Titel:
Einstweilige Verfügung wegen eines unzulässigen Boykottaufrufs
Normenketten:
ZPO § 927 Abs. 1
GWB § 21
Leitsätze:
1. Ein Rechtsschutzbedürfnis für einen Widerspruch gegen eine erlassene einstweiligen Verfügung besteht auch dann, wenn dieser im Interesse der Abänderung der Kostenentscheidung erfolgt und der Verfügungsgläubiger es ablehnt, den Kostenerstattungsanspruch des Verfügungsschuldners anzuerkennen. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Boykottaufruf als Abwehr gegen rechtswidrige Maßnahmen anderer Marktteilnehmer ist nur zulässig, wenn keine anderen Mittel der Abhilfe zur Verfügung stehen und die eingesetzte Maßnahme verhältnismäßig ist. Daran fehlt es, wenn bereits eine einstweilige Verfügung beantragt wurde und der Ausgang dieses Verfahren nicht abgewartet wird. (Rn. 36 – 37) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Patent, Streitpatent, Widerspruch, Arzneimittel, Verfahren, Aufhebung, Kostenerstattungsanspruch, Verletzung, Befristung, Erledigung, Kostenwiderspruch, Kostenentscheidung, Zeitpunkt, Abrechnung, Kosten des Verfahrens, prozessuale Erledigung
Rechtsmittelinstanz:
LG München I, Berichtigungsbeschluss vom 10.08.2020 – 4 HK O 9687/19
Fundstelle:
GRUR-RS 2020, 22356
Tenor
1. Die einstweilige Verfügung der 37. Zivilkammer, Aktenzeichen: 37 O 9687/19, vom 15.07.2019 wird bestätigt.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten darüber, ob eine E-Mail der Antragsgegnerin vom 12. Juli 2019, mit der diese gegenüber der ... GmbH die Auffassung vertrat, das Produkt der Antragstellerin falle unter den Tenor einer landgerichtlichen Untersagungsverfügung und müsse deshalb ausgelistet werden, einen unzulässigen Boykottaufruf darstellt.
2
Die Antragstellerin ist Generika-Anbieterin in Deutschland; die Antragsgegnerin ein international tätiges Pharma-Unternehmen.
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Die ... GmbH ist Informationsdienstleister für den Pharmamarkt und liefert Informationsdienste mit wirtschaftlichen, rechtlichen und logistischen Daten zu bundesweit im Großhandel und Apotheken erhältlichen Waren. Dabei betreibt sie eine „...-Datenbank“, in welcher Informationen betreffend die in Apotheken erhältlichen Arzneimittel hinterlegt sind. Arzneimittelhersteller erhalten von der ... GmbH für jeden von ihnen angemeldeten Artikel eine Pharmazentralnummer (PZN). Diese PZN ermöglicht beispielsweise die Identifikation jedes einzelnen Artikels, die Überwachung des Budgets von Ärzten und die Abrechnung von Arzneimitteln mit den Apotheken. Auch wird auf Grundlage dieser Datenbank die sogenannte „Lauer-Taxe“, ein Verzeichnis aller lieferbaren Arzneimittel, erstellt.
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Wie sich aus dem als Anlage HL 1 vorgelegten Beschluss ergibt, erwirkte die Antragsgegnerin im November 2016 gegen die ... GmbH eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung von Angebotshandlungen beim Landgericht München I, die das europäische Patent 1313508 der Antragsgegnerin verletzten. Die ... GmbH gab in der Folge eine Abschlusserklärung ab, erkannte damit die Gleichwirkung dieser Entscheidung mit einem rechtskräftigen Hauptsacheurteil an und verzichtete auf Rechtsmittel.
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Mit Entscheidung vom 17.07.2018 wurde das Streitpatent vom Bundespatentgericht erstinstanzlich für nichtig erklärt. Daraufhin beantragte die ... GmbH bei dem Landgericht München I die Aufhebung der einstweiligen Verfügung. In I. Instanz hatte sie damit Erfolg. Mit rechtskräftigem Urteil vom 11.07.2019, das als Anlage HL 2 vorgelegt wurde, wurde die Aufhebungsentscheidung durch das Oberlandesgericht München aufgehoben.
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Mit der als Anlage PBP 9 und HL 3 vorgelegten E-Mail vom 12. Juli 2019 teilte die Antragsgegnerin der ... als Antwort mit, diese sei verpflichtet, Produkte wie das der Antragstellerin zu delisten. Die Antragsgegnerin werde nicht zögern, ihre Rechte aus der Unterlassungsverfügung des Landgerichts München I mit geeigneten Zwangsmitteln durchzusetzen.
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Die Antragstellerin sah hierin einen Boykottaufruf sowie einen Verstoß gegen § 4 Nr. 10 UWG.
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Auf ihren Antrag erließ die 37. Zivilkammer mit Beschluss vom 15.07.2019 eine einstweilige Verfügung, mit der der Antragsgegnerin bis zur Entscheidung des Landgerichts München I in dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Az. 21 O 7021/19 untersagt wurde, gegenüber der ... GmbH dazu aufzurufen, das Produkt der Antragstellerin ... aus ihrer Datenbank auszulisten.
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Die zeitliche Beschränkung dieser einstweiligen Verfügung bis zur Entscheidung des Landgerichts München I in dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Aktenzeichen 21 O 7021/19 hatte ihren Grund darin, dass in jenem Verfahren darüber zu entscheiden war, ob das im Tenor der einstweiligen Verfügung der 37. Zivilkammer genannte Produkt der Antragstellerin das Patent der Antragsgegnerin verletzte. Mit Beschluss vom 17.07.2019 in jenem Verfahren wurde der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung der hiesigen Antragsgegnerin gegen die hiesige Antragstellerin zurückgewiesen. Die 21. Zivilkammer verneinte in jenem Verfahren eine äquivalente Verletzung des Anspruchs 10 des deutschen Teils des Streitpatents der hiesigen Antragsgegnerin und dortigen Antragstellerin.
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Der Widerspruch der Antragsgegnerin wendet sich gegen den Beschluss der 37. Zivilkammer vom 15.07.2019.
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Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, die Tatsache, dass diese einstweilige Verfügung aufgrund der „abgelaufenen“ Befristung keinerlei Rechtswirkung mehr entfalte und die Antragstellerin auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung auch verzichtet habe, ändere nichts daran, dass die Antragsgegnerin ein Rechtsschutzbedürfnis für den Widerspruch habe. Ein reiner Kostenwiderspruch sei schon deshalb nicht möglich, weil dieser voraussetze, dass die Antragsgegnerin die Entscheidung in der Sache vorbehaltlos anerkenne. Mit einem Kostenwiderspruch könne nur vorgebracht werden, dass der Antragsgegner das Verfahren im Sinne des § 93 ZPO nicht veranlasst habe. Die Antragsgegnerin sei jedoch gerade der Ansicht, dass die einstweilige Verfügung unbegründet gewesen sei und wolle diese deshalb nicht anerkennen. Auch eine prozessuale Erledigung sei nicht eingetreten.
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Die Antragsgegnerin habe von Anfang an keinen Kartellverstoß begangen, da sie lediglich ihre Rechte aus dem Streitpatent gegenüber der ... geltend gemacht habe. Eine Rechtsdurchsetzung vor einem Gericht sei immer zulässig und könne niemals einen Boykott darstellen. Die Antragsgegnerin führe momentan ein Ordnungsmittelverfahren gegen die ... GmbH (OLG München 6 W 667/20) um zu erreichen, dass diese unter anderem die Produkte der Antragstellerin aus ihrer Datenbank entfernt. In jenem Verfahren solle durch das zuständige Gericht festgestellt werden, dass die Produkte der hiesigen Antragstellerin unter den Tenor der ursprünglichen einstweiligen Verfügung vom 14. November 2016 fielen. Wenn schon eine gerichtliche Rechtsdurchsetzung keinen Boykott darstellen könne, müsse auch die Ankündigung und Androhung der Rechtsdurchsetzung möglich sein. Nichts anderes habe die Antragsgegnerin mit dem von der Antragstellerin als Boykottaufruf gewerteten Schreiben vom 11.07.2019 getan. Sie habe damit zugleich die Grundlage dafür geschaffen, ein Ordnungsmittelverfahren ohne das Risiko der Kostenlast nach §§ 891 Satz 2, 93 ZPO führen zu können.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
die einstweilige Verfügung des Landgerichts München I vom 15. Juli 2019 (Aktenzeichen 37 O 9687/19) aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
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Die Antragstellerin beantragt,
den Antrag der Antragsgegnerin auf Aufhebung der mit Beschluss vom 15. Juli 2019 unter dem Aktenzeichen 37 O 9687/19 ergangenen einstweiligen Verfügung des Landgerichts München I zurückzuweisen.
Hilfsweise für den Fall, dass das Gericht den Antrag der Antragsgegnerin nicht zurückweist, beantragt sie,
der Antragsgegnerin die Kosten des unbegründeten Widerspruchs aufzuerlegen.
der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, soweit diese durch die Einlegung eines vollen Widerspruchs statt eines Kostenwiderspruchs entstanden sind.
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Die Antragstellerin ist der Auffassung, dem von der Antragsgegnerin eingelegten Widerspruch fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Da die einstweilige Verfügung keine Wirkungen mehr entfalten könne, hätte die Antragsgegnerin einen Kostenwiderspruch einlegen müssen. Der Rechtsstreit habe sich jedenfalls erledigt. Darüber hinaus sei der Widerspruch auch unbegründet. Das Verhalten der Antragsgegnerin erfülle die Voraussetzungen eines Boykottaufrufs im Sinne des § 21 GWB und stelle darüber hinaus eine gezielte Behinderung der Antragstellerin im Sinne des § 4 Nr. 4 UWG dar.
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Nachdem die Antragsgegnerin in sämtlichen einstweiligen Verfügungsverfahren gegen Hersteller pemetrexed-haltiger Generika unterlegen sei und insbesondere das Streitpatent erstinstanzlich für nichtig erklärt worden sei, versuche sie nun, eine im Jahr 2016 durch die ... abgegebene Abschlusserklärung zu instrumentalisieren. Sie versuche, die ihr gegenüber dem Generikahersteller nicht durchsetzbare Rechtsposition auf dem Umweg über die ... durchzusetzen. Dies stelle einen (versuchten) Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung dar.
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Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Auf den zulässigen Widerspruch der Antragsgegnerin war die einstweilige Verfügung der 37. Zivilkammer zu bestätigen, da der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zum Zeitpunkt, zu dem diese erging, zulässig und begründet war und die Befristung der einstweiligen Verfügung, die dazu geführt hat, dass sie bereits seit geraumer Zeit keinerlei Wirkungen mehr entfaltet, auch kein Fall eines erledigenden Ereignisses im Sinne von § 91 a ZPO ist.
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Im Einzelnen gilt folgendes:
1. Zulässigkeit des Widerspruchs:
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Nach Auffassung der Kammer fehlt es dem Widerspruch der Antragsgegnerin nicht an einem Rechtsschutzbedürfnis.
21
Zwar muss die Frage des Rechtsschutzbedürfnisses für einen Widerspruch gegen eine erlassene einstweiligen Verfügung ähnlich gesehen werden wie die Frage des Rechtsschutzbedürfnisses für ein Aufhebungsverfahren nach § 927 Abs. 1 ZPO. Grundsätzlich fehlt das notwendige Rechtsschutzbedürfnis für ein Aufhebungsverfahren nach § 927 ZPO dann, wenn weitere Auswirkungen der einstweiligen Verfügung nicht mehr drohen (OLG München, ZIP 82, 497), insbesondere wenn der Gläubiger auf seine Rechte aus der einstweiligen Verfügung verzichtet und den Titel ausgehändigt hat (andere Auffassung allerdings OLG München, OLGZ 86, 452, 454 f = NJW-RR 86, 998). Ein Rechtsschutzbedürfnis ist aber dann zu bejahen, wenn die Aufhebung im Interesse der Abänderung der Kostenentscheidung verfolgt wird und der Verfügungsgläubiger es ablehnt, den Kostenerstattungsanspruch des Verfügungsschuldners anzuerkennen (BGHZ 122, 179).
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Nichts anderes kann im vorliegenden Fall gelten.
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Die Antragstellerin hat der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 23. Juli 2019 (Anlage PBP 17) lediglich mitgeteilt, dass sie aufgrund des zwischenzeitlichen Außerkrafttretens der einstweiligen Verfügung für die Zeit ab dem Außerkrafttreten keine Rechte mehr aus dem Unterlassungstenor herleitet. Wie die Antragstellerin selbst vorträgt, sollte die fortgesetzte Zustellung erkennbar lediglich noch im Hinblick auf Kostenerstattungsansprüche der Antragstellerin stattfinden.
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Damit hat die Antragstellerin aber auch zu erkennen gegeben, dass sie den Erlass der einstweiligen Verfügung bis zu ihrem Außerkrafttreten für zulässig und begründet hielt. Der Antragsgegnerin bliebt in dieser Situation gar nichts anderes übrig, als Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung einzulegen. Ein Kostenwiderspruch ist im einstweiligen Verfügungsverfahren notwendig damit verbunden, dass der Antragsgegner die Entscheidung in der Sache vorbehaltlos anerkennt. Eine Unterwerfungserklärung muss schon mit dem Widerspruch gegen eine Beschlussverfügung abgegeben werden. Danach kann der Antragsgegner nicht mehr beachtlich bestreiten, sondern nur noch vorbringen, dass er das Verfahren nicht im Sinne des § 93 ZPO veranlasst hat (vgl. Zöller/Herget, Kommentar zur ZPO, 33. Aufl., § 93 Rdnr. 6.32 m.w.N.).
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Ein solcher Fall liegt hier gerade nicht vor. Es geht nicht darum, zu entscheiden, wer das Verfahren im Sinne des § 93 ZPO veranlasst hat, sondern um die Überprüfung, ob die einstweilige Verfügung zum Zeitpunkt ihres Erlasses mit der vorgenommenen Beschränkung hätte ergehen dürfen oder nicht.
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Es liegt auch kein Fall der Erledigung vor. Nach der Rechtsprechung des BGH hat die Feststellung der Erledigung der Hauptsache eines Rechtsstreits und die im Zusammenhang damit ergehende Kostenentscheidung nicht nur den Eintritt eines erledigenden Ereignisses zur Voraussetzung, sondern weiter auch, dass die Klage im Zeitpunkt dieses Eintritts zulässig und begründet war.
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War die Klage bereits im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses unzulässig oder unbegründet, geht eine Erledigungserklärung ins Leere, die Klage ist abzuweisen (BGH NJW 1992, 2235).
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Da die Antragsgegnerin der Auffassung ist, der Verfügungsantrag sei von Anfang an unbegründet gewesen, hatte sie keine andere Möglichkeit, als Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung, die durch Zeitablauf wirkungslos geworden ist, einzulegen.
2. Begründetheit der einstweiligen Verfügung
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Die Kammer ist jedoch der Auffassung, dass die einstweilige Verfügung der 37. Zivilkammer mit der dort vorgenommenen zeitlichen Beschränkung zum Zeitpunkt ihres Erlasses zulässig und begründet war.
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Wie die 37. Zivilkammer bereits ausgeführt hat, hat die Antragsgegnerin dadurch, dass sie die IFA GmbH unter Verweis auf die einstweilige Verfügung vom 14.11.2016 aufgefordert hat, das Produkt der Antragsgegnerin auszulisten, was aufgrund der Monopolstellung der ... GmbH die Vermarktung des Produktes unmöglich gemacht hat, im Sinne des § 21 GWB zu einer Liefer- bzw. Bezugssperre aufgefordert.
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Dies geschah auch in der Absicht, die Antragstellerin unbillig zu beeinträchtigen, da die Marktteilnahme der Antragstellerin gezielt unterbunden werden sollte.
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Ob dies unbillig im Sinne des § 21 GWB war, ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB zu entscheiden.
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Zwar darf es einem Rechteinhaber grundsätzlich nicht verwehrt werden, rechtswidrige Maßnahmen anderer Marktteilnehmer abzuwehren. Selbst wenn das abgewehrte Verhalten des boykottierten Unternehmers im Ergebnis rechtmäßig ist, schadet dies nicht, sofern der Verrufer von dessen Rechtswidrigkeit ausgegangen ist und ausgehen durfte (vgl. Kölner Kommentar zum Kartellrecht 2017, § 21 Rz. 20 m.w.N.).
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Zum Zeitpunkt der an die ... GmbH übersandten E-Mail war jedoch das Patent der Antragsgegnerin vom Bundespatentgericht bereits für nichtig erklärt worden. Hierauf kann sie sich daher zur Rechtfertigung ihrer Rechtsauffassung nicht berufen. Dass diese Entscheidung vom BGH zwischenzeitlich aufgehoben wurde, ändert daran nichts, da es auf die Situation zum Zeitpunkt der Aufforderung an die ... das Produkt der Antragstellerin auszulisten, ankommt.
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Sofern die Antragsgegnerin der Meinung war, dass das Produkt der Antragstellerin als kerngleiche Verletzungshandlung unter den Tenor der einstweiligen Verfügung vom 14.11.2016 fällt, ist zu berücksichtigen, dass diese Verfügung im Verhältnis zwischen der Antragsgegnerin und der ... GmbH erging und gegenüber der hiesigen Antragstellerin keine Bindungswirkung entfaltete.
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Entscheidend ist jedoch, dass die Abwehr einer rechtswidrigen Maßnahme voraussetzt, dass dem Verrufer andere Mittel der Abhilfe als der Boykott nicht zur Verfügung stehen und die eingesetzte Maßnahme verhältnismäßig ist (Kölner Kommentar zum Kartellrecht a.a.O.). Angesichts der Tatsache, dass die Antragsgegnerin bereits mit Antrag vom 23.05.2019 beim Landgericht München I den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die hiesige Antragstellerin beantragt hatte (Aktenzeichen 21 O 7021/19), war es weder verhältnismäßig noch notwendig, die ... GmbH unter Androhung von Zwangsmaßnahmen darauf hinzuweisen, dass sie verpflichtet sei, das Produkt der Antragstellerin auszulisten.
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Die Antragsgegnerin hatte die Beantragung einer patentrechtlichen Untersagungsverfügung zu Recht als dem Boykott vorrangige Maßnahme beschritten. Sie hätte den Ausgang dieses Verfahrens abwarten müssen, bevor sie die ... als Dritte zur Auslistung auch der Produkte der Antragstellerin aufforderte. Dass dieses Abwarten der Antragsgegnerin durchaus zumutbar gewesen wäre, zeigt bereits der Umstand, dass die vorliegende einstweilige Verfügung, deren Aufhebung die Antragsgegnerin beantragt hat, ihre Wirkung gerade einmal zwei Tage lang entfaltet hat.
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Es wäre für die Antragsgegnerin ein Leichtes gewesen, den Ausgang der patentrechtlichen Untersagungsverfügung abzuwarten, bevor sie die ... GmbH unter Androhung von Zwangsmaßnahmen dazu auffordert, das Produkt der Antragstellerin auszulisten.
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Dies gilt umso mehr, als die Antragsgegnerin zum Zeitpunkt des Boykottaufrufs aufgrund der Vernichtung ihres Schutzrechts kein durchsetzbares Schutzrecht zur Hand hatte und das Landgericht München I in der einstweiligen Verfügung vom 14. November 2016 explizit keine Entscheidung zu Lasten der Antragstellerin getroffen hat, weil die Formulierung „oder in anderer Form“ nicht in den Tenor der einstweiligen Verfügung aufgenommen wurde.
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Die einstweilige Verfügung der 37. Zivilkammer vom 15.07.2019 war daher trotz der Tatsache, dass sie zwischenzeitlich aufgrund der vorgenommenen Beschränkung lediglich noch kostenmäßige Auswirkungen hat, mit der Kostenfolge des § 91 ZPO zu bestätigen.
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Ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit (hinsichtlich der Kostenentscheidung) musste nicht ergehen, da es bei Urteilen, die eine einstweilige Verfügung bestätigen, bei der (auch ohne Ausspruch) gegebenen vorläufigen Vollstreckbarkeit der Vorentscheidung bleibt (Zöller/Herget, aaO, Rdnr. 6 zu § 708 ZPO)