Titel:
Bayerisches Oberstes Landesgericht, Antragsgegner, Einstweilige Verfügung, notarielle Urkunden, Grundschuld, Gesellschafterbeschluss, Antrag auf Erlaß, Bestimmung des zuständigen Gerichts, Unterwerfungsklausel, Allgemeiner Gerichtsstand, Entscheidung in der Hauptsache, Unterlassungsverfügung, Grundbuchamt, Ordnungshaft, Ausschließlicher Gerichtsstand, Zuständiges Gericht, Beschlüsse, Zwangsvollstreckungsunterwerfung, Vertretungsmacht, Landgerichte
Schlagworte:
Einstweilige Verfügung, Grundschuld, Zwangsvollstreckung, Vertretungsmachtmissbrauch, Gerichtsstandsbestimmung, Prozessökonomie, Eigentumsschutz
Fundstelle:
BeckRS 2025, 9812
Tenor
Als zuständiges Gericht für den beabsichtigten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird das Landgericht Ingolstadt bestimmt.
Gründe
1
Die Antragstellerin beabsichtigt, gegen die Antragsgegnerin mit folgenden Anträgen den Erlass einer einstweiligen Verfügung zu beantragen,
I. Die Antragsgegnerin hat den Antrag auf Eintragung einer dinglichen Zwangsvollstreckungsunterwerfung und einer Grundschuld, jeweils aus der als Urkunde UVZ-Nr. … vom 28. April 2025 des Notars … (Anlage ASt 6),
a) im Grundbuch des Amtsgerichts [Ort 1], Blatt … Gemarkung …, Flst. Nr.
b) im Grundbuch des Amtsgerichts [Ort 2], Blatt … Gemarkung …, Flst. Nr.
c) im Grundbuch des Amtsgerichts [Ort 3], Blatt … Gemarkung …, Flst. Nr.
… und Flst. Nr. … und d) im Grundbuch des Amtsgerichts [Ort 4], Blatt …, Gemarkung …, Flst. Nr. … einstweilen bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu widerrufen.
II. Die Antragsgegnerin hat es einstweilen bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu unterlassen, einen Antrag auf Eintragung wie in Ziffer I. erneut zu stellen oder stellen zu lassen.
III. Der Antragsgegnerin wird für jeden Verstoß gegen diese Unterlassungsverfügung ein Ordnungsgeld von bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.
IV. Für den Fall, dass die Eintragung der Grundschuld in eines, mehrere oder alle der in Ziffer I. genannten Grundbücher bereits eingetragen wurde,
a. hat es die Antragsgegnerin einstweilen bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu unterlassen, über die eingetragene Grundschuld zu verfügen,
b. ist gegen die Eintragungen der dinglichen Zwangsvollstreckung und der Grundschuld in den in Ziffer I. genannten Grundstücken ein Widerspruch einzutragen,
c. für welchen das Gericht das jeweilige Grundbuchamt um Eintragung ersucht.
V. Der Antragsgegnerin wird für jeden Verstoß gegen die mit Ziffer III. und IV.a. beantragten Unterlassungsverfügungen ein Ordnungsgeld von bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.
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Zur Begründung führt die Antragstellerin aus, sie sei Eigentümerin der in den Anträgen genannten Grundstücke. Die in der notariellen Urkunde UVZNr. … vom 28. April 2025 abgegebenen Erklärungen seien unwirksam, da die Antragstellerin von ihrer weiteren Komplementärin, der … GmbH (zugleich Komplementärin der Antragsgegnerin), nicht wirksam vertreten worden sei. Die … GmbH habe unter evidentem Missbrauch ihrer für die Antragstellerin bestehenden Vertretungsmacht, ohne einen Gesellschafterbeschluss einzuholen, hinter dem Rücken der allein stimmberechtigten Kommanditistin auf unredliche Weise gehandelt, um eine dingliche Haftung des wesentlichen Betriebsvermögens der Antragstellerin zu deren Nachteil und zum Vorteil der Antragsgegnerin für umstrittene Forderungen herbeizuführen. Mit der begehrten einstweiligen Verfügung wolle die Antragstellerin verhindern, dass in den genannten Grundbüchern eine Grundschuld und eine Unterwerfungsklausel zugunsten der Antragsgegnerin eingetragen würden.
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Es sei jeweils der ausschließliche Gerichtsstand des § 24 ZPO eröffnet. Für das in [Ort 1] belegene Grundstück sei das Landgericht Landshut, für die in [Ort 2] und [Ort 3] belegenen Grundstücke das Landgericht Ingolstadt und für das in [Ort 4] belegene Grundstück das Landgericht Nürnberg-Fürth zuständig. § 36 Abs. 1 Nr. 4 ZPO sei entsprechend anwendbar. Es werde angeregt, das Landgericht Ingolstadt als zuständiges Gericht zu bestimmen.
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Auf den zulässigen Antrag bestimmt der Senat das Landgericht Ingolstadt als das für den beabsichtigten Rechtsstreit (Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung) örtlich zuständige Gericht.
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1. Die Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts in analoger Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 4 ZPO durch das Bayerische Oberste Landesgericht sind gegeben.
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a) Das Bayerische Oberste Landesgericht ist gemäß § 36 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 9 EGZPO für das Bestimmungsverfahren zuständig, weil das im Instanzenzug nächsthöhere gemeinschaftliche Gericht über den nach § 24 ZPO in Betracht kommenden Landgerichten Ingolstadt, Landshut und Nürnberg-Fürth der Bundesgerichtshof ist.
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b) Die Antragsgegnerin muss vor der Entscheidung zu dem Antrag nicht gesondert angehört werden. Zwar ist grundsätzlich auch im Verfahren gemäß § 37 Abs. 1 ZPO das rechtliche Gehör auf Grund des Art. 103 Abs. 1 GG zu gewähren. Dies wird aber zulässig eingeschränkt in Eilsachen (BayObLG, Beschluss vom 26. September 1989, AR 1 Z 105/89, juris Rn. 10; Schultzky in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 37 Rn. 3). Dazu gehört das von der Antragstellerin beabsichtigte Verfahren der einstweiligen Verfügung, in dem eine Entscheidung auch ohne mündliche Verhandlung und ohne vorherige Anhörung des Antragsgegners ergehen kann (§ 937 Abs. 2 ZPO). Dieses Eilbedürfnis, das Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Verfügung ist (§ 935 ZPO), gestattet nicht, bei Bestimmung des zuständigen Gerichts im Rahmen des Verfahrens gemäß §§ 36, 37 ZPO noch eine Anhörung der Antragsgegner durchzuführen, bevor allein die Zuständigkeit bestimmt wird (BayObLG, Beschluss vom 26. September 1989, AR 1 Z 105/89, juris Rn. 10).
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c) Die Bestimmung eines gemeinsamen zuständigen Gerichts durch das Bayerische Oberste Landesgericht ist in analoger Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 4 ZPO möglich.
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aa) Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung soll im dinglichen Gerichtsstand erhoben werden.
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Nach § 24 ZPO ist für Klagen, durch die das Eigentum, eine dingliche Belastung oder die Freiheit von einer solchen geltend gemacht wird, sowie für Grenzscheidungs-, Teilungs- und Besitzklagen, sofern es sich um unbewegliche Sachen handelt, das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Sache belegen ist. § 24 ZPO ist nicht nur für Klagen, sondern auch für Anträge auf Erlass einstweiliger Verfügungen anwendbar (Patzina/Windau in Münchener Kommentar zur ZPO, 7. Aufl. 2025, § 24 Rn. 12). Unter Eigentumsklagen i. S. d. § 24 ZPO fallen Klagen, die ein bestehendes Eigentum derart zum Gegenstand haben, dass mit Rechtskraftwirkung darüber entschieden wird, und auch Klagen, bei denen das Eigentum nur Anspruchsgrundlage ist, ohne von der Rechtskraft ergriffen zu werden (Schultzky in Zöller, ZPO, § 24 Rn. 9).
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Die Antragstellerin stützt den von ihr geltend gemachten Anspruch auf § 1004 BGB. Sie bringt vor, sie sei bei Abgabe der Erklärungen in der notariellen Urkunde vom 28. April 2025 durch ihre Komplementärin, die … GmbH, nicht wirksam vertreten worden, als sie unter Missbrauch ihrer Vertretungsmacht hinter dem Rücken der vertretenen Antragstellerin zu deren Nachteil die notariellen Erklärungen abgegeben habe. Die … GmbH hätte zwingend die beiden anderen Gesellschafter der Antragstellerin, insbesondere die allein am Vermögen beteiligte Kommanditistin, beteiligen und einen Gesellschafterbeschluss einholen müssen, bevor sie sämtliche Grundstücke der Antragstellerin, und damit deren wesentliches Vermögen, zu Gunsten der ebenfalls von der … GmbH vertretenen Antragsgegnerin belastet habe. Die dingliche Einigung sei daher gemäß § 138 Abs. 1 BGB unwirksam bzw. nichtig.
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Für den schlüssig vorgetragenen Anspruch aus § 1004 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 14. Juni 2016, XI 483/14, NJW-RR 2016, 1138 Rn. 24; Urt. v. 13. September 2011, VI ZR 229/09, WM 2011, 1995 Rn. 9; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25. August 2020, 9 U 29/19, juris Rn. 24) ist der ausschließliche Gerichtsstand des § 24 Abs. 1 ZPO gegeben (BayObLG, Beschluss vom 31. Januar 1996, 1Z AR 5/96, BayObLGZ 1996, 14 [juris Rn. 4]; OLG München, Beschluss vom 7. Januar 2019, 34 AR 245/18, MDR 2019, 348 [juris Rn. 5]; Patzina/Windau in Münchener Kommentar zur ZPO, § 24 Rn. 14; Schultzky in Zöller, ZPO, § 24 Rn. 8; Roth in Stein, ZPO, 24. Aufl. 2024, § 24 Rn. 14; Toussaint in BeckOK ZPO, 56. Edition Stand 1. März 2025, § 24 Rn. 6; Bünnigmann in Anders/Gehle, ZPO, 83. Aufl. 2025, § 24 Rn. 5).
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bb) Zwar liegt nicht unmittelbar ein Fall des § 36 Abs. 1 Nr. 4 ZPO vor, da es sich bei den Grundstücken, die nach dem Vortrag der Antragstellerin aufgrund der notariellen Urkunde vom 28. April 2025 mit einer Grundschuld belastet werden sollen, weder um ein einheitliches Grundstück noch um mehrere gemäß § 890 BGB rechtlich zu einer Einheit verbundene Grundstücke handelt, sondern vielmehr um selbständige Grundstücke, die nur äußerlich in der Hand desselben Eigentümers vereinigt sind. Es ist jedoch anerkannt, dass eine sinngemäße Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 4 ZPO mit Rücksicht auf die Bedürfnisse des Rechtsverkehrs, insbesondere zur Vermeidung entgegengesetzter Entscheidungen der mehreren beteiligten Gerichte, in Betracht kommen kann, jedenfalls dann, wenn die beiderseitigen berechtigten Interessen der Parteien der Bestimmung eines gemeinsamen Gerichts aus prozessökonomischen Gründen nicht entgegenstehen. Es muss dann dem Antragsteller nicht zugemutet werden, getrennte Klagen in mehreren Gerichtsbezirken zu erheben (BGH, Beschluss vom 30. Oktober 1950, I ZAR 13/50, JZ 1951, 151; RG, Beschluss vom 5. Februar 1935, IV G. B. 24/34, RGZ 143, 295; BayObLG, Beschluss vom 21. Dezember 2004, 1Z AR 159/04, MDR 2005, 589 [juris Rn. 3]; Beschluss vom 22. September 1977, Allg Reg 40/77, Rpfleger 1977, 448 [juris Rn. 6]; OLG Frankfurt, Beschluss vom 14. Oktober 2014, 11 SV 97/14, juris Rn. 8; Schultzky in Zöller, ZPO, § 36 Rn. 30; Smid/Hartmann in Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl. 2020, § 36 Rn. 106).
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Ein solcher Fall liegt hier vor. Nach Ziffer I der notariellen Urkunde vom 28. April 2025 hat die Antragstellerin für die Antragsgegnerin eine Grundschuld in Höhe von 800.000,00 € an den im Eigentum der Antragstellerin stehenden Grundstücken bestellt und wegen des Grundschuldkapitals samt Zinsen den mit der Grundschuld belasteten Pfandbesitz der sofortigen Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde unterworfen. Die in der Urkunde genannten Grundstücke haften damit gemeinschaftlich für die Grundschuld (§ 1192 Abs. 1, § 1132 Abs. 1 BGB). Entgegengesetzte Entscheidungen über die Wirksamkeit der in dieser Urkunde abgegebenen Erklärungen sollten vermieden werden.
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2. Der Senat bestimmt das Landgericht Ingolstadt als das nach § 24 ZPO für den Rechtsstreit örtlich zuständige Gericht.
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Die Auswahl erfolgt nach Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit (Sachdienlichkeit) und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Prozesswirtschaftlichkeit, wobei das bestimmende Gericht ein Auswahlermessen hat (vgl. jeweils zu § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO BVerfG, Beschluss vom 12. November 2008, 1 BvR 2788/08, NJW 2009, 907 [juris Rn. 12 m. w. N.]; BayObLG, Beschluss vom 22. Februar 2024, 102 AR 247/23e, NJW-RR 2024, 411 [juris Rn. 33]; Beschluss vom 24. August 2023, 102 AR 154/23 e, juris Rn. 34; Beschluss vom 12. September 2022, 101 AR 105/22, juris Rn. 39).
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Der Senat bestimmt danach das Landgericht Ingolstadt als zuständiges Gericht, da im Bezirk des Landgerichts Ingolstadt der überwiegende Teil des betroffenen Grundbesitzes liegt und die Antragsgegnerin ihren allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12, 17 ZPO) in diesem Bezirk hat.