Inhalt

LG München I, Endurteil v. 27.11.2020 – 1 HK O 3899/20
Titel:

Unzulässige gesundheitsbezogene Werbung für Nahrungsergänzungsmittel im Bereich der Schönheitspflege

Normenketten:
UWG § 3, § 3 a, § 5
VO (EG) Nr. 1924/2006 Art. 2 Nr. 5, Art. 5, Art. 6, Art. 10 Abs. 1
Leitsatz:
Bei einer Werbung für Nahrungsergänzungsmittel im Bereich der Schönheitspflege, in der nicht nur die äußere Wirkung auf die Haut beschrieben wird, die zu einer Verbesserung des Erscheinungsbilds führen soll, sondern eine Verbesserung einer Körperfunktion, nämlich der Haut, behauptet wird, handelt es sich um eine gesundheitsbezogenen Werbung gemäß Art. 10 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1924/2006. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Health-Claims-Verordnung
Fundstellen:
MD 2021, 395
GRUR-RS 2020, 45340
LSK 2020, 45340

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an einem der Geschäftsführerinnen der Beklagten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für das Produkt
„BEARS WITH BENEFITS Born This Way mit VERISOL®, Q10 &
Hyaluronsäure“ zu werben:
1. „Ist tatsächlich das Motto, „Nasch Dich schön“, und zwar ohne Zucker. Das ist hier auch noch das Besondere. Ohne Trennmittel! Ohne Füllstoffe! Ohne Titanoxid, das, ehrlich gesagt, in diesen Cocktails immer drin ist. Ja? Also, all das, was wir nicht haben wollen, ist da weggelassen. Es ist eine sehr nachhaltige Firma, die das mit Pharmazeuten in Deutschland entwickelt hat und auch in Deutschland produziert hat, recyclebare Verpackung, so, also ganz durchdacht und wirklich voller richtiger Booster, Hautwirkstoffe, die von innen die Haut wieder aufpolstern“,
2. „Och, so´n kleines Gummibärchen. Und das soll´s bringen?“. Es kommt drauf an, was drin ist. Und hier wurde das wirklich so zusammengesetzt, dass die Haut damit was anfangen kann. Das sind, wenn wir das hier noch mal, einmal hier hin? Dann kann ich nämlich auch ´nen Foto zeigen, was passiert in der Haut, weil, wenn wir jetzt schon tolle Bewertungen haben, was meinen Sie, wie Sie sich in 4, 5, 6 Wochen freuen. Und das aber braucht so ´ne gewisse Zeit? Das Collagen, das ist ja ein, ein, ein ganz erwiesenes, patentiertes Produkt, wo, da ist VERISOL drin, und zwar mit 2.500 Milligramm. Das ist die Menge, die dann hier von unten die Collagenproduktion wieder so anregt, dass die Falten richtig wieder nach oben gedrückt werden. Und damit, damit eben die Haut von unten wieder aufgepolstert wird“. Das können wir hier gut sehen.
 
Wir sehen hier richtig, wie, vorher, die Haut hat kleine Knitterfältchen, hat Krähenfüße. Auch ein schweres Lid. Das Lid ist etwas, es fehlt einfach dieses straffende, haltende Stützgerüst der Haut. Hier sehen wir nach 4 Wochen, dass die Haut deutlich glatter ist, aufgepolstert ist. wir sehen wirklich, dass die gesamte Haut von unten sich wieder aufgepolstert hat“,
3. „Von unten können wir die Haut so aufpolstern, dass wir sie, ähm, wirklich unterstützen. Und wir arbeiten hier mit bioaktiven Peptiden. Und die kann der Körper erkennen und aufnehmen. Damit kann der Körper arbeiten, wie mit einem eigenen Produktionsschub“,
4. „Aber im Handel gibt’s das gar nicht mit Hyaluronsäure. Das ist extra ´ne Zusammenarbeit mit QVC. Warum ist Hyaluronsäure überhaupt wichtig? Mit den Peptiden arbeiten wir so, dass wirklich das Collagenprinzip sich wieder aufpolstert. Was lagert sich da ein? Das ist die Feuchtigkeit, die Hyaluronsäure. Das wären platt gedrückte Collagenfasern. für Aufpolsterung. Wenn ich das jetzt in Wasser lege, dann kann das Stützgerüst dann auch die Feuchtigkeit aufnehmen, einlagern, und wir sehen, sich so von unten wieder die Haut aufpolstern. So ungefähr können wir uns das vorstellen. Und deshalb haben wir diese unheimlich tollen Ergebnisse“,
5. „Sie bekommen 90 von den Bärchen. Wie viel sollte ich am Tag nehmen? Was wäre der Tipp?4 Nicht mehr? Ich hab auch schon mal mehr gegessen. Das ist Ihre Empfehl…, 4 reicht. Die Menge von 2.500 Milligramm ist die, die in Studien erwiesen ist. Das ist ja kein Schnick-Schnack hier. Auch wenn es lecker ist. Es ist richtig, ganz wirksam, die erwiesene Menge, die wir hier haben, die die Haut von unten wieder anregt, sich aufzupolstern“,
sofern dies geschieht wie in der Fernsehsendung „Kos-Medic - Beratung Gesundheit, Schönheit“, ausgestrahlt vom Fernsehsender QVC am 9. Januar 2020 von 21:00 Uhr bis 22:00 Uhr (Anlage K 3)
II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 238,-- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 25.04.2020 zu bezahlen.
III. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
10.000,-- EUR hinsichtlich Ziffer I., im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

Tatbestand

1
Der Kläger macht wettbewerbsrechtliche Unterlassungs- und Kostenerstattungsansprüche wegen unzulässiger gesundheitsbezogener und täuschender Werbung geltend.
2
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört, insbesondere die Achtung darauf, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden. Ihm gehören unter anderem 99 Unternehmen der Kosmetikbranche an, 64 Unternehmen des Gesundheitswesens, 25 Unternehmen der Ernährungsberatung und 122 Hersteller und Vertreiber von Nahrungsergänzungsmitteln.
3
Die Beklagte vertreibt Nahrungsergänzungsmittel im Bereich der Schönheitspflege.
4
Die Produkte haben die Form und Konsistenz von Gummibärchen.
5
Die Beklagte warb am 09. Januar 2020 zwischen 21:00 Uhr und 22:00 Uhr in der Dauerwerbesendung auf dem TV-Verkaufssender QVC unter dem Titel „KosMedic - Beratung Gesundheit Schönheit“ (Mitschnitt, Kopie der Niederschrift als Anlage K 3).
6
In dieser Werbesendung warb die Beklagte für ihr Produkt „BEARS WITH BENEFITS Born This Way mit VERISOL®, Q10 & Hyaluronsäure“. Nach der Werbung soll die Einnahme von 4 Gummibärchen pro Tag ausreichen, um das Erscheinungsbild der Haut insbesondere im Hinblick auf Fältchen zu verbessern.
7
Die Beklagte warb mit den im Tenor und in den Klageanträgen aufgeführten Aussagen, unter anderem nach dem Motto „Nasch Dich schön“, „Und wirklich voller richtiger Booster, Hautwirkstoffe, die von innen die Haut wieder aufpolstern“, „Das Collagen, das ist ja ein ganz erwiesenes patentiertes Produkt, wo, da ist VERISOL drin und zwar mit 2.500 mg. Das ist die Menge, die dann hier von unten die Collagen-Produktion wieder so anregt, dass die Falten richtig wieder nach oben gedrückt werden. Und damit eben die Haut von unten wieder aufgepolstert wird … Hier sehen wir nach 4 Wochen, dass die Haut deutlich glatter ist, aufgepolstert ist …“ „und wir arbeiten hier mit bioaktiven Peptiden, die kann der Körper erkennen und aufnehmen. Damit kann der Körper arbeiten, wie in einem eigenen Produktionsschub“, Ferner warb die Beklagte mit folgender Aussage:
„Aber im Handels gibt’s das gar nicht mit Hyaluronsäure. Das ist extra ne Zusammenarbeit mit QVC. Warum ist Hyaluronsäure überhaupt wichtig? Mit den Peptiden arbeiten wir so, das wirklich das Collagen-Prinzip sich wieder aufpolstert. Was lagert sich da ein? Das ist die Feuchtigkeit, die Hyaluronsäure. Das wären platt gedrückte Kollagenfasern, für die Aufpolsterung.“
8
Der Kläger behauptet, die Aussagen seien irreführend, da gemäß § 11 LFGB/Art. 7 LMIV keine wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse zu der behaupteten Wirkung bestünden. Die Werbung sei daher auch unzulässig. Soweit die Beklagte auf zwei Studien von „Proksch et al.“ (B 18 und 19) Bezug nehme, lasse sich diesen Untersuchungen keine Aussage zur Wirksamkeit des beworbenen Präparats entnehmen. In den Studien sei nur das Präparat „VERISOL“ getestet worden, das eine bestimmte Formel von bioaktiven Collagen-Peptiden enthalte. Ob das beworbene Produkt diese Variation des VERISOL enthalte, sei offen. Im Übrigen habe die EFSA die zur Anmeldung gebrachten gesundheitsbezogenen Angaben für das Produkt „VERISOL“ unter Bezugnahme auf diese Studien aufgrund nicht hinreichend wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisstandes aufgrund der nur eingeschränkten Aussagekraft der Untersuchungen zurückgewiesen (K 25).
9
Der Kläger ist der Ansicht, jede der beanstandeten einzelnen Aussagen und behaupteten Wirkungen zur Hautglättung und Faltenbeseitigung seien eine gesundheitsbezogene Werbung im Sinne des Art. 2 Nr. 5 LGVO, die gemäß Art. 10 Abs. 1 LGVO verboten sei. Der Kläger ist der Ansicht, dass werbliche Angaben, mit denen die Beeinflussung oder Beseitigung von Falten in Anspruch genommen werde, gesundheitsbezogene Angaben darstellten. Es bestehe keine Zulassung dieser Claims gemäß Art. 13 LGVO. Die für das Collagen-Hydrolysat-Gemisch angemeldeten Claims für „Faltenreduktion“ seien für das Produkt VERISOL zurückgewiesen worden. Zum Inhaltsstoff „Hyaluronsäure“ habe die Kommission über einen Claim mit einer dem Zustand der Haut beeinflussenden Wirkung ebenfalls bereits negativ entschieden.
10
Der Kläger behauptet, dass die Haut-Claims in zweierlei Hinsicht gesundheitsbezogene Angaben enthielten: Zum einen sei der Weg zu einer jugendlich wirkenden, faltenfreieren Haut nicht anders möglich als durch Einflussnahme auf Körperfunktionen. Zum anderen wirke eine solche Haut dann auch gesünder in dem Sinne, dass sie ihre Schutzfunktionen besser wahrnehmen könne als älter wirkende Haut.
11
Der Kläger ist der Ansicht, dass der Lebensmittelunternehmer, der eine nährwert- oder gesundheitsbezogene Angabe mache, die Darlegungs- und Beweislast für die Angaben trage.
12
Zur Werbung gemäß Ziffer 4 des Klageantrags ist der Kläger der Ansicht, dass es sich zusätzlich um eine unzulässige Alleinstellungswerbung handle. Unstreitig gibt es im Handel andere Produkte, die auch eine Kombination der Wirkstoffe Verisol und Hyaluronsäure enthalten.
13
Der Kläger beantragt, 
I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an einer der Geschäftsführerinnen der Beklagten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für das Produkt
„BEARS WITH BENEFITS Born This Way mit VERISOL®, Q10 & Hyaluronsäure“ zu werben:
1.
„Ist tatsächlich das Motto, „Nasch Dich schön“, und zwar ohne Zucker. Das ist hier auch noch das Besondere. Ohne Trennmittel! Ohne Füllstoffe! Ohne Titanoxid, das, ehrlich gesagt, in diesen Cocktails immer drin ist. Ja? Also, all das, was wir nicht haben wollen, ist da weggelassen. Es ist eine sehr nachhaltige Firma, die das mit Pharmazeuten in Deutschland entwickelt hat und auch in Deutschland produziert hat, recyclebare Verpackung, so, also ganz durchdacht und wirklich voller richtiger Booster, Hautwirkstoffe, die von innen die Haut wieder aufpolstern“,
2.
„Och, so´n kleines Gummibärchen. Und das soll´s bringen?“. Es kommt drauf an, was drin ist. Und hier wurde das wirklich so zusammengesetzt, dass die Haut damit was anfangen kann. Das sind, wenn wir das hier noch mal, einmal hier hin? Dann kann ich nämlich auch ´nen Foto zeigen, was passiert in der Haut, weil, wenn wir jetzt schon tolle Bewertungen haben, was meinen Sie, wie Sie sich in 4, 5, 6 Wochen freuen. Und das aber braucht so ´ne gewisse Zeit? Das Collagen, das ist ja ein, ein, ein ganz erwiesenes, patentiertes Produkt, wo, da ist VERISOL drin, und zwar mit 2.500 Milligramm. Das ist die Menge, die dann hier von unten die Collagenproduktion wieder so anregt, dass die Falten richtig wieder nach oben gedrückt werden. Und damit, damit eben die Haut von unten wieder aufgepolstert wird“. Das können wir hier gut sehen.
Wir sehen hier richtig, wie, vorher, die Haut hat kleine  Knitterfältchen, hat Krähenfüße. Auch ein schweres Lid. Das Lid ist etwas, es fehlt einfach dieses straffende, haltende Stützgerüst der Haut. Hier sehen wir nach 4 Wochen, dass die Haut deutlich glatter ist, aufgepolstert ist. wir sehen wirklich, dass die gesamte Haut von unten sich wieder aufgepolstert hat“,
„Von unten können wir die Haut so aufpolstern, dass wir sie, ähm, wirklich unterstützen. Und wir arbeiten hier mit bioaktiven Peptiden. Und die kann der Körper erkennen und aufnehmen. Damit kann der Körper arbeiten, wie mit einem eigenen Produktionsschub“,
„Aber im Handel gibt’s das gar nicht mit Hyaluronsäure. Das ist extra ´ne Zusammenarbeit mit QVC. Warum ist Hyaluronsäure überhaupt wichtig? Mit den Peptiden arbeiten wir so, dass wirklich das Collagenprinzip sich wieder aufpolstert. Was lagert sich da ein? Das ist die Feuchtigkeit, die Hyaluronsäure. Das wären platt gedrückte Collagenfasern. für Aufpolsterung. Wenn ich das jetzt in Wasser lege, dann kann das Stützgerüst dann auch die Feuchtigkeit aufnehmen, einlagern, und wir sehen, sich so von unten wieder die Haut aufpolstern. So ungefähr können wir uns das vorstellen. Und deshalb haben wir diese unheimlich tollen Ergebnisse“,
„Sie bekommen 90 von den Bärchen. Wie viel sollte ich am Tag nehmen? Was wäre der Tipp?4 Nicht mehr? Ich hab auch schon mal mehr gegessen. Das ist Ihre Empfehlung?, 4 reicht. Die Menge von 2.500 Milligramm ist die, die in Studien erwiesen ist. Das ist ja kein Schnick-Schnack hier. Auch wenn es lecker ist. Es ist richtig, ganz wirksam, die erwiesene Menge, die wir hier haben, die die Haut von unten wieder anregt, sich aufzupolstern“, sofern dies geschieht wie in der Fernsehsendung „Kos-Medic - Beratung Gesundheit, Schönheit“, ausgestrahlt vom Fernsehsender QVC am 9. Januar 2020 von 21:00 Uhr bis 22:00 Uhr (Anlage K 3)
II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 238,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen.
14
Die Beklagte beantragt
Klageabweisung.
15
Die Beklagte ist zu den Klageanträgen der Ansicht, dass der Kläger ausschließlich auf ein kumulatives Verbot der 5 Aussagen in ihrer konkreten Verletzungsform abziele. Die Aussagen seien weder isoliert noch im Gesamtzusammenhang gesundheitsbezogene Angaben im Sinne des Art. 10 LGVO. Wenn der Kläger auch isolierte Verbote wolle, dann hätte er die Klageanträge mit „und/oder“ verknüpfen müssen.
16
Die Beklagte behauptet, es handle sich bei den Aussagen um sogenannte „Beauty Claims“, mithin um Aussagen zum bloßen Aussehen und äußeren Erscheinungsbild, die als Aussagen zum allgemeinen Wohlbefinden nicht in den Anwendungsbereich der LGVO/HCVO fallen würden. Die bloße Verstoffwechselung im Körper sei kein ausreichender Anknüpfungspunkt für einen Gesundheitsbezug. Für eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO sei ein sogenannter qualifizierter Funktionszusammenhang erforderlich, nämlich ein Zusammenhang zwischen Lebensmitteln und Gesundheit. Bei Beauty Claims fehle ein solcher qualifizierter Funktionszusammenhang, da als Ergebnis des Verzehrs eines Lebensmittels nur ein optisch ansprechenderes und als schöner empfundenes Aussehen der Haut versprochen werde, ohne dass sich an der eigentlichen Funktion der Haut für den menschlichen Organismus etwas ändere. Die Schutzfunktion der Haut würde nicht angesprochen.
17
Die Beklagte ist der Ansicht, auch die Rechtsanwendungspraxis der EFSA und der Europäischen Kommission belege, dass Beauty Claims nicht dem Anwendungsbereich der HCVO unterfallen würden.
18
Die Beklagte behauptet, die versprochenen Wirkungen seien wissenschaftlich belegt und damit nicht irreführend. Die empfohlene Tagesdosis von 4 Gummibärchen enthalte 2,5 g Collagen-Peptid des H. G2. AG, die unter dem Namen „VERISOL“ vertrieben würden. Das Produkt „VERISOL“ sei in zwei Studien von Proksch et al. (Anl. B 18 und Anl. B 19) bestätigt worden. Bei beiden Studien handle es sich um randomisierte, placebokontrollierte, doppelblinde Humanstudien mit 69 bzw. 114 gesunden Probandinnen über einen Zeitraum von 4 - 8 Wochen. Beide Studien seien zu dem Ergebnis gekommen, dass sich bei der Gruppe mit der Einnahme von VERISOL im Vergleich zur Placebo-Gruppe statistisch signifikant die Hautelastizität verbessert habe und ein statistisch signifikanter Rückgang des Faltenvolumens festgestellt werden konnte.
19
Die EFSA habe die Anmeldung bestimmter Claims zu „VERISOL“ nicht wegen der Studien von Proksch zurückgewiesen, sondern aufgrund zweier anderer Studien (B 14). Die EFSA habe bei der Zurückweisung lediglich festgestellt, dass die Studien keine Auswirkungen auf Hautfunktionen belegten.
20
Die Beklagte ist der Ansicht, dass Werbeaussagen, die sich lediglich auf das optische Erscheinungsbild bezögen, deutlich niedrigeren Anforderungen an den wissenschaftlichen Nachweis stellten.
21
Zu den Werbeaussagen unter Ziffer 4 des Klageantrags behauptet die Beklagte, hier liege keine irreführende Behauptung vor, da sich die Aussage „Im Handel gibt’s das gar nicht mit Hyaluronsäure“ auf das Produkt der Beklagten beziehe, dass in dieser Kombination mit Hyaluronsäure nur exklusiv über den Sender QVC vertrieben werde, nicht jedoch im sonstigen Handel. Auch sei die Packungsgröße mit 90 Gummibärchen eine Besonderheit im Hinblick auf die bei dem Sender QVC erhältlichen Produkte der Beklagten. Dieses Produkt sei nicht im stationären Handel der Beklagten zu erwerben.
22
Im Übrigen wird hinsichtlich des Tatbestands auf die vorgelegten Schriftsätze und Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

23
Die Klage war in vollem Umfang begründet. Der Kläger hat die geltend gemachten Unterlassungs- und Kostenerstattungsansprüche gemäß den §§ 3, 3 a, 5, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG i.V.m. Art. 5, 6, 10 der VO (EG) Nr. 1924/2006 (HCVO bzw. LGVO) unter dem Gesichtspunkt des Verbots der Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben für ein Lebensmittel; hinsichtlich Zf. 4 zusätzlich wegen unzulässiger Alleinstellungswerbung gemäß § 5 UWG. Der Kostenerstattungsanspruch beruht auf § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG.
24
Die Aneinanderreihung der 5 Unterlassungsanträge ohne „und/oder“-Verknüpfung bedeutet nicht, dass ein Unterlassen nur dergestalt begehrt werde, dass alle 5 Werbeaussagen zusammen erscheinen müssen, um in ihrer Gesamtheit verboten werden zu können. Vielmehr sind Verfahrensanträge so auszulegen, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und dem recht verstandenen Interesse des Klägers entspricht (BGH WM 2016, 1599). Die Auslegung der Klagevorträge gibt entgegen der Behauptung der Beklagtenseite nichts dafür her, dass die Werbeaussagen nur in ihrer Gesamtheit verboten werden sollen. Zwar dürfen Werbeaussagen nicht aus dem Zusammenhang gerissen anders interpretiert werden als in den Zusammenhang gestellt. Da es sich aber bei den 5 beanstandeten Werbeaussagen inhaltlich um selbständige Aussagen handelt, sind die Klageanträge auch nur so zu verstehen, dass die unter jeder Ziffer aufgeführten Aussagen für sich auch isoliert verboten werden sollen.
I.  Unterlassungsansprüche:
25
Die unter den Ziffern 1. bis 5. beanstandeten Werbeaussagen stellen eine gesundheitsbezogene Werbung im Sinne des Art. 2 Nr. 5 HCVO dar. Diese sind gemäß Art. 10 Abs. 1 HCVO verboten, sofern sie nicht ausdrücklich gemäß Art. 13 HCVO zugelassen sind. Im vorliegenden Fall gibt es keine relevanten Claims zu dem von der Beklagten beworbenen Collagen-Hydrolysatgemisch für die behauptete Wirkung auf die Haut.
Gesundheitsbezogene Werbung:
26
Nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der HCVO ist eine gesundheitsbezogene Angabe jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht. Bei den beworbenen Gummibärchen, die auch mit der Aufforderung „Nasch Dich gesund“ beworben werden, handelt es sich unstreitig um ein Lebensmittel, dem bestimmte Stoffe zur Verbesserung des Hautbildes zugefügt worden sein sollen.
27
Der Begriff des „Zusammenhangs“ im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO ist nach Ansicht des BGH weit zu verstehen. Der Begriff erfasst daher jeden Zusammenhang, der eine Verbesserung des Gesundheitszustandes dank des Verzehrs des Lebensmittels impliziert (BGH vom 07.04.2016 - I ZR 81/15 - Repair-Kapseln, Rdnr. 19 m.w.N.). Die Frage, ob eine Aussage auf das gesundheitliche Wohlbefinden abzielt, ist anhand der in Art. 13 Abs. 1 und 14 Abs. 1 HCVO aufgeführten Fallgruppen zu beurteilen.
28
In allen fünf beanstandeten Werbeaussagen ist die Rede vom „Aufpolstern“ der Haut, von Hautwirkstoffen, von „Boostern“. Darüber hinaus wird von einem „patentierten Produkt mit 2.500 mg“ pro Gummibärchen gesprochen, das die Collagen-Produktion so anregen soll, dass die Falten richtig wieder nach oben gedrückt würden. In Ziffer 3 ist die Rede von „bioaktiven Peptiden, die der Körper erkennen und aufnehmen kann, womit der Körper arbeiten könne, wie mit einem eigenen Produktionsschub“. In Ziffer 4 ist die Rede davon, dass mit den Peptiden das Collagen-Prinzip sich wieder aufpolstere (?). Das Stützgerüst könne wieder Feuchtigkeit aufnehmen und die Haut so von unten polstern, was durch die zugefügte Hyaluronsäure erfolgen soll.
29
Mit diesen Werbeaussagen wird der allgemeine Zustand der Haut mit schlaffen oder niedergedrückten Collagen-Fasern und unzureichender eigener Collagen-Produktion beschrieben. Das Wirkprinzip der Gummibärchen wird dahingehend erklärt, dass die zugefügten CollagenPeptide („VERISOL“) und zusätzlich noch die Hyaluronsäure diese bemitleidenswerten niedergedrückten Collagen-Fasern wieder aufrichten können und zu einem aufgepolsterten Zustand der Haut führen können.
30
In der Liste der zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben gemäß Art. 13 der HCVO sind Claims zum „Erhalt einer normalen Haut“ für bestimmte Stoffe zugelassen, z.B. für „Biotin“, „Vitamin A“ und „Zink“ (Liste gemäß Verordnung (EU) Nr. 432/2012 der Kommission vom 16. Mai 2012, K 23). Die Angaben zur Beeinflussung des Hautbildes (hier die Werbung für die Aufpolsterung und Aufrichtung der niedergedrückten Collagen-Fasern) ist daher nach der Wertung des europäischen Gesetzgebers als gesundheitsbezogen Angabe anzusehen (BGH, a.a.O., Rdnr. 21).
31
Bei der beschriebenen positiven (aufpolsternden und Falten reduzierenden) Wirkung der Gummibärchen handelt es sich nicht um eine allgemeine, nicht spezifische gesundheitsbezogene Angabe, die ausnahmsweise erlaubt wäre, sondern um die Angabe eines unmittelbaren Wirkungszusammenhangs zwischen den Gummibärchen mit den Wirkstoffen Collagen-Peptid und Hyaluronsäure einerseits und der Funktion auf die Haut andererseits. Sie stellt die Behauptung einer Verbesserung einer Körperfunktion, nämlich der Haut dar.
32
Es handelt sich nicht um bloße „Beauty Claims“, da nicht nur die äußere Wirkung auf die Haut beschrieben wird, die zu einer Verbesserung des Erscheinungsbilds führen soll, sondern eine Wirkung durch die Verstoffwechselung und Aufpolsterung der Haut von unten. Anders als bei dekorativer Kosmetik oder Cremes, die äußerlich angewendet zu einem elastischeren, möglicherweise nicht mehr schuppigen oder aufgrund der äußeren Zuführung von Feuchtigkeit glatteren Hautbild führen sollen, wird hier eine unmittelbare Wirkung auf die körpereigenen Collagen-Fasern und das Stützgerüst der Haut behauptet.
33
Der BGH hat in seinem Beschluss vom 14. Mai 2020, mit dem er die Nichtzulassungsbeschwerde gegen ein Urteil des OLG Hamm vom 02.07.2019 - I -4 U 142/18 (Anl. K 28) zurückgewiesen hat, ausgeführt, dass es sich bei den dort streitgegenständlichen beanstandeten werblichen Aussagen nicht lediglich um das Versprechen eines optisch ansprechenden und als schön empfundenen glatten Aussehens (Beauty Claim) handelt, sondern um Angaben, die auf das gesundheitliche Wohlbefinden abzielen und die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union und des Bundesgerichtshofs als gesundheitsbezogene Angaben gemäß Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der VO(EG) 1924/2006 anzusehen sind (BGH I ZR 142/19). In dem zugrunde gelegenen Urteil des OLG Hamm und LG Dortmund (25 O 358/17) ging es ebenfalls um Werbeaussagen für eine Trink-Kur, bei der unter anderem spezielle Collagen-Peptide die Collagen-Struktur der Haut von innen stärken soll, der körpereigene Collagen-Stoffwechsel natürlich aktiviert werden soll sowie die Wasserspeicherung der Unterhaut nachhaltig verbessert werden soll. Gleiches soll für die körpereigene Hyaluronproduktion gelten. Jedoch solle sich die Optik der Haut nachhaltig verbessern, Linien und Falten sollen reduziert werden. Die Werbeaussagen in diesem zugrundeliegenden Urteil sind vergleichbar mit dem hier beanstandeten Werbeaussagen zu den „Beauty Bears“.
34
Ob die von der Beklagten behaupteten Wirkungsaussagen auch wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen entsprechen und ob die hier vorgelegten produktbezogenen Studien von Proksch et al. (B 18 und B 19) diese Wirkungsaussagen hinreichend belegen, muss daher nicht entschieden werden, da bereits das Verbot der gesundheitsbezogenen Werbung gemäß Art. 10 Abs. 1 HCVO eingreift.
II. Kostenerstattungsanspruch
35
Der Kostenerstattungsanspruch für die Abmahnung vom 12. April 2019 beruht auf § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG. Der Anspruch in Höhe von 238,- EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit wurde der Höhe nach von der Beklagten nicht angegriffen.
III. Kosten: § 91 ZPO.
IV. Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 Satz 1 und 2 ZPO.