Inhalt

LG München I, Endurteil v. 16.12.2020 – 9 O 15459/20
Titel:

Unzulässige Verdachtsberichterstattung über eine Wirtschaftsstraftat

Normenkette:
BGB § 823 Abs. 1, § 1004
Leitsatz:
Zur unzulässigen identifizierenden Verdachtsberichterstattung trotz bestehendem dringenden Tatverdachts einer schweren Wirtschaftsstraftat. (Rn. 21 – 40) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Insolvenzverwalter, Berichterstattung, Bildberichterstattung, Untersuchungshaft, Staatsanwaltschaft, Schuldspruch, Unterlassung, Justizvollzugsanstalt, Widerspruch, Informationsinteresse, Tatverdacht, Beteiligung, Pressefreiheit, Untersuchungsausschuss, Kosten des Verfahrens, Gelegenheit zur Stellungnahme, dringender Tatverdacht
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Endurteil vom 01.06.2021 – 18 U 144/21 Pre
Fundstelle:
GRUR-RS 2020, 39460

Tenor

1. Die einstweilige Verfügung des Landgerichts München I vom 24.11.2020 (Az.: 9 O 15459/20) wird bestätigt.
2. Die Verfügungsbeklagte hat auch die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

1
Der Verfügungskläger begehrt von der Verfügungsbeklagten die Unterlassung der Nennung seines Namens und die Veröffentlichung eines Bildnisses seiner Person in einem Pressebericht.
2
Der Verfügungskläger leitete die … mit Sitz in …ie eine zentrale Rolle im … pielt. So erwirtschaftete die genannte … bereits im Jahr 2018 über 58 % des Konzerngewinns.
3
Die Staatsanwaltschaft München I geht ausweislich ihrer Presseerklärung vom 22.07.2020 (Anlage AG1) derzeit davon aus, dass die Beschuldigten - zu denen auch der Verfügungskläger zählt - im Jahr 2015 übereingekommen seien, die Bilanzsumme und das Umsatzvolumen der … durch das Vortäuschen von Einnahmen aus Geschäften mit sog. … aufzublähen. Dabei sollen angeblich vorhandene Vermögenswerte in Höhe von zuletzt 1,9 Milliarden Euro in Wahrheit nicht existiert haben. Durch falsche Jahresabschlüsse getäuschte Investoren und Banken sollen deshalb Gelder in Höhe von rund 3,2 Milliarden Euro bereitgestellt haben, die angesichts der Insolvenz der … höchstwahrscheinlich verloren seien.
4
1,1 Milliarden Euro der nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München I „erfundenen“ Bilanzsumme in Höhe von 1,9 Milliarden Euro entfielen auf die vom Verfügungskläger geleitete ….
5
Der Verfügungskläger hat die Öffentlichkeit stets gemieden. Nach seiner Kenntnis existierte bislang von ihm kein Foto in der Öffentlichkeit. Er stellte sich am 06.07.2020 freiwillig den Behörden und bot den Ermittlern seine Kooperationen an. Er möchte sich seiner individuellen Verantwortung stellen. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft in einer bayerischen Justizvollzugsanstalt. Am 19.11.2020 wurde er - per Video aus der Haftanstalt zugeschaltet - in der öffentlichen Sitzung des Untersuchungsausschusses … des Deutschen Bundestages als Zeuge vernommen; er beantwortete indes keine Fragen, führte aber aus „Die Angelegenheit ist ein Riesendesaster, das sich durch nichts beschönigen lässt“ und entschuldigte sich bei den Geschädigten (Anlage AG2).
6
Die Verfügungsbeklagte verantwortet das Nachrichtenmagazin … sowie die über dessen Online-Auftritt unter den URLs … oder … veröffentlichten Beiträge.
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Am 18.11.2020 wandten sich die Verfasser des streitgegenständlichen Artikels per Mail (AS 4) an den Strafverteidiger des Verfügungsklägers, stellten Fragen u.a. zu den Gegenstand des staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens bildenden Punkten, kündigten die verfahrensgegenständliche Berichterstattung an und gaben dem Verfügungskläger Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum nächsten Tag um 14:00 Uhr. Daraufhin antwortete der in diesem Verfahren mandatierte anwaltliche Vertreter des Verfügungsklägers mit Schreiben vom 18.11.2020 (Anlage AS 5) und wies auf das Urteil der Kammer vom 09.09.2020 (Anlage AS 3) und den aus seiner Sicht bestehenden Anonymitätsanspruch des Verfügungsklägers hin.
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Die Verfügungsbeklagte veröffentlichte in ihrer Printausgabe sowie am 21.11.2020 auch online unter dem Titel … den streitgegenständlichen Artikel. Darin heißt es u.a.:
„Was könnte den Größenwahn der … besser symbolisieren als der …. Im höchsten Gebäude der Welt soll … gewohnt haben, Liebhaber flotter Autos, der schon mal mit Rennfahrerhelm auf dem Kopf Gäste zum …auffierte. Er war … rechte Hand.
Seit 2005 im Konzern, baute er die … auf und ging 2013 nach … war Geschäftsführer der … einer Zwischenholding für 15 … darunter die Bank. Vor allem aber dirigierte … aus dem …. heraus die Konzerntochter …- und gemeinsam mit … u… das Geschäft mit Drittpartnern, den …. Die offizielle Begründung für da… leuchtet ein: Wo … keine Lizenz hat, vermittelt der Konzern Kunden an Partner, die Zahlungen für Händler abwickeln und an … msatzabhängige Vermittlerprovisionen entrichten. … lagerte seit mehr als zehn Jahren vor allem Hochrisikogeschäft an Dritte aus - die Abwicklung von Zahlungen für Online-pornos, -casinos, -finanzwetten, -nahrungsergänzungsmittel.
Doch die zuletzt stark wachsenden … auf die … so stolz war, sind wohl großteils Fake gewesen. Insolvenzverwalter … glaubt, dass … ohne das … das zuletzt vermeintlich fast eine Milliarde Euro zum Konzerngewinn beisteuerte, seit 2017 operativ Verluste erwirtschaftet hätte. Ohne großvolumiges … aber wäre Wirecard ein sehr viel kleineres Unternehmen gewesen, hätte kaum den Aufstieg in den Dax geschafft und über Kredite und Anleihen Milliarden hereinholen und anschließend veruntreuen können.
… war so etwas wie der Höllenhund, am Tor zwischen dem … und dem offiziellen …. Ein Großteil der Verträge mit den angeblichen Drittpartnern wurde über seine …. Allein die Firma … soll auf dem Höhepunkt die Hälfte der … erwirtschaftet haben. Die anderen großen … hießen … und … auf den … Gemeinsam mit … speiste … die Wunderzahlen in den Konzern ein.
Eine Milliarde Gewinn? Ahnten … und … nicht, dass das frei erfunden war, um … aufzublähen?
… soll im Winter 2019, als die Wirtschaftsprüfer von … einer Sonderuntersuchung unterzogen, intern noch versichert haben, die Zahlen seien echt, er kenne die Kunden persönlich. Log er, oder hat er sich täuschen lassen?
Tatsächlich sind Informationsflüsse und Zuständigkeiten im Konzern selbst für Profis kaum nachvollziehbar. Insolvenzverwalter … fasst das Chaos so zusammen: »Auffällig ist, dass Funktionalitäten, die das sogenannte … betreffen, angabegemäß nicht in die funktionale Organisation eingegliedert gewesen sind.«
… berichten Insider, habe sich in … Techniker gehalten, die sich um die Verwaltung der … kümmerten. 2017 beschloss der Vorstand, eine einzige zentrale Plattform, verantwortet von Produktvorständin … zu schaffen, auf der alle Transaktionen abgebildet werden sollten. … soll dagegen mit einer Hinhaltetaktik gekämpft haben. Im Sommer 2020 sollten die Daten übertragen werden - dazu kam es nicht mehr.
Wenige Wochen nach dem Zusammenbruch tauchte … in … auf, stellte sich der Staatsanwaltschaft, wurde zum Kronzeugen. Fragen des … so … Anwalt, könne er »in Anbetracht des laufenden Ermittlungsverfahrens« nicht kommentieren.
Die Aussagen des … jedenfalls veranlassten die Staatsanwaltschaft, vom »gewerbsmäßigen Bandenbetrug« zu sprechen, … ein zweites Mal festzunehmen und neben ihm zwei weitere Führungskräfte.
Alle seit 2015 gebuchten … seien Fake gewesen, soll …usgesagt haben. Insider halten das nicht für glaubwürdig. Schließlich habe es zuvor reales Geschäft mit den Partnern gegeben. Selbst wenn … und Co. danach Umsätze erfunden hätten, sei es nicht plausibel, dass auch alte Kunden … plötzlich den Rücken zugewandt hätten.
Zweifel an … sind auch aus anderen Gründen angebracht. Nach … hat der Ex-Manager Geld beiseitegeschafft. … unterhält offenbar in … die Stiftung … in der 6,1 Millionen Euro liegen Ob sein Gehalt reichte, das Stiftungskonto zu füllen, ist unklar.
Will …womöglich andere in den Abgrund reißen, in der Hoffnung, als Kronzeuge milde bestraft zu werden und später mit dem Geld aus der Stiftung ein sorgloses Leben bestreiten zu können?“
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Außerdem findet sich in dem Artikel das folgende den Verfügungskläger zeigende Foto:
...
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Für die weiteren Einzelheiten wird auf den als Anlage AS 1 vorgelegten Artikel Bezug genommen.
11
Mit anwaltlicher Mail vom 20.11.2020 (Anlage AS 6) ließ der Verfügungskläger die Verfügungsbeklagte zur Unterlassung der streitgegenständlichen Berichterstattung und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auffordern. Dies lehnte die Verfügungsbeklagte mit Mail vom 20.11.2020 (Anlage AS 7) aber ab.
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Der Verfügungskläger trägt vor, die Verfügungsbeklagte habe durch die streitgegenständliche Berichterstattung widerrechtlich in das Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers eingegriffen. Es liege ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht durch die Namensnennung im Stadium des Ermittlungsverfahrens vor. Die Verfügungsbeklagte habe in dem denkbar frühesten Zeitpunkt des Ermittlungsverfahrens unter voller Namensnennung und unter Abdruck eines unverpixelten Bildnisses des Verfügungsklägers über die gegen diesen geführten Ermittlungen berichtet. Durch die einwilligungslose Veröffentlichung des Bildnisses des die Öffentlichkeit meidenden und dieser nicht bekannten Verfügungsklägers verletze die Verfügungsbeklagte zudem dessen Recht am eigenen Bild. Hieran ändere auch der Umstand nichts, dass der Verfügungskläger im parlamentarischen Untersuchungsausschuss ausgesagt hat. So sei der Verfügungskläger verpflichtet gewesen, am Untersuchungsausschuss teilzunehmen; es liege also gerade keine freiwillige Selbstöffnung vor. Überdies sei zu berücksichtigen, dass die Beweisaufnahme im Untersuchungsausschuss gem. § 13 S. 1 PUAG zwar in öffentlicher Sitzung erfolge, Ton- und Filmaufnahmen sowie Ton- und Bildübertragungen aber gerade nicht zulässig seien.
13
Außerdem sei es widersprüchlich und widerspreche strafrechtlichen Grundsätzen, wenn die Kooperation des Verfügungsklägers dazu führe, dass dieser seinen Anonymitätsanspruch verliere, während über Beschuldigte, die keine Aussage tätigen und sich ihrer Verantwortung nicht stellen, nicht identifizierend berichtet werden dürfe. Es sei ferner zu berücksichtigen, dass der Verfügungskläger im Ermittlungsverfahren, das sich noch in einem frühen Stadium befinde, zwar kooperiere, aber nicht etwa ein Geständnis abgelegt habe. Dass die identifizierende Bild- und Textberichterstattung rechtswidrig sei, spiegele sich zudem auch darin wieder, dass andere Zeitungen wie die … und die … den Verfügungskläger im Rahmen ihrer Berichterstattung anonymisieren. Als Kronzeuge in Untersuchungshaft unterliege der Verfügungskläger zudem einer besonderen Gefährdungslage.
14
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 23.11.2020, eingegangen bei Gericht am 24.11.2020, hat der Verfügungskläger beantragt, die streitgegenständliche identifizierende Wort- und Bildberichterstattung im Wege der einstweiligen Verfügung zu untersagen. Die Kammer hat dem Antrag mit Beschluss vom 24.11.2020 entsprochen und hat eine einstweilige Verfügung (Bl. 12/15 d.A.) mit folgendem Tenor erlassen:
1.1.1.1.1.
Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu zweihundertfünfzigtausend Euro oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten - Ordnungshaft zu vollstrecken an dem Geschäftsführer sowie auch für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann - wegen jeder Zuwiderhandlung
untersagt,
über den Antragsteller im Zusammenhang mit den strafrechtlichen Ermittlungen gegen seine Person unter Angabe seines Namens und seines Bildnisses identifizierend zu be - richten und/oder berichten zu lassen,
wenn dies geschieht wie in dem am 21.11.2020 unter der URL
… veröffentlichten Artikel … beigefügt als Anlage AS 1)
2.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
15
Mit Schriftsatz vom 03.12.2020 hat die Verfügungsbeklagte gegen die einstweilige Verfügung vom 24.11.2020 Widerspruch eingelegt. Über diesen ist am 16.12.2020 mündlich verhandelt worden.
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Der Verfügungskläger beantragt zuletzt,
den Widerspruch zurückzuweisen und die einstweilige Verfügung vom 24.11.2020 zu bestätigen.
17
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
die einstweilige Verfügung vom 24.11.2020 aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.
18
Die Verfügungsbeklagte trägt vor, der Verfügungskläger könne im Zusammenhang mit den gegen ihn geführten Ermittlungen keinen Anonymitätsschutz beanspruchen. In den Blick zu nehmen sei, dass er insoweit nur in seiner im Wirtschaftsleben wahrgenommenen öffentlichen Rolle betroffen sei. Zu berücksichtigen sei ferner, dass er für eine der „Schlüsselfirmen“ des … verantwortlich gewesen sei und dass er ein Teilgeständnis abgelegt habe. Die Öffentlichkeit habe ein Anrecht zu erfahren, wer in dem vielleicht größten Wirtschaftsskandal in der Geschichte der Bundesrepublik als verantwortlicher Top-Manager eine zentrale Schlüsselfigur sei. Zu sehen sei ferner, dass zwischenzeitlich nicht nur der ehemalige … vor dem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages zu den maßgeblichen gegen den Verfügungskläger erhobenen Vorwürfen befragt wurde, sondern auch der Verfügungskläger selbst.
19
Die Verfügungsbeklagte vertritt die Auffassung, die identifizierende Wort- und Bildberichterstattung über die strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Verfügungskläger sei rechtmäßig. Dies folge daraus, dass der Verfügungskläger einer der Hauptverdächtigen im … sei. Es bestehe nicht nur ein Anfangsverdacht, sondern sogar ein dringender Tatverdacht. Die identifizierende (Verdachts-)Berichterstattung im Verdachtsstadium sei auch im Hinblick auf die insoweit einschlägige Rechtsprechung zulässig. Der Verfügungskläger habe zudem als Kronzeuge umfassende Angaben gemacht, die zur Verhaftung dreier … geführt hätten. Er müsse daher umfassende Kenntnis von dem Betrug gehabt haben. Daher sei das berechtigte Informationsinteresse der Öffentlichkeit beispiellos, der Schaden von 3,2 Milliarden € enorm. Selbst wenn eine Gefährdung des Verfügungsklägers bestehen würde, überwiege das berechtigte Informationsinteresse der Öffentlichkeit; der Verfügungskläger habe diese durch seine maßgebliche Beteiligung am … gegebenenfalls selbst hervorgerufen. Zudem habe der Verfügungskläger eine angebliche Gefährdung nicht substantiiert dargelegt und für eine solche gebe es auch keine konkreten Anhaltspunkte. Auch angesichts der politischen Dimensionen des … gebe es kaum einen denkbaren Fall, in dem das berechtigte Informationsinteresse der Öffentlichkeit größer sein könnte. Der Berichterstattung stünden auch keine schutzwürdigen Resozialisierungsinteressen des Verfügungsklägers entgegen. Auf eine zusätzliche Selbstöffnung des Verfügungsklägers komme es insoweit gar nicht mehr an; überdies sei in den Blick zu nehmen, dass er sich im Untersuchungsausschuss freiwillig an die Öffentlichkeit gewandt und sich entschuldigt habe. Es bestehe deshalb ein legitimes Informationsinteresse; eine Bedürfnisprüfung dürfe insoweit ohnehin nicht erfolgen.
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Die Kammer hat mündlich verhandelt im Termin am 16.12.2020; insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen. Für die weiteren Einzelheiten des Sachstandes und des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.12.2020 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

21
Die einstweilige Verfügung ist zu bestätigen, weil der Antrag auf ihren Erlass zulässig und begründet ist. Der Verfügungskläger hat gegen die Verfügungsbeklagte nämlich einen Anspruch auf Unterlassung der streitgegenständlichen Nennung seines Namens und der Bildberichterstattung gem. §§ 1004, 823 Abs. 1 und 2 BGB, Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG, §§ 22, 23 KUG, weil der Verfügungskläger hierdurch in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt wird.
22
1. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt nicht vor personenbezogenen Berichten schlechthin, sondern vielmehr ist eine Wortberichterstattung grundsätzlich zulässig (vgl. BVerfG v. 08.12.2011 - 1 BvR 927/08 - Rz. 19; alle Zitate im Folgenden, soweit nicht anders gekennzeichnet, zitiert nach juris-Datenbank). Denn der gleichfalls grundgesetzlich - nämlich durch Art. 5 Abs. 1 GG - garantierte Schutz der Presse- und Meinungsfreiheit erlaubt es der Presse, innerhalb der gesetzlichen Grenzen nach publizistischen Kriterien darüber zu entscheiden, was sie im öffentlichen Interesse für berichtenswert hält (BGH v. 11.03.2009 - I ZR 8/07 - Rz. 14).
23
Dabei ist aber stets eine Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen (Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG) einerseits und dem gleichfalls (in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) garantierten Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit andererseits vorzunehmen (BVerfG v. 14.02.1973 - 1 BvR 112/65 - Rz. 28; BVerfG v. 08.12.2011 - 1 BvR 927/08 - Rz. 18; BGH v. 15.11.1994 - VI ZR 56/94 - Rz. 64).
24
2. Während sich der Verfügungskläger auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung/das allgemeine Persönlichkeitsrecht berufen kann, streitet für die Verfügungsbeklagte das Recht auf freie Berichterstattung und Meinungsäußerung, wie es durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG vermittelt wird. Dazu gehört grundsätzlich zunächst einmal das Recht, über wirtschaftliche Verhältnisse und die personellen und wirtschaftlichen Verflechtungen von Personen und Unternehmen zu berichten. Dazu gehört aber - weitergehend - auch das Recht, innerhalb der gesetzlichen Grenzen nach publizistischen Kriterien selbst darüber zu entscheiden, was sie im öffentlichen Interesse für berichtenswert hält (vgl. BGH v. 11.03.2009 - I ZR 8/07 - Rz. 14).
25
Maßgeblich ist daher die für den konkreten Fall vorzunehmende Güterabwägung zwischen dem Recht des Verfügungsklägers einerseits und dem Recht der Verfügungsbeklagten andererseits. In diese Abwägung sind die soziale Stellung und die Intensität des Eindringens in die Privatsphäre, die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit sowie das öffentliche Informationsinteresse einzustellen.
26
3. Dabei ist im vorliegenden Fall noch zu differenzieren zwischen der identifizierenden Berichterstattung mittels Namensnennung einerseits (siehe im Folgenden unter Ziffer 3.1) und der streitgegenständlichen Bildberichterstattung andererseits, für die nach der Systematik der §§ 22, 23 KUG noch strengere Anforderungen gelten (siehe hierzu unten unter Ziffer 4).
27
3.1. Für ein überwiegendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit spricht zunächst insbesondere der Umstand, dass der Verfügungskläger bei einer Tochter der Firma … eine hervorgehobene Position bekleidete. Er war bis 2013 Prokurist bei der … und leitete dort … welche nach Angaben von … für ein Drittel des angeblichen weltweiten Umsatzes und für 60 % des weltweiten Gewinns verantwortlich war, der laut Wirecard knapp 400 Millionen Euro betrug. Für ein überwiegendes Informationsinteresse streitet auch der Umstand, dass der dringende Verdacht besteht, dass 1,9 Milliarden € aus der …nie existiert haben, wovon ein maßgeblicher Betrag auf die von dem Verfügungskläger geleitete … entfällt. Es handelt sich um den Verdacht besonders gravierender Delinquenz von Verantwortlichen eines … die zu einer außerordentlich immensen Schadenssumme geführt haben. Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit aber andererseits bereits entschieden, dass bei der Berichterstattung über Strafverfahren die Schwere der in Frage stehenden Straftat nicht nur für das öffentliche Informationsinteresse, sondern auch bei der Gewichtung der entgegenstehenden Persönlichkeitsbelange Bedeutung erlangen kann. So wird bei einer sehr schwerwiegenden Tat zwar einerseits ein hohes öffentliches Informationsinteresse bestehen, andererseits aber die Gefahr einer Stigmatisierung des noch nicht rechtskräftig verurteilten Betroffenen erhöht sein (BVerfG, Beschl. v. 25.01.2012 - 1 BvR 2499/09 u. 1 BvR 2503/09, NJW 2012, 1500, 1502, Rn. 41 m.w.N.).
28
Die Beantragung und der Erlass eines Untersuchungshaftbefehles zeigen zudem, dass die Strafverfolgungsbehörden einen dringenden Tatverdacht gegen den Verfügungskläger bejaht haben. Dabei lautet der Haftbefehl unter anderem auf „den dringenden Tatverdacht des gemeinschaftlichen Betrugs und versuchten gemeinschaftlichen Betrugs jeweils im besonders schweren Fall sowie den Verdacht der Beihilfe zu anderen Straftaten“. Für eine Verantwortlichkeit des Verfügungsklägers spricht auch der Umstand, dass sein Strafverteidiger öffentlich erklärt hat, dass der Verfügungskläger sich seiner individuellen Verantwortung stellen wolle. Außerdem ist durch die streitgegenständliche Berichterstattung lediglich die zur Sozialsphäre zählende berufliche Tätigkeit des Verfügungsklägers betroffen. Dieser musste sich zudem der Öffentlichkeit bereits im Rahmen seiner Vernehmung als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages stellen.
29
3.2 Dem steht gegenüber, dass der Verfügungskläger bis dato noch nicht in der Öffentlichkeit in Erscheinung getreten ist. Er gehört auch nicht etwa einer Prominenten-, Politiker-, Adelsfamilie o.ä. an. Wie bereits ausgeführt handelt es sich im Rahmen des derzeitigen Standes der Ermittlungen zwar um den Verdacht außerordentlich gravierender Delikte; welche „Rolle“ der Verfügungskläger insoweit innehatte, insbesondere soweit es etwaige Tatbeiträge, betreffenden Vorsatz und etwaige ihm zugeflossene Vorteile anbelangt, ist im hiesigen Verfahren aber im Einzelnen weder dargetan noch ersichtlich. Für den Verfügungskläger streitet weiter, dass er bislang nicht nur nicht rechtskräftig verurteilt wurde, sondern dass noch nicht einmal Anklage gegen ihn erhoben wurde. Somit kann er für sich in besonderem Maße die Unschuldsvermutung beanspruchen (vgl. dazu Burkhardt/Peifer in Wenzel: Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl., Kap. 10, Rn. 169 m.w.N.; Korte: Praxis des Presserechts, 2. Auf, § 2, Rn 251 m.w.N.; Rehbock: Medien- und Presserecht, 2 Aufl., § 2, Rn. 183 ff.).
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Die den Beschuldigten identifizierende Berichterstattung über ein Ermittlungsverfahren beeinträchtigt zudem zwangsläufig dessen Recht auf Schutz seiner Persönlichkeit und seines guten Rufes, weil sie sein mögliches Fehlverhalten öffentlich bekannt macht und seine Person in den Augen der Adressaten negativ qualifiziert (BGH, Urt. v 18.06.2019 - VI ZR 80/18, Rn. 19 unter Bezugnahme auf Senatsurteile vom 18.12.2018 - VI ZR 439/17, Rn. 9; vom 16.02.2016 - VI ZR 367/15, NJW-RR 2017, 31 Rn. 15; vom 18.11.2014 - VI ZR 76/14, BGHZ 203, 239 Rn. 31; jeweils m w.N.; BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 15 m.w.N.). Insoweit sind auch wahre Tatsachenbehauptungen nicht unbeschränkt zulässig. Vielmehr können sie rechtswidrig in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen eingreifen, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten drohen, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Aussage geeignet ist, eine erhebliche Breitenwirkung zu entfalten oder eine besondere Stigmatisierung des Betroffenen nach sich zu ziehen, so dass sie zum Anknüpfungspunkt für soziale Ausgrenzung und Isolierung zu werden droht (BGH, Urt v 18.06.2019 - VI ZR 80/18, Rn. 21 m.w.N.).
31
Oftmals kann im Hinblick auf die Unschuldsvermutung bis zu einem erstinstanzlichen (nicht notwendig rechtskräftigen) Schuldspruch das Recht des Beschuldigten auf Schutz der Persönlichkeit das Interesse an einer identifizierenden Wortberichterstattung überwiegen. Dies ist allerdings nicht der Fall, wenn die besonderen Umstände der dem Beschuldigten vorgeworfenen Straftat oder dessen herausgehobene Stellung ein gewichtiges Informationsinteresse der Öffentlichkeit - auch über die Identität des Beschuldigten - begründen, hinter dem das Interesse des Beschuldigten am Schutz seiner Persönlichkeit zurückzutreten hat (BGH, Urt. v. 18.06.2019 - VI ZR 80/18, Rn. 41 m.w.N.).
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Außerdem fungiert der Verfügungskläger für die Staatsanwaltschaft als sog. … weswegen er selbst bei einer etwaigen späteren Verurteilung jedenfalls auf eine nicht unerhebliche Strafmilderung nach § 46b StGB hoffen kann. Daher kann auch ernsthaft damit gerechnet werden, dass der Gesichtspunkt der Resozialisierung des Verfügungsklägers in nicht erst vollkommen fernliegender Zukunft eine wichtige Rolle spielen wird; auch dieser laufen die Preisgabe seines Namens und seines Bildes in der Öffentlichkeit zuwider. Überdies besteht für den Verfügungskläger auch ein Interesse daran, in der Untersuchungshaft möglichst anonym zu bleiben, da er in der Wahrnehmung der Mithäftlinge als vermögend gelten muss und sich damit grundsätzlich der Gefahr von rechtswidrigen Angriffen von Mithäftlingen ausgesetzt sehen könnte.
33
3.3. Da der Verfügungskläger bislang in der Öffentlichkeit nicht in Erscheinung getreten ist, und sich aus dem Vortrag der Verfügungsbeklagten auch nicht ergibt, dass er über längere Zeit die Nennung seines Namens toleriert hätte, ist ein besonderes gesellschaftspolitisches Interesse an der Identität des Verfügungsklägers auch im Hinblick auf die besondere Bedeutung des … nicht gegeben. Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit wird bereits durch eine - selbstredend zulässige - Berichterstattung über die nunmehr bekannten Hintergründe der Tat und die Angaben zur Person des Verfügungsklägers, welche eine Identifizierung für die breite Öffentlichkeit nicht ermöglichen, in hohem Maße befriedigt. Die Pressefreiheit wird insoweit nicht besonders schwerwiegend beschränkt, wenn - jedenfalls noch im derzeitigen Stadium des Ermittlungsverfahrens - nicht zusätzlich auch noch der volle Name des Verfügungsklägers und nicht anonymisierte Fotos von diesem veröffentlicht werden. So ist der Verfügungskläger nicht etwa Politiker oder der Öffentlichkeit aus anderen Gründen bekannt. Für den Durchschnittsleser und dessen Informationsbedürfnis ist es damit korrespondierend für das Verständnis der Vorgänge ohne besondere Relevanz, ob der Verfügungskläger … der …eißt oder einen anderen Namen trägt. Selbiges gilt für die Frage, welche Kopfform er hat und welche Frisur er trägt. Der Eingriff in die Pressefreiheit stellt sich deshalb als überschaubar dar, wenn im Rahmen der - im Übrigen freilich zulässigen - streitgegenständlichen Berichterstattung statt des vollen Namens des Verfügungsklägers etwa nur von …ie Rede ist und sein Foto durch einen schwarzen Balken über den Augen oder durch Verpixelung verfremdet wird Demgegenüber wird aus den dargelegten Gründen das Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers - für den in diesem sehr frühen Verfahrensstadium und bei dem äußerst gravierenden Tatverdacht die Unschuldsvermutung noch besonders stark streitet - durch eine identifizierende Wort- und Bildberichterstattung besonders schwerwiegend beeinträchtigt.
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Der Gesichtspunkt der in nicht vollkommen fernliegender Zeit erwartbaren Resozialisierung des Verfügungsklägers, der den Ermittlungsbehörden umfangreiche Aufklärungshilfe leistet und daher mit einer deutlichen Strafmilderung rechnen kann, sowie die mit einer besonderen Verletzlichkeit verbundene Situation des in Untersuchungshaft befindlichen Verfügungsklägers überwiegen hier deshalb jedenfalls derzeit noch das Interesse der Öffentlichkeit an der Mitteilung auch seines vollen Namens und der Veröffentlichung nicht verfremdeter Fotos. Dies gilt, obwohl es sich um ein überragend bedeutsames Ermittlungsverfahren handelt, das mit einem hohen öffentlichen Informationsinteresse verbunden ist. So bleibt es der Verfügungsbeklagten unbenommen, in nicht identifizierender Weise in Wort und Bild über den Verfügungsbeklagten und die Einzelheiten der Geschehnisse zu berichten; vor diesem Hintergrund stellt sich die Beschränkung der Pressefreiheit der Verfügungsbeklagten zwar als spürbar, aber nicht als besonders schwerwiegend dar.
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Die Kammer verkennt insoweit nicht, dass die Presse auch das Recht hat, innerhalb der gesetzlichen Grenzen nach publizistischen Kriterien selbst darüber zu entscheiden, was sie im öffentlichen Interesse für berichtenswert hält (vgl. BGH v. 11.03.2009 - I ZR 8/07 - Rz. 14); eine Bedürfnisprüfung findet gerade nicht statt. Dies bedeutet aber nicht etwa, dass bereits im Ermittlungsverfahren stets jegliche identifizierende Wort- und Bildberichterstattung zulässig und richterlicher Kontrolle gänzlich entzogen wäre. Vielmehr ist eine Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen (Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG) einerseits und dem gleichfalls (in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) garantierten Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit der Verfügungsbeklagten andererseits vorzunehmen.
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Gemessen an den einschlägigen, oben dargelegten Grundsätzen steht dem Verfügungskläger mithin ein Anspruch auf Unterlassung der streitgegenständlichen identifizierenden Wortberichterstattung zu. Es handelt sich nach derzeitigem Sach- und Streitstand, in dem der Verfügungskläger zwar im Untersuchungsausschuss als Zeuge per Video zugeschaltet war, die Ermittlungen der Verfolgungsbehörden sich aber noch im nichtöffentlichen Ermittlungsverfahrens befinden, nicht um einen Vorgang von solchem Gewicht, dass ein berechtigtes Interesse der Allgemeinheit gerade auch an der Offenlegung der Identität des Verfügungsklägers besteht. Zwar berührt der Verdacht besonders gravierender Wirtschaftsdelikte mit immensen Schadenssummen, die von für ein … Unternehmen bzw. eine Tochtergesellschaft tätigen Beschuldigten begangen worden sein sollen, wegen der Schwere der vorgeworfenen Taten das Informationsinteresse der Öffentlichkeit in erheblichem Maße. Ein das Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers hinreichend überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit, schon während des Ermittlungsverfahrens nicht nur über die Position des Verfügungsklägers im Unternehmen und den Gegenstand der Ermittlungen informiert zu werden, sondern zusätzlich auch über dessen Identität, besteht indes jedenfalls derzeit (noch) nicht. Der Verfügungskläger war nämlich nicht einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Das Informationsinteresse rührt auch nicht etwa aus seiner Stellung oder Funktion in der Öffentlichkeit oder aus etwaigen Auswirkungen seiner Tat auf die Öffentlichkeit oder auf deren Vertrauen in seine Integrität. Der im streitgegenständlichen Artikel durch Nennung des vollen Namens und Abdruck eines nicht anonymisierten Fotos für jedermann erkennbare Verfügungskläger ist überdies auch wegen des Vorwurfs, besonders gravierende Wirtschaftsdelikte begangen zu haben, der Gefahr erheblicher sozialer Missachtung schon vor einer Verurteilung ausgesetzt. Seine durch die Unschuldsvermutung konkretisierten Interessen überwogen daher im Zeitpunkt der Veröffentlichung des streitgegenständlichen Artikels, aber auch noch derzeit das Interesse der Öffentlichkeit an einer identifizierenden Berichterstattung (vgl. BGH, Urt. v. 18.06.2019 - VI ZR 80/18, Rn. 43 m.w.N.). Daran ändert sich in einer Gesamtschau nach Abwägung der widerstreitenden Rechte der Parteien im Ergebnis auch angesichts der Tatsache nichts, dass er - per Video zugeschaltet - als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages aufgetreten ist, wobei er sich auf sein Aussageverweigerungsrecht bezog, keine Fragen beantwortete und sich bei den Geschädigten entschuldigte (vgl. Anlage AG 2).
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3.4. Ob darüber hinaus angesichts einer knappen Fristsetzung im Rahmen der dem Verfügungskläger seitens der Verfügungsbeklagten vor Veröffentlichung des streitgegenständlichen Artikels eingeräumten Gelegenheit zur Stellungnahme auch noch ein Verstoß der Verfügungsbeklagten gegen die Grundsätze der sog. Verdachtsberichterstattung (vgl. dazu z.B. BGH NJW 1996, 1131, 1134) zu beklagen ist, kann somit dahinstehen.
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3.5. Unter Abwägung all dieser Gesichtspunkte gelangt die Kammer in der Gesamtschau zu der Überzeugung, dass das Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers vorliegend das Recht auf Presse- und Meinungsfreiheit überwiegt.
39
4. Was für die Nennung des Namens des Verfügungsklägers gilt, muss im Hinblick auf die Systematik der §§ 22, 23 KUG erst recht für die angegriffene Bildnisveröffentlichung gelten, da insoweit sogar die Rechtswidrigkeit indiziert wird.
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Eine Einwilligung des Verfügungsklägers i.S.d. § 22 KUG liegt nicht vor. Aus den oben dargelegten Gründen, die insoweit entsprechend gelten, kann hier auch nicht von einem Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte i.S.d. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG ausgegangen werden, dessen Verbreitung kein berechtigtes Interesse des Verfügungsklägers i.S.d. § 23 Abs. 2 KUG verletzt. Weder eine (teil-)geständige Einlassung oder der Umstand, dass der Verfügungskläger sich einer Verhandlung in der Öffentlichkeit (vor Gericht oder in einem Untersuchungsausschuss) stellen muss, noch eine nicht rechtskräftige erstinstanzliche Verurteilung lassen die für ihn streitende Unschuldsvermutung entfallen (vgl. dazu von Strobl/Peifer in Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl., Kap. 7, Rn. 100 und Kap. 8, Rn. 131 m.w.N.; Korte: Praxis des Presserechts, 2. Auf., § 2, Rn. 122 und 124 m.w.N.; Rehbock: Medien- und Presserecht, 2. Aufl., § 3, Rn. 333). Jedenfalls bei dem derzeitigen Sach- und Streitstand - unter Berücksichtigung insbesondere der Tatsache, dass gegen den Verfügungskläger bislang noch nicht einmal Anklage erhoben wurde geschweige denn ein zumindest erstinstanzliches Urteil ergangen ist - überwiegt jedenfalls derzeit noch das Recht des Verfügungsklägers auf Schutz der Persönlichkeit das Interesse an einer Veröffentlichung einer identifizierender Abbildung in der Presse (vgl. dazu z.B. BGH, Urt. v. 18.06.2019 - VI ZR 80/18, Rn. 33 m.w.N.).
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5. Es besteht auch eine Wiederholungsgefahr entsprechend § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Verfügungsbeklagte hat es nämlich abgelehnt, hinsichtlich der streitgegenständlichen Berichterstattung eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben.
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6. Somit steht dem Verfügungskläger gegen die Verfügungsbeklagte ein Anspruch auf Unterlassung der streitgegenständlichen identifizierenden Text- und Bild-Berichterstattung zu, so dass die einstweilige Verfügung vom 24.11.2020 aufrechtzuerhalten ist.
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7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Verkündet am 16.12.2020