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LG Würzburg, Endurteil v. 26.05.2020 – 11 O 1772/19
Titel:

Unterlassungsansprüche wegen behaupteter Verstöße gegen die Rückkehrpflicht von Mietwagen

Erfolglose Unterlassungsklage wegen behaupteter Verstöße gegen die Rückkehrpflicht von Mietwagen

Normenketten:
UWG § 3, § 4 Nr. 11
PBefG § 49
Leitsatz:
Nimmt der Fahrer eines Mietwagenunternehmens bei Erteilung eines Fahrauftrags am Vorabend den Mietwagen sogleich mit nach Hause, um von dort aus den Auftrag abzuarbeiten, liegt kein Verstoß gegen die Rückkehrpflicht nach § 49 Abs. 4 S. 3 PBefG vor. (Rn. 27 – 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Betriebssitz, Beförderungsauftrag, Dienstzeit, Mietwagen, Rückkehrgebot, Rückkehrpflicht, Unterlassung, Marktverhaltensregelung, wettbewerbswidriges Verhalten, Verstoß, Mietwagenunternehmen, Beförderungsfahrt, Fahrer
Rechtsmittelinstanzen:
OLG Bamberg, Beschluss vom 08.09.2020 – 3 U 189/20
OLG Bamberg, Hinweisbeschluss vom 16.07.2020 – 3 U 189/20
Fundstelle:
GRUR-RS 2020, 22556

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 20.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um Unterlassungsansprüche wegen behaupteter Verstöße gegen die Rückkehrpflicht von Mietwagen nach § 49 Abs. 4 PBefG.
2
Die Klägerin ist Inhaberin eines Mietwagenunternehmens mit Sitz ….
3
Die Beklagte ist Inhaberin eines Taxi- und Mietwagenunternehmens mit Sitz in …
4
Beide Parteien erbringen im gleichen räumlichen Bereich gleiche Dienstleistungen im Bereich der gewerblichen und entgeltlichen Verkehrserbringung mit Mietwagen gem. § 49 Abs. 4 PBefG und stehen daher im unmittelbaren Wettbewerb zueinander.
5
Ein bei der Beklagten angestellter Mietwagenfahrer führte im August und September 2019 an insgesamt 9 Tagen von seinem Wohnsitz in … jeweils gegen 6.00 Uhr am Morgen Mietwagenfahrten durch. Der Fahrer fuhr dabei jeweils von seinem Wohnsitz über …, wo er einen Fahrgast aufnahm und jeweils zum Bezirkskrankenhaus … beförderte. Hinsichtlich der einzelnen Fahrdaten wird auf Bl. 3 und 4 der Klageschrift Bezug genommen.
6
Vor den einzelnen Fahrten parkte der Mietwagen jeweils auf einem öffentlichen Parkplatz oder im Hof des Hauses des angestellten Mietwagenfahrers. Der angestellte Mietwagenfahrer fuhr vor Ausführung des Beförderungsauftrages nicht zur Betriebsstätte der Beklagten, sondern führte die Aufträge jeweils von seinem Wohnort aus. Bei dem jeweils beförderten Fahrgast handelt es sich um eine Patientin, die zur ambulanten Tagesbehandlung ins Bezirkskrankenhaus in … gefahren wurde.
7
Die Klägerin behauptet, dass es sich bei den in der Klageschrift genannten Beförderungsfahrten um jeweils einen Verstoß gegen die Rückkehrpflicht gem. § 49 PBefG handle. Die Beklagte habe somit jeweils gegen die Marktverhaltensregelung i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG verstoßen. Die Klägerin hält das Vorgehen der Beklagten für rechtswidrig, da die Mietwägen am Betriebssitz des Mietwagenunternehmers abgestellt werden müssten. Es sei daher zu beanstanden, dass der Fahrer des Mietwagens diesen nach Ende der Dienstzeit mit Einverständnis des Unternehmers zur Heimfahrt zu seiner Wohnung benutzte und dort jeweils abstellte. Die Vorschrift des § 49 Abs. 4 S. 3 PBefG sei dahingehend auszulegen, dass die Ausführung des ersten Beförderungsauftrages nach Dienstbeginn vom Betriebssitz des Unternehmers aus erfolgen müsse. Hierfür spreche der Wortlaut der gesetzlichen Regelung, die vorsehe, dass Mietwagen nach Ausführung eines Beförderungsauftrages zum Betriebssitz zurückkehren müssten. Die Rückkehrpflicht sei nicht dadurch verletzt, dass der Fahrer abends nach Dienstschluss mit dem Mietwagen nach Hause fuhr sondern dadurch, dass der Mietwagen am nächsten Tag vor Ausführung des ersten Beförderungsauftrages nicht zunächst zum Betriebssitz zurückgekehrt ist. Die Klägerin habe daher als Mitbewerberin einen Anspruch gegen die Beklagte auf Unterlassung. Dies ist nach Meinung der Klägerin wettbewerbswidriges Verhalten. Die festgestellten Verstöße begründen nach Meinung der Klägerin eine Wiederholungsgefahr.
8
Die Klägerin beantragt
1. Der Beklagten wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt, im geschäftlichen Verkehr und zu Zwecken des Wettbewerbs Beförderungsaufträge mit Mietwagen von angestellten Fahrern ausführen zu lassen, denen sie den Mietwagen nach Dienstende zur privaten Heimfahrt überlässt, wenn der Fahrer mit dem Mietwagen zum erneuten Dienstantritt nicht zuvor zum Betriebssitz der Beklagten zurückkehrt …
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.141,90 Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.
9
Die Beklagte beantragt
Klageabweisung.
10
Die Beklagte bestreitet einen Verstoß gegen die Rückkehrpflicht an den in der Klageschrift genannten Daten.
11
Der Beförderung des Fahrgastes habe jeweils ein Dauerauftrag eines Kostenträgers zugrunde gelegen, nachdem der Fahrgast an bestimmten Tagen jeweils zu den gleichen Zeiten von seiner Wohnung zu einer ambulanten Tagesbehandlung im … gefahren werden sollte. Dieser Auftrag sei der Beklagten bereits einige Tage vor der eigentlichen Durchführung der Beförderung erteilt und von ihr bei der Fahrzeugdisposition entsprechend berücksichtigt worden. Die Beklagte habe den gleichen Mietwagenfahrer mit der Durchführung der zuvor erteilten Beförderungsaufträge beauftragt. Die Beförderungsstrecke hätte nach Behauptung der Beklagten bei vorheriger Rückkehr zum Betriebssitz statt 55 Kilometer 97 Kilometer betragen mit einer Fahrtzeit von 110 Minuten statt 65 Minuten. Die Fahrtstrecke wäre somit nach Behauptung der Beklagten ca. 42 Kilometer länger gewesen.
12
Die Beklagte beruft sich darauf, dass die Rückkehrpflicht gem. § 49 Abs. 4 S. 3 PBefG suspendiert sei, wenn der Mietwagenfahrer vor der Fahrt von seinem Betriebssitz einen neuen Beförderungsauftrag erhalten habe. Diesen neuen Beförderungsauftrag habe der eingesetzte Mietwagenfahrer am Vortag, also vor der Fahrt erhalten. Der Beförderungsauftrag sei auch am Betriebssitz der Beklagten eingegangen. Es sei somit nicht zu beanstanden, dass der eingesetzte Mietwagenfahrer, der Zeuge … vor der Ausführung des ersten Beförderungsauftrages nicht zum Betriebssitz der Beklagten zunächst fuhr.
13
In dieser Fallkonstellation bestehe keine Gefahr, dass der Mietwagen der Beklagten taxiähnlich bereitgehalten werde und für jeden vorbeikommenden Beförderungsinteressenten oder für die bei der Zentrale eingehenden Aufträge aus dem betreffenden Bezirk zur Verfügung stehe. Der Umweg über den Betriebssitz würde nach Meinung der Beklagten eine erhebliche wirtschaftliche Belastung für den Betrieb der Beklagten darstellen, ohne dass durch die direkte Anfahrt zum Fahrgast wettbewerbsrechtlich geschützte Interessen der Klägerin betroffen wären. Hinzu komme eine nicht unerhebliche zusätzliche Umweltbelastung durch einen vermehrten Kraftstoffverbrauch und den damit verbundenen schädlichen Abgasfolgen.
14
Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
15
Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Einvernahme des Zeugen ….
16
Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 12.05.2020 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

17
Die zulässige Klage ist unbegründet.
18
Der Klägerin stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche aus den §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 49 Abs. 4 S. 3 PBefG gegen die Beklagten nicht zu.
19
Die Parteien sind unstreitig Wettbewerber.
20
Die Beklagte hat jedoch hinsichtlich der unstreitig durchgeführten Beförderungen nicht gegen die Rückkehrpflicht aus § 49 Abs. 4 S. 3 PBefG verstoßen. Diese Vorschrift sieht vor, dass nach Ausführung des Beförderungsauftrages der Mietwagen unverzüglich zum Betriebssitz zurückzukehren hat, es sei denn er habe vor der Fahrt von seinem Betriebssitz oder der Wohnung oder während der Fahrt fernmündlich einen neuen Beförderungsauftrag erhalten.
21
Nach der Rechtssprechung des BGHs (Urteil vom 30.04.2015 - I ZR 196/13) soll das Rückkehrgebot verhindern, dass Mietwagen nach Beendigung eines Beförderungsauftrages taxiähnlich auf öffentlichen Straßen und Plätzen bereitgestellt werden und dort Beförderungsaufträge annehmen.
22
Der BGH führt in diesem Zusammenhang folgendes aus (Rn. 23):
„... Die Rückkehrpflicht soll verhindern, dass ein Mietwagen, ohne dass er von einem konkreten Beförderungsauftrag in Anspruch genommen wird, an beliebiger Stelle anhält und damit die Gefahr entsteht, dass er für jeden vorbeikommenden Beförderungsinteressenten oder für die bei der Zentrale eingehenden Aufträge aus dem betreffenden Bezirk zur Verfügung steht (BGH Urteil vom 5. Mai 1988 - I ZR 124/86). Bei der Auslegung des § 49 Abs. 4 S. 3 PBefG ist unter Berücksichtigung des Zwecks der gesetzlichen Regelung, einer taxiähnlichen Bereitstellung von Mietwagen entgegenzuwirken, zu gewährleisten, dass ein sinnvoller Einsatz des Mietwagens möglich ist und sachlich nicht gebotene Rückfahrten zum oder in Richtung auf dem Betriebssitz vermieden werden.“ (vgl. BGH, Urteil vom 26.04.1989 - I ZR 105/87).
23
Das Rückkehrgebot berührt die Freiheit der Berufsausübung. Im Wege einer verfassungskonformen Auslegung der Vorschrift ist sicherzustellen, dass das Rückkehrgebot nicht über das zur Verwirklichung des Zwecks erforderliche Maß ausgedehnt wird, weil es andernfalls nicht mehr von Art. 12 GG gedeckt wäre. Deshalb muss es dem Fahrer eines Mietwagens erlaubt sein, nicht nur während der Beförderungsfahrt, sondern auch noch während der Rückfahrt per Funk übermittelte, am Betriebssitz des Mietwagenunternehmers eingegangene neue Aufträge auszuführen und zu diesem Zweck die Rückfahrt abzubrechen (Bundesverfassungsgericht GRUR 1990, 199, 204).
24
Unter Anwendung dieser vom BGH entwickelten Grundsätze ergibt sich für vorliegenden Fall folgendes:
25
Die in der Klage genannten Fahrdaten sind unstreitig.
26
Der uneidlich einvernommene Zeuge … hat eindeutig, widerspruchsfrei und völlig glaubwürdig ausgesagt, dass er den PKW zu seinem Wohnsitz mitgenommen hat, weil er bereits am Abend zuvor von der Firmenleitung, also von der Beklagten oder dem leitenden Angestellten beauftragt wurde, am nächsten Tag eine Patientin zum Bezirkskrankenhaus zu befördern. Bei allen Fahrten wurde die gleiche Patientin befördert.
27
Bei diesem Vorgehen, egal ob nun ein sogenannter „Dauerauftrag“ der Patientin für alle Fahrten zur ambulanten Behandlung ins Bezirkskrankenhaus vorlag, was aber naheliegt, oder nicht, bestehen die vom BGH aufgezeigten Gefahren einer taxiähnlichen Bereitstellung, die § 49 PBefG verhindern will nicht.
28
Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass etwa vorbeikommende Beförderungsinteressenten vom Zeugen aufgenommen worden wären. Dieser hat lediglich die jeweils bestehenden Aufträge abgearbeitet. Gemäß der glaubhaften Zeugenaussage lag jeweils eine taxiähnliche Bereithaltung des Mietwagens am Wohnsitz des Mietwagenfahrers nicht vor.
29
Die vom Zeugen geschilderte Praxis, den Mietwagen bei Erteilung eines Fahrauftrags am Vorabend sogleich mit nach Hause zu nehmen und nicht erst am Morgen des nächsten Tages zunächst zum Betriebssitz zurückzufahren ist rechtlich nicht zu beanstanden. Wie die Beklagtenseite richtig vorträgt, soll die Rückkehrpflicht den Mietwagenunternehmen nicht zusätzliche unnötige Betriebskosten durch Rückfahrten zum Betriebssitz auferlegen.
30
Entgegen der Meinung des Klägervertreters hat die erkennende Kammer in gleicher Weise bereits mehrfach entschieden (vgl. z.B. 12 O 1172/16 UWG LG Würzburg; 3 U 25/17 OLG Bamberg).
31
Nach allem war die Klage abzuweisen.
32
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.
33
Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 ZPO.
34
Mangels näherer Begründung des von Klägerseite angegebenen Streitwerts von 30.000,00 € und unter Schätzung der wirtschaftlichen Vor- und Nachteile des beanstandeten Verhaltens erschien es angemessen und ausreichend gem. § 3 ZPO den Streitwert auf 20.000,00 € festzusetzen.