Inhalt

OLG Bamberg, Urteil v. 16.06.2020 – 5 U 337/19
Titel:

Erfolglose Klage gegen temporäre Sperrung eines Facebook-Nutzerkontos wegen der Bezeichnung von Geflüchteten als "Invasoren und Schwerverbrecher"

Normenketten:
BGB § 307 Abs. 1 S. 1 u. 2
GG Art. 5 Abs. 1
ZPO § 256 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit einer temporären Sperrung des Profils bzw. Accounts auf einer Social-Media-Plattform ist wegen Vorrangs der Leistungsklage auf Löschung der Sperrung bzw. der Sperrvermerke unzulässig. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ziffer 12 der Gemeinschaftsstandards iVm Ziffer 3.2 der Nutzungsbedingungen von Facebook verstoßen weder gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB noch führen sie zu einer unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Berufung, Revision, Krankheit, Behinderung, Auslegung, Rechtsanwaltskosten, Feststellungsklage, AGB, Unterlassung, Fortsetzungsfeststellungsklage, Verletzung, Zulassung, Meinungsfreiheit, Frist, keinen Erfolg, Zulassung der Revision
Vorinstanz:
LG Schweinfurt, Urteil vom 06.08.2019 – 24 O 792/18
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 25.02.2021 – III ZR 172/20
Fundstelle:
GRUR-RS 2020, 44668

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten hin wird das Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 06.08.2019, Az. 24 O 792/18, aufgehoben und die Klage wird abgewiesen.
2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 06.08.2019, Az. 24 O 792/18, wird zurückgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens erster Instanz und des Berufungsverfahrens zu tragen.
4. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

A.
1
Die Parteien streiten um verschiedene Ansprüche, die der Kläger im Zusammenhang mit der Löschung eines von ihm erstellten Posts und der vorübergehenden Sperrung seines Profils als Nutzer der von der Beklagten betriebenen Plattform www.A.com geltend macht. Auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Im Verfahren erster Instanz wurde der Entscheidungsfindung folgender Wortlaut des Posts des Klägers zu Grunde gelegt: „Die sollen aufhören, Merkels Goldstücke als Schutzsuchende zu bezeichnen. Für mich sind das Invasoren und Schwerverbrecher.“
2
Im Berufungsrechtsstreit wurde festgestellt, dass der Inhalt des streitgegenständlichen Posts des Klägers lautete: „Hört endlich auf mit dem Ausdruck Schutzsuchende!!! Das sind Invasoren und Schwerverbrecher!!!“
3
Mit seiner Klage verfolgte der Kläger in erster Instanz das Ziel, festzustellen, dass die 30-tägige temporäre Sperrung seines Profils (Versetzung in den readonlymodus) auf www.A.com rechtswidrig war. Daneben begehrte er die Wiederherstellung des konkreten Posts, den die Beklagte gelöscht habe, die Verurteilung der Beklagten, es zu unterlassen, den Kläger aufgrund dieses Beitrags erneut zu sperren oder diesen konkreten Beitrag (erneut) zu löschen, die Verurteilung der Beklagten zu diversen Auskunftserteilungen sowie zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 1.500,- €. Wegen der zuletzt gestellten Anträge im Verfahren erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
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Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Auf den Tenor des angefochtenen Urteils wird insoweit Bezug genommen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass die Feststellungsklage zulässig sei, da die Tatsache früherer Sperren in der Zukunft Konsequenzen habe, indem sich die Dauer weiterer Sperren unter Umständen verlängere oder die Schwelle für eine außerordentliche Kündigung durch die Beklagte herabgesetzt werde. Der Feststellungsantrag sei auch begründet, weil die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, den Zugang des Klägers am 18.10.2018 zeitlich befristet zu sperren. Die Beklagte könne die Sperre nicht auf die Verletzung ihrer Gemeinschaftsstandards stützen, weil die Äußerung des Klägers keine Hassbotschaft im Sinn der Definition der Gemeinschaftsstandards alter und neuer Fassung darstelle, was auf einer die Meinungsäußerungsfreiheit des Art. 5 GG berücksichtigenden Auslegung des Posts des Klägers beruhe. Dem Kläger stehe darüber hinaus ein Anspruch darauf zu, dass der Post durch die Beklagte wiederhergestellt werde. Ein Anspruch auf Unterlassung einer erneuten Löschung des Beitrages bzw. der Sperrung des Klägers bestehe nicht. Auch die geltend gemachten Auskunftsansprüche bestünden nicht.
5
Ebensowenig bestehe ein Anspruch auf Schadensersatz. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
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Die Beklagte hat mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 09.09.2019, eingegangen beim Oberlandesgericht Bamberg am selben Tag, gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 09.08.2019 zugestellte Urteil Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 11.11.2019 mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 11.11.2019, eingegangen beim Oberlandesgericht Bamberg am selben Tag, begründet.
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Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte die Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie die Abweisung der Klage.
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Zur Begründung führt die Beklagte aus, dass der tatsächliche Wortlaut des Posts folgendermaßen gelautet habe: „Hört endlich auf mit den Ausdruck Schutzsuchende!!! Das sind Invasoren und Schwerverbrecher!!!“. Irrtümlich seien alle Verfahrensbeteiligten im Verfahren erster Instanz von folgenden Wortlaut ausgegangen: „Die sollen aufhören Merkels Goldstücke als Schutzsuchende zu bezeichnen. Für mich sind das Invasoren und Schwerverbrecher.“ Die Bedingungen der Beklagten würden das Recht der Nutzer auf freie Meinungsäußerung angemessen berücksichtigen. Unzulässige Inhalte würden durch die Benutzung objektiver und klarer Kriterien beschrieben. Der Kläger habe den neuen Bedingungen zugestimmt. Die Aussage des Klägers, die Flüchtlinge als Invasoren und Schwerverbrecher bezeichne, verletze die Gemeinschaftsstandards gegen Hassrede. Der Post verletze § 130 StGB und sei daher unrechtmäßig im Sinne von § 1 Abs. 3 NetzDG. Das Feststellungsinteresse sei durch das Landgericht rechtsfehlerhaft bejaht worden. Der Beklagten stehe ein virtuelles Hausrecht zu, welches mit dem Grundrecht des Klägers auf freie Meinungsäußerung abgewogen werden müsse. Vorliegend könne ein Überwiegen der Interessen des Klägers über die Interessen der Beklagten nicht festgestellt werden. Soweit in dem Post des Klägers eine mehrdeutige Aussage gesehen werden könnte, genüge es, dass allein eine mögliche Auslegung die Löschung rechtfertige. Das Urteil sei auch deshalb aufzuheben, weil es die Beklagte zu einer unmöglichen Leistung verpflichte, da der im Tenor des angefochtenen Urteils angegebene Post so nicht veröffentlicht worden sei.
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Die Beklagte beantragt im Berufungsrechtsstreit:
1. Das Urteil des Landgerichts Schweinfurt (Az.: 24 O 792/18) vom 06. August 2019, uns zugestellt am 09. August 2019, wird abgeändert und die Klage wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt Kosten des Rechtsstreits.
3. Hilfsweise: Die Revision wird zugelassen.
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Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
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Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und begründet seinen Abweisungsantrag im Schwerpunkt mit den bereits im Verfahren erster Instanz vorgebrachten Argumenten, welche vertieft wiederholt werden. Es sei von dem im Verfahren erster Instanz festgestellten Wortlaut auszugehen, da die Beklagte diesen Wortlaut nie bestritten habe. Bei dem Vorbingen des neuen Wortlauts handele es sich um ein unzulässiges erstmaliges Bestreiten im zweiten Rechtszug. Die Richtigkeit des neu angegebenen Wortlauts werde mit Nichtwissen bestritten. Im Übrigen handele es sich bei dem neuen Wortlaut um einen Übertragungsfehler eines Mitarbeiters der Beklagten. Es liege weder im ursprünglichen, noch im neuen Wortlaut ein Verstoß gegen die Gemeinschaftsstandards vor. Bei der Auslegung des Wortlauts seien die Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anzuwenden. Es liege kein Recht zur Löschung von mehrdeutigen Beiträgen vor. Der Beklagten stehe kein virtuelles Hausrecht zu. Die Feststellungsklage sei zulässig.
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Der Kläger, dessen Prozessbevollmächtigten das angefochtene Urteil am 09.08.2019 zugestellt wurde, hat, nachdem ihm Frist zur Erwiderung auf die Berufung der Beklagten bis 17.12.2019 gesetzt wurde, mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 27.11.2019, eingegangen beim Oberlandesgericht am selben Tag, eine Anschlussberufung eingelegt und begründet.
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Der Kläger verfolgt mit seiner Anschlussberufung das Ziel, seine im Verfahren erster Instanz abgewiesenen Ansprüche durchzusetzen und begründet dies weitgehend mit einer Wiederholung und Vertiefung seines Vortrags aus dem Verfahren erster Instanz. Zur Begründung führt der Kläger insbesondere aus, dass aufgrund der immensen Marktbedeutung der Beklagten eine Drittwirkung der Grundrechte greife und ihm Schadensersatz zuzusprechen sei. Der Unterlassungsanspruch bestehe wie auch die auf § 242 BGB zu stützenden Auskunftsansprüche und der Schadensersatzanspruch aufgrund einer Vertragsverletzung durch die Beklagte. Auf die Berufungsbegründung des Klägers wird Bezug genommen.
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Der Kläger beantragt auf seine Berufung hin,
1.
Das Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 06.08.2019, Aktenzeichen 24 O 792/18, wird teilweise abgeändert.
2.
Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, den Kläger für das Einstellen des Textes „Die sollen aufhören, Merkels Goldstücke als Schutzsuchende zu bezeichnen. Für mich sind das Invasoren und Schwerverbrecher.“
Hilfsweise: „Hört endlich auf mit dem Ausdruck Schutzsuchende!!! Das sind Invasoren und Schwerverbrecher!!!“, auf www.A.com erneut zu sperren oder den Beitrag zu löschen. Für den Fall der Zuwiderhandlung wird ihr Ordnungsgeld von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft angedroht, Ordnungshaft zu vollziehen an den Vorständen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft zu erteilen, ob die am 18. 10. 2018 vorgenommene Sperrung des Profils des Klägers (https://www.A.com/…….) auf www.A.com durch ein beauftragtes Unternehmen erfolgt ist, und in letzterem Fall, durch welches.
4. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft zu erteilen, ob sie konkrete oder abstrakte Weisungen, Hinweise, Ratschläge oder sonst irgendwelche Vorschläge von der Bundesregierung oder nachgeordneten Dienststellen hinsichtlich der Löschung von Beiträgen und/oder der Sperrung von Nutzern erhalten hat, und ggf. welche.
5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Schadensersatz in Höhe 1.500,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. 10. 2018 zu zahlen.
6. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von Rechtsanwaltskosten
a. für die außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von 142,33 € und b. für die Einholung einer Deckungszusage für die außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von 201,71 € und c. für die Einholung einer Deckungszusage für die Klage in Höhe von 729,23 € durch Zahlung an die Kanzlei R. freizustellen.
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Zudem beantragt der Kläger die Zulassung der Revision.
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Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
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Zur Begründung wiederholt und vertieft die Beklagte ihren Vortrag aus dem Verfahren erster Instanz. Mehrdeutige Posts dürften gelöscht werden, wenn eine nicht fern liegende Deutung die Löschung rechtfertige. Die Klage sei hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs unzulässig, weil sie auf verschiedene Sachverhalte gestützt werde und deshalb unbestimmt sei. Der Unterlassungsanspruch und die Auskunftsansprüche bestünden nicht.
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Wegen des Vortrags der Parteivertreter wird ergänzend auf deren Schriftsätze nebst Anlagen im Verfahren erster Instanz sowie deren Berufungsbegründungen und -erwiderungen sowie Repliken nebst Anlagen Bezug genommen.
19
Der Senat hat zur Sache verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll vom 16.06.2020 wird insoweit Bezug genommen.
B.
I.
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1. Die Berufung der Beklagten ist statthaft, wurde form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet und erweist sich damit als zulässig.
21
2. Die Berufung des Klägers ist als unselbständige Anschlussberufung ebenfalls statthaft, wurde form- und fristgerecht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist eingelegt sowie begründet und erweist sich damit ebenfalls als zulässig.
22
3. Die Berufung der Beklagten hat in vollem Umfang Erfolg. Das angefochtene Urteil des Landgerichts Schweinfurt erweist sich, soweit es der Klage stattgegeben hat, als rechtsfehlerhaft. Die mit der Anschlussberufung durch den Kläger geltend gemachten weitergehenden Ansprüche bestehen weder in den Haupt- noch in den Hilfsanträgen, weshalb seine Berufung keinen Erfolg haben kann. Dies ergibt sich aus Folgendem.
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3.1. Die durch den Kläger erhobene Feststellungsklage erweist sich als unzulässig.
24
Streitgegenstand einer Feststellungsklage ist grundsätzlich nur der Streit über ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 33. Auflage 2020, § 256 ZPO, Rn. 2a). Tatsachen oder abstrakte Rechtsfragen können dagegen nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein (vgl. Zöller/Greger, a. a. O., § 256 ZPO, Rn. 3 und Rn. 5). Ein vergangenes Rechtsverhältnis ist nur dann zulässiger Gegenstand einer Feststellungsklage, wenn sich aus ihm noch fortdauernde Rechtsfolgen ergeben (vgl. Zöller/Greger, a. a. O., § 256 ZPO, Rn. 3a). Im Gegensatz zum Verwaltungsrecht ist eine Fortsetzungsfeststellungsklage im Zivilprozess nicht allgemein anerkannt. Im Zivilprozess gilt zudem der Grundsatz des Vorrangs der Leistungsklage (vgl. BeckOK ZPO/Bacher, 36. Ed. 1.3.2020, ZPO § 256 Rn. 26).
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In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze erweist sich die Feststellungsklage, die der Kläger mit Ziffer 1. seines Klageantrags erhoben hat, als unzulässig. Hinsichtlich der vom Kläger behaupteten Folgen der Sperrung für die Gegenwart in Gestalt potentieller Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche sowie in Gestalt von längeren oder schwerwiegenderer Reaktionen der Beklagten auf etwaige weitere zukünftige Verstöße des Klägers gegen die Gemeinschaftsstandards ist der Kläger auf die Leistungsklage als mögliche und zumutbare Rechtsschutzmöglichkeit zu verweisen. Dem Kläger steht die Möglichkeit offen, die Beklagte auf Löschung der „Vormerkung“ des Verstoßes gegen die Gemeinschaftsstandards und der Tatsache der stattgehabten Sperrung mit einer Leistungsklage in Anspruch zu nehmen. Die Entscheidung des OLG Hamm vom 17.06.2013 (Az.: I-5 U 46/13, OLG Report NRW 32/2013) stellt nach Ansicht des Senats den Sonderfall eines einstweiligen Verfügungsverfahrens und eines folgenden Hauptsacheverfahrens dar. Da möglicherweise noch Rechtsbehelfe gegen eine früher ergangene einstweilige Verfügung in diesem Sonderfall geltend gemacht werden konnten, akzeptierte das OLG Hamm (ausnahmsweise) einen Feststellungsantrag bezüglich eines bereits erledigten Rechtsverhältnisses. Dieser Sonderfall ist aber in keiner Weise mit dem streitgegenständlichen Sachverhalt vergleichbar. Vielmehr möchte der Kläger durch den Feststellungsantrag die abstrakte Rechtsfrage der Zulässigkeit der (partiellen) Sperrung seines Profils geklärt haben.
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3.2. Die Feststellungsklage wäre überdies als unbegründet zu betrachten, da die Beklagte berechtigt war, das Profil des Beklagten (temporär) durch Versetzung in den readonlymodus zu sperren und den Post zu löschen.
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3.2.1. Dabei ist im Rahmen des Berufungsrechtsstreits von folgendem Wortlaut des Posts des Klägers auszugehen: „Hört endlich auf mit den Ausdruck Schutzsuchende!!! Das sind Invasoren und Schwerverbrecher!!!“. Zwar handelt es sich um neuen Vortrag, mit welchem durch die Beklagte von ihrem Vorbringen im Verfahren erster Instanz abgewichen wird. Der Vortrag ist jedoch zu berücksichtigen und als festgestellt zu behandeln, da es sich zwar um neues, jedoch unstreitiges Vorbringen der Beklagten handelt, welches im Berufungsrechtszug stets zu berücksichtigen ist (vgl. Zöller/Heßler, a.a.O., § 531 Rn. 20). Unstreitig ist der durch die Beklagte vorgetragene neue Wortlaut, weil der Kläger diesen lediglich mit Nichtwissen bestritten hat. Das bloße Bestreiten mit Nichtwissen stellt sich jedoch als unzulässig und damit unbeachtlich dar, weil es sich bei dem Post um einen Vorgang aus dem Bereich der eigenen Wahrnehmung des Klägers handelt (§ 138 Abs. 4 ZPO).
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3.2.2. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine „Hassrede“ im Sinne der Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards der Beklagten vorliegt, und ob ein Recht zur Löschung und zur temporären Sperrung des Profils des Klägers durch die Beklagte vorgelegen hat, sind die Nutzungsbedingungen und die Gemeinschaftsstandards der Beklagten in der Fassung vom 19.04.2018 zu Grunde zu legen. Der Kläger hat diesen zugestimmt. Damit sind diese Nutzungsbedingungen wirksam in den zwischen den Parteien bestehenden Vertrag einbezogen worden. Die geänderten Nutzungsbestimmungen sind durch Anklicken der Schaltfläche des sog. „Popup-Fensters“ durch den Kläger wirksam geworden. Die allen Nutzern über das „Popup-Fenster“ bei Aufruf des Dienstes der Beklagten zugegangene Mitteilung über die beabsichtigte Änderung der Nutzungsbedingungen in Verbindung mit der Aufforderung, die „ich stimme zu“-Schaltfläche anzuklicken, ist dabei als an den einzelnen Nutzer gerichtetes Angebot auf Abschluss eines Änderungsvertrages im Sinne von § 145 BGB zu sehen (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 19.11.2019, Az.: 4 U 1471/19, BeckRS 2019, 34234). Ein durch Anklicken erfolgter Vertragsabschluss hat grundsätzlich individuellen Charakter, auch wenn die Willenserklärungen, aus denen er sich zusammensetzt, vorformulierte Bestandteile besitzen. Die Neufassung der AGB wird in einen solchen Fall nicht aufgrund einer vorformulierten Änderungsklausel, sondern aufgrund eines nach allgemeinen Regeln über Willenserklärungen und Rechtsgeschäfte zwischen den Parteien geschlossenen Änderungsvertrages einbezogen (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 19.11.2019, Az.: 4 U 1471/19, BeckRS 2019, 34234; MüKo/Basedow, 8. Auflage 2019, § 305 BGB, Rn. 86 und 90). Daher kommen solche Erklärungen als Gegenstand einer AGBrechtlichen Prüfung nicht in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 07.11.2001, Az.: VIII ZR 13/01, NJW 2002, 363, 365; OLG Dresden, Beschluss vom 19.11.2019, Az.: 4 U 1471/19, BeckRS 2019, 34234).
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Das Angebot der Beklagten an den Kläger, die geänderten Nutzungsbedingungen und die Gemeinschaftsstandards zu akzeptieren oder die weitere Nutzung der Internetdienste einzustellen, ist auch nicht als sittenwidrig anzusehen. Auch wenn die Beklagte im Bereich der sozialen Netzwerke in Deutschland eine überaus wichtige Stellung einnimmt, unterliegt sie zum einen keinem Kontrahierungszwang, sondern ist bei der Auswahl ihrer Vertragspartner im Rahmen allgemeiner Diskriminierungsverbote frei. Zum anderen ist aber auch nicht ersichtlich, weshalb die Annahme der geänderten Bedingungen für den Kläger so unzumutbar sein sollte, dass eine defacto erzwungene Zustimmung als sittenwidrig anzusehen sein sollte (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 19.11.2019, Az.: 4 U 1471/19, BeckRS 2019, 34234).
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3.2.3. Die Nutzungsbedingungen und die Gemeinschaftsstandards verstoßen auch weder gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB noch führen diese zu einer unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
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Ziffer 12 der Gemeinschaftsstandards enthält eine ausführliche, in leicht verständlicher Sprache gefasste Definition des aus dem angloamerikanischen Sprachraum übernommenen Begriffes der „Hassrede“. Die Definitionen sind hinreichend verständlich sowie konkret formuliert und weder intransparent noch überraschend oder mehrdeutig. Dass die hierzu zählenden Angriffe nicht lediglich Formalbeleidigungen und Schmähkritik, sondern auch Meinungsäußerungen, die als Ausfluss der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG zulässig sind und sich unterhalb der Schwelle des Strafrechts bewegen, umfassen, lässt die Transparenz der Regelung unberührt (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 08.08.2018, Az.: 4 W 577/18, MMR 2018, 756, 758; OLG Stuttgart, Beschluss vom 06.09.2018, Az.: 4 W 63/18, MDR 2018, 1485, 1486). Ein Nutzer der Internetplattform, der Ziffer 12 der Gemeinschaftsstandards zur Kenntnis nimmt, wird erkennen, dass jede Art von gewalttätiger und entmenschlichender Sprache, eingeschlossen „Aussagen über Minderwertigkeit oder Aufrufe Personen auszuschließen“ mit einer Sanktion geahndet werden kann. Dabei wird sich ihm möglicherweise der Sinn der Einteilung in drei Schweregrade nicht erschließen, weil weder nach den Gemeinschaftsstandards noch nach den Nutzungsbedingungen ein nach diesen Schweregraden abgestuftes Sanktionsregime vorgesehen ist. Er wird daraus aber den Rückschluss ziehen müssen, dass die in Ziff. 3.2 der Nutzungsbedingungen vorgesehenen Sanktionen unabhängig von diesen Schweregraden verhängt werden können (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 08.08.2018, Az.: 4 W 577/18, MMR 2018, 756, 758).
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Auch wenn das Verbot der „Hassrede“ in Ziffer 12 der Gemeinschaftsstandards Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit der Nutzer hat, führt dies nicht zu einer Unwirksamkeit dieser Klausel nach § 307 BGB. Grundrechte verpflichten die Privaten grundsätzlich nicht unmittelbar untereinander selbst. Sie entfalten jedoch auch auf die privatrechtlichen Rechtsbeziehungen Ausstrahlungswirkung und sind von den Fachgerichten, insbesondere über zivilrechtliche Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe, bei der Auslegung zur Geltung zu bringen. Die Grundrechte entfalten hierbei ihre Wirkung als verfassungsrechtliche Wertentscheidungen und strahlen als „Richtlinien“ in das Zivilrecht ein (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 08.08.2018, Az.: 4 W 577/18, MMR 2018, 756, 758 und 759; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25.06.2018, Az.: 15 W 86/18, MMR 2018, 678). Sie sind als Grundsatzentscheidungen im Ausgleich gleichberechtigter Freiheit zu berücksichtigen. Kollidierende Grundrechtspositionen sind in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz so in Ausgleich zu bringen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.04.2018, Az.: 1 BvR 3080/09, NJW 2018, 1667, 1668; OLG Dresden, Beschluss vom 08.08.2018, Az.: 4 W 577/18, MMR 2018, 756, 759). Bei sozialen Netzwerken ist auf Seiten der Anbieter auch deren „virtuelles Hausrecht“ zu berücksichtigen. Es findet seine Grundlage einerseits im Eigentumsrecht, wenn der Betreiber des Netzwerks auch das Eigentum an der Hardware hat, auf der die Beiträge der Nutzer gespeichert sind. Andererseits findet das „virtuelle Hausrecht“ seine Grundlage darin, dass der Betreiber des Netzwerks der Gefahr ausgesetzt ist, für Beiträge zu haften und auf Unterlassung in Anspruch genommen zu werden. Auch könnte sich der Betreiber unter Umständen nahe an der Grenze zur Ordnungswidrigkeit nach §§ 1 Abs. 3, 4 NetzDG bewegen. Dem Betreiber muss daher das Recht zugesprochen werden, Beiträge zu löschen oder den Zugang zu ihnen zu sperren (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 08.08.2018, Az.: 4 W 577/18, MMR 2018, 756, 759 OLG Stuttgart, Beschluss vom 06.09.2018, Az.: 4 W 63/18, MDR 2018, 1485, 1486). Zusätzlich ist aber bei der vorzunehmenden Abwägung auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte im Bereich der sozialen Netzwerke eine überaus bedeutende Stellung einnimmt und über einen sehr hohen Marktanteil verfügt.
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Nach Abwägung der berechtigten Interessen ist es nicht zu beanstanden, dass das Verbot der „Hassrede“ in den Gemeinschaftsstandards auch Meinungsäußerungen betrifft, die unterhalb der Schwelle der Schmähkritik bleiben. Die Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards berücksichtigen Art. 5 Abs. 1 GG in angemessener Weise (ebenso OLG Dresden, Beschluss vom 08.08.2018, Az.: 4 W 577/18, MMR 2018, 756, 758 und 759; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25.06.2018, Az.: 15 W 86/18, MMR 2018, 678 BeckOGK/Eckelt, Kommentar zum BGB, Stand 01.11.2018, § 307 BGB, Rn. 114.1). Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass Art. 5 Abs. 1 GG keinen Anspruch auf Öffentlichkeit beinhaltet (vgl. Grabenwarter in Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, 88. Auflage 2019, Art. 5 Abs. 1 GG, Rn. 111). Die Löschung eines Kommentars hindert den Nutzer weder eine Meinung zu haben, noch diese zu äußern. Durch die Beklagte wird lediglich die Veröffentlichung auf ihrer Internetplattform abgelehnt (vgl. Beurskens, „Hate-Speech“ zwischen Löschungsrecht und Veröffentlichungspflicht, NJW 2018, 3418, 3419).
34
3.2.4. Bei dem o.g. Post des Klägers, der sich unstreitig auf Flüchtlinge bezog, handelt es sich um einen Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen und die Gemeinschaftsstandards der Beklagten, da der Post als „Hassrede“ i.S.d. der Nutzungsbedingungen und der Gemeinschaftsstandards zu qualifizieren ist. In den Gemeinschaftsstandards der Beklagten ist unter Ziffer 12 „Hassrede“ nachfolgende konkretisierende Regelung getroffen:
„Grundgedanke dieser Richtlinie Wir lassen Hassrede auf A. grundsätzlich nicht zu. Hassrede schafft ein Umfeld der Einschüchterung, schließt Menschen aus und kann in gewissen Fällen Gewalt in der realen Welt fördern.
Wir definieren Hassrede als direkten Angriff auf Personen aufgrund geschützter Eigenschaften: ethnische Zugehörigkeit, nationale Herkunft, religiöse Zugehörigkeit, sexuelle Orientierung, Geschlecht, Geschlechtsidentität, Behinderung oder Krankheit. Auch Einwanderungsstatus ist in gewissem Umfang eine geschützte Eigenschaft. Wir definieren Angriff als gewalttätige oder entmenschlichende Sprache, Aussagen über Minderwertigkeit oder Aufrufe, Personen auszuschließen oder zu isolieren. Wir teilen Angriffe wie unten beschrieben in drei Schweregrade ein.
Manchmal teilen Menschen Inhalte, die Hassrede einer anderen Person enthalten, um für ein bestimmtes Thema zu sensibilisieren oder Aufklärung zu leisten. So kann es vorkommen, dass Worte oder Begriffe, die ansonsten gegen unsere Standards verstoßen könnten, erklärend oder als Ausdruck von Unterstützung verwendet werden. Dann lassen wir die Inhalte zu, erwarten jedoch, dass die Person, die solche Inhalte teilt, ihre Absicht deutlich macht, so dass wir den Hintergrund besser verstehen können. Ist diese Absicht unklar, wird der Inhalt unter Umständen entfernt.
Wir lassen Humor und Gesellschaftskritik in Verbindung mit diesen Themen zu. Wir sind außerdem der Ansicht, dass die Nutzerinnen und Nutzer, die solche Kommentare teilen, verantwortungsbewusster handeln, wenn sie ihre Klarnamen verwenden.
Folgende Inhalte sind untersagt:
Angriffe mit Schweregrad 1 sind Angriffe, die auf eine Person oder Personengruppe abzielen, auf die eine der oben aufgeführten Eigenschaften oder der Einwanderungsstatus zutrifft (einschließlich aller Untergruppen, außer denen, die Gewaltverbrechen oder Sexualstraftaten begangen haben). Ein Angriff wird hier wie folgt definiert:
Jedwede gewalttätige Äußerung zu oder Unterstützung von Tod/Krankheit/Schaden Entmenschlichende Sprache. Hierzu gehört unter anderem Folgendes:
Bezugnahme auf oder Vergleich mit Schmutz, Bakterien, Krankheit oder Fäkalien Bezugnahme auf oder Vergleich mit Tieren, die kulturell als intellektuell oder körperlich unterlegen gelten Bezugnahme auf oder Vergleich mit Untermenschlichkeit Die Verspottung des Konzepts „Hassverbrechen“ im Allgemeinen, konkreter Hassverbrechen oder der Opfer von Hassverbrechen, selbst wenn keine reale Person in einem Bild abgebildet ist Bestimmte entmenschlichende Vergleiche sowohl in schriftlicher als auch in visueller Form Angriffe mit Schweregrad 2 sind Angriffe, die auf eine Person oder Personengruppe abzielen, auf die eine der oben aufgeführten Eigenschaften zutrifft. Ein Angriff wird hier wie folgt definiert:
Aussagen oder Begriffe der Minderwertigkeit, die implizieren, dass eine Person oder eine Gruppe körperliche, geistige oder moralische Defizite aufweist Körperlich (unter anderem „verunstaltet“, „unterentwickelt“, „abscheulich“, „hässlich“)
Geistig (unter anderem „zurückgeblieben“, „behindert“, „niedriger IQ“, „dumm“, „Idiot“)
Moralisch (unter anderem „Schlampe“, „Betrüger“, „billig“, „Schnorrer“) Ausdrücke der Verachtung, wie u. a.:
„Ich hasse“
„Ich mag X nicht“
„X sind die Schlimmsten“
Ausdrücke der Abscheu, wie u. a.:
„ekelhaft“
„scheußlich“
„widerwärtig“
Beschimpfung von Personen oder Personengruppen, die geschützte Eigenschaften aufweisen Angriffe mit dem Schweregrad 3 sind Angriffe, die zum Ausschluss oder der Isolation einer Person oder Personengruppe aufgrund der oben aufgeführten Eigenschaften aufrufen. Wir lassen Kritik an Einwanderungsgesetzen und Diskussionen über die Einschränkung dieser Gesetze zu.
Inhalte, die Personen verunglimpfend beschreiben oder sie mit Verunglimpfungen angreifen.
Verunglimpfungen werden als Ausdrücke bzw. Wörter definiert, die üblicherweise als beleidigende Bezeichnungen für die oben aufgeführten Eigenschaften verwendet werden.“
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Der Senat ist der Ansicht, dass es sich bei dem Post des Klägers um einen direkten Angriff auf Flüchtlinge bzw. Asylsuchende (Einwanderungsstatus als geschützte Eigenschaft i.S.d. Gemeinschaftsstandards) durch die Angabe, es handele sich um Menschen, die schwerste Verfehlungen begangen haben (Aussage über Minderwertigkeit und Aufruf zum Ausschluss bzw. zur Isolierung i.S.d. Gemeinschaftsstandards), handelt. Es handelt sich dabei um einen Angriff des Schweregrades 3 i.S.d. Gemeinschaftsstandards.
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Dass der Kläger mit seinem Post auf Flüchtlinge bzw. Asylsuchende abzielte, hat er auch in der Berufungsinstanz bestätigt. Diese unterfallen der durch die Gemeinschaftsstandards definierten Schutzgruppe, welche als Personenkreis mit einem „Einwanderungsstatus“ beschrieben wird und evident erkennbar auch die Gruppe der Flüchtlinge respektive Asylsuchenden erfasst. Ein Angriff i.S.d. Gemeinschaftsstandards liegt vor, weil in der Bezeichnung als „Invasoren“ und „Schwerverbrecher“ ganz offensichtlich eine Aussage über deren moralische Minderwertigkeit in Form der Zuschreibung negativer Charaktereigenschaften bzw. Verhaltensweisen liegt. Die Verwendung dieser Begriffe impliziert, dass Flüchtlinge respektive Asylsuchende durchgehend und ausnahmslos strafrechtlich in höchstem Maße auffällig seien. Auch die Verwendung des Begriffes „Invasoren“ kann nicht anders verstanden werden, als dass hierdurch zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass schwerste Verfehlungen durch diese Personen begangen worden sind. Das Wort Invasion bzw. Invasor entstammt dem militärischen Sprachgebrauch und wird dem allgemeinen Verständnis nach als besonders schwerer und rechtswidriger Angriff im Rahmen einer kriegerischen Handlung aufgefasst. Der durch den Kläger hergestellte Kontext zu „Schwerverbrecher“ verstärkt diese Aussage noch. Die Zuschreibung solcher Eigenschaften an eine andere Person oder Personengruppe ist als Angriff zu verstehen, da negative innere Eigenschaften dieser Person bzw. Personengruppe impliziert werden, erhebliches Fehlverhalten dieser Person oder Personengruppe behauptet wird und dieses Verhalten bzw. diese Charaktereigenschaften der Schwere nach als äußerst erheblich dargestellt werden. Es handelt sich ganz offenkundig insoweit um die Zuschreibung von Charaktereigenschaften und Verhaltensweisen, die nicht auf niederschwelliges oder als Bagatelle einzustufendes Verhalten und Eigenschaften, sondern auf die Erhebung des Vorwurfs schwerster Verfehlungen abzielt, was bereits aus der Wortwahl „Schwerverbrecher“ folgt. Die Zuschreibung solcher Eigenschaften stellt denknotwendig eine Zuschreibung von moralischer und gesellschaftlicher Minderwertigkeit dar. Es handelt sich zugleich um einen Aufruf, Personen auszuschließen oder zu isolieren i.S.d. Gemeinschaftsstandards Ziff. 12, da derartige Vorwürfe und derartige Zuschreibungen negativer Charaktereigenschaften und Verhaltensweisen erfahrungsgemäß dazu geeignet sind, ein feindseliges Klima in der Gesellschaft hervorzurufen und die hierdurch betroffenen Personen gesellschaftlich auszuschließen bzw. zu isolieren. Nach Auffassung des Senats kann einer solchen Äußerung auch kein anderer Zweck als der vorstehend skizzierte beigemessen werden. Dem Post kann auch im Wege der Auslegung kein anderer Sinn als der vorstehend festgestellte beigemessen werden. Ein Durchschnittsrezipient wird den Post mit dem vorstehend festgestellten Sinngehalt verstehen. Die durch den Kläger selbst angeführten Deutungsmöglichkeiten, welche auf eine Auslegung als bloße Kritik an der Einwanderungspolitik abzielen, liegen angesichts der groben Wortwahl und der unverblümten Eindeutigkeit fern und werden durch den Senat als ausgeschlossen betrachtet. Der Senat ist angesichts des Wortlauts und der Wortwahl des Posts zum einen davon überzeugt, dass der Kläger dem Post den vorstehend dargelegten Bedeutungsgehalt beigemessen hat und dieser Bedeutungsgehalt auch von jedem Rezipienten erkannt und ebenfalls beigemessen wurde. Ob und inwieweit hierdurch nicht nur ein Verstoß gegen die Gemeinschaftsstandards, sondern auch gegen strafrechtliche Vorschriften gegeben ist, kann aus Sicht des Senats dahinstehen.
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3.2.5. Die temporäre Sperrung des Benutzers durch Versetzung in den readonly-Modus für einen Zeitraum von 30 Tagen findet ihre rechtliche Grundlage in den Nutzungsbedingungen unter Ziffer 3., Unterpunkt 2, in denen sowohl Maßnahmen bezüglich des Kontos (bis hin zur vollständigen Deaktivierung) als auch der Entfernung von Inhalten angesprochen werden. Vor dem Hintergrund der vorliegenden „Hassrede“ wurde die zeitweise partielle Sperrung von Funktionen der Internetplattform der Beklagten für den Kläger weder willkürlich festgesetzt, noch wird der Kläger hierdurch vorschnell oder dauerhaft beeinträchtigt. Die Sanktionierung eines Verstoßes gegen die Gemeinschaftsstandards mit einer zeitlich begrenzten Sperre für die aktive Nutzung ist nach Ansicht des Senats im konkreten Fall ohne Weiteres verhältnismäßig (vgl. auch OLG Dresden, Beschluss vom 19.11.2019, Az.: 4 U 1471/19, BeckRS 2019, 34234). Dies muss insbesondere deshalb gelten, weil es sich vorliegend um einen ganz erheblichen Verstoß (des Schweregrades 3) handelte. Nach Ansicht des Senats wäre die temporäre Sperre durch Versetzung in den readonlymodus ohne Weiteres auch bei einem Angriff des Schweregrades 2 und auch niedriger gerechtfertigt gewesen. Die Löschung des Posts des Klägers ist aus vorstehenden Gründen und auf vorstehender Rechtsgrundlage ebenfalls gerechtfertigt gewesen.
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3.3. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Wiederfreischaltung des Posts mit dem Inhalt „Die sollen aufhören, Merkels Goldstücke als Schutzsuchende zu bezeichnen. Für mich sind das Invasoren und Schwerverbrecher.“ Denn die Klage war insoweit auf eine unmögliche Leistung gerichtet, da lediglich ein Post mit abweichendem Wortlaut festgestellt werden konnte und eine Wiederherstellung eines so nie veröffentlichten Posts unmöglich ist und nicht verlangt werden kann.
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3.4. Ein Anspruch auf Wiederherstellung des Posts neuen Wortlauts besteht nicht, da es sich um einen unzulässigen Inhalt handelte, dessen Löschung durch die Beklagte berechtigt war und dessen Wiederherstellung folglich nicht verlangt werden kann.
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3.5. Der Kläger hat keinen Anspruch (auf Unterlassung) gegen die Beklagte, nicht für das Einstellen des Textes „Die sollen aufhören, Merkels Goldstücke als Schutzsuchende zu bezeichnen. Für mich sind das Invasoren und Schwerverbrecher.“ erneut gesperrt zu werden bzw., dass ein solcher Post nicht gelöscht würde. Denn Voraussetzung eines Unterlassungsanspruchs (z.B. nach § 1004 BGB analog) ist regelmäßig eine Wiederholungsgefahr. Eine solche besteht nicht, da ein Post mit dem vorzitierten Inhalt durch die Beklagte nicht (rechtswidrig) gelöscht und wegen eines solchen Posts auch keine Maßnahmen hinsichtlich des Kontos getroffen wurden.
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3.6. Auch hinsichtlich des Posts „Hört endlich auf mit dem Ausdruck Schutzsuchende!!! Das sind Invasoren und Schwerverbrecher!!!“ bestehen keine Unterlassungsansprüche gegen die Beklagte. Wie vorstehend ausgeführt, sind die Löschung dieses Posts und die temporäre Sperrung des Kontos des Klägers durch die Beklagte aufgrund dieses Posts rechtlich nicht zu beanstanden. Unterlassungsansprüche für den Fall der erneuten Einstellung eines Posts mit diesem Inhalt bestehen folglich nicht.
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3.7. Die durch den Kläger geltend gemachten Auskunftsansprüche bestehen nicht, da es sich zum einen um rechtlich nicht zu beanstandende Maßnahmen durch die Beklagte handelte, welche schon deshalb nicht geeignet sind, hieran anknüpfende Auskunftsansprüche auszulösen. Zum anderen wären solche Ansprüche auch im Falle einer unberechtigten Sperrung und Löschung nicht gegeben. Auf die Ausführungen des Landgerichts (Urteil S. 16, Ziff. IV) wird insoweit Bezug genommen.
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3.8. Die vorstehenden Erwägungen gelten sinngemäß auch für den Schadensersatzanspruch, den der Kläger unter Ziffer 5. seiner Berufungsanträge verfolgt. Berechtigte Maßnahmen können keine Schadensersatzansprüche auslösen. Auf die Ausführungen des Landgerichts (Urteil S. 16f., Ziff. V.) wird im Übrigen ergänzend Bezug genommen. Eine Unbestimmtheit der Klage war insoweit nicht gegeben, da der Kläger einen einheitlichen Lebenssachverhalt schilderte und lediglich verschiedene rechtliche Anspruchsgrundlagen, welche er für einschlägig und erfüllt hält, darstellte.
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3.9. Anspruch auf Ersatz außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten besteht mangels begründeten Hauptanspruchs nicht.
II.
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Aufgrund vorstehender Darlegungen war das angefochtene Urteil auf die Berufung der Beklagten hin aufzuheben und die Klage war abzuweisen. Die Berufung des Klägers war zurückzuweisen, da die im Berufungsrechtsstreit geltend gemachten Ansprüche nicht bestehen.
III.
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1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 ZPO.
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2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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3. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.