. 129 Abs. 3
VO (EG) Nr. 207/2009 Art. 7 Abs. 1 lit. b, lit. c
BGB § 823 Abs. 1
ZPO § 261 Abs. 3 Nr. 2
Leitsätze:
1. Die Rücknahme einer Verletzungsklage aus einer Unionsmarke berührt die Zulässigkeit einer bereits erhobenen Widerklage auf Nichtigerklärung der Unionsmarke nicht.  (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Rahmen einer auf die Nichtigerklärung einer Unionsmarke gerichteten Widerklage ist nur das Parteivorbringen zu prüfen. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es genügt, wenn in einem Teil eines Mitgliedsstaates oder eines Sprachraumes – hier in der schwäbischen beziehungsweise badischen Region in der Nähe des Bodensees sowie auch zum Teil in Österreich – ein beschreibendes Verständnis des angegriffenen Zeichens in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen – hier "Apfelzügle" als ein Gespann aus einem Traktor und mehreren Anhängern, das in erster Linie zur Apfelernte eingesetzt wird – vorliegt. (Rn. 42 – 43) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Unterscheidungskraft, Marke, Dienstleistungen, Rechtsanwaltskosten, Eintragung, Eintragungshindernis, Zeichen, Unterlassungsanspruch, Gemeinschaftsmarke, Neuheit, Abmahnung, Durchschnittsverbraucher, Widerklage, Verkehrskreise, Waren und Dienstleistungen, Waren oder Dienstleistungen, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Teilurteil vom 18.03.2021 – 29 U 2165/20
Fundstelle:
GRUR-RS 2020, 55444

Tenor

I. Der Kläger wird verurteilt, an den Beklagten zu 1) 2.274,50 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 26.03.2019 zu bezahlen.
II. Auf die Widerklagen der Beklagten wird die Unionsmarke UM 016809659 „Apfelzügle“ für „Unterhaltung; kulturelle Aktivitäten; Organisation und Durchführung von Informationsveranstaltungen zur bäuerlichen Landwirtschaft“ in Klasse 41 für nichtig erklärt.
III. Im Übrigen wird die Widerklage der Beklagten zu 2) abgewiesen.
IV. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 71 % und die Beklagte zu 2) 39 %. Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt die Beklagte zu 2) 29 %. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) trägt der Kläger. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) trägt der Kläger 55 %. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
V. Das Urteil ist in Ziff. I. und IV. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
VI. Der Streitwert wird festgesetzt auf zunächst 100.000,00 € und für die Zeit ab 18.03.2019 auf 200.000 Euro (Klage: 100.000 Euro, Widerklagen insgesamt 100.000 Euro).

Tatbestand

1
Die Parteien streiten nach Klagerücknahme durch den Kläger zuletzt noch um die im Rahmen der Widerklagen geltend gemachte Nichtigkeit einer Unionsmarke sowie um den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
2
Der Kläger ist Inhaber der Unionsmarke UM 016809659 „Apfelzügle“, die am 08.06.2017 angemeldet und am 19.10.2017 in das Register eingetragen wurde. Die Marke beansprucht Schutz für folgende Waren und Dienstleistungen (Registerauszug, Anlage K 1):
Klasse 35: Zusammenstellen von Waren aus dem Bereich der Nahrungs- und Genussmittel, insbesondere Betrieb eines Hofladens mit Vertrieb regionaler, handwerklich hergestellter Lebensmittel und/oder Getränke;
Klasse 41: Unterhaltung; kulturelle Aktivitäten; Organisation und Durchführung von Informationsveranstaltungen zur bäuerlichen Landwirtschaft.
Klasse 43: Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen; Betrieb eines Restaurants; Catering.
3
Unstreitig bezeichnet der Begriff „Apfelzug“, im Schwäbischen auch „Apfelzügle“, ein Gespann aus mehreren von einem Traktor gezogenen Apfelernteanhängern, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob dieser Begriff den angesprochenen Verkehrskreisen geläufig ist bzw. sich diese Bedeutung ihnen ohne Weiteres erschließt.
4
In einer Broschüre „Apfelwochen am Bodensee 2018“, die von der deutschen B… Tourismus GmbH herausgegeben wurde, wurde unter dem Datum 26.09.2018 für eine Verkostung der Apfelernte mit „Apfelzüglefahrt“ auf dem Obsthof des Beklagten zu 1) in B…-L… wie folgt geworben (Auszug aus der Broschüre, Anlage K 2. 3. Absatz).:
5
Eine entsprechende Information hielt der Beklagte zu 1) auch auf seinem Social-Media-Auftritt auf der Plattform Facebook vor (Screenshot, Anlage K 3 rechts oben):
6
Die Beklagte zu 2) hielt die identische Information auf ihrer Facebook-Präsenz bereit (Screenshot, Anlage K 4).
7
Mit Schreiben vom 16.10.2018 ließ der Kläger den Beklagten zu 1) wegen behaupteter Verletzung der Unionsmarke Nummer 016809659 „Apfelzügle“ aufgrund der Bewerbung der „Apfelzüglefahrt“ in der Broschüre der B… T… GmbH sowie auf der eigenen Facebook-Präsenz abmahnen und forderte ihn auf, eine entsprechende strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abzugeben (Abmahnung, Anlage K 5). Mit Anwaltsschreiben vom 05.11.2018 ließ der Beklagte zu 1) die geltend gemachten Ansprüche zurückweisen.
8
Die Beklagten tragen vor, unter einer „Apfelzüglefahrt“ werde gemeinhin eine Fahrt mit einem Apfelzug verstanden. Solche Fahrten würden seit langem und bereits deutlich vor dem Prioritätszeitpunkt unter dieser oder ähnlicher Bezeichnung als Teil von Informationsveranstaltungen zum Obstanbau und im Rahmenprogramm kultureller Aktivitäten angeboten und seien der Allgemeinheit durch Presseberichte umfangreich bekannt gemacht worden (Presseberichte und Werbeanzeigen, Anlage B 1-B 13 [Beklagter zu 1)], Anlagen B 1-B 15 [Beklagte zu 2)]).
9
Die Beklagten meinen, die Klagemarke sei wegen des Vorliegens absoluter Nichtigkeitsgründe für nichtig zu erklären (Art. 128 Abs. 1, Art. 59 Abs. 2 lit. a) UMV, Art. 7 Abs. 1 lit. b) und c) UMV). Die Bezeichnung „Apfelzügle“ sei zunächst rein beschreibend für die von der Marke geschützten Dienstleistungen gem. Art. 7 Abs. 1 lit. c) UMV. Die Zurückweisung einer Marke als beschreibend sei auszusprechen, wenn aus der Sicht des angesprochenen Publikums eine ausreichend klare und spezifische Beziehung zwischen dem angemeldeten Zeichen und den eingetragenen Waren oder Dienstleistungen vorliege. Dies sei hier der Fall. Die von der Klagemarke in der Klasse 41 beanspruchten Dienstleistungen richteten sich an einen breiten Verkehrskreis von Feriengästen, Urlaubern, Tagestouristen und sonstigen am Obstanbau interessierten Personen, folglich an alle Verbraucher. Ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Verbraucher entnehme dem Begriff „Apfelzügle“ ohne lange Überlegungen und unmittelbar die Information, dass im Zusammenhang mit dem Anbau, der Ernte und der Verwertung von Äpfeln mit einer „Apfelzugfahrt“ verbundene touristische Informationsveranstaltungen angeboten werden. Es bestehe deshalb aus Sicht des angesprochenen Publikums eine klare und spezifische Beziehung zwischen dem angemeldeten Zeichen und den in Klasse 41 eingetragenen Dienstleistungen. Die Begriffe Apfelzug, Apfelbahn, Apfelbählne und Apfelzügle seien von einer Vielzahl von Anbietern beschreibend dafür verwendet worden, dass Zugfahrten durch Apfelwiesen bzw. Streuobstwiesen angeboten werden. Teilweise hätten diese Züge auch Obstkisten bzw. Sitzformationen mit Obstkisten auf den Anhängern. Dies zeigten auch die Anlagen B1 bis B 15 der Beklagten zu 2) sowie B1 bis B 13 des Beklagten zu 1). Der Begriff werde also beschreibend für Zugfahrten durch Apfel bzw. Streuobstwiesen verwendet. Die Verbraucher würden darin keine Marke, sondern einen beschreibenden Hinweis auf den Gegenstand der Dienstleistung nämlich eine Fahrt mit dem Zug durch Apfelwiesen bzw. eine Fahrt mit dem Zug mit Apfelernteanhängern erkennen. Es handele sich um einen beschreibenden freihaltebedürftigen Hinweis darauf, dass mit einem Zug Apfelkisten transportiert werden und entsprechende Veranstaltungen stattfinden bzw. einen Hinweis darauf, dass eine Zugfahrt durch Streuobstwiesen im Rahmen von Veranstaltungen angeboten werde. Das Zeichen diene daher bzw. könne dienen zur Bezeichnung der Art der Dienstleistung. Die deutschsprachigen Verbraucher innerhalb der EU würden den Wortsinn des Begriffs erkennen als inhaltsbeschreibenden Begriff für die Art der Veranstaltung. Zudem müsse eine beschreibende Verwendung auch noch gar nicht stattgefunden haben. Zahlreiche Drittbenutzungen auch in Österreich zeigten das Freihaltebedürfnis. Der eingetragenen Marke des Klägers komme zudem keine Unterscheidungskraft gem. Art. 7 Abs. 1 lit. b) UMV zu. Das Zeichen würde aus Sicht des insoweit maßgeblichen Verkehrs lediglich als Sachaussage wahrgenommen und sei daher nicht geeignet, seine Funktion als unterscheidungskräftiges Zeichen zu erfüllen. Die Beklagte zu 2) meint zudem, der Begriff „Apfelzügle“ sei üblich geworden, wie die vorgeletzten Drittbenutzungen zeigten. Dementsprechend liege kumulativ auch das Eintragungshindernis des Art. 7 Abs. 1 lit. d) UMV vor.
10
Der Beklagte zu 1) ist weiter der Auffassung, die vom Kläger ausgesprochene Abmahnung sei unberechtigterweise erfolgt, weshalb der Kläger den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten schulde. Der im Rahmen der Abmahnung geltend gemachte Unterlassungsanspruch bestünde aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt, insbesondere fehle es mit Blick auf die angegriffenen Zeichenverwendungen schon an einem markenmäßigen Gebrauch. Zudem sei auch die Schutzschranke des Art. 14 UMV einschlägig.
11
Der Kläger hatte zunächst gegen die Beklagten Klage wegen Verletzung seiner Unionsmarke Nr. 016809659 „Apfelzügle“ erhoben und insoweit Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzfeststellungsansprüche geltend gemacht. In der mündlichen Verhandlung vom 14.01.2020 hat er seine Klage vollumfänglich zurückgenommen (vgl. Sitzungsniederschrift vom 14.1.2020, Bl. 59/60 d.A.).
12
Der Beklagte zu 1) beantragt,
I. auf die Widerklage hin die Unionsmarke UM 016809659 für „Unterhaltung; kulturelle Aktivitäten; Organisation und Durchführung von Informationsveranstaltungen zur bäuerlichen Landwirtschaft“ in Klasse 41 für nichtig zu erklären;
II. den Kläger/Widerbeklagten zu verurteilen, an den Beklagten zu 1)/Widerkläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.274,50 Euro zu bezahlen, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit;
13
Die Beklagte zu 2) beantragt,
die Unionsmarke Nr. 016809659 „Apfelzügle“ des Klägers für nichtig zu erklären.
14
Der Kläger beantragt:
Abweisung der Widerklagen.
15
Der Kläger trägt vor, unter der Marke „Apfelzügle“ betreibe und bewerbe er seit etwa 20 Jahren ein von seiner Familie entwickeltes Unterhaltungs-/Freizeitkonzept, das er über diverse Reiseveranstalter vornehmlich an Reisegruppen vermarkte. Inhalt des Konzepts sei ein mehrstündiger Ausflug über den Obsthof des Klägers mit Besichtigung seiner Apfelplantagen und anschließendem Besuch des Hofladens sowie Einkehr in der hofeigenen Gastronomie. Dank seines intensiven Marketings sei er, der Kläger, mit seinem Konzept, das maßgeblich unter der Marke „Apfelzügle“ beworben werde, in diversen Medien umfangreich besprochen worden. Im Bodensee-Gebiet sei das Angebot weithin bekannt und der Kläger empfange jährlich etwa 300 Busgruppen auf seinem Hof (Medienberichte, Anlagen K 10 und K 11), bei etwa 200 Busgruppen seien er und seine Familie zudem im Zusammenhang mit Ausflugsfahrten zum Hof N… gelistet (Auszug Liste Busunternehmen, Anlage K 7, Buchungsübersichten zu Busreisen, Anlage K 8, Auszüge von Ausschreibungen von Busunternehmen, Anlage K 9). Das vorstehende, unter der Marke „Apfelzügle“ beworbene Konzept würden er und seine Familie nunmehr haupterwerblich betreiben und damit beträchtliche Umsätze erzielen. Drei Obstbaubetrieben aus der Region habe er zudem ein Nutzungsrecht im Hinblick auf die Klagemarke eingeräumt. Das infrage stehende Gespann aus Traktoranhängern sei seinerzeit - soweit bekannt - erstmals als „Apfelzügle“ bezeichnet worden und habe dem gesamten Programm sodann den Namen gegeben.
16
Der Kläger ist der Auffassung, in Bezug auf die Klagemarke würden absolute Schutzhindernisse nicht vorliegen. Insbesondere handele es sich bei dem Wort der Klagemarke „Apfelzügle“ nicht um eine beschreibende Bezeichnung für die von der Klagemarke geschützten Dienstleistungen. Aus den von den Beklagten vorgelegten Benutzungsnachweisen ergebe sich gerade nicht, dass die angesprochenen Verkehrskreise das Zeichen als beschreibend für die von der klägerischen Marke geschützten Dienstleistungen verstünden. Woher die Bezeichnung tatsächlich herrühre, nämlich davon, dass an einen Traktor mehrere Anhänge angehängt und mit diesem Gefährt durch die Obstplantagen gefahren werde, werde dem Verkehr bei praktisch allen Veröffentlichungen erst dann deutlich, wenn zusätzlich zu dem Begriff „Apfelzügle“ im Einzelnen erklärt werde, was genau sich dahinter verberge. Allein aus dem Begriff selbst sei dies jedoch für den Durchschnittsverbrauch gerade nicht erkennbar.
17
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die wechselseitigen Schriftsätze samt Anlagen und die Sitzungsniederschrift vom 14.01.2020 (Bl. 59/61 d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

18
Nach der gem. § 269 Abs. 1 ZPO wirksamen Klagerücknahme ist nur noch über die Widerklagen zu entscheiden. Die zulässige Widerklage des Beklagten zu 1) hat in der Sache vollumfänglich Erfolg. Die zulässige Widerklage der Beklagten zu 2) ist im Umfang der Widerklage des Beklagten zu 1) ebenso erfolgreich; im darüber hinaus gehenden Umfang jedoch unbegründet.
19
A. Die erhobenen Widerklagen sind zulässig. Die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts folgt aus Art. 125 Abs. 1 UMV. Die sachliche Zuständigkeit folgt aus § 140 Abs. 1 MarkenG, die örtliche Zuständigkeit hat ihre Grundlage in §§ 33, 39 S. 1 ZPO. Die von den Beklagten und Widerklägern erhobenen Widerklagen auf Nichtigerklärung der Klagemarke sind nach Maßgabe der Art. 128 Abs. 1, 59 Abs. 1 lit. a), 7 Abs. 1 UMV statthaft.
20
Die erhobenen Widerklagen sind auch nicht aufgrund der Klagerücknahme durch den Kläger unzulässig geworden. Nach überwiegender und nach Auffassung der erkennenden Kammer auch zutreffender Ansicht berührt nach Maßgabe des Art. 129 Abs. 3 UMV i.V.m. § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO die Rücknahme der Verletzungsklage die Zulässigkeit einer bereits erhobenen Widerklage nicht (BeckOK UMV/Müller, 15. Ed. 28.5.2018, UMV Art. 124 Rn. 20-23; BeckOK MarkenR/Grüger, 20. Ed. 1.1.2020, UMV 2017 Art. 128 Rn. 7; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl. 2010 § 125 e Rn. 33).
21
B. Die erhobenen Widerklagen haben in der Sache teilweise Erfolg. Dem Beklagten zu 1) steht der geltend gemachte Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zu (unter I.). Die geltend gemachten Ansprüche auf Nichtigerklärung der Klagemarke erweisen sich in Bezug auf die von ihr beanspruchten Dienstleistungen in Klasse 41 als begründet (unter II.). Soweit die Beklagte zu 2) mit ihrer Widerklage darüber hinausgehend Nichtigerklärung auch im Hinblick auf die weiteren im Register eingetragenen Dienstleistungen begehrt, erwies sich die Widerklage als unbegründet, weil insofern absolute Nichtigkeitsgründe gem. Art. 7 Abs. 1 GMV in Bezug auf die Klagemarke nicht vorliegen (unter III.).
22
I. Der Beklagte zu 1) hat gegen den Kläger wegen unberechtigter Schutzrechtsverwarnung einen Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.274,50 Euro aus § 823 Abs. 1 BGB.
23
1. Es ist allgemein anerkannt, dass eine materiell unberechtigte Verwarnung des Verletzers aus einem Schutzrecht Schadensersatzansprüche des Verwarnten gegen den Schutzrechtsinhaber unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gem. § 823 Abs. 1 BGB begründen kann (BGH GRUR 2005, 882 - Unberechtigte Schutzrechtsverwamung I; Ströbele/Hacker/Thiering/Thiering, MarkenG, 12. Aufl. 2018, § 14 Rn. 782; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm, UWG, 37. Aufl. 2019, § 12 Rn. 184 f.). Voraussetzung des Anspruchs aus § 823 Abs. 1 BGB sind neben dem Vorliegen einer tatsächlich unberechtigten Schutzrechtsverwarnung deren Rechtswidrigkeit sowie ein Verschulden des Anspruchsgegners (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering/Thiering, MarkenG, 12. Aufl. 2018, § 14 Rn. 786 ff.).
24
2. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Mangels Vorliegens eines markenrechtlichen Unterlassungsanspruchs nach Art. 9 Abs. 2 lit. b), 130 UMV stellt sich die ausgesprochene Abmahnung als unberechtigt dar. Der Kläger handelte auch mindestens fahrlässig.
25
a. Der im Rahmen der Abmahnung (Anlage K 5) geltend gemachte Unterlassungsanspruch scheitert schon daran, dass in den angegriffenen Verletzungshandlungen (Anlagen K 2 und K 3) keine rechtsverletzende Benutzung i.S.d. Art. 9 UMV zu sehen ist, weshalb die ausgesprochene Abmahnung sich als unberechtigt darstellt.
26
aa. Voraussetzung markenrechtlicher Abwehransprüche ist, dass die angegriffenen Benutzungsformen zu einem Eingriff in die Funktion der Marke führen, einen Hinweis auf eine bestimmte betriebliche Herkunft von Waren- und Dienstleistungen zu gewährleisten. Demgemäß kann eine rechtsverletzende Benutzung immer nur dann vorliegen, wenn das angegriffene Zeichen markenmäßig benutzt wird, was immer dann der Fall ist, wenn es aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise im Rahmen des Produkt- oder Leistungsabsatzes jedenfalls auch zur Unterscheidung der Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer dient (st. Rspr., vgl. nur EuGH GRUR 2003, 55, 57 f. - Arsenal Football Club; BGH, GRUR 2017, 397 Rn. 92 - World of Warcraft II; BGH, GRUR 2017, 730 Rn. 21 - Sierpinski-Dreieck; BGH, GRUR 2017, 520 Rn. Rn. 26 - MICRO COTTON). Eine rein beschreibende Verwendung stellt ebenso wenig eine relevante Benutzung dar wie ein rein dekorativer Gebrauch des Zeichens (vgl. EuGH GRUR 2009, 756 Rn. 61 - L’Oreal/Bellure).
27
bb. Im vorliegenden Fall wurde das in Frage stehende Zeichen „Apfelzüglefahrt“ aber aus Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise, zu denen auch die Mitglieder der erkennenden Kammer als informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher gehören, nicht im Sinne eines Herkunftshinweises, sondern rein beschreibend in Bezug auf eine für den 26.09.2018 geplante Veranstaltung auf dem Hof des Beklagten zu 1) verwendet, was insbesondere daran erkennbar ist, dass sich die angegriffene Bezeichnung in einem Fließtext bzw. einer allgemeinen Überschrift ohne jedwede plakative Herausstellung eingebettet findet.
28
b. Der Kläger handelte auch mindestens fahrlässig (vgl. zu den im Kennzeichenrecht allgemein geltenden strengen Maßstäben Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Auflage 2010, Vor §§ 14-19d Rn. 219).
29
c. Der Kläger schuldet daher Schadensersatz in Höhe des Wertes der vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten auf Grundlage einer 1,5 Geschäftsgebühr nebst Auslagenpauschale bei einem Gegenstandswert von 100.000 Euro (§§ 2, 13 RVG, Nr. 2300, 7002 VV RVG), insgesamt 2.274,50 Euro.
30
d. Der zuerkannte Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen ist gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 286, 288 Abs. 1, 291 BGB begründet.
31
II. Die Widerklagen haben insoweit Erfolg, als mit ihnen Nichtigerklärung in Bezug auf die von der Klagemarke beanspruchten Dienstleistungen in Klasse 41 begehrt wird. Die Klagemarke UM 016809659 „Apfelzügle“ ist beschreibend für die eingetragenen Dienstleistungen in Klasse 41.
32
Für die Frage, ob in Bezug auf die angegriffene Marke absolute Schutzhindernisse vorliegen, ist auf den Zeitpunkt der Anmeldung abzustellen (EuGH GRUR-RS 2010, 91251 Rn. 39, 52 und 53 - Frosch Touristik/HABM (FLUGBÖRSE); EuGH GRUR 2018, GRUR 2018 1146 Rn. 38 - BSG Ehrenpreise/EUIPO (NEUSCHWANSTEIN). Dies bedeutet, dass die Beurteilung vorliegend auf Grundlage der VO (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (GMV) zu erfolgen hatte, weil im Anmeldezeitpunkt der Klagemarke am 08.06.2016 die Unionsmarkenverordnung in der nunmehr geltenden Fassung noch nicht in Kraft getreten war (vgl. Art. 212 UMV).
33
1. Nach Art. 7 Abs. 1 lit. c) GMV, der insoweit inhaltsgleich ist zur Bestimmung des Art. 7 Abs. 1 lit. c UMV, sind solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geografischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können.
34
Nicht erforderlich ist, dass das Zeichen bereits beschreibend verwendet wurde oder wird; ausreichend ist schon seine Eignung hierzu. Das Eintragungshindernis greift bereits dann, wenn das Zeichen zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der angemeldeten Ware oder Dienstleistung bezeichnet (EuGH, GRUR 2004, 146 Rn. 32 f. - Doublemint). Die Regelung dient dem Interesse der Allgemeinheit an der freien Verwendungsmöglichkeit solcher Zeichen, die Waren- oder Dienstleistungsgruppen beschreiben oder beschreiben können (EuGH GRUR Int 1997, 727 Rn. 25 - Chiemsee).
35
Ausgehend hiervon wird eine Marke als beschreibend angesehen, wenn sie zu den fraglichen Waren oder Dienstleistungen einen hinreichend direkten und konkreten Bezug aufweist, der es den angesprochenen Verkehrskreisen ermöglicht, unmittelbar und ohne weitere Überlegung eine Beschreibung dieser Waren oder Dienstleistungen oder eines ihrer Merkmale zu erkennen (EuG GRUR Int 2005, 842 Rn. 25 - Paperlab; vgl. auch EuGH GRUR 2010, 534 Rn. 29 - Pranahaus). In diesem Zusammenhang genügt es schon, wenn sich der beschreibende Gebrauch auf ein Merkmal nebensächlicher Natur der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen bezieht (EuGH GRUR 2004, 764 Rn. 102 - Postkantoor). Eine Beschreibung der Bestimmung der Waren und Dienstleistungen liegt dann vor, wenn es sich insoweit um eine spezifische Art und Weise ihrer Anwendung, ihrer Funktion, ihres Anwendungsbereichs sowie um das von ihrer Nutzung bzw. Inanspruchnahme zu erwartende Ergebnis handelt (EuGH GRUR Int 2001, 241 Rn. 36 - Trustedlink; BeckOK MarkenR/Hanf, 20. Ed. 1.1.2020, UMV 2017 Art. 7 Rn. 85). Beschreibend kann eine Marke zudem bereits dann sein, wenn sie geeignet ist, den Gegenstand der angemeldeten Dienstleistung anzugeben, was z.B. bei Unterhaltungsdienstleistungen oder Veranstaltungen in Betracht kommt (BeckOK MarkenR/Hanf, 19. Ed. 1.10.2019, UMV 2017 Art. 7 Rn. 100).
36
Lediglich beschreibende Anklänge und Andeutungen stehen der Eintragung dagegen nicht entgegen.
37
Abzustellen ist für die Frage, ob ein bestimmtes Zeichen für die von ihm geschützten Waren oder Dienstleistungen oder eines ihrer Merkmale beschreibend sein kann, auf das Verständnis der maßgeblichen Verkehrskreise. Maßgeblich sind dabei sämtliche Verkehrskreise, die als Abnehmer oder auch nur Interessenten der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen in Betracht kommen (EuGH GRUR 2006, 411 Rn. 26 - Matratzen Concord).
38
Ausreichend für die Annahme eines beschreibenden Charakters ist, wenn der maßgebliche Begriff zumindest in einem Teil der Union als beschreibend verstanden wird oder verstanden werden kann (BeckOK MarkenR/Hanf, 20. Ed. 1.1.2020, UMV 2017 Art. 7 Rn. 85). Teil der Union in diesem Sinne kann auch der Teil eines Mitgliedsstaats oder eines Sprachraums sein (BeckOK UMV/Büscher, 15. Edition, 15.8.2019, Art. 7 Rn. 57).
39
Für einen Oberbegriff im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis besteht das Eintragungshindernis bereits dann, wenn das Zeichen für eine unter den Oberbegriff fallende Ware oder Dienstleistung beschreibend ist; einschränken kann dies nur der Anmelder (BeckOK MarkenR/Hanf, 19. Edition, 1.10.2019, Art. 7 UMV Rn. 88).
40
Dabei ist für die Nichtigkeitswiderklage nur das Parteivorbringen zu prüfen. Dies ergibt sich aus der Anwendung des Parteibeibringungsgrundsatzes der ZPO, wenn man davon ausgeht, dass auf die Nichtigkeitsklage nach Art. 128 Abs. 1 UMV bwz. Art. 100 Abs. 1 GMV 2009 gemäß Art. 129 Abs. 3 UMV bzw. Art. 101 Abs. 3 GMV 2009 das Prozessrecht des Mitgliedsstaates anzuwenden ist, welchem das Unionsmarkenstreitgericht angehört, das über sie befindet. Allerdings kennt das deutsche Markenrecht keine auf absolute Eintragungshindernisse gestützte Nichtigkeitsklage vor dem Streitgericht, sondern lässt den Antrag nur im Markenregisterverfahren zu. Doch auch wenn man die Verfahrensgrundsätze des Nichtigkeitsantrags vor dem EUIPO für anwendbar hielte, ergibt sich nichts anderes. Denn das Amt hat im Nichtigkeitsverfahren nach Art. 59, Art. 63, 64 UMV bzw. Art. 52 Abs. 1 HS 1, Art. 55, Art. 56 GMV 2009 betreffend absoluter Eintragungshindernisse gem. Art. 95 Abs. 1 S. 2 UMV bzw. Art. 76 Abs. 1 S. 2 GMV 2009 nur die von den Beteiligten angeführten Gründe und Argumente zu prüfen (BeckOKMarkenR/Hanne, 20. Edition 1.1.2020, Art. 59 Rn. 10 u. Art. 64 Rn. 37). Es wird nämlich aufgrund der bereits im Anmeldeverfahren erfolgten Prüfung der absoluten Eintragungshindernisse die Gültigkeit der Unionsmarke vermutet (EuG, BeckRS 2018, 30205 Rn. 13 - Khadi; BeckOKMarkenR/Hanne, a.a.O. m.w.N.).
41
2. Gemessen an diesen Grundsätzen stellt das Wortzeichen „Apfelzügle“ bereits zum Anmeldezeitpunkt eine sachlich beschreibende Angabe für jedenfalls ein etwaiges Merkmal der beanspruchten Dienstleistungen in Klasse 41 (Unterhaltung; kulturelle Aktivitäten; Organisation und Durchführung von Informationsveranstaltungen zur bäuerlichen Landwirtschaft) dar bzw. ist jedenfalls hierfür geeignet.
42
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass das Wort „Apfelzügle“ eine insbesondere in der schwäbischen und badischen Mundart der deutschen Sprache gebräuchliche Entsprechung des Wortes „Apfelzug“ ist und darunter ein Gespann aus einem Traktor und mehreren Anhängern verstanden wird, das in erster Linie zur Apfelemte eingesetzt wird. Streitig ist, ob die von den beanspruchten Dienstleistungen angesprochenen Verkehrskreise, es handelt sich unstreitig um die Durchschnittsverbraucher, diese Bedeutung des Begriffs ohne Weiteres erkennen und sie deshalb den Begriff für die beanspruchten Dienstleistungen als beschreibend auffassen. Ausreichend ist, dass auch nur in einem Teil der Union i.S.v. Art. 7 Abs. 2 UMV, wobei es sich auch um einen Teil eines Mitgliedsstaats oder eines Sprachraums handeln kann (BeckOK UMV/Büscher, 15. Edition, 15.8.2019, Art. 7 Rn. 57), dieses Verständnis zum Anmeldezeitpunkt bestand.
43
Aufgrund der vorgelegten Zeitungs-, Zeitschriften- und Intenetausdrucke aus der Zeit vor der Anmeldung der angegriffenen Marke haben die Beklagten hinreichend belegt, dass zum Anmeldezeitpunkt jedenfalls in der schwäbischen bzw. badischen Region in der Nähe des Bodensees sowie auch zum Teil in Österreich der Begriff des Apfelzugs bzw. des Apfelzügles (gleichbedeutend mit Apfelbahn bzw. Apfelbähnle) bereits intensiv in an die Allgemeinheit gerichteten Veröffentlichungen zur Information über Veranstaltungen benutzt wurde. Es ist deshalb davon auszugehen, dass jedenfalls in dieser Region ein beschreibendes Verständnis vorlag. Diese Region genügt nach Auffassung der Kammer auch als hinreichender Teil der Union i.S.d. Art. 7 Abs. 2 GMV.
44
Unabhängig von diesem Sprachgebrauch und Verständnis in der vorgenannten Region wird zudem auch der deutschsprachige Durchschnittsverbraucher mit dem Wort „Apfelzug“ und dessen auch vom deutschsprachigen Durchschnittsverbraucher außerhalb dieser Region als mundartliche Verniedlichungsform erkennbaren Version „Apfelzügle“, das erkennbar die Zusammensetzung aus den Worten „Apfel“ und „Zug“ ist, die Vorstellung eines Gefährts oder Gespanns verbinden, das im Zusammenhang mit Äpfeln steht, wobei dieser Zusammenhang bzw. die Verbindung zwischen Zug und Apfel naheliegend und ohne weitere gedankliche Zwischenschritte als Transportmittel angenommen werden wird.
45
Da ein Apfelzug bzw. Apfelzügle als Merkmal aller drei beanspruchten Dienstleistungen in Klasse 41 (Unterhaltung; kulturelle Aktivitäten; Organisation und Durchführung von Informationsveranstaltungen zur bäuerlichen Landwirtschaft) in Betracht kommt, nämlich als Gegenstand oder Thema oder verwendetes (Transport-)Mittel dieser Dienstleistungen, und jedenfalls in der oben genannten Region in Teilen Südwestdeutschlands und Österreichs beim Durchschnittsverbraucher ein entsprechendes Verständnis anzunehmen ist, so dass er ohne weitere Gedankenschritte einen hinreichend konkreten und direkten Bezug zu den beanspruchten Dienstleistungen herstellen wird, liegt ein absolutes Schutzhindernis vor.
46
Dies gilt auch für die weiten Oberbegriffe „Unterhaltung“ und „kulturelle Aktivitäten“, weil es, wie oben bereits ausgeführt, genügt, wenn das Zeichen auch nur für eine unter den Oberbegriff fallende Dienstleistung als Beschreibung dienen kann.
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3. Hinreichende Belege dafür, dass die angegriffene Marke durch Benutzung Unterscheidungskraft erlangt hätte, was auch einem Eintragungshindernis nach Art. 7 Abs. 1 lit. c) GMV entgegenstünde (Art. 7 Abs. 3 GMV), hat der dafür beweisbelastete Kläger weder vorgelegt noch sind Anhaltspunkte hierfür ersichtlich.
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III. Die Klagemarke UM 016809659 „Apfelzügle“ ist demgegenüber in Bezug auf die weiteren beanspruchten Dienstleistungen in den Klassen 35 und 43 weder beschreibend (nachfolgend 1.) noch fehlt ihr die Unterscheidungskraft (nachfolgend 2.). Schließlich liegt auch keine übliche Bezeichnung für die geschützten Dienstleistungen vor (nachfolgend 3.). Die Widerklage der Beklagten zu 2) war daher abzuweisen, soweit mit dieser Löschung auch im Hinblick auf die weiteren eingetragenen Dienstleistungen begehrt wurde.
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1. Im Hinblick auf die von der Klagemarke geschützten Waren- und Dienstleistungen in Klasse 35: Zusammenstellen von Waren aus dem Bereich der Nahrungs- und Genussmittel, insbesondere Betrieb eines Hofladens mit Vertrieb regionaler, handwerklich hergestellter Lebensmittel und/oder Getränke; und Klasse 43: Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen; Betrieb eines Restaurants; Catering konnte die erkennende Kammer unter Zugrundelegung der oben dargelegten Grundsätze einen etwaigen sich für die angesprochenen Verkehrskreise unmittelbar und ohne weitere gedankliche Zwischenschritte erschließenden beschreibenden Sinngehalt des Wortes „Apfelzügle“ nicht erkennen. Eine derartige Verkehrsauffassung wird zudem nicht durch die von den Beklagten überreichten Unterlagen belegt. Art. 7 Abs. 1 lit. c) GMV scheidet daher aus.
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Da, wie bereits ausgeführt, unter einem „Apfelzügle“ in Teilen des Südwesten Deutschlands und Teilen Österreichs üblichen Sprachgebrauchs in erster Linie ein Nutzfahrzeug der Landwirtschaft zur Apfelernte verstanden wird, besteht zwischen diesem eigentlichen Sinngehalt des Zeichens und den hier in Klassen 35 und 43 geschützten Dienstleistungen kein unmittelbarer, sich ohne Weiteres und ohne gedankliche Zwischenschritte erschließender beschreibender Bezug. Denn zwischen Apfelernte, im Rahmen derer ein „Apfelzügle“ seine ihm ursprünglich zugedachte Funktion erfüllt, und dem von den beanspruchten Dienstleistungen umfassten Vertrieb von Lebensmittelerzeugnissen liegen grundsätzlich weitere Zwischenschritte in der Produktionskette, die es fernliegend erscheinen lassen, dass die angesprochenen Verkehrskreise zwischen dem Begriff der Klagemarke und den geschützten Dienstleistung in Klassen 35 und 42 ohne Weiteres eine unmittelbare beschreibende Beziehung herstellen werden. Selbst in Bezug auf einen Hofladen und regionale Produkte der Landwirtschaft kann nur ein mittelbarer Bezug zu dem Erntetransportmittel hergestellt werden, so dass allenfalls ein beschreibender Anklang besteht. Beschreibende Anklänge genügen für sich allein jedoch nicht, um das Eintragungshindernis zu begründen.
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Dass der Durchschnittsverbraucher mit dem Begriff Apfelzügle auch die Vorstellung eines (nicht nur zur Ernte benutzten) Transport- oder Darbietungsmittels für Äpfel (und möglicherweise für weiteres Obst oder weitere landwirtschaftliche Erzeugnisse) verbinden würde und insofern auch ohne weitere Gedankenschritte einen unmittelbaren beschreibenden Bezug zu den beanspruchten Dienstleistungen in Klasse 35 aus dem Bereich des Lebensmittelvertriebs herstellt, erscheint fernliegend und ist durch die vorgelegten Unterlagen im Prozess auch nicht ersichtlich.
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Schließlich ist auch weder vorgetragen noch den vorgelegten Unterlagen in eindeutiger Weise zu entnehmen, dass die touristischen „Apfelzügle“-Veranstaltungen regelmäßig mit einer Beherbung, mit dem Betrieb eines Hofladens, eines Restaurants oder eines Caterings einhergehen würden und die angesprochenen Verkehrskreise deshalb auch aufgrund des Kontexts eine solche gedankliche Verknüpfung unmittelbar und ohne gedankliche Zwischenschritte mit dem Begriff „Apfelzügle“ herstellen würden.
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2. Die angegriffene Marke ist auch nicht wegen fehlender Unterscheidungskraft i.S.v. Art. 7 Abs. 1 lit. b) GMV zu löschen.
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a. Eine Marke besitzt Unterscheidungskraft im Sinne der Vorschrift, wenn sie geeignet ist, die Waren oder Dienstleistungen, für welche die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (EuGH GRUR Int 2004, 631 Rn. 34 - Dreidimensionale Tablettenform I). Eine besondere Originalität oder Kreativität des infrage stehenden Zeichens wird dabei ebenso wenig vorausgesetzt wie seine Neuheit (EuGH GRUR 2004, 943 Rn. 40 - SAT.2). Solche Umstände können aber Indizien für das Vorliegen von Unterscheidungskraft sein (EuGH GRUR 2010, 228 Rn. 57 - Vorsprung durch Technik). Bei der Prüfung der Unterscheidungskraft sind neben der Marke in der angemeldeten Form alle relevanten Tatsachen und Umstände zu berücksichtigen (EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 102 - Postkantoor). Die Beurteilung hat dabei nicht abstrakt, sondern konkret zum einen in Bezug auf die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise zu erfolgen EuGH GRUR Int 2004, 631 Rn. 35 - Dreidimensionale Tablettenform I).
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b. Auf Grundlage der vorstehenden Überlegungen sieht die Kammer keine Anhaltspunkte für das Vorliegen von fehlender Unterscheidungskraft im Hinblick auf die beanspruchten Dienstleistungen der angegriffenen Marke in den Klassen 35 und 42. Wie bereits ausgeführt, weist das Wortzeichen „Apfelzügle“ nach der maßgeblichen Sicht des Durchschnittsverbrauchers zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen „Zusammenstellen von Waren aus dem Bereich der Nahrungs- und Genussmittel, insbesondere Betrieb eines Hofladens mit Vertrieb regionaler, handwerklich hergestellter Lebensmittel und/oder Getränke“ und „Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen; Betrieb eines Restaurants; Catering“ keinen unmittelbaren Bezug, sondern allenfalls beschreibende Anklänge auf. Selbst bei Kenntnis der eigentlichen Bestimmung eines „Apfelzuges“ stellt sich die Verwendung für die hier beanspruchten Dienstleistungen für die angesprochenen Verkehrskreise als überraschend dar. Dem Zeichen ist daher nicht die Eignung abzusprechen, eine herkunftshinweisende Funktion für die beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 35 und 43 zu entfalten.
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3. Die angegriffene Marke ist für die Klassen 35 und 43 auch nicht deshalb zu löschen, weil es sich bei dem Begriff „Apfelzügle“ um eine Bezeichnung handelt, die im allgemeinen Sprachgebrauch oder in den redlichen und ständigen Verkehrsgepflogenheiten für die beanspruchten Dienstleistungen üblich geworden ist (Art. 7 Abs. 1 lit. d) GMV). Es ist in diesem Zusammenhang anerkannt, dass für die Anwendung von Art. 7 Abs. 1 lit. d) GMV die Tatsache, dass der angemeldete Begriff Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch gefunden hat, alleine nicht ausreichend ist. Vielmehr muss dieser Begriff gerade zur Bezeichnung der angemeldeten Waren und Dienstleistungen üblich geworden sein (EuGH GRUR 2001, 1148 Rn. 31 - Bravo; BeckOK MarkenR/Hanf, 20. Ed. 1.1.2020, UMV 2017 Art. 7 Rn. 105).
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Hierfür bestehen aber vorliegend weder nach dem Parteivortrag noch sonst Anhaltspunkte. Die Beklagten haben insoweit lediglich Unterlagen (Anlagen B 1-B 13 [Beklagter zu 1)], Anlagen B 2-15] vorgelegt, aus denen sich in Teilen die Verwendung der Begriffe „Apfelzügle“ und „Apfelzüglefahrt“ im Rahmen des allgemeinen Sprachgebrauchs ergibt. Sie haben allerdings keine Nachweise im Bezug auf eine verkehrsdurchgesetzte Verwendung des Begriffs „Apfelzügle“ im Hinblick auf die folgenden beanspruchten Dienstleistungen vorgelegt der Klasse 35: Zusammenstellen von Waren aus dem Bereich der Nahrungs- und Genussmittel, insbesondere Betrieb eines Hofladens mit Vertrieb regionaler, handwerklich hergestellter Lebensmittel und/oder Getränke; und der Klasse 43: Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen; Betrieb eines Restaurants; Catering.
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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1, § 100, § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.
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V. Die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO
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VI. Der Streitwert war für die Klage gem. § 51 Abs. 1 GKG auf 100.000 Euro festzusetzen und für die Widerklagen des Beklagten zu 1) und der Beklagten zu 2) insgesamt ein Wert von 100.000 Euro. Da beide Widerklagen im Grundsatz das identische Klageziel (Löschung der Klagemarke) verfolgen, waren sie einheitlich zu bewerten (vgl. BGH GRUR 2013, 1287 Rn. 3 - Nichtigkeitsstreitwert II [zum Patentrecht]; Zöller/Herget, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 3 Rn. 16 [Streitgenossen]; Cepl/Voß/Zöller, Praxiskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, 2. Aufl. 2018, § 3 Rn. 58), wobei wegen des unterschiedlichen Umfangs des angegriffenen Dienstleistungsverzeichnisses möglicherweise eine differenzierende Festsetzung des Gegenstandswerts je Beklagtem in Betracht kommt (vgl. BGH GRUR 2013, 1287 Rn. 4 - Nichtigkeitsstreitwert II) Die Gesamtbewertung der Widerklagen mit 100.000 Euro entspricht dem wirtschaftlichen Interesse der Widerklagen als Abwehr gegen die Klage (vgl. Cepl/Voß/Zöllner, Praxiskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, 2. Aufl. 2018, § 3 ZPO Rn. 55). Im Übrigen haben beide Beklagten und Widerkläger als wirtschaftliches Interesse 100.000 Euro angegeben.