Inhalt

LG München I, Endurteil v. 10.03.2020 – 33 O 10414/18
Titel:

Kostenerstattung für Versendung eines Abschlussschreibens

Normenketten:
ZPO § 517 Abs. 1
BGB § 670, § 677, § 683 S. 1
UWG § 9
Leitsatz:
Auch wenn nach Ablauf einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung einer einstweiligen Verfügung die Versendung eines Abschlussschreibens regelmäßig dem mutmaßlichen Willen des Schuldners entsprechen wird, folgt daraus nicht, dass mit dem Ablauf dieser Frist die Versendung des Abschlussschreibens in jeden Fall den Kostenerstattungsanspruch nach § 670 BGB auslöst. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kostenerstattungsanspruch, Frist, Rechtsanwaltskosten, Anspruch, Anlage, Zeitpunkt, Widerspruch, Klage, Versendung, Kostenfolge, Abschlussschreiben, Zusammenhang, Versender, Abgabe, ohne Auftrag, keinen Erfolg, ungerechtfertigter Bereicherung
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Urteil vom 13.08.2020 – 29 U 1872/20
Fundstelle:
GRUR-RS 2020, 11771

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn der Beklagte nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Die Parteien streiten um Kostenerstattungsansprüche wegen der Versendung eines Abschlussschreibens.
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Die Parteien sind Antragsteller und Antragsgegner eines vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahrens (Az.: 33 O 6384/18; 29 W 286/18), im Rahmen dessen das OLG München mit Beschluss vom 08.06.2018 auf Antrag der hiesigen Klägerin, nach vorheriger Zurückweisung durch die erkennende Kammer, eine einstweilige Verfügung gestützt auf einen lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsanspruch gegen die dortige Antragsgegnerin und hiesige Beklagte erließ (Beschluss vom 08.06.2018, Anlage K 1). Dieser Beschluss wurde der Beklagten am 15.06.2018 zugestellt (Zustellurkunde, Anlage K 2).
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Der schon im einstweiligen Verfügungsverfahren mandatierte Prozessbevollmächtigte der Klägerin notierte sich für die Versendung des Abschlussschreibens eine Frist von 17 Tagen, also den 02.07.2019.
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Mit Schreiben vom 26.06.2018 traten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin heran und erklärten, man werde prüfen, ob in Bezug auf die ergangene einstweilige Verfügung durch das Oberlandesgericht München eine Abschlusserklärung abgegeben werde; der Versendung eines Abschlussschreibens bedürfe es nicht (Schreiben vom 26.06.2018, Anlage K 3). Die Klägervertreter antworteten hierauf mit Schreiben vom 27.06.2018 und führten aus, man habe sich für die Versendung des Abschlussschreibens den 02.07.2018 vorgemerkt (Schreiben vom 02.07.2018, Anlage K 4). Auf dieses Schreiben erwiderten die Beklagtenvertreter mit Schriftsatz vom 27.06.2018 und erklärten, man gehe davon aus, dass der Antragsgegnerin ein Zeitraum entsprechend der Frist des § 517 Abs. 1 ZPO zur Entscheidung über die Abgabe einer Abschlusserklärung zur Verfügung gestellt würde (Schreiben vom 27.06.2018, Anlage K 5). Mit Schreiben vom 28.06.2018 erwiderten die Klägervertreter hierauf und wiesen ausdrücklich auf die Entscheidung BGH I ZR 59/14 hin. Am 02.07.2018 versendete die anwaltlich vertretene Klägerin ein Abschlussschreiben an die Beklagtenvertreter, forderte darin die Beklagte zur Abgabe einer Abschlusserklärung bis 16.07.2018 auf und machten für das Schreiben einen Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 1.973,90 Euro geltend, den sie auf Grundlage einer 1,3 Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert in Höhe von 100.000 Euro berechneten (Abschlussschreiben, Anlage K 8).
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Mit Schreiben vom 13.07.2018 gab die Beklagte schließlich die geforderte Abschlusserklärung ab, bei gleichzeitiger Verwahrung gegen den im Hinblick auf das Abschlussschreiben geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch (Abschlusserklärung vom 13.07.2018, Anlage K 9).
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Die Klägerin meint, ihr stünde ein entsprechender Kostenerstattungsanspruch wegen der Versendung des Abschlussschreibens zu. Dies stünde im Einklang mit der zu dieser Thematik ergangenen aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Das Abschlussschreiben sei nicht lediglich ein Geschäft des Verletzten für den Verletzer, welches dieser mit einer formlosen unverbindlichen Erklärung abbestellen könne. Die dem Institut zugrunde liegende Interessenlage sei weitaus vielschichtiger. Namentlich habe auch der Unterlassungsgläubiger eine Vielzahl rechtlicher Interessen, die er insbesondere dadurch wahre, dass er mit der Versendung des Abschlussschreibens 14 Tage zuwarte. Der Unterlassungsgläubiger habe in diesem Zusammenhang insbesondere ein nachvollziehbares Interesse daran, alsbald Klärung über die Frage zu erhalten, ob er in der streitigen Angelegenheit noch eine Hauptsacheklage erheben müsse, zumal er aufgrund der ergangenen einstweiligen Verfügung unter Umständen der strengen Haftung nach § 945 ZPO ausgesetzt sei. All diese Gesichtspunkte spielten für die Bemessung der 14-tägigen Frist, die in der Rechtsprechung längst anerkannt sei und im gesamten Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes täglich praktiziert würde, eine Rolle. Auf Grundlage der von der Beklagten vorgebrachten Ansicht wäre die gesamte Rechtsprechung zur angemessenen Wartefrist vielmehr sinnlos. Die Klägerin habe aber habe die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ausgearbeitete Wartefrist von 14 Tagen eingehalten, weshalb der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch bestehe. Dieser ergebe sich zudem nicht nur aus den Regelungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag, sondern folge auch aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes.
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Die Klägerin beantragt daher,
die Beklagte zu verurteilen, an Klägerin 1.973,90 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte trägt vor, die am 26.06.2018 abgegebene Erklärung (Anlage K 3), wonach es der Versendung eines Abschlussschreibens nicht bedürfe, entspreche einer gefestigten Praxis im einstweiligen Verfügungsverfahren.
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Die Beklagte meint, der Anspruch auf Erstattung der Kosten für das Abschlussschreiben bestünde unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt. Die Regelungen der Geschäftsführung ohne Auftrag seien vorliegend nicht einschlägig, weil die Geschäftsbesorgung - Versendung des Abschlussschreibens - nicht im Einklang mit dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen der Beklagten erfolgt sei. Die Beklagte habe vielmehr frühzeitig, nämlich im Schreiben vom 26.06.2018, ihren entgegenstehenden Willen kundgetan. Dies hindere das Entstehen des Aufwendungsersatzanspruchs nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB. Die von der Klägerin zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stünde dem nicht entgegen, zumal dieser zum einen erkennbar ein anderer Sachverhalt zugrunde gelegen habe, sich den Entscheidungsgründen zum anderen aber auch nicht entnehmen lasse, dass die Versendung des Abschlussschreibens nach Ablauf der Wartefrist in jedem Fall automatisch den Kostenerstattungsanspruch auslöse.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die wechselseitigen Schriftsätze samt Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 14.01.2019 (Bl. 37/38 d.A.) Bezug genommen.
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Am 15.01.2020 und 26.02.2020 sind nicht nachgelassene Schriftsätze des Klägervertreters jeweils vom gleichen Tag bei Gericht eingegangen. Am 03.03.2020 ist ein nicht nachgelassener Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom gleichen Tag bei Gericht eingegangen. Auf diesen Schriftsatz hat der Klägervertreter mit weiterem nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 04.03.2020, der am gleichen Tag bei Gericht eingegangen ist, erwidert.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
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A. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das angerufene Gericht gemäß § 13 Abs. 1 UWG sachlich und gemäß § 14 Abs. 2 UWG, § 39 S. 1 ZPO örtlich zuständig.
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B. Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch besteht weder nach den Regelungen der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 683 S. 1, 670 BGB) noch unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes nach § 9 S. 1 UWG. Auch Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung sind nicht ersichtlich (§§ 812 ff. BGB).
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I. Die Klägerin hat gegen die Beklagte wegen der Versendung des Abschlussschreibens keinen Anspruch aus §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB, da die Versendung des Abschlussschreibens erkennbar nicht im Einklang mit dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen der Beklagten stand, zumal diese ausdrücklich ihren entgegenstehenden Willen gegenüber der Klägerin kundgetan hatte.
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1. Das rechtsfortbildend entwickelte und einem praktischen Bedürfnis entsprechende Institut des Abschlussschreibens unterfällt im Grundsatz den Regelungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag (ganz h.M., vgl. nur BGH GRUR 2010, 1038 Rn. 26 - Kosten für Abschlussschreiben I; BGH GRUR 2015, 822 Rn. 14 - Kosten für Abschlussschreiben II; BGH GRUR 2012, 730 Rn. 45 - Bauheizgerät; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG, 37. Aufl. 2019, § 12 Rn. 3.73). Der Versender des Abschlussschreibens nimmt in diesem Zusammenhang wegen der - von der Klägerin zutreffend dargestellten - vielschichtigen Interessenlage neben einem eigenen Geschäft zumindest auch ein Geschäft des Antragsgegners des einstweiligen Verfügungsverfahrens wahr, da es regelmäßig in dessen Interessenkreis fällt, sich über die Rechtslage nach Erlass einer einstweiligen Verfügung zu informieren (Ohly/Sosnitza/Sosnitza, UWG, 7. Aufl. 2016, § 12 Rn. 188). Der Anspruch aus §§ 677, 683 S. 1, 670 Abs. 1 BGB setzt aber tatbestandlich voraus, dass die Geschäftsbesorgung im Interesse des Geschäftsherrn sowie im Einklang mit dessen tatsächlich geäußerten oder mutmaßlichen Willen erfolgt (§ 683 S. 1 BGB). Dies ist auch deshalb konsequent, weil der Geschäftsführer durch die Übernahme der Geschäftsführung in einen fremden Rechtskreis eingreift und sich daher zum Sachwalter in fremden Angelegenheiten aufschwingt. Darin liegt aber grundsätzlich ein Eingriff in das grundrechtlich geschützte Selbstbestimmungsrecht des Geschäftsherrn (Art. 2 Abs. 1 GG), der einer besonderen Rechtfertigung bedarf (in diese Richtung auch MüKoBGB/Schäfer, BGB, 8. Aufl. 2020, § 683 Rn. 2).
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Die Geschäftsführung steht im Einklang mit dem wirklichen Willen des Geschäftsführers, wenn im Zeitpunkt der Vornahme der Handlung ein solcher Wille tatsächlich bestand und hinreichend erkennbar kundgetan wurde (OLG Koblenz NJW-RR 1995, 15; OLG München NJW-RR 1988, 1013, 1015; LG Köln NJW-RR 1991, 989; 990; a.A. [Kundgabe nicht erforderlich] MüKoBGB/Schäfer, BGB, 8. Aufl. 2020, § 683 Rn. 5). Der mutmaßliche Wille ist demgegenüber auf hypothetischer Grundlage zu ermitteln. Zu fragen ist insoweit, ob der Geschäftsherr mit der Übernahme durch den Geschäftsführer bei Kenntnis der Umstände einverstanden gewesen wäre (BGH NJW 2016, 2407 Rn. 12; OLG Hamm NJW-RR 2016, 91 Rn. 50). Ist ein entgegenstehender Wille im maßgeblichen Zeitpunkt der Vornahme der Handlung geäußert, so ist für die Annahme der Voraussetzungen des § 683 S. 1 BGB kein Raum (vgl. § 683 S. 2 BGB, § 684 S. 2 BGB e contrario). Der wirkliche Wille genießt folglich - wenn nicht ein Ausnahmefall des § 683 S. 1 BGB vorliegt - stets Vorrang vor dem mutmaßlichen Willen (MüKoBGB/Schäfer, BGB, 8. Aufl. 2020, § 683 Rn. 17 m.w.N.).
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2. Vorliegend scheitert ein Anspruch auf Ersatz der entstandenen Kosten für das Abschlussschreiben bereits am eindeutig entgegenstehenden Willen der Beklagten, den diese in den der Klageseite zeitnah zugegangenen Schreiben vom 20.06.2018 (Anlage K 3) und 27.06.2018 (Anlage K 5) erklärt hatte. Die Beklagte hat im Schreiben vom 26.06.2018 (Anlage K 3) in klarer und unmissverständlicher Weise erklärt, dass es der Versendung eines Abschlussschreibens nicht bedürfe. Dadurch hat sie deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Versendung eines Schreibens nicht im Einklang mit ihrem wirklichen Willen steht. Im Schreiben vom 27.06.2018 hat sie sich auf die von der Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Abgabe einer Abschlusserklärung entwickelte Überlegungsfrist nach dem Rechtsgedanken des § 517 S. 1 ZPO berufen und dadurch der fachanwaltlich vertretenen Klägerin ebenfalls hinreichend deutlich zu erkennen gegeben, dass sie sich der aktuellen Rechtslage hinsichtlich der Abgabe einer Abschlusserklärung bewusst ist und insbesondere die hierzu ergangene Rechtsprechung kennt. Auch daraus konnte die Klägerin ohne Weiteres den Schluss ziehen, nach fruchtlosem Ablauf der Frist nach § 517 Abs. 1 ZPO Hauptsacheklage erheben zu müssen. Mit anderen Worten konnte das Abschlussschreiben im Zeitpunkt seiner Versendung die ihm von der Rechtsprechung zugedachte Funktion, dem Gläubiger alsbald Klarheit über die Erhebung einer Hauptsacheklage zu verschaffen und der negativen Kostenfolge des § 93 ZPO zu entgehen (Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Retzer, UWG, 4. Aufl. 2016, § 12 Rn. 654 ff.), schon nicht mehr erfüllen, weil die Gläubigerin und hiesige Klägerin ersichtlich über diese Klarheit im Zeitpunkt der Versendung bereits verfügte.
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3. Anhaltspunkte für ein Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 683 S. 2, 679 BGB sind weder ersichtlich noch dargetan.
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4. Aus den von der Klägerin in Bezug genommenen Entscheidungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH GRUR 2015, 822 - Kosten für Abschlussschreiben II; BGH GRUR 2017, 1160 - BretarisGenuair) ergibt sich nichts Gegenteiliges. Die den Entscheidungen zugrundeliegenden Konstellationen sind mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar.
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a. Die Entscheidung BGH GRUR 2015, 822 - Kosten für Abschlussschreiben II betrifft die lange umstrittene Frage, welchen Zeitraum der Gläubiger mit der Versendung zuwarten muss, um den Anspruch auf Aufwendungsersatz nach Maßgabe der § 677, 683 S. 1, 670 BGB zu begründen. Vor dem Hintergrund der oben dargelegten Ausführungen zu Rechtsgrund und Zweck der Regelungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag ist es nur konsequent, dem Schuldner einen eigenständigen Zeitraum einzuräumen, um Erkundigungen zur Rechtslage anzustellen und ggf. Rechtsrat einzuholen. Dogmatisch betrifft die Frage der Wartefrist ebenfalls den mutmaßlichen Willen des Schuldners nach § 683 S. 1 BGB. Der BGH hat die Frage dahingehend beantwortet, dass nach Ablauf einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung einer einstweiligen Verfügung die Versendung des Abschlussschreibens regelmäßig dem mutmaßlichen Willen des Schuldners entsprechen wird (BGH GRUR 2015, 822 Rn. 17 ff. - Kosten für Abschlussschreiben II). Der Entscheidung lässt sich - entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung - keinesfalls entnehmen, dass mit dem Ablauf einer Frist von zwei Wochen die Versendung des Abschlussschreibens in jeden Fall den Kostenerstattungsanspruch nach § 670 BGB auslöst. Eine solche Sichtweise stünde nicht nur im Widerspruch mit § 683 S. 1 BGB, da sie letztendlich auf eine Fiktion des mutmaßlichen Willens des Schuldners hinauslaufen würde. Die von der Klägerin vertretene Ansicht steht auch im Widerspruch zur zweiten grundlegenden Wertung der Entscheidung. Der Bundesgerichtshof hat, gestützt auf den Rechtsgedanken des § 517 ZPO, bestimmt, dem Schuldner des Unterlassungstitels müsse nach Zustellung der einstweiligen Verfügung eine Überlegungsfrist von insgesamt einem Monat zugebilligt werden, um zu prüfen, ob er die Abschlusserklärung abgeben und damit die einstweilige Verfügung als endgültige Regelung akzeptieren will oder nicht (BGH GRUR 2015, 822 Rn. 18 - Kosten für Abschlussschreiben II). Die von der Klägerin vertretene Ansicht steht mit dieser Grundentscheidung aber schon deshalb nicht im Einklang, weil sie bei Lichte betrachtet faktisch zu einer Verkürzung der Erklärungsfrist führt. Denn auf Grundlage der von der Klägerin dargebrachten Auffassung könnte der Schuldner die Kosten für das Abschlussschreiben alleine dadurch vermeiden, indem er innerhalb der Wartefrist von 14 Tagen eine Abschlusserklärung abgibt. In diesem Fall steht ihm aber faktisch gerade kein Zeitraum von einem Monat für die Prüfung zu, ob er die gegenüber ihm ergangene einstweilige Verfügung als endgültige Regelung akzeptieren will.
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b. Der Entscheidung BGH GRUR 2017, 1160 - BretarisGenuair lassen sich ebenfalls keine Gesichtspunkte entnehmen, die für den vorliegenden Fall ein anderes Ergebnis rechtfertigen. Die Entscheidung stellt bei genauer Betrachtung keine Fortentwicklung, sondern eine Bestätigung der zuvor geschilderten Grundsätze dar. In der zu entscheidenden Konstellation hatte der Schuldner vor Ablauf der Wartefrist bereits Widerspruch gegen die ergangene einstweilige Verfügung eingelegt, dies war dem Gläubiger allerdings in dem Zeitpunkt, in dem er das Abschlussschreiben versandte, noch nicht zur Kenntnis gereicht, weshalb es auf den mutmaßlichen Willen ankam. Das Vorliegen des mutmaßlichen Willens hat der Bundesgerichtshof in der zitierten Entscheidung bejaht.
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5. Letztlich scheitert der Anspruch aus § 677, 683 S. 1, 670 BGB aber auch daran, dass die Klägerin vorliegend die Aufwendungen für das Abschlussschreiben aufgrund der dargelegten Umstände nicht erforderlich halten durfte (§ 670 BGB). Für die Erforderlichkeit ist kein rein objektiver Maßstab anzulegen, sondern es ist auf die subjektive Sicht des Geschäftsführers abzustellen (MüKoBGB/Schäfer, BGB, 8. Aufl. 2020, § 670 Rn. 23). Weil die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 26.06.2018 eindeutig zu erkennen gegeben hat, dass es eines Abschlussschreibens nicht bedarf, war aus Sicht der Klägerin die Beauftragung ihres Prozessbevollmächtigten für das Abschlussschreiben nicht erforderlich.
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II. Ein Anspruch auf Zahlung entstandener Rechtsanwaltskosten für das Abschlussschreiben vom 02.07.2018 folgt auch nicht aus § 9 UWG.
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1. Zwar trifft die Ansicht der Klägerin im Kern zu, dass als Anspruchsgrundlage für den Ersatz von Kosten für das Abschlussschreiben neben den Regelungen der Geschäftsführung ohne Auftrag auch entsprechende Schadensersatzvorschriften in Betracht kommen (statt aller BGH GRUR 2017, 1160 Rn. 59 - BretarisGenuair, Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UWG, 37. Aufl. 2019, § 12 Rn. 3.73).
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2. Die Annahme eines Schadensersatzanspruchs scheitert vorliegend aber ebenso am Kriterium der „Erforderlichkeit“ (vgl. insoweit BGH GRUR 2010, 855 Rn. 26 - Folienrollos; OLG Hamburg WRP 2014, 483 Rn. 31, Ohly/Sosnitza/Sosnitza, UWG, 7. Aufl. 2016, § 12 Rn. 188).
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Bei Kosten, die für den Gläubiger aufgrund der Beauftragung eines Anwalts entstanden sind, handelt es sich im Grundsatz um freiwillige Vermögensopfer. Eine Abwälzung auf den Schädiger ist deshalb nur dann gerechtfertigt, wenn die Kosten zur angemessenen Rechtsverfolgung erforderlich und zweckmäßig waren (BGH NJW-RR 2010, 428; BGH NJW 2010, 3035; BGH NJW 2011, 784; MüKoBGB/Oetker, BGB, 8. Aufl. 2019, § 249 Rn. 182). Dies rechtfertigt sich aus dem in § 249 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Wirtschaftlichkeitspostulat, dessen besondere Ausprägung die Schadensminderungsobliegenheit des Gläubigers ist (vgl. insoweit MüKoBGB/Oetker, BGB, 8. Aufl. 2019, § 384 ff.).
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Diese Voraussetzungen sind aber im Streitfall aufgrund der eindeutigen Erklärung der Beklagten im Schreiben vom 26.06.2018 nicht gegeben.
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III. Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch aus § 683 S. 1 i.V.m. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB, weil zu ihren Gunsten vorliegend die Grundsätze der aufgedrängten Bereicherung eingreifen (Palandt/Sprau, BGB, 78 Aufl. 2019, § 812 Rn. 52).
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IV. Soweit die nachgereichten Schriftsätze der Klägerin vom 15.01.2020, 26.02.2020 und 04.03.2020 sowie der Beklagten vom 03.03.2020 anderes als bloße Rechtsausführungen enthalten, waren sie gemäß § 296a ZPO nicht mehr zu berücksichtigen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 32. Auflage, § 132 Rdnr. 4). Eine Wiedereröffnung der Verhandlung nach § 156 ZPO hinsichtlich des neuen Vortrags war nicht geboten (vgl. auch BGH NJW 2000, 142 f. und Zöller/Greger, ZPO, 32. Auflage, § 156 Rdnr. 4 und 5).
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C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1 und 2 ZPO.