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OLG München, Urteil v. 05.03.2020 – 29 U 3693/17
Titel:

- Schutzrechtsverwarnung bei Internetangeboten -

Kein Unterlassungsanspruch des Herstellers bei Schutzrechtsverwarnung von Abnehmern bei Internetangeboten

Normenketten:
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 1004
Leitsatz:
Dem Hersteller können Ansprüche wegen eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb aufgrund einer gegen einen seiner Abnehmer ausgesprochenen unberechtigten Schutzrechtsverwarnung nur dann zustehen, wenn auch er selbst nach der der Verwarnung zugrunde gelegten Rechtsauffassung als Verletzer erscheint. Bei unberechtigten Verwarnungen, die nur Angebote seiner Abnehmer betreffen, stehen dem Hersteller auch dann keine Ansprüche gegen den Verwarnenden zu, wenn er die vermeintliche Schutzrechtsverletzung verursacht hat.
Schlagwort:
Unterlassung
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 26.09.2017 – 33 O 19313/16
Fundstellen:
WRP 2020, 659
MittdtPatA 2020, 291
GRUR-RS 2020, 4265
LSK 2020, 4265
GRUR-RR 2020, 263

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Landgerichts München I vom 26.09.2017, berichtigt durch Beschluss vom 13.11.2017, aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.
Dieses Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

I.
1
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassung wegen einer kennzeichenrechtlichen Abmahnung einer ihrer Abnehmerinnen in Anspruch.
2
Die Klägerin ist eine deutsche Bekleidungsherstellerin. Sie vertreibt ihre Bekleidungsstücke über eigene Läden, über sog. „Shop-In-Shops“ sowie über das Internet. Sie ist Inhaberin der Bekleidungs-Produktmarke „E.“ und tritt im Verkehr zumeist unter ihrer Unternehmensmarke „B.“ auf. Die Produkte der Klägerin werden auch von verschiedenen gewerblichen Abnehmern der Klägerin eigenständig und eigenverantwortlich angeboten und vertrieben.
3
Die Beklagte stellt Bekleidungsstücke her und vertreibt diese. Sie ist Inhaberin der am 27.09.1991 für „Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen“ eingetragenen deutschen Wortmarke „SAM“ (vgl. Registerauszug, Anlage K 9).
4
Die Klägerin verkaufte an die D. AG Hosen der Marke E. (bzw. E. BY B.), welche durch die D. AG im Internet mit der in der Produktbeschreibung enthaltenen Angabe „Modell: Sam“ wie aus der auszugsweise eingelichteten Anlage K 2 (im Tenor des landgerichtlichen Urteils vollständig eingelichtet) ersichtlich angeboten wurden.
5
Die Klägerin hat den Modellnamen „Sam“ im Rahmen der Belieferung der D. AG verwendet. Die streitgegenständlichen Online-Angebote wurden durch die D. AG erstellt.
6
Die Beklagte mahnte die D. AG mit Schreiben vom 25.03.2015 (Anlage K 1, im Tenor des landgerichtlichen Urteils vollständig eingelichtet) wegen der Angebote unter der Bezeichnung „Modell: Sam“ ab. Die D. AG gab keine Unterlassungserklärung ab. Auf Klage der hiesigen Beklagten wurde die D. AG durch Urteil des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 12.05.2016, Az. 2-03 O 318/15 (Anlage B 2) zur Unterlassung des Angebots von Bekleidungsstücken unter den Bezeichnung „Modell: SAM“, wenn dies geschieht wie aus den dortigen Angeboten, die mit den streitgegenständlichen Angeboten identisch sind, ersichtlich, verurteilt. Das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. hat die Berufung mit Urteil vom 26.10.2017 (GRUR-RR 2018, 102) zurückgewiesen. Der Bundesgerichtshof hat auf die Revision der Beklagten durch Urteil vom 07.03.2019 (GRUR 2019, 522 - SAM) das Urteil das OLG Frankfurt a.M. aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Dieses hat durch Urteil vom 01.10.2019, Az. 6 U 111/16 (Anlage K 106) die Klage abgewiesen.
7
Die Klägerin hatte die Bezeichnung SAM im Jahr 2014 im Rahmen eines Angebots in ihrem Internetshop in der Form genutzt, dass sie eine Hose unter der Bezeichnung
SAM 340 - HERRENJEANS FIVE POCKET IN BLUE STONE
angeboten hat. Auf eine Berechtigungsanfrage der Klägerin hin (vgl. Anlage B 23) hat sie die Bezeichnung „SAM“ in ihrem Internetshop gelöscht (vgl. Anlage B 24).
8
Die Beklagte hatte auch bereits vor der streitgegenständlichen Abmahnung die D. AG wegen der Verwendung der Bezeichnung „SAM“ in Anspruch genommen. So wurde der D. AG durch Beschluss des OLG Frankfurt a. M. vom 23.04.2013, Az. 6 W 41/13 (Anlage B 3) im Wege der einstweiligen Verfügung verboten, Bekleidung unter der Bezeichnung „BOGNER JACKE SAM SCHWARZ“ anzubieten, wenn dies wie in der dortigen in Bezug genommenen konkreten Verletzungsform geschieht. Die D. AG hat die einstweilige Verfügung als endgültige Regelung akzeptiert.
9
Eine von der Klägerin gegen die Beklagte erhobene Klage auf Feststellung, dass der Beklagten kein Anspruch gegen die D. AG zustehe, dass diese es zu unterlassen habe, unter der Bezeichnung Sam Bekleidungsstücke zum Kauf anzubieten hat, der Senat als unzulässig angesehen (Senat, Urteil vom 12.10.2017, Az. 29 U 3823/16).
10
Die Klägerin trägt vor, es sei seit Jahrzehnten in der Bekleidungsbranche üblich und gängige Praxis, dass zur Benennung der Modelle innerhalb einer Kollektion eines Herstellers Vornamen verwendet würden, weshalb der Verkehr in solchen Vornamen keinen Hinweis auf einen bestimmten Hersteller oder eine bestimmte Herkunft der Waren sehe. Ihr stehe ein Anspruch auf Unterlassung der Verwarnung ihrer Abnehmer zu. Das an die Abnehmerin gerichtete Schreiben gemäß Anlage K 1 sei als Schutzrechtsverwarnung zu qualifizieren, welche im Falle ihrer Unbegründetheit für die Klägerin insbesondere einen Anspruch auf Unterlassung aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1004 Abs. 1 BGB analog unter dem Gesichtspunkt eines Eingriffs in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb begründe.
11
Für eine Klage auf unbegründete Abnehmerverwarnung könne nicht Voraussetzung sein, dass der Abmahnende auch den Hersteller hätte abmahnen können. Die Rechtsfigur der „Klage auf unbegründete Abnehmerverwarnung“ verfolge den Zweck, Herstellern die Möglichkeit zu geben, ihre Kundenbeziehungen zu schützen. Dementsprechend könne es nur darauf ankommen, dass das fragliche Zeichen (Marken, Modellnamen etc.) kausal auf den Hersteller zurückzuführen sei, da dann innerhalb der Kundenbeziehung dem Hersteller die Verantwortung für dieses Zeichen zukomme und Probleme des Abnehmers mit diesem Zeichen auf den Hersteller zurückfielen und die Kundenbeziehung störten.
12
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollziehen an der Geschäftsführerin der Beklagten, zu unterlassen Abnehmer der Klägerin, die Bekleidungsstücke mit der Bezeichnung
Sam
von der Klägerin geliefert bekommen haben oder zukünftig geliefert bekommen werden und die diese Bekleidungsstücke unter dieser Bezeichnung im geschäftlichen Verkehr innerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland zum Kauf anbieten, aufgrund dieses Anbietens wegen angeblicher Verletzung der im Register des Deutschen Patent- und Markenamts eingetragenen deutschen Marke Nr. 2004517 und daraus resultierender angeblicher Ansprüche auf Unterlassung und/oder Auskunft und/oder Belegvorlage und/oder Kostenerstattung und/oder Schadensersatz abzumahnen, insbesondere wenn dies wie mit Abmahnschreiben der Rechtsanwälte L. vom 25.03.2015, gemäß Anlage K 1, geschieht, wenn die Benutzung der Bezeichnung Sam in Form eines Modellnamens erfolgt, nämlich wenn dies wie in den Internet-Angeboten gemäß Anlage K 2 ersichtlich geschieht.
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Die Beklagte hat erstinstanzlich Klageabweisung beantragt.
14
Sie ist der Auffassung, die Abmahnung sei berechtigt gewesen, da die D. AG ihre Marke „Sam“ in den streitgegenständlichen Angeboten markenmäßig benutzt habe. Dies ergebe sich schon aus der Entscheidung des OLG Frankfurt a. M. vom 23.04.2013 (Anlage B 3), die die D. AG als endgültige Regelung anerkannt habe.
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Ein Anspruch aus § 823 Abs. 1, § 1004 BGB analog scheide auch deshalb aus, weil die Abnehmerin sich eigenständig dafür entschieden habe, die angegriffene Nutzungsform des Zeichens „Sam“ entsprechend der Verwarnung zu verwenden. Die Verwarnung der Abnehmerin durch die Beklagte stelle ausschließlich einen Vorgang zwischen der Beklagten und der Abnehmerin dar.
16
Das Landgericht hat der Klage durch Urteil vom 26.09.2017, berichtigt durch Beschluss vom 13.11.2017, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, vollumfänglich stattgeben.
17
Hiergegen wendet sich unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags die Beklagte mit ihrer Berufung und beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts München I vom 26.09.2017, Az. 33 O 19313/16, die Klage abzuweisen.
18
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
19
Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 05.03.2020 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

II.
20
Die Berufung ist zulässig und begründet. Es kann dahinstehen, ob die D. AG durch die Benutzung der Bezeichnung „Sam“ in den streitgegenständlichen Angeboten die Markenrechte der Beklagten verletzt hat. Jedenfalls steht der Klägerin wegen der seitens der Beklagten gegenüber der D. AG ausgesprochenen Abmahnung kein Unterlassungsanspruch wegen eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu.
21
Zwar kann eine unbegründete Verwarnung von Abnehmern eines Lieferanten aus einem Markenrecht ebenso wie eine sonstige Schutzrechtsverwarnung unter dem Gesichtspunkt eines rechtswidrigen und schuldhaften Eingriffs in das Recht des Lieferanten an seinem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb Ansprüche auf Unterlassung begründen (BGH GRUR 2006, 433 Rn. 17 - Unbegründete Abnehmerverwarnung) und vorliegend kann die Kundenbeziehung der Klägerin zu ihrer Abnehmerin D. AG durch die Abmahnung auch gestört worden sein, da es die Klägerin war, die den nach Auffassung der Beklagten markenverletzenden Modellnamen Sam gewählt und gegenüber ihren Abnehmern kommuniziert hatte. Die Kundenbeziehung, die durch die Abnehmerverwarnung gestört wird, ist aber nicht absolut geschützt. Anspruchsberechtigt ist nur derjenige, dem gegenüber sich die Behinderung in seiner freien wettbewerblichen Betätigung als unberechtigte Inanspruchnahme eines Ausschließlichkeitsrechts darstellt. Die Haftung des Schutzrechtsinhabers entspricht insoweit der Reichweite seiner geltend gemachten (angeblichen) Ansprüche als deren notwendiges Korrelat (BGH GRUR 2007, 313 Rn. 27 - Funkuhr II; BGH GSZ GRUR 2005, 882, 883 - Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung). Ansprüche wegen unberechtigter Schutzrechtsverwarnung stehen daher demjenigen nicht zu, der lediglich den angeblichen Schutzrechtsverletzer beliefert, ohne selbst nach der der Verwarnung zu Grunde gelegten Rechtsauffassung des Verwarners als Verletzer zu erscheinen (BGH GRUR 2007, 313 Rn. 28 - Funkuhr II; vgl. auch BGH GRUR 1977, 805, 807 - Klarsichtverpackung). Wer unberechtigt aus einem Schutzrecht verwarnt, haftet für den Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb derjenigen, denen gegenüber er ein Ausschließlichkeitsrecht in Anspruch nimmt; für die darin liegende Gefährdung der Marktchancen weiterer Beteiligter muss er jedenfalls diesen gegenüber nicht einstehen (BGH GRUR 2007, 313 Rn. 30 - Funkuhr II).
22
Nach diesen Grundsätzen steht der Klägerin, selbst wenn die seitens der Beklagten gegenüber der D. AG ausgesprochene streitgegenständliche Abmahnung unberechtigt gewesen sein sollte, wegen des Ausspruchs dieser Abmahnung kein Anspruch gegen die Beklagte zu.
23
Gegenstand der Abmahnung waren konkrete allein von der D. AG geschaltete Online-Angebote, in denen die D. AG nach Auffassung der Beklagten das Zeichen „Sam“ markenverletzend für Bekleidung benutzt haben soll. Ob die Verwendung des Zeichens „Sam“ als Modellbezeichnung in den Angeboten eine markenmäßige Benutzung darstellt, hängt von der konkret in Rede stehenden Art der Verwendung ab (vgl. BGH GRUR 2019, 522 Rn. 42 - SAM; BGH GRUR 2019, 1289 Rn. 32 - Damen Hose MO; Senat, Urteil vom 12.10.2017, Az. 29 U 3823/16), so dass es für die Begründetheit der Abmahnung auch unerheblich ist, dass der D. AG die Verwendung des Zeichens in einer anderen Form vom OLG Frankfurt a.M. bereits verboten wurde und die D. AG dies als endgültige Regelung anerkannt hat. Die streitgegenständlichen Angebote wurden allein von der D. AG und nicht auch von der Klägerin geschaltet. Da diese die Bekleidung nicht in der angegriffenen Form angeboten hat, ist sie nach der der Abmahnung zugrunde gelegten Rechtsauffassung nicht Verletzerin.
24
Dass die Klägerin selbst im Jahr 2014 Angebote unter Verwendung des Zeichens „SAM“, aber in ganz anderer Form, geschaltet hat, ist unerheblich, da die Beklagte wegen dieser Verwendung ihr Ausschließlichkeitsrecht in der streitgegenständlichen Abmahnung nicht in Anspruch genommen hat.
25
Ebenso ist es im Verhältnis der Klägerin zur Beklagten unerheblich, dass die Verwendung des Zeichens „Sam“ darauf zurückzuführen ist, dass die Klägerin als Herstellerin diesen Modellnamen gegenüber ihren Abnehmern kommuniziert hat, denn die Abmahnung richtet sich gegen vermeintlich rechtsverletzende von einem Abnehmer geschaltete Angebote und nicht gegen den Vertrieb seitens der Klägerin als Herstellerin in den Verkehr gebrachter rechtsverletzend gekennzeichneter Ware, bei der sich die Tätigkeit der Klägerin notwendigerweise auch als rechtsverletzend darstellen würde, auch ohne, dass der Verwarnende dies ausdrücklich behauptet (vgl. BGH GRUR 2007, 313 Rn. 28 - Funkuhr II für das Inverkehrbringen patentrechtsverletzender Erzeugnisse).
III.
Zu den Nebenentscheidungen:
26
1. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
27
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
28
Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor.