Titel:
Unterschriftserfordernis, Gemeinschaftliches Testament, Unterschrift des Erblassers, Beschwerdeverfahren, Nachlaßgericht, Alleinerbschein, Beschwerdeführer, Festsetzung des Geschäftswerts, Errichtung eines Testaments, Eigenhändiges Testament, Nachlaßwert, Kostenentscheidung, Gesetzliche Erbfolge, Außergerichtliche Kosten, Eigenhändige Unterschrift, Ehegattentestament, Zulassung der Rechtsbeschwerde, Identitätsfeststellung, Alleinerbenstellung, Gerichtskosten
Normenkette:
BGB § 2247, § 125
Leitsätze:
1. Fehlt der angeblichen Unterschrift des Erblassers unter einem eigenhändigen Testament das Element des Schreibens, handelt es sich vielmehr um eine Zeichnung, ist das Testament formnichtig.
2. Das gilt auch dann, wenn die Urheberschaft auf anderem Wege festgestellt werden könnte. Das Erfordernis der Unterschrift verbürgt nicht nur die Urheberschaft, sondern auch, dass sich der Urheber zu dem oberhalb der Unterschrift befindlichen Text bekennt.
Schlagworte:
Testamentsform, Unterschriftserfordernis, Formnichtigkeit, Eigenhändigkeit, Nachlassgericht, Erbscheinsantrag, Urheberschaft
Vorinstanz:
AG Sonthofen, Beschluss vom 05.07.2024 – VI 1111/23
Fundstelle:
BeckRS 2025, 9754
Tenor
1. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Sonthofen – Nachlassgericht – vom 05.07.2024, Az. VI 1111/23, wird zurückgewiesen.
2. Die Beschwerdeführerin trägt die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens. Sie hat zugleich den übrigen Beteiligten die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
3. Die Festsetzung des Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren bleibt vorbehalten.
Gründe
1
Der mit der Beschwerdeführerin in zweiter Ehe verheiratete Erblasser ist am ... 2013 verstorben. Aus der ersten Ehe des Erblassers sind die Beteiligten zu 3 und 4 hervorgegangen, die zweite Ehe war kinderlos. Bei der Beteiligten zu 5 handelt es sich um ein außereheliches Kind des Erblassers.
2
Der Erblasser errichtete mit seiner zweiten Ehefrau am ... 2019 ein Schriftstück, bei dem es sich nach Ansicht der Beschwerdeführerin um ein gemeinschaftliches Testament handeln soll, aus dem sich ihre Alleinerbenstellung ergäbe. Das Schriftstück wurde von der Beschwerdeführerin eigenhändig geschrieben und unterschrieben. Der Erblasser brachte am Ende des mehrseitigen Textes folgendes Zeichen an:
3
Das Nachlassgericht hat den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Alleinerbscheins mit Beschluss vom 05.07.2024 zurückgewiesen. Es sah in dem vom Erblasser angebrachten Zeichen keine Unterschrift.
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Dagegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit ihrer Beschwerde vom 12.08.2024, in der sie im Wesentlichen ausführt, dass das Testament schon deswegen wirksam sein müsse, weil an der Identität des Erblassers keine Zweifel bestünden.
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Die Beschwerde ist zulässig, bleibt aber im Ergebnis ohne Erfolg. Zutreffend hat das Nachlassgericht erkannt, dass gesetzliche Erbfolge eingetreten ist, weil kein wirksames Testament des Erblassers vorliegt. Der allein auf der Grundlage gewillkürter Erbfolge gestellte Erbscheinsantrag war daher zurückzuweisen.
6
Das Testament vom ... 2019 ist unwirksam, weil es nicht vom Erblasser unterschrieben wurde, § 2247 Abs. 1 BGB. Ein vom Erblasser nicht eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Testament ist unheilbar nichtig, § 125 BGB (BGH, Urteil vom 12.03.1981, IVa ZR 111/80, NJW 1981, 1900).
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1. Eine Unterschrift setzt ein aus Buchstaben einer üblichen Schrift bestehendes Gebilde voraus, das nicht lesbar zu sein braucht (Soergel/Klingseis, 14. Aufl. 2020, BGB, § 2247). Dem Erfordernis der Unterschrift genügt es, wenn es sich um einen die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnenden individuellen Schriftzug handelt, der charakteristische Merkmale aufweist und sich nach dem gesamten Schriftbild als Unterschrift eines Namens darstellt (BGH, Beschluss vom 11.04.2013, VII ZB 43/12, NJW 2013, 1966; BeckOGK/Grziwotz, 1.1.2025, BGB, § 2247 Rn. 41). Die Unterschrift muss nicht insgesamt lesbar sein; es genügt, wenn dem Schriftbild Andeutungen von Buchstaben noch entnommen werden können (BGH, Beschluss vom 29.10.1986, IVa ZB 13/86, NJW 1987, 1333). Nicht ausreichend ist jedoch eine reine Wellenlinie (BayObLG, Beschluss vom 28.06.1979, BReg. 1 Z 40/79, BayObLGZ 1979, 203). Ebenso wenig genügt eine Unterzeichnung mit drei Kreuzen oder einem sonstigen Handzeichen oder eine solche mit Schriftzeichen, die keine individuelle Personenbezeichnung nach außen oder im inneren Verhältnis zum Adressaten darstellen (BayObLG, Beschluss vom 28.06.1979, BReg. 1 Z 40/79, BayObLGZ 1979, 203).
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2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt hier keine Unterschrift des Erblassers vor.
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a) Der – unterstellt – vom Erblasser angebrachten wolkenähnlich geformten Linie fehlt das Element des Schreibens, also eines auch nur angedeuteten Ausformens von Buchstaben, die eine individuelle Personenbezeichnung nach außen oder im inneren Verhältnis zum Adressaten darstellen könnten. Eine Zeichnung ist gerade keine Schrift und damit auch keine Unterschrift. Insoweit gilt nichts anderes als in Fällen, in denen der Erblasser eine reine Wellenlinie oder drei Kreuze anbringt; in keinem Fall liegt eine wirksame Unterschrift vor. Dies hat zur Folge, dass das Testament vom 30.10.2019 als Ehegattentestament formnichtig ist.
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b) Soweit die Beschwerdeführerin einwendet, an der Urheberschaft des Erblassers bestünden keine Zweifel, verkennt sie, dass das Unterschriftserfordernis eine grundsätzliche Voraussetzung für die wirksame Errichtung eines Testaments ist, von der auch im Einzelfall nicht abgewichen werden kann. Schließlich verbürgt die eigenhändige Unterschrift des Erblassers nicht nur die Eigenhändigkeit, sondern auch, dass der Erblasser sich zu dem über der Unterschrift befindlichen Text bekennt (OLG München, 31 Wx 298/11, juris) und die Erklärung als ernstliche wollte.
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3. Da die Erblasserin auch ihren Hilfsantrag auf der Grundlage des (jedenfalls insoweit unwirksamen) gemeinschaftlichen Testaments vom 30.10.2019 gestellt hat, war auch diesem nicht zu entsprechen; die Beschwerde bleibt insgesamt ohne Erfolg.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
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Die Festsetzung des Geschäftswertes für das Beschwerdeverfahren bleibt vorbehalten, bis das Nachlassgericht den reinen Nachlasswert zur Zeit des Erbfalls ermittelt hat (§ 40 GNotKG). Der Geschäftswert wird entsprechend dem wirtschaftlichen Interesse der Beschwerdeführerin auf den vollen Nachlasswert festzusetzen sein.
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.