Titel:
Vertragliche Ansprüche des GmbH-Geschäftsführers wegen einer Diensterfindung
Normenketten:
ArbnErfG § 9, § 12
BGB § 195, § 196, § 199, § 203, § 204, § 214, § 242, § 259, § 311 Abs. 1, § 362, § 611, § 675 Abs. 1
EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1
Leitsätze:
1. Die Regelungen des Arbeitnehmererfindungsgesetzes finden auf sogenannte Organerfinder wie den GmbH-Geschäftsführer dem Grunde nach keine Anwendung; Organerfinder können allerdings vertraglich - wie hier mit dem Geschäftsführeranstellungsvertrag - im Hinblick auf Diensterfindungen einem Arbeitnehmer gleichgestellt werden. Eine entsprechende Gleichstellung kann nur erreicht werden, wenn auf das entsprechende Rechtsverhältnis auch die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu den die gesetzlichen Ansprüche flankierenden Hilfsansprüchen Anwendung finden. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für die Frage, ob der Arbeitgeber von der erfinderischen Lehre des Arbeitnehmers Gebrauch macht, ist nicht entscheidend, ob und ggf. welche weiteren Patente des Arbeitgebers verwendet werden; es kommt allein darauf an, dass das fragliche Produkt die technischen Merkmale der Arbeitnehmer-Diensterfindung verwirklicht. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)
3. Allgemein und pauschal formulierte Ausgleichsklauseln erfassen Ansprüche auf Arbeitnehmererfindervergütung grundsätzlich nicht; eine durch individualvertragliche Vereinbarung dem Grunde nach mögliche Verzichtsvereinbarung setzt voraus, dass sich der Verzichtende der Bedeutung seines Handelns bewusst und im Klaren ist, gesetzliche Vergütungsansprüche preis zu geben, er die wirtschaftliche Tragweite überschaut und sich nicht in einer arbeitsbezogenen Drucksituation befindet. (Rn. 54) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
hergestellt, vertrieben, in Verkehr gebracht oder diesbezüglich Lizenzen an Dritte vergeben hat
Fundstelle:
GRUR-RS 2020, 54358
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte im Zeitraum vom 01.01.2013 bis zum 12.11.2016 im Geltungsbereich des Patents EP 0 864 053
Bremsscheiben, die eine Scheiben-Nabenverbindung zur Verbindung einer Bremsscheibe mit einer Nabe aufweisen, wobei a) die Bremsscheibe im inneren Umfangsbereich Abstützelemente aufweist, die radial nach innen vorstehen, b) die Nabe am äußeren Umfangsbereich Nocken aufweist, die radial nach außen vorstehen, und wobei c) Zwischenelemente zur Drehmoment- und Kraftübertragung von den Nocken der Nabe auf die Abstützelemente der Scheibe derart ausgestaltet sind, dass die Nocken der Nabe in die Zwischenelemente eingreifen,
insbesondere S.-Disc® -Bremsscheiben,
und zwar in einem geordneten Verzeichnis unter Angabe
a) der Herstellungsmengen,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der jeweiligen gewerblichen Abnehmer,
c) der Namen und Anschriften der Lizenznehmer,
d) der erzielten Lizenzeinnahmen und/oder Einnahmen aus Kauf- und Austauschverträgen, sämtliche Angaben aufgeschlüsselt nach Kalenderjahren oder den betrieblichen Abrechnungszeiträumen.
2. Im Übrigen wird die Klage - soweit über sie zu entscheiden war - abgewiesen.
3. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Zahlung einer Sicherheitsleistung von 10.000,00 €.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um im Wege der Stufenklage geltend gemachte vertragliche Auskunfts- und Vergütungsansprüche wegen einer von dem Kläger getätigten Erfindung betreffend eine Scheiben-Nabenverbindung, insbesondere für Nutzfahrzeug-Scheibenbremsen.
2
Die Beklagte ist ein international tätiges Zulieferunternehmen im Bereich der Nutzfahrzeugindustrie mit Sitz in München. Der Kläger war auf der Grundlage eines am 24.08.1995 geschlossenen Geschäftsführeranstellungsvertrages bis 30.06.1998 Geschäftsführer der Beklagten. Gemäß Ziffer 9 des Geschäftsführeranstellungsvertrages galten für Diensterfindungen und Verbesserungsvorschläge die Bestimmungen des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen vom 25.07.1957 sowie die hierzu ergangenen Richtlinien.
3
Während seiner Anstellung als Geschäftsführer entwickelte der Kläger gemeinsam mit Herrn D. M. eine Scheiben-/Nabenverbindung zur Verbindung einer Bremsscheibe mit einer Nabe insbesondere für Nutzfahrzeug-Scheibenbremsen und meldete die entsprechende Erfindung der Beklagten am 27.10.1995 unter Inanspruchnahme eines hälftigen Miterfinderanteils. Am 12.11.1996 meldete die Beklagte die Erfindung unter Inanspruchnahme der Priorität des deutschen Patents DE 195 44 559 vom 30.11.1995 beim Europäischen Patentamt an, wobei der Kläger ausdrücklich als Miterfinder benannt wurde. Die öffentliche Bekanntmachung der Erteilung des entsprechenden Europäischen Patents EP 0 864 053 B1 (nachfolgend: EP‘053 oder Streitpatent) erfolgte am 11.07.2001. Infolge Zeitablaufs erlosch das von der Beklagten unter anderem für die Bundesrepublik Deutschland validierte Patent am 12.11.2016.
4
Das EP‘053 betrifft eine Scheiben-/Nabenverbindung (1) zur Verbindung einer Bremsscheibe (2) mit einer Nabe (3), insbesondere für Nutzfahrzeug-Scheibenbremsen, wobei a) die Bremsscheibe (2) im inneren Umfangsbereich Abstützelemente (7) aufweist, die radial nach innen vorstehen, b) die Nabe (3) am äußeren Umfangsbereich Nocken (8) aufweist, die radial nach außen vorstehen, und wobei c) Zwischenelemente (9) zur Drehmoment- und Kraftübertragung von den Nocken (8) der Nabe (3) auf die Abstützelemente (7) der Scheibe (2) derart ausgestaltet sind, dass die Nocken (8) der Nabe (3) in die Zwischenelemente (9) eingreifen.
5
Das Streitpatent wurde von der Beklagten im Jahr 2013 im Rahmen eines vor dem Landgericht Düsseldorf unter dem Az. 4c O 71/13 geführten Rechtsstreits gegen eine von einem Wettbewerber angebotene Scheiben-Nabenverbindung durchgesetzt. Im Rahmen eines im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf geschlossenen Vergleichs verpflichtete sich der von der Beklagten in Anspruch genommene Wettbewerber, der Beklagten einen Betrag von insgesamt 20.000,00 EUR, enthaltend einen pauschalierten Schadensersatz in Höhe von 5.000,00 EUR, zu bezahlen.
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Im Jahr 2016 erlangte der Kläger Kenntnis davon, dass die Beklagte unter der Marke „S.- Disc®“ eine Scheiben-Nabenverbindung anbot, die gemäß einer im Internet frei verfügbaren Betriebsanleitung aus dem Jahr 2012 wie folgt ausgestaltet war:
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Mit Schreiben vom 05.12.2016 und 19.12.2016 wandte sich der Kläger an die Beklagte mit dem Hinweis, dass die Produktgestaltung nach seinem Dafürhalten eine Verwertung seiner Diensterfindung darstelle. Die Beklagte bat mit E-Mail vom 12.01.2017 zunächst darum, die Frist zur Stellungnahme um einen Monat bis 13.02.2017 zu verlängern. Mit E-Mails vom 13.02.2017 und 17.02.2017 trat die Beklagte der Vergütungsforderung des Klägers sodann mit der Begründung entgegen, dass das Produkt „S.- Disc®“ von der Erfindung des Klägers keinen Gebrauch mache. Der Kläger teilte seinerseits mit E-Mail vom 17.02.2017 mit, die Position der Beklagten überprüfen zu lassen und kündigte an, zu gegebener Zeit von sich hören zu lassen. Mit EMail vom 19.12.2018 forderte der Kläger sodann die Beklagten über den von ihm beauftragten Patentanwalt Dr. P. auf, die aus seiner Sicht geschuldete Erfindungsvergütung festzusetzen. Die Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 31.01.2019, dass das EP‘053 durch das Produkt „S.- Disc ®“ nicht benutzt werde und ein Vergütungsanspruch nicht bestehe. Zugleich forderte sie den Kläger unter Fristsetzung zum 11.02.2019 auf, zu bestätigen, dass sich die Angelegenheit damit erledigt habe und der Kläger von der weiteren Geltendmachung von Ansprüchen auf Zahlung einer Erfindervergütung im Zusammenhang mit der angeblichen Benutzung der EP‘053 absehe. Mit Schriftsatz vom 22.07.2019 erhob der Kläger Klage zum Landgericht München I, die der Beklagten am 06.08.2019 zugestellt wurde. Die Beklagte bezahlte daraufhin einen Betrag von 625,00 EUR an den Kläger zur Abgeltung der als Sperrpatent erfolgten Benutzung des Streitpatents (Bl. 73/75 d. Akte).
8
Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte mit dem Vertrieb der ScheibenNabenverbindung „S.- Disc ®“ von der von ihm gemeinsam mit Herrn D. M. entwickelten Diensterfindung Gebrauch macht. Daher bestehe eine Vergütungspflicht.
9
Insbesondere enthalte das Produkt „S.- Disc®“ patentgemäße Zwischenelemente. Die Ausgestaltung der Zwischenelemente sei von dem Streitpatent nicht vorgegeben. Diese könnten daher ein- oder mehrstückig ausgestaltet sein. In beiden Fällen könnte eine Scheiben-Nabenverbindung einfach und schnell montiert werden. Zudem sei jeweils eine radiale Verschiebbarkeit der Bremsscheibe relativ zur Radnabe möglich, so dass der Vorgabe des Streitpatents entsprechend Rissbildungen sicher verhindert werden könnten.
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Überdies habe die Beklagte eingeräumt, im Zeitraum zwischen den Jahren 1998 und 2000 ein Produkt getestet zu haben, das von der Lehre des Streitpatents Gebrauch mache. Ein serienreifes Produkt sei bei seinem Ausscheiden im Jahr 1998 von der Beklagten noch nicht auf den Markt gebracht worden. Bei dem zur Serienreife weiterentwickelten Produkt „S.- Disc®“ handele es sich um eine abhängige Weiterentwicklung, die naturgemäß von der Ursprungserfindung Gebrauch mache.
11
Die Beklagte habe die seitens des Klägers geltend gemachten Auskunftsansprüche nicht in Form einer Negativauskunft erfüllt. Die Beklagte habe vielmehr lediglich bestritten, dass die dem Anspruch zu Grunde liegenden Tatsachen erfüllt seien.
12
Mit der arbeitsrechtlichen Abgeltungsvereinbarung vom 10.06.1998 habe der Kläger überdies nicht auf die nunmehr geltend gemachten Ansprüche verzichtet.
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Schließlich seien die geltend gemachten Ansprüche nicht verjährt. Der Kläger habe erst im Dezember 2016 überhaupt Kenntnis von dem Produkt „S.- Disc®“ erlangt und damit erfahren, dass die Beklagte seine Erfindung wirtschaftlich verwerte. Auf die Frage, ob das Produkt „S.- Disc®“ weitere von der Beklagten angemeldete Patente benutze, komme es nicht an. Die weiteren Patente der Beklagten seien von dieser auf der Grundlage des Streitpatents entwickelt worden.
Die Beklagte wird verurteilt,
1. Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte im Zeitraum vom 01.01.2008 bis zum 12.11.2016 im Geltungsbereich des Patents EP 0 864 053
Bremsscheiben, die eine Scheiben-Nabenverbindung zur Verbindung einer Bremsscheibe mit einer Nabe aufweisen, wobei a) die Bremsscheibe im inneren Umfangsbereich Abstützelemente aufweist, die radial nach innen vorstehen, b) die Nabe am äußeren Umfangsbereich Nocken aufweist, die radial nach außen vorstehen, und wobei c) Zwischenelemente zur Drehmoment- und Kraftübertragung von den Nocken der Nabe auf die Abstützelemente der Scheibe derart ausgestaltet sind, dass die Nocken der Nabe in die Zwischenelemente eingreifen,
insbesondere S.-Disc® -Bremsscheiben,
hergestellt, vertrieben, in Verkehr gebracht oder diesbezüglich Lizenzen an Dritte vergeben hat, und zwar in einem geordneten Verzeichnis unter Angabe
a) der Herstellungsmengen,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der jeweiligen gewerblichen Abnehmer,
c) der Namen und Anschriften der Lizenznehmer,
d) der erzielten Lizenzeinnahmen und/oder Einnahmen aus Kauf- und Austauschverträgen, sämtliche Angaben aufgeschlüsselt nach Kalenderjahren oder den betrieblichen Abrechnungszeiträumen;
2. nach erfolgter Rechnungslegung an den Kläger eine vom Gericht zu bestimmende angemessene Vergütung für die Benutzungshandlungen zu Ziff. 1 zu zahlen zzgl. Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz der europäischen Zentralbank seit den jeweiligen Abrechnungszeitpunkten für die Benutzungshandlungen (§ 288(2) BGB).
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Die Beklagte beantragt,
Die Klage wird abgewiesen.
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Die Beklagte ist der Meinung, mit ihrem Produkt „S.- Disc®“ von der technischen Lehre des EP‘053 keinen Gebrauch zu machen.
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Die an der Nabe befindlichen Nocken griffen nicht in die Zwischenelemente ein, weil diese L-förmig gestaltet seien. Die patentgemäß vorausgesetzte U-Form bildeten die Zwischenelemente dagegen gerade nicht aus. Vielmehr würden bei der von ihr angebotenen Ausführungsform zwei L-förmige Zwischenelemente zwischen Nocken und Bremsscheibe axial eingebracht und dann mit Hilfe eines Schraube-Feder-Elements verschraubt und damit verbunden. Ihre Ausführungsform basiere daher auf einem von dem Streitpatent abweichenden technischen Wirkprinzip. Während das Streitpatent einen absoluten Form- und Kraftschluss zwischen Bremsscheibe, Zwischenelement und Nocken der Nabe lehre, sehe die Ausführungsform „S.- Disc®“ ein Spaltmaß zwischen dem Zwischenelement und der Zahnflanke der Nocken der Nabe vor.
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Bei den Produkttests im Zeitraum der Jahre 1998/2000 handele es sich um vergütungsfreie Vorbereitungshandlungen, bei denen es um eine reine Erprobung ging. Das Stadium einer funktionell und fertigungstechnisch im Wesentlichen abgeschlossenen Konstruktion sei nicht erreicht worden. Vielmehr habe sich eine dem Streitpatent entsprechende erfindungsgemäße Produktgestaltung als nicht serientauglich erwiesen. Entsprechende Hitzerisstests hätten von zu Testzwecken entwickelten patentgemäßen Ausführungsformen nicht bestanden. Ein patentgemäßes, serienreifes Produkt habe die Beklagte nicht entwickeln können.
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Vielmehr benutze das Produkt „S.- Disc®“ die folgenden Schutzrechte der Beklagten:
- Gebrauchsmuster DE 29813236, Patent EP 1 023 542 B1: Verwendung des Stoffes „Molybdän“ zur Erhöhung der Festigkeit, Korrosionsbeständigkeit und Wärmefestigkeit (Bl. 97/100 d. Akte);
- Patent DE 19 918 069 B4: V-förmige Gestaltung der Zwischenelemente (Bl. 101/104 d. Akte);
- Patent EP 1 023 542 B1: Veränderte Scheibengeometrie, insbesondere mit am Innenumfang der Bremsscheibe stegartig ausgebildeten Luftkanälen (Bl. 105/109 d. Akte);
- Patent EP 1 238 204 B1: Verwendung eines Federelements zur Fixierung der Zwischenelemente (Bl. 110/112 d. Akte);
- Patent EP 1 728 002 B1: Geometrie der Zwischenelemente (Bl. 113/116 d. Akte);
- Gebrauchsmuster DE 20 2006 005437 U: Legierung der Bremsscheibe (Bl. 116/117 d. Akte).
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Zudem handele es sich bei dem Produkt „S.- Disc®“ auch nicht um abhängige Weiterentwicklungen der Erfindung des Klägers.
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Darüber hinaus ist die Beklagte der Ansicht, dass die von dem Kläger wegen seiner Diensterfindung geltend gemachten Ansprüche von der arbeitsrechtlichen Abgeltungsvereinbarung vom 10.06.1998 erfasst und schon aus diesem Grund ausgeschlossen seien. Überdies habe die Beklagte die geltend gemachten Auskunftsansprüche bereits in Form einer Negativauskunft erfüllt.
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Zumindest kämen die geltend gemachten Auskunftsansprüche allenfalls für eine Nutzung im Jahr 2016 in Betracht. Für sämtliche vermeintlich früher erfolgten Nutzung sei ohnehin Verjährung eingetreten.
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Schließlich gingen die geltend gemachten Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche der Rechtsfolge nach zu weit. Die Beklagte ist insoweit der Ansicht, dass Auskünfte zu Herstellungsmengen und den Namen und Anschriften von Abnehmern und Lizenznehmern nicht verlangt werden können. Da überdies nur eine mittelbare Patentbenutzung vorliege, müsste eine Einschränkung mit Blick auf die Lieferungen ins patentfreie Ausland erfolgen.
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Zur Ergänzung des Tatbestandes wird zudem auf die zwischen den Parteivertretern gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 09.12.2020 verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist im Umfang der auf der ersten Stufe gestellten Anträge zulässig und im tenorierten Umfang begründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Auskunftsund Rechnungslegungsansprüche für den Zeitraum vom 01.01.2013 bis 12.11.2016 zu (Ziff. I.). Die von dem Kläger in Bezug auf die streitgegenständliche Diensterfindung geltend gemachten Ansprüche sind nicht infolge der Abgeltungsvereinbarung vom 10.06.1998 ausgeschlossen (Ziff. II.). Überdies sind die Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche nicht wegen Erfüllung erloschen (Ziff. III.). Soweit der Kläger Auskunftsansprüche für den Zeitraum 01.01.2008 bis 31.12.2012 geltend macht, sind diese verjährt. Im Übrigen sind die geltend gemachten Ansprüche durchsetzbar (Ziff. IV.).
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I. Die von dem Kläger geltend gemachten Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche finden ihre Rechtsgrundlage in §§ 9, 12 ArbnErfG i.V.m. §§ 611, 675 Abs. 1, 311 Abs. 1, 242, 259 Abs. 1 BGB.
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1. Nachdem die Beklagte die von dem Kläger gemeinsam mit dem Miterfinder Die ter M. mit Schreiben vom 27.10.1995 (Anlage Y 1) gemeldete Diensterfindung mit der Anmeldung des Streitpatents EP‘053 unbeschränkt in Anspruch genommen hat, steht dem Kläger als Hilfsanspruch zu dem Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Arbeitnehmererfindervergütung gemäß §§ 9, 12 ArbnErfG ein Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung gemäß §§ 242, 259 BGB zu (BGH, GRUR 1994, 898, 900 - Copolyester; GRUR 1998, 684, 687 - Spulkopf; GRUR 2010, 223, 224 - Türinnenverstärkung; OLG München, GRUR-RR 2018, 137, 138 - Spantenmontagevorrichtung; OLG Düsseldorf Urt. v. 28.02.2014 - I-2 U 109/11, BeckRS 2014, 5729). Dabei macht es hinsichtlich des Grundes des Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchs keinen Unterschied, ob der Erfinder mit seinem Hauptanspruch die erstmalige Festsetzung und Zahlung einer Vergütung oder die Zahlung einer weiteren Vergütung aufgrund einer Neufestsetzung der Vergütung oder ob er eine weitere, höhere Vergütung mit der Behauptung verlangt, eine Festsetzung der Vergütung durch den Arbeitgeber liege nicht vor. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass ein Vergütungsanspruch dem Grunde nach besteht (vgl. BGH, NJW 1995, 386, 387).
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a. Die Gewährung eines Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchs beruht mit Blick auf Arbeitnehmer auf folgenden Erwägungen: Mit unbeschränkter Inanspruchnahme einer Diensterfindung seitens des Arbeitgebers entsteht gemäß §§ 9, 12 ArbnErfG dem Grunde nach ein Anspruch des Arbeitnehmers auf eine angemessene Vergütung, für deren Bemessung insbesondere die wirtschaftliche Verwertbarkeit der streitgegenständlichen Erfindung (Erfindungswert), die Aufgaben und Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb des Arbeitgebers sowie der Anteil des Arbeitgebers an dem Zustandekommen der Diensterfindung maßgebend sind. Während ein Arbeitnehmer die beiden letztgenannten Faktoren regelmäßig aus eigener Kenntnis bewerten oder ohne weiteres Informationen einholen kann, ist er in der Regel nicht in der Lage, sich ein hinreichendes Bild über den Wert seiner Erfindung für den Arbeitgeber zu machen. Deshalb ist ihm nach den Grundsätzen von Treu und Glauben als Hilfsmittel zur Ermittlung der Höhe der ihm zustehenden Erfindervergütung ein Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch zur Seite gestellt, mittels dessen der Arbeitnehmer den wirtschaftlichen Wert seiner Erfindung für den Arbeitgeber bestimmen können muss und der es ihm ermöglichen soll, die wirtschaftlichen Vorteile zu beziffern, die der Arbeitgeber tatsächlich aus der Erfindungsverwertung zieht (vgl. BGH, GRUR 1994, 898, 899 f. - Copolyester).
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b. Auf diese Grundsätze kann sich der Kläger berufen: Gemäß Ziff. 9 des Geschäftsführeranstellungsvertrages vom 24.08.1995 haben die Parteien vereinbart, dass die Bestimmungen des Arbeitnehmererfindungsgesetzes einschließlich hierzu ergangener Richtlinien für Diensterfindungen des Klägers Anwendung finden und auch nach dem Ausscheiden des Klägers aus dem Betrieb der Beklagten weiter gelten sollen. Zwar handelt es sich bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Geschäftsführeranstellungsvertrag um einen auf Geschäftsbesorgung durch Ausübung des organschaftlichen Geschäftsführeramtes gerichteten freien Dienstvertrag gemäß §§ 611, 675 Abs. 1, 311 Abs. 1 BGB und gerade keine abhängige Beschäftigung im Rahmen eines Arbeitsvertrages (vgl. BGH, NZA 2010, 889, 890; BGH, DStR 2016, 1762, 1763). Die Regelungen des Arbeitnehmererfindungsgesetzes finden daher ex lege auf sogenannte Organerfinder wie den GmbH-Geschäftsführer dem Grunde nach keine Anwendung (Schwab, Arbeitnehmererfindungsrecht, 4. Aufl. 2018, § 9 ArbnErfG, Rn. 46). Mit der Vereinbarung gemäß Ziff. 9 des Geschäftsführeranstellungsvertrages wollten die Parteien aber den Kläger im Hinblick auf Diensterfindungen gerade einem Arbeitnehmer gleichstellen. Eine entsprechende Gleichstellung kann nur erreicht werden, wenn auf das zwischen den Parteien bestehende Rechtsverhältnis auch die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu den die gesetzlichen Ansprüche flankierenden Hilfsansprüchen Anwendung finden.
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Dagegen spricht auch nicht die Stellung des Klägers als ehemaliger Geschäftsführer der Beklagten. Bei dem Kläger als Geschäftsführer und damit organschaftlichem Vertreter der Beklagten ist zwar grundsätzlich nicht das einem Arbeitnehmer vergleichbare Informationsdefizit vorhanden. Dies gilt jedoch allefalls solange das Geschäftsführeranstellungsverhältnis Bestand hat. Der Kläger ist aber zum 30.06.1998 aus dem Betrieb der Beklagten ausgeschieden. Zum Zeitpunkt seines Ausscheidens war ausgehend von der Diensterfindung des Klägers noch kein serienreifes Produkt entwickelt worden. Über die im Anschluss erfolgten technischen und wirtschaftlichen Entwicklungen hatte der Kläger keine Kenntnisse. Seinem insoweit unwidersprochenen Vortrag nach hat der Kläger vielmehr erst im Jahr 2016 von dem Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform „S.- Disc®“ erfahren.
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2. Der für den geltend gemachten Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch notwendige Vergütungsanspruch gemäß §§ 9, 12 ArbnErfG ist mit der durch die Patentanmeldung erfolgten unbeschränkten Inanspruchnahme der streitgegenständlichen Diensterfindung dem Grunde nach entstanden.
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3. Vergütungsansprüche kommen zudem insbesondere mit Blick auf das streitgegenständliche Produkt „S.- Disc®“ in Betracht. Bei dem Produkt „S.- Disc®“ handelt es sich um eine Bremsscheibe, die von den entsprechenden erfindungsgemäßen Merkmalen der gemäß dem Streitpatent EP‘053 geschützten Diensterfindung des Klägers in wortsinngemäßer Weise Gebrauch macht:
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a. Das Streitpatent betrifft eine Bremsscheiben-/Nabenverbindung für Fahrzeug scheibenbremsen insbesondere für Nutzfahrzeuge. Aus dem Stand der Technik bekannte Scheiben-/Nabenverbindungen werden entweder ein- oder zweistückig angefertigt. Bei einstückigen Ausführungsformen bestehen Bremsscheibe und Nabe aus einem Guß. Zweistückige Ausführungsformen bestehen dagegen aus einer Bremsscheibe und einer baulich davon getrennten Nabe. Dem relevanten Fachmann ist bekannt, dass einstückige Ausführungsformen bei Nutzfahrzeugen nachteilhaft sind, weil es auf Grund deren Gewichts und der infolgedessen bei Bremsvorgängen auftretenden Belastungen und der damit einhergehenden Erhitzung der Scheibe vermehrt zu Dehnungs- und Rissproblemen kommen kann (EP‘053, Abs. [0002]). Über die hohen Anforderungen an die Rissstabilität hinaus ergibt sich bei Scheiben-/Nabenverbindungen für Nutzfahrzeuge auf Grund des nur eingeschränkt zur Verfügung stehenden Bauraums die Notwendigkeit, dass zweistückige Ausführungsformen im Wesentlichen die gleiche Raumgröße wie einstückige Ausführungsformen ausfüllen (Abs. [0003], EP‘053).
34
Aus der Patentschrift DE 34 36 729 ist im Stand der Technik eine insbesondere für Krane gedachte zweistückige Scheiben-/Nabenverbindung bekannt, deren Bremsscheibe im inneren Umfangbereich halbkreisförmige Ausnehmungen aufweist. Die Nabe ist an ihrem Außenumfang ebenfalls mit halbkreisartigen Ausnehmungen versehen, so dass die Nabe am äußeren Umfangsbereich „Nocken“ aufweist, die radial nach außen vorstehen. Dabei dienen Zwischenelemente in folgender Weise zur Drehmomentübertragung zwischen Nabe und Scheibe: werden Nabe und Scheibe zusammengesetzt, liegen sich die halbkreisförmigen Ausnehmungen von Nabe und Scheibe jeweils gegenüber, so dass zwischen Nabe und Scheibe kreisförmige Ausnehmungen entstehen. In diese Ausnehmungen werden Hülsen eingesetzt, die axial mit Schrauben und Scheiben gesichert sind. Diese Lösung ermöglicht es zwar, die durch Temperaturunterschiede zwischen Nabe und Scheibe entstehenden Überbeanspruchungen teilweise auszuschließen. Allerdings eignet sich die im Stand der Technik vorgeschlagene Konstruktion nicht für die Kraftübertragung bei sich schneller bewegenden und damit höheren Bremskräften ausgesetzten Nutzfahrzeugen (Abs. [0004], EP‘053).
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b. Ausgehend von diesem Stand der Technik stellt sich das Streitpatent die Auf gabe, eine sichere Kraftübertragung zwischen Nabe und Scheibe zu gewährleisten und zugleich eine einfachere Montage zu ermöglichen. Hierfür schlägt die streitgegenständliche Erfindung eine Scheiben-/Nabenverbindung mit den Merkmalen des Hauptanspruchs 1 des EP‘053 vor, die nachfolgend in Anlehnung an die vom Kläger vorgeschlagene Merkmalsgliederung wiedergegeben werden (Bl. 7 d. Akte):
M1
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Scheiben-/Nabenverbindung (1) zur Verbindung einer Bremsscheibe (2) mit einer Nabe (3), insbesondere für NutzfahrzeugScheibenbremsen, wobei
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M2
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a) die Bremsscheibe (2) im inneren Umfangsbereich Abstützelemente (7) aufweist,
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M2.1
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die radial nach innen vorstehen,
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M3
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b) die Nabe (3) am äußeren Umfangsbereich Nocken (8) aufweist,
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M3.1
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die radial nach außen vorstehen, und wobei
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M4
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c) Zwischenelemente (9) zur Drehmoment- und Kraftübertragung von den Nocken (8) der Nabe (3) auf die Abstützelemente (7) der Scheibe (2) derart ausgestaltet sind,
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M4.1
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dass die Nocken (8) der Nabe (3) in die Zwischenelemente (9) eingreifen.
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c. Zur Beurteilung, ob das Produkt „S.- Disc®“ die einzelnen technischen Merk male der streitgegenständlichen Erfindung verwirklicht, ist der Schutzbereich des Streitpatents durch Auslegung zu bestimmen. Ziel der Auslegung eines Patentanspruchs ist es, dessen Sinngehalt zu ermitteln. Maßgebend ist dabei der Offenbarungsgehalt der Patentansprüche und ergänzend - im Sinne einer Auslegungshilfe - der Offenbarungsgehalt der Patentschrift, soweit dieser Niederschlag in den Ansprüchen gefunden hat (BGH, NJW-RR 2000, 259, 261 - Spannschraube). Die zur Ermittlung des Offenbarungsgehalts eines Patentanspruchs notwendige Auslegung dient dabei dazu, die technische Lehre des Klagepatents zu erfassen, wie sie aus fachmännischer Sicht - d.h. unter Berücksichtigung des Vorverständnisses, das sich aus dem Fachwissen und Fachkönnen des von der Erfindung angesprochenen Fachmanns ergibt - mit dem Wortlaut des Anspruchs zum Ausdruck gebracht wird. Entscheidend ist damit eine funktionale Auslegung der Schutzansprüche und der darin verwendeten Begriffe, um deren technischen Sinn unter Berücksichtigung von Aufgabe und Lösung, wie sie sich objektiv aus dem Klagepatent ergeben, zu bestimmen (BGH, BeckRS 2015, 19864 Rn. 16 - Luftkappensystem). Maßgeblich sind insoweit der Sinngehalt eines Patentanspruchs in seiner Gesamtheit und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der geschützten Erfindung beitragen. Aus der Funktion der einzelnen Merkmale im Kontext des Patentanspruchs ist abzuleiten, welches technische Problem diese Merkmale für sich und in ihrer Gesamtheit tatsächlich lösen (BGH, a.a.O.; GRUR 2012, 1124, 1126, Rn. 27 - Polymerschaum). Die Patentschrift ist dazu in einem sinnvollen Zusammenhang zu lesen und ihren Gesamtinhalt im Zweifel so zu verstehen, dass sich Widersprüche nicht ergeben (BGH, BeckRS 2015, 13347, Rn. 22 - Kreuzgestänge; GRUR 2015, 159, 161, Rn. 31 - Zugriffsrechte; GRUR 2011, 701, 703, Rn. 24 - Okklusionsvorrichtung). Ergeben sich indes unauflösbare Widersprüche zwischen der technischen Lehre der Beschreibung und der technischen Lehre der Schutzansprüche, ist der Patentanspruch maßgeblich (BGH, BeckRS 2015, 13347, Rn. 22 - Kreuzgestänge; GRUR 2011, 701, 703, Rn. 23 a.E. - Okklusionsvorrichtung). Im Rahmen der Auslegung dürfen Beschreibung und Zeichnungen zudem weder zu einer inhaltlichen Erweiterung, noch zu einer sachlichen Einengung des durch den Wortsinn des Patentanspruchs festgelegten Schutzgegenstandes führen (BGH, GRUR 2011, 701, 703, Rn. 23 a.E. - Okklusionsvorrichtung; GRUR 2010, 602, 605, Rn. 27 - Gelenkanordnung). Soweit sich indes die Beschreibung als Erläuterung des Gegenstands des Patentanspruchs lesen lässt, ist sie zu berücksichtigen (BGH, GRUR 2011, 701, 703, Rn. 23 a.E. - Okklusionsvorrichtung). Als übergreifenden Gesichtspunkt hat die Auslegung schließlich neben dem Gesichtspunkt eines angemessenen Schutzes der erfinderischen Leistung das gleichgewichtig danebenstehende Gebot der Rechtssicherheit zu beachten (BGH, GRUR 2007, 1059, 1062, Rn. 25 - Zerfallszeitmessgerät).
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d. Vor diesem Hintergrund gilt hier Folgendes: Der angesprochene Fachmann, ein Ingenieur mit Hochschulabschluss in den Fachgebieten Maschinenbau oder Physik mit mehrjähriger Praxiserfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung von Bremsen und Bremssystemen für Nutzfahrzeuge, versteht die Merkmale des Hauptanspruchs 1 des Streitpatents dahingehend, dass eine im Wesentlichen zweistückige, nach dem Nutund-Feder-Prinzip funktionierende Scheiben- /Nabenverbindung beschrieben wird. Entgegen der Beklagten kommt es für eine erfindungsgemäße Ausführungsform nicht darauf an, ob eine Rissbildung bei der Bremsscheibe sicher vermieden wird. Anhaltspunkte für eine entsprechende funktionale Vorgabe sind dem Wortlaut des Hauptanspruchs 1 nicht zu entnehmen. Der Hauptanspruch 1 beschreibt vielmehr die dem Streitpatent zu Grunde liegende erfinderische Idee, zur Kraft- und Drehmomentübertragung derart ausgestaltete Zwischenelemente zu verwenden, dass die an der Nabe befindlichen Nocken in die fraglichen Zwischenelemente eingreifen. Soweit die Beschreibung des Streitpatents in Abs. [0006] lehrt, dass infolge der Entkopplung von Scheibe und Nabe durch die Erwärmung der Bremsscheibe bedingte Rissbildungen sicher verhindert werden, wurde eine entsprechende Zweckangabe nicht in den Anspruch aufgenommen. Der angesprochene Fachmann versteht daher die Verhinderung einer Rissbildung als Teil der allgemeinen Aufgabenstellung der streitgegenständlichen Erfindung, die sich indes danach bemisst, was die Erfindung tatsächlich leistet (BGH, GRUR 2010, 602, 605 - Gelenkanordnung). Dabei kann das als Aufgabe der Erfindung Bezeichnete einen Hinweis auf das richtige Verständnis enthalten. Für die Angaben der Beschreibung zur Aufgabe der Erfindung gilt jedoch wie auch sonst für die Beschreibung der Vorrang des Patentanspruchs gegenüber dem übrigen Inhalt der Patentschrift. Die Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen darf auch insoweit gerade nicht zu einer sachlichen Einengung des durch den Wortlaut des Patentanspruchs festgelegten Gegenstands führen (BGH, a.a.O. - Gelenkanordnung; BGH, GRUR 2007, 778, 779 - Ziehmaschinenzugeinheit; BGH, GRUR 2004, 1023, 1024 - Bodenseitige Vereinzelungsvorrichtung).
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e. Erläuterungsbedürftig ist darüber hinaus lediglich die zwischen den Parteien streitig diskutierte Merkmalsgruppe 4: Demnach setzt eine erfindungsgemäße Scheiben-/Nabenverbindung die Verwendung von Zwischenelementen zur Drehmoment- und Kraftübertragung von den Nocken der Nabe auf die Abstützelemente der Scheibe voraus, die derart ausgestaltet sind, dass die Nocken der Nabe in die Zwischenelemente eingreifen. Als in den Patentansprüchen und in der Patentbeschreibung verwendetes Merkmal ist der Begriff des Zwischenelements so zu deuten, wie der angesprochene Durchschnittsfachmann den fraglichen Begriff nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift unter Berücksichtigung von Aufgabe und Lösung der Erfindung versteht (BGH, NJW-RR 2000, 259, 261 - Spannschraube, GRUR 2020, 159, 160, Rn. 13 - Lenkergetriebe). Ausgehend von Abs. [0006] und Abs. [0018] ist das Verständnis des angesprochene Fachmanns, dass die dem Streitpatent zu Grunde liegende Aufgabe, Rissbildungen zu vermeiden, zum einen über die Trennung der Scheiben- /Nabenverbindung in die zwei separaten Bauteile (Scheibe und Nabe; Abs. [0006]) und zum anderen über die radiale Verschiebbarkeit der Zwischenelemente gegenüber der Bremsscheibe (Abs. [0018]) erfüllt werden soll. Das Merkmal der radialen Verschiebbarkeit ist indes als Gegenstand eines selbständigen Ausführungsbeispiels gemäß dem abhängigen Unteranspruch 5 geschützt und kann daher nicht als einschränkender Bestandteil in den Hauptanspruch 1 hineingelesen werden. Hinsichtlich der funktionalen Zielsetzung der gemäß Merkmalsgruppe 4 erforderlichen Zwischenelemente erkennt der Fachmann vielmehr aus Abs. [0007], dass diese darin besteht, einen Form- und Kraftschluss herzustellen, der eine uneingeschränkte sichere Übertragung der während der Bremsvorgänge auftretenden Kräfte und Momente zwischen Scheibe und Nabe erlaubt.
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Spezielle räumlichkörperliche Vorgaben zur Ausgestaltung der Zwischenelemente sind der in Hauptanspruch 1 zum Ausdruck kommenden, grundlegenden erfinderischen Idee des Streitpatents dagegen nicht zu entnehmen. Soweit das Streitpatent gemäß Abs. [0018] die Verwendung eines im Wesentlichen U-förmigen Zwischenelements lehrt, hat eine entsprechende Beschränkung keinen Niederschlag in dem Hauptanspruch 1 gefunden. Vielmehr handelt es sich um ein gemäß Unteranspruch 6 gesondert geschütztes Ausführungsbeispiel, das einen besonderen Aspekt der Erfindung des Klägers gesondert schützt.
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Überdies entnimmt der Fachmann dem Streitpatent keine dahingehenden Vorgaben, dass das Zwischenelement als einstückiges Bauteil ausgestaltet sein muss. Vielmehr ist bei der gebotenen funktionalen Betrachtung allein entscheidend, dass das Zwischenelement im montierten Zustand so ausgestaltet ist, dass es einen erfindungsgemäßen Kraft- und Formschluss zur Kraft- und Drehmomentübertragung ermöglicht. Vor diesem Hintergrund macht es bei funktionaler Betrachtung mit Blick auf die gemäß Unteranspruch 6 gesondert geschützte, im Wesentlichen U-förmige Gestaltung des Zwischenelements auch keinen Unterschied, ob dieses aus einem Guss in entsprechender Form gefertigt und dann montiert wird, oder ob ein aus mehreren Einzelteilen bestehendes Zwischenelement im montierten Zustand eine entsprechende, im Wesentlichen U-förmige Gestaltung aufweist.
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f. Dieses Merkmalsverständnis zu Grunde gelegt, handelt es sich bei dem Pro dukt „S.- Disc®“ um eine erfindungsgemäße Bremsscheibe. Die Bremsscheibe „S.- Disc®“ ist ein separates Bauteil einer Scheiben-/Nabenverbindung von Nutzfahrzeugen und weist nach dem in Merkmalsgruppen 2 und 3 zum Ausdruck kommenden Nutund-Feder-Prinzip im inneren Umfangsbereich radial nach innen vorstehende Abstützelemente auf. Die Bremsscheibe „S.- Disc®“ wird der Serviceanleitung zufolge so an den nicht zum Lieferumfang zählenden Fahrzeugnaben montiert, dass die Zwischenelemente zwischen Bremsscheibenzähnen (entspricht den erfindungsgemäßen Abstützelementen) und den an den Fahrzeugnaben ausgebildeten Nabenzähnen (entspricht den erfindungsgemäßen Nocken) eingeklemmt werden (Anlage X 4, Seite 8). Dass die in dem Produkt der Beklagten verwendeten Zwischenelemente dagegen mehrstückig und nicht als einheitliches Bauteil gestaltet sind, steht der Nutzung der streitgegenständlichen Diensterfindung nicht entgegen. Gemäß Hauptanspruch 1 des Streitpatents ist die Gestaltung des Zwischenelements in räumlichkörperlicher Hinsicht gerade nicht dahingehend eingeschränkt. Vielmehr lässt die Erfindung die konkrete Ausgestaltung anspruchsgemäßer Zwischenelemente offen und erlaubt so unterschiedliche, den erfindungsgemäßen Grundgedanken verwirklichende Gestaltungsformen. Entscheidend ist insoweit eine funktionale Betrachtung. Bei der gebotenen funktionalen Betrachtung macht es indes gerade keinen Unterschied, ob ein Form- und Kraftschluss zur Kraft- und Drehmomentübertragung dadurch bewirkt wird, dass ein einstückiges Zwischenelement in die Bremsscheibe eingeschoben wird, oder ob - wie aus den nachstehend abgebildeten Lichtbildern ersichtlich - ein entsprechender Form- und Kraftschluss durch schrittweise Montage bewirkt wird, indem über zwei gesondert eingeschobene Zwischenelemente ein Schraube-Feder-Element gelegt und dann verschraubt wird. Im montierten Zustand setzt sich das Zwischenelement des Produkts „S.- Disc®“ aus jeweils wie nachfolgend abgebildet zwei gefalteten Metallelementen und einem Schrauben-Feder-Element zusammen (zu den Abbildungen siehe die Übersicht in der Klageerwiderung gem. Bl. 26/29 d. Akte):
Gefaltetes Metallelement 1:
Gefaltetes Metallelement 2:
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Für die Montage wird wie aus der nachstehenden Abbildung ersichtlich die Bremsscheibe zunächst dem Nutund-Feder-Prinzip folgend auf die Nabe aufgesetzt.
Bremsscheibe:
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Ausschnitt einer auf eine Nabe aufgesetzten Bremsscheibe:
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Sodann wird jeweils auf beiden Seiten der an der Nabe ausgebildeten Nocken jeweils eines der gefalteten Metallelemente in den Spaltbereich zwischen Nocke der Nabe und Abstützelement der Bremsscheibe eingefügt:
Einfügen des ersten gefalteten Metallelements:
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Einfügen des zweiten gefalteten Metallelements:
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Abschließend werden die beiden gefalteten Metallelemente über ein Federelement verbunden und mit einer Schraube befestigt:
Verbindung über Feder-Element:
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Befestigung mittels Schraube:
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Dabei entspricht auch die Verschraubung der dem Streitpatent zu Grunde liegenden erfinderischen Idee. Gemäß dessen Abs. [0018] werden die Zwischenelemente - was die Beklagte in der lichtbildlichen Darstellung der aus ihrer Sicht zwingend einstückigen Zwischenelemente in der Klageerwiderung (Bl. 29 d. Akte) nicht darstellt - zur axialen Fixierung jeweils über einen Schraubbolzen miteinander verbunden.
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Damit greifen im Ergebnis sowohl bei einstückiger wie auch bei der im Rahmen des Produkts „S.- Disc®“ erfolgten mehrstückigen Gestaltung der Zwischenelemente die an der Nabe angebrachten Nocken in die Zwischenelemente ein und ermöglichen so den erfindungsgemäßen Form- und Kraftschluss zur Kraft- und Drehmomentübertragung. Letztlich weisen die zwei über das Schraube-FederElement miteinander verbundenen Metallelemente nicht anders, als dies in Unteranspruch 6 des Streitpatents offenbart wird, ein im Wesentlichen U-förmiges Zwischenelement auf. Die Reihenfolge des Einbaus hat auf dessen funktionale Wirkung als Element zur Kraft- und Drehmomentübertragung ebenso wenig Einfluss wie die Frage, ob das Zwischenelement von Anfang an in einem Stück eingesetzt oder Stück für Stück eingesetzt und zu einem einheitlichen Element verschraubt wird.
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Dass - wie die Beklagte meint - das Federelement an der Kraft- und Drehmomentübertragung funktional nicht mitwirkt, ist nach Überzeugung der Kammer dagegen nicht nachvollziehbar. Aus allgemeinen physikalischen Grundprinzipien folgt im Gegenteil, dass die Verschraubung die gefalteten Metallelemente fixiert und im Falle einer Krafteinwirkung damit zu einer entsprechenden Kraftübertragung zwischen Bremsscheibe und Nabe beiträgt und folglich die Bremswirkung so mit ermöglicht.
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4. Überdies verfängt auch das Argument, wonach das Produkt „S.- Disc®“ eine eigenständige Produktentwicklung darstelle, die andere Patente der Beklagten verwirkliche, nicht. Für die Frage, ob die Beklagte von der erfinderischen Lehre des Klägers Gebrauch macht, ist nicht entscheidend, ob und ggf. welche weiteren Patente verwendet werden. Vielmehr kommt es allein darauf an, dass - wie ausgeführt - das Produkt „S.- Disc®“ die technischen Merkmale der Diensterfindung des Klägers verwirklicht.
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Dazu kommt, dass die folgenden, von der Beklagten genannten Patente ausdrücklich auf die Prioritätsschrift DE 195 44 559 des EP‘053 und damit die Diensterfindung des Klägers Bezug nehmen und auf deren Grundlage unter Verweis auf die entsprechende, als bewährt bezeichnete Technologie spezifischen Verbesserungsbedarf aufzeigen. So heißt es in Abs. [0004] des Patents EP 1 023 542 B1 (Bl. 97/100, 105/109 d. Akte) ausdrücklich: „Der Aufbau der gattungsgemäßen Bremsscheibe hat sich zwar prinzipiell bewährt. In diesem Zusammenhang sei auch auf die DE 195 44 559 C1 verwiesen. Verbesserungsbedarf besteht allerdings in Hinsicht auf eine weitere Verringerung der Neigung der Scheibe zur Rissbildung und in Hinsicht auf die Erhöhung der Lebensdauer der Scheibe.“ Abs. [0004] des nationalen Patents DE 19 918 069 B4 (vgl. Bl. 101/104 d. Akte) weißt ausdrücklich auf die dem Schutzrecht zu Grunde liegende, aus dem Streitpatent bekannte Erfindung hin: „Eine Bremsscheibe mit den gattungsgemäßen Merkmalen, also eine innenbelüftete Bremsscheibe mit zwei Reibringen nebst zugehöriger Bremsscheibennabe, sind aus dem deutschen Patent DE 195 44 559 C1 bekannt.“ Das auf Bl. 110/112 d. Akte von der Beklagten beschriebene Schutzrecht verweist in dessen Abs. [0003] auf die Patentanmeldung DE 198 39 344 A1, die wiederum in deren Abs. [0002] ausdrücklich auf die aus dem deutschen Patent DE 195 44 559 C1 bekannte Bremsscheibe verweist, welche sich gemäß Abs. [0003] „an sich bewährt“ hat. Das auf Bl. 113/116 d. Akte von der Beklagten beschriebene Patent EP 1 728 002 B1 verweist in dessen Abs. [0002] auf das vorstehend genannte Patent DE 19 918 069, das - wie dargestellt - wiederum auf die ihm zu Grunde liegende Diensterfindung des Klägers Bezug nimmt.
50
Allein das von der Beklagten zuletzt auf Bl. 116/117 d. Akte beschriebene Gebrauchsmuster DE 20 2006 005437 U, welches eine spezielle Legierung für Bremsscheiben unter Schutz stellt, enthält keine Bezugnahme auf die Diensterfindung des Klägers. Dies vermag aus Sicht der Kammer indes nichts daran zu ändern, dass die von der Beklagten aufgezeigte Schutzrechtsvielfalt der ihrerseits erfolgten Verwertung der Diensterfindung des Klägers nicht entgegensteht. Ganz im Gegenteil zeigen die vielfältigen Verweise und Bezugnahmen auf die Diensterfindung des Klägers in den von der Beklagten genannten Schutzrechten, dass diese einen grundlegenden Ausgangspunkt der weiteren Entwicklungsarbeiten der Beklagten darstellt.
51
5. Der Rechtsfolge nach kann der Kläger in dem von ihm beantragten Umfang Auskunft- und Rechenschaftslegung in einem geordneten Verzeichnis unter Angabe der Herstellungsmengen, der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und preisen sowie den Namen und Anschriften der jeweiligen gewerblichen Abnehmer, der Namen und Anschriften der Lizenznehmer, sowie der erzielten Lizenzeinnahmen und/oder Einnahmen aus Kauf- und Austauschverträgen, sämtliche Angaben aufgeschlüsselt nach Kalenderjahren oder den betrieblichen Abrechnungszeiträumen verlangen.
52
Die Herstellungsmengen ebenso wie Namen und Anschriften von Abnehmern und Lizenznehmern stellen notwendige Angaben dar, die dem Kläger sowohl eine wesentliche Grundlage für die Berechnung einer Vergütung nach den Maßstäben der Lizenzanalogie bieten als auch eine Überprüfung der ihm mitgeteilten Angaben auf deren Wahrheitsgehalt ermöglichen (vgl. BGH, GRUR 2010, 223, 227 - Türinnenverstärkung; BGH, GRUR 2003, 789 - Abwasserbehandlung; OLG Frankfurt a. M. Urt. v. 7.12.2017 - 6 U 204/16, BeckRS 2017, 138234, Rn. 36).
53
Überdies ist auch eine Einschränkung des Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchs mit Blick auf Lieferungen des Produkts „S.- Disc®“ ins patentfreie Ausland entgegen der Beklagten nicht angezeigt. Auch mittelbare Patentbenutzungen stellen vergütungspflichtige Verwertungshandlungen dar (Engemann in Boemke/Kursawe, Arbeitnehmererfindungengesetz, 1. Aufl. 2015, § 9 Rn. 183). Dafür spricht auch der Sinn und Zweck der Arbeitnehmererfindervergütung, die eine Partizipation des Erfinders an der wirtschaftlichen Verwertung seiner Erfindung durch seinen Arbeitgeber sicherstellen soll. Liefert die Beklagte indes patentgemäße Bremsscheiben als erfindungswesentliches Element ins Ausland, fließen ihr auch insoweit in Gestalt der hiermit erzielten Veräußerungserlöse gerade für die Verwertung der streitgegenständlichen Diensterfindung entsprechende wirtschaftliche Vorteile zu.
54
II. Den von dem Kläger geltend gemachten Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche steht weiter die von der Beklagten als Anlage Y 3 vorgelegten Abgeltungsvereinbarung vom 10.06.1998 nicht entgegen. Der Formulierung, wonach
„mit dieser Vereinbarung … alle gegenseitigen Ansprüche aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, welcher Art auch immer, abgegolten“
sind, lässt einen hinreichenden Verzichtswillen des Klägers auf arbeitnehmererfinderrechtliche Ansprüche nicht erkennen. Allgemein und pauschal formulierte Ausgleichsklauseln erfassen Ansprüche auf Arbeitnehmererfindervergütung grundsätzlich nicht (Regh in Hümmerich/Lücke/Mauer, Arbeitsrecht, 9. Aufl. 2018, § 4 Rn. 490; Rolfs in: Preis, Der Arbeitsvertrag, 6. Aufl. 2020, Hinweise zur Vertragsgestaltung, Rn. 104). Eine durch individualvertragliche Vereinbarung dem Grunde nach mögliche Verzichtsvereinbarung würde voraussetzen, dass sich der Verzichtende der Bedeutung seines Handelns bewusst und im Klaren ist, gesetzliche Vergütungsansprüche preis zu geben, er die wirtschaftliche Tragweite überschaut und sich nicht in einer arbeitsbezogenen Drucksituation befindet (vgl. LG Düsseldorf, Teilurteil v. 11.12.2007 - 4b O 69/07, BeckRS 2010, 18256).
55
Diese Voraussetzungen eines wirksamen Verzichts sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt: Die Abgeltungsklausel ist rein pauschal formuliert. Eine Bezugnahme auf arbeitnehmererfinderrechtliche Ansprüche ist nicht erfolgt. Vielmehr ist die Abgeltungsvereinbarung ihrem Wortlaut nach auf Ansprüche „aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ beschränkt. Zudem sollen arbeitnehmererfinderrechtliche Ansprüche gemäß Ziff. 9 Abs. 3 des Geschäftsführeranstellungsvertrages vom 24.08.1995 (Anlage X 1) auch nach dem Ausscheiden aus dem Unternehmen ihre Gültigkeit behalten. Ein arbeitnehmererfinderrechtliche Ansprüche umfassender Verzicht scheidet vor diesem Hintergrund ersichtlich aus.
56
III. Weiter sind die von dem Kläger geltend gemachten Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche nicht gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen. Der von der Beklagten geltend gemachte Einwand der Erfüllung greift nicht durch.
57
Soweit die Beklagte sich darauf beruft, eine Negativauskunft erstattet zu haben, kann ihrer Einlassung nicht gefolgt werden. Die Einwendung der Beklagten, das Streitpatent nicht über die Nutzung als Sperrpatent hinaus wirtschaftlich verwertet zu haben, da dieses auf einem anderen technischen Wirkprinzip als das Streitpatent beruht, stellt keine Negativauskunft in Bezug auf das Produkt „S.- Disc®“ dar. Die Beklagte bestreitet mit ihrem Vortrag lediglich die Voraussetzungen einer erfindungsgemäßen Gestaltung des fraglichen Produkts. Nach zutreffender Ansicht macht das Produkt „S.- Disc®“ aber von der streitgegenständlichen Erfindung Gebrauch. Insoweit ist eine Auskunft insbesondere betreffend entsprechende Herstellungs- und Absatzmengen, Abnehmer und Lizenznehmer sowie Preise und Lizenzeinnahmen nicht erfolgt, so dass eine Erfüllung bereits im Ansatz nicht in Betracht kommt.
58
IV. Die von dem Kläger geltend gemachten Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche sind jedoch nur für den Zeitraum von 01.01.2013 bis 12.11.2016 durchsetzbar. Im Übrigen beruft sich die Beklagte zu Recht auf die Einrede der Verjährung gemäß § 214 Abs. 1 BGB.
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1. Bei den von dem Kläger geltend gemachten Auskunft- und Rechnungslegungs ansprüchen handelt es sich um Hilfsansprüche zur Berechnung des ihm zustehenden Anspruchs auf Zahlung einer angemessenen Arbeitnehmererfindervergütung (OLG München, GRUR-RR 2018, 137, 138 - Spantenmontagevorrichtung). Als Hilfsansprüche unterliegen Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche - anders als Ersatz- und Nebenansprüche - einer selbständigen Verjährung, auf welche mangels einer anderweitigen Spezialregelung die allgemeinen Verjährungsvorschriften der §§ 194 ff. BGB Anwendung finden (vgl. BGH, NJW 2017, 2755, 2756; OLG Frankfurt a. M. Urt. v. 16.05.2013 - 6 U 39/12, BeckRS 2013, 202177, Rn. 27).
60
Obwohl die Inanspruchnahme der Diensterfindung bereits mit der Patentanmeldung im Jahr 1996 erfolgt ist, sind in zeitlicher Hinsicht die §§ 194 ff. BGB in der seit 01.01.2002 geltenden Fassung und damit die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB maßgeblich. Gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB ist die Verjährung nach den ab 01.01.2002 gültigen Verjährungsvorschriften zu berechnen, wenn die Verjährungsfrist nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der Fassung seit dem 01.01.2002 kürzer als nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung ist. Noch nicht konkretisierte Vergütungsansprüche sowie entsprechende Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche verjährten nach der vor dem 01.01.2002 geltenden Rechtslage binnen der Regelverjährungsfrist von 30 Jahren, während seit dem 01.01.2002 eine Regelverjährungsfrist von 3 Jahren gilt (zur nach altem Recht maßgeblichen Verjährung siehe BGH, GRUR 1977, 784, 786 - Blitzlichtgeräte). Lediglich für - wie hier noch nicht erfolgte - bereits konkretisierte Vergütungsansprüche galt gemäß § 196 Abs. 1 Nr. 8, 9 BGB a.F. eine im Vergleich zu der Rechtslage seit 01.01.2002 kürzere, zweijährige Verjährungsfrist (OLG Düsseldorf Urt. v. 9.8.2007 - 2 U 41/06, BeckRS 2008, 7987, Rn. 128).
61
Nichts anderes ergibt sich aus § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB a.F. Demnach fand zwar für Ansprüche der Kaufleute, Fabrikanten, Handwerker und derjenigen, welche ein Kunstgewerbe betreiben, für Lieferung von Waren, Ausführung von Arbeiten und Besorgung fremder Geschäfte ebenfalls eine kurze, zweijährige Verjährungsfrist Anwendung. § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB a.F. ist im vorliegenden Fall indes nicht einschlägig. Insbesondere ist anerkannt, dass der GmbHGeschäftsführer nicht Kaufmann ist (Altmeppen, GmbHG, 10. Auflage 2021, § 6 Rn. 5). Auch unter dem Gesichtspunkt der Besorgung fremder Geschäfte kommt eine Anwendung der kurzen Verjährungsfrist des § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB a. F. nicht in Betracht. Die Entwicklung einer Diensterfindung unterfällt nicht dem Kreis der im Rahmen des zwischen den Parteien vereinbarten Geschäftsführeranstellungsvertrages zu besorgenden Geschäfte und Dienstleistungen. Von einer Leistung und einer Gegenleistung der in § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB a.F. vorausgesetzten Art kann bei Arbeitnehmererfindungen und der entsprechend geschuldeten Vergütung nicht gesprochen werden. Das Gesetz über Arbeitnehmererfindungen stellt darauf ab, dass durch dem Arbeitgeber übertragene Diensterfindungen diesem Verwertungsmöglichkeiten erwachsen können, die nicht durch den vertraglich vereinbarten Lohn abgegolten sind und an deren Ergebnissen der Erfinder durch Vergütung nach Maßgabe des Arbeitnehmererfindungsgesetzes angemessen zu beteiligen ist (vgl. BGH, GRUR 1981, 263, 265 - Drehschiebeschalter).
62
Auch unter dem Gesichtspunkt des § 196 Abs. 1 Nr. 7 BGB a.F. kommt eine kurze, zweijährige Verjährungsfrist nicht in Betracht. Demzufolge unterlagen auch die Ansprüche derjenigen einer kurzen, zweijährigen Verjährungsfrist, welche, ohne zu den in Nummer 1 bezeichneten Personen zu gehören, die Besorgung fremder Geschäfte oder die Leistung von Diensten gewerbsmäßig betrieben, wegen der ihnen aus dem Gewerbebetrieb Vergütungen, mit Einschluss der Auslagen zustehen. Auch insoweit stellt die zwischen den Streitparteien vereinbarte, für Diensterfindungen geschuldete Vergütung indes keine Gegenleistung für die von dem Kläger als Geschäftsführer erbrachten Dienstleistungen, sondern einen auf die Verschaffung einer wirtschaftlichen Monopolstellung gerichteten rechtlichen Vorgang eigener Art dar, der über das zwischen den Parteien vereinbarte dienstleistungs- und geschäftsbesorgungsrechtliche Vertragsregime hinaus dem Parteiwillen folgend gemäß den Vorschriften des Arbeitnehmererfindungsgesetzes gesondert vergütungspflichtig sein soll (vgl. BGH, a.a.O. - Drehschiebeschalter). Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob das Arbeitnehmererfindungsgesetz von Gesetzes wegen oder - wie hier - kraft vertraglicher Vereinbarung Anwendung findet. Denn mit der zudem ausdrücklich über die Beendigung des Geschäftsführeranstellungsvertrages hinaus erfolgten Vereinbarung der Anwendung der Vorschriften des Arbeitnehmererfindungsgesetzes wollten die Parteien den Kläger mit Blick auf von ihm getätigte Diensterfindungen gerade einem abhängig beschäftigten Arbeitnehmer gleichstellen. Insoweit gilt der dem vorbezeichneten Urteil des BGH zu Grunde liegende Gedanke, dass die vergütungspflichtige Verschaffung eines patentrechtlichen Exklusivitätsrechts einen rechtlichen Vorgang eigener Art außerhalb des vereinbarten Dienstleistungsvertrages darstellt, gleichermaßen und findet in dem entsprechend ausformulierten Parteiwillen letztlich ausdrücklichen Niederschlag.
63
2. Die somit anwendbare dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB in der seit 01.01.2002 geltenden Fassung beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der fragliche Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Tatsachen sowie der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht erlangt hat. Die Entstehung des Anspruchs setzt dabei dessen Fälligkeit voraus (vgl. OLG Frankfurt a. M., a.a.O.; OLG Düsseldorf Urt. v. 28.02.2014 - I-2 U 109/11, BeckRS 2014, 5729). In subjektiver Hinsicht ist dabei ein so vollständiges und sicheres Wissen um die den Anspruch begründenden Umstände vorausgesetzt, dass der Gläubiger zwar keinen risikolosen, aber doch einen einigermaßen aussichtsreichen Erfolg einer Klage absehen kann, so dass ihm bei verständiger Würdigung der Sachlage eine Klage zuzumuten ist (BGH GRUR 2012, 1279, 1284 - Das große Rätselheft). In Bezug auf den Auskunftsanspruch des Arbeitnehmererfinders reicht es jedenfalls aus, dass der Erfinder Kenntnis von der Inanspruchnahme und der Benutzung der Erfindung durch den Arbeitgeber hat (OLG Düsseldorf Urt. v. 28.02.2014 - I-2 U 109/11, BeckRS 2014, 5729; LG Düsseldorf, Urt. v. 20.04.2017, Az. 4c O 67/16, juris). Ab dem Zeitpunkt der Einreichung der Patentanmeldung muss dem Erfinder indes klar sein, dass mit der alsbaldigen Nutzungsaufnahme zu rechnen ist, so dass die Verjährungsfrist dem Grunde nach ab dem Zeitpunkt der Kenntnis der Einreichung einer Patentanmeldung zu laufen beginnt (OLG Frankfurt a. M. Urt. v. 07.12.2017 - 6 U 204/16, BeckRS 2017, 138234, Rn. 41).
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3. Vor diesem Hintergrund sind sämtliche Ansprüche betreffend die vor dem 01.01.2013 erfolgten Nutzungen des Streitpatents verjährt.
65
a. Entgegen dem Kläger kommt es für den Beginn der Verjährungsfrist nicht auf den Zeitpunkt des Jahres 2016 an, in dem er erstmalig Kenntnis von dem Vertrieb des Produkts „S.- Disc®“ erlangt hat. Der Kläger hatte bereits mit Einreichung der Patentanmeldung am 12.11.1996 Kenntnis von der Inanspruchnahme seiner Erfindung durch die Beklagte, so dass ihm die Möglichkeit der alsbaldigen Nutzungsaufnahme durch die Beklagte bewusst gewesen sein muss (vgl. OLG Frankfurt a.M., a.a.O.). Dies gilt umso mehr, als der Kläger zum Zeitpunkt der Einreichung der Anmeldung des Streitpatents Geschäftsführer der Beklagten und - wie er selbst unter Verweis auf die ihm von seinem Miterfinder Dieter M. zu seinem Abschied überreichte, grafisch illustrierte Produktfortentwicklung gemäß Anlage X 9 vorträgt - auch nach Einreichung der Patentanmeldung in die weitere Produktentwicklung eingebunden war. Auf Grund seiner Einbindung in die weitere Produktentwicklung und der in diesem Zusammenhang durchgeführten Produkttests muss dem Kläger im besonderen Maße bewusst gewesen sein, dass die Beklagte dabei war, ausgehend von seiner Diensterfindung ein serienreifes Produkt zu entwickeln. Auch wenn im Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers eine entsprechend serienreife Scheiben-/Nabenverbindung noch nicht entwickelt worden war, so muss ihm ab diesem Zeitpunkt daher doch zumindest klar gewesen sein, dass mit der alsbaldigen Nutzungsaufnahme zu rechnen ist.
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b. Umgekehrt hat dies nicht zur Folge, dass - wie die Beklagte meint - mit Blick auf die dem Kläger bekannte Inanspruchnahme seiner Diensterfindung mit der bereits im Jahr 1996 erfolgten Patentanmeldung Verjährung vollumfänglich hinsichtlich sämtlicher geltend gemachter Ansprüche eingetreten ist. Diese Sichtweise greift insoweit zu kurz, als der Beginn der Verjährungsfrist über die Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis der Benutzung einer Diensterfindung hinaus die Entstehung und damit die Fälligkeit des geltend gemachten Anspruchs voraussetzt. Da Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche der Berechnung des einem Erfinder zustehenden Vergütungsanspruchs dienen, ist für deren Fälligkeit grundsätzlich der Zeitpunkt entscheidend, zu dem der Anspruch auf Zahlung der Vergütung fällig wird. Die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs ist überdies aus dem Grund maßgeblich, weil Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche ihrer Natur als Hilfsansprüche entsprechend nicht vor den entsprechenden Zahlungsansprüchen verjähren können (BGH, NJW 2017, 2755, 2756).
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c. Mangels spezieller Regelungen oder Vereinbarungen zwischen den Parteien ist gemäß Nr. 40 Abs. 1 S. 2 der Richtlinien über die Vergütung von Arbeitnehmererfindungen im privaten Dienst vom 20.07.1959 von einer jährlichen Abrechnung der Nutzung auszugehen. Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche zur Berechnung der konkret geschuldeten Arbeitnehmererfindervergütung werden folglich jeweils in dem auf die Nutzung folgenden Jahr fällig (vgl. OLG Düsseldorf Urt. v. 28.02.2014 - I-2 U 109/11, BeckRS 2014, 5729).
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Die Verjährungsfrist der Ansprüche begann daher mit dem Schluss des Jahres ihrer Entstehung, d. h. für den das Nutzungsjahr 2012 betreffenden und dementsprechend am 01.01.2013 fälligen Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch ab dem 31.12.2013, und endete am 31.12.2016. Die mit Zustellung der Klageschrift am 06.08.2019 erfolgte Klageerhebung konnte daher die Hemmungswirkung des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht herbeiführen. Nichts anderes ergibt sich unter Berücksichtigung einer möglichen Hemmung gemäß § 203 Satz 1 BGB, da eine entsprechende Hemmung durch zwischen den Streitparteien schwebende Verhandlungen nur für den Zeitraum vom 05.12.2016 bis 31.01.2019 in Betracht kommt. Der entsprechende Zeitraum von 2 Jahren 1 Monat und 25 Tagen ist gemäß § 209 BGB nicht in die Verjährungsfrist einzurechnen, so dass die ausgehend vom 05.12.2016 noch offene Verjährungsfrist von 26 Tagen bis zum 31.12.2016 zum 31.01.2019 hinzuzurechnen ist. Damit ist eine Verjährung aber spätestens zum 26.02.2019 eingetreten.
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4. Für den Nutzungszeitraum 2013 bis zum Ablauf des Klagepatents am 12.11.2016 sind die geltend gemachten Auskunfts- und Rechenschaftsansprüche dagegen nicht verjährt.
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a. Betreffend die im Jahr 2013 erfolgten Nutzungen werden Auskunfts- und Re chenschaftsansprüche am 01.01.2014 fällig, so dass die Verjährungsfrist grundsätzlich vom 31.12.2014 bis 31.12.2017 läuft. Allerdings war die Verjährung vom 05.12.2016 bis 31.01.2019 gemäß § 203 Satz 1 BGB gehemmt. Denn in diesem Zeitpunkt waren Verhandlungen zwischen den Streitparteien anhängig, die nicht zwischenzeitlich unterbrochen oder eingeschlafen sind.
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Eine Hemmung gemäß § 203 Satz 1 BGB tritt rückwirkend zu dem Zeitpunkt der erstmaligen Geltendmachung des Anspruchs ein, wenn zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände schweben (vgl. BGH Beschluss vom 19.12.2013 - IX ZR 120/11, BeckRS 2014, 822). Der Begriff der Verhandlungen i. S. v. § 203 Satz 1 BGB ist dabei weit auszulegen. Für ein Verhandeln im vorgenannten Sinn genügt jeder Meinungsaustausch über den fraglichen Anspruch zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten, sofern nicht sofort und eindeutig jeder Ersatz abgelehnt wird. Verhandlungen schweben schon dann, wenn der in Anspruch Genommene Erklärungen abgibt, die dem Geschädigten die Annahme gestatten, der Verpflichtete lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung von Schadensersatzansprüchen ein (BGH, NJW 2011, 1594, 1595; OLG Köln Urt. v. 25.10.2011 - 3 U 8/11, BeckRS 2012, 19386). Letzteres ist etwa der Fall, wenn ein Anspruchsgegner mitteilt, er habe die Angelegenheit seiner Haftpflichtversicherung zur Prüfung übersandt (BGH, NJW-RR 2007, 1358, 1360; vgl. auch OLG Köln, a.a.O.). Beendet wird die Hemmung gemäß § 203 Satz 1 BGB, sobald der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Gleiches gilt, wenn eine Partei die Verhandlungen einschlafen lässt. Ein Abbruch der Verhandlungen durch ein solches „Einschlafenlassen” ist anzunehmen, wenn der Anspruchsteller den Zeitpunkt versäumt, zu dem eine Antwort auf die letzte Anfrage des Anspruchsgegners spätestens zu erwarten gewesen wäre, falls die Verhandlungen mit verjährungshemmender Wirkung hätten fortgesetzt werden sollen (BGH, NJW 2009, 1806, 1807).
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b. Vor diesem Hintergrund ist eine durchgehende Hemmung im Zeitraum 05.12.2016 bis 31.01.2019 anzunehmen. Der Kläger machte die ihm zustehenden arbeitnehmererfinderrechtlichen Ansprüche wegen Vertriebs des Produkts „S.- Disc®“ erstmalig mit Schreiben vom 05.12.2016 und 19.12.2016 gegenüber der Beklagten geltend, worauf die Beklagte eine Verlängerung der ihr gesetzten Frist zur Stellungnahme bis 13.02.2017 erbat (Anlage X 3). Ähnlich dem vom BGH bereits entschiedenen Fall einer Übersendung eines Schadensfalls zur Prüfung durch eine Haftpflichtversicherung entstand damit seitens des Klägers die begründete Erwartung, die Beklagte lasse sich - wenn auch mit offenem Ausgang auf - Erörterungen möglicher Vergütungsansprüche ein. Zwar wies die Beklagte im Folgenden mit E-Mails vom 13.02.2017 und 17.02.2017 unter näherer Erläuterung ihrer Rechtsauffassung, warum aus ihrer Sicht das Produkt „S.- Disc®“ keinen Gebrauch von der streitgegenständlichen Diensterfindung macht, die geltend gemachten Ansprüche zurück. Allerdings erwiderte der Kläger mit E-Mail gleichfalls vom 17.02.2017, dass er die Auffassung der Beklagten patentrechtlich überprüfen werde und „zu gegebener Zeit“ von sich hören lassen werde.
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Bei dieser Sachlage kann von einem Einschlafenlassen von Verhandlungen nicht ausgegangen werden. Vielmehr haben die Parteien im Anschluss an die E-Mail des Klägers vom 17.02.2017 die Angelegenheit einvernehmlich ruhen lassen (vgl. BGH, NJW 1986, 1337, 1338). Dies folgt insbesondere aus der ausdrücklichen Ankündigung des Klägers, sich nach Prüfung der von der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung zu melden. Überdies wäre es mit Blick auf die seitens des Klägers in dessen E-Mail vom 17.02.2017 angekündigte Rückmeldung Sache der Beklagten gewesen, die Verhandlungen durch ausdrückliche Klarstellung abzubrechen, um die Hemmungswirkung zu beenden (vgl. MellerHannich in Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, BeckOGK, § 203 BGB, Rn. 54).
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Für die Annahme eines einvernehmlichen Ruhenlassen der Verhandlungen spricht zudem das Verhalten der Beklagten im Anschluss an das Schreiben der anwaltlichen Vertreter des Klägers vom 19.12.2018 (Anlage X 6). Nachdem der Kläger die Beklagte hiermit zur Vergütungsfestsetzung aufforderte, nahm diese mit Schreiben vom 31.01.2019 auf ihre zuvor geäußerte Rechtsauffassung Bezug und vertiefte ihre Argumentation insbesondere dahingehend, dass sie die Fortentwicklungen an ihrer Scheiben-/Nabenverbindung neu als Patent angemeldet habe. Erstmalig gab die Beklagte zudem an, die Erfindung des Klägers bis ins Jahr 2000 verwertet zu haben und behauptete, den Kläger hierfür bereits vergütet zu haben. Weitere Vergütungsansprüche wies die Beklagte in diesem Schreiben zudem nunmehr endgültig zurück, indem sie den Kläger unter Fristsetzung zum 11.02.2019 aufforderte, zu bestätigen, dass sich die Angelegenheit nun erledigt hat (Anlage X 7). Erst mit diesem Schreiben ist daher die zum 05.12.2016 eingetretene Hemmung beendet worden.
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Ausgehend vom 31.01.2019 lief folglich für den Nutzungszeitraum 2013 die im Zeitpunkt des Verhandlungsbeginns vom 05.12.2016 noch offene Verjährungsfrist von 1 Jahr 26 Tagen weiter, so dass Verjährungstermin der 26.02.2020 ist.
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Zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 06.08.2019 waren entsprechende Ansprüche daher noch nicht erloschen. Gleiches gilt für die späteren Nutzungszeiträume bis zum Ablaufen des Patents am 12.11.2016.
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V. Die Nebenentscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 ZPO. Für die Bemessung der Höhe der vom Kläger hinsichtlich des Auskunftsanspruchs gemäß Ziff. 1 des Urteilstenors zu leistenden Sicherheit schätzt die Kammer im Rahmen der nach §§ 709 Satz 1, 108 Abs. 1 ZPO gebotenen Ermessensausübung den relevanten, potentiellen Vollstreckungsschaden auf einen Betrag in Höhe von 10.000,00 € als den mit der Auskunftserstattung verbundenem Aufwand.
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Die Kammer berücksichtigt dabei, dass der vorliegend tenorierte Auskunftszeitraum bereits zwischen 4 bis 8 Jahre zurückliegt und der Aufwand, entsprechende Informationen zusammenzustellen, nicht unerheblich sein wird. Insoweit erscheint ein Aufwand von bis zu zwei Kalenderwochen mit jeweils fünf Arbeitstagen angemessen, dies insbesondere auch unter Berücksichtigung des berechtigten Interesses der Beklagten an einer möglichst umfassenden Erfassung potentieller Vollstreckungsschäden. Basierend auf einer geschätzten Tagespauschale in Höhe von 1.000,00 € für den mit der Informationssammlung verbundenen Aufwand ergibt sich der als Sicherheitsleistung zu Grunde gelegte Betrag.
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Die Kostenentscheidung war der Schlussentscheidung vorzubehalten.