Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 10.03.2025 – 203 StObWs 12/25
Titel:

Strafgefangener, Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts, Haftraum, Strafvollstreckungskammer, Überprüfung von Ermessensentscheidungen, Durchsuchung, Ermessensfehlerfreie Entscheidung, Beschlüsse, Verteidigungsunterlagen, Ermessenserwägungen, Verwaltungsvorschriften, Verteidigerpost, Senatsbeschluß, Feststellungsinteresse, Strafvollzugsgesetz, Willkürverbot, Kostenentscheidung, Sicherheitsinteresse, Nachträgliche gerichtliche Überprüfung

Normenketten:
BayStVollzG Art. 91 Abs. 1 S. 1
StVollzG § 84 Abs. 1
StVollzG § 115 Abs. 5
Leitsätze:
1. Der Strafgefangene hat, soll sein Haftraum durchsucht werden, einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über einen von ihm gestellten Antrag auf Anwesenheit. In Bezug auf die relevanten Sicherheitsinteressen der Anstalt darf bei einer Durchsuchung eines Haftraumes die Befürchtung eingestellt werden, dass ein bei der Durchsuchung anwesender Strafgefangener Durchsuchungsmethoden erkennen und dieses Wissen für sich nutzen oder an andere Insassen weitergeben könnte oder dass er die Durchsuchung stören könnte.
2. Stets ist bei der Art der Durchsuchung Behutsamkeit angezeigt. Geboten sind Sorgfalt, um nicht unnötige Unordnung in den Haftraum zu bringen, und Vorsicht, um Schäden zum Nachteil der Gefangenen zu vermeiden.
Schlagworte:
Haftraumkontrolle, Anwesenheitsrecht, Ermessensentscheidung, Sicherheitsinteressen, Grundrechteabwägung, Routinekontrollen, Verhältnismäßigkeitsprinzip
Vorinstanz:
LG Regensburg, Beschluss vom 29.11.2024 – SR StVK 162/24
Fundstelle:
BeckRS 2025, 9473

Tenor

1. Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing vom 29. November 2024 wird als unbegründet verworfen.
2. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing hat mit Beschluss vom 29. November 2024 den Antrag des Strafgefangenen auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Entscheidung der Justizvollzugsanstalt S., ihn während der Durchsuchung seines Haftraumes am 18. Januar 2024 von der Anwesenheit auszuschließen, zurückgewiesen. Der Bescheid der Justizvollzugsanstalt sei rechtsfehlerfrei begründet und nicht zu beanstanden. Gegen den ihm am 5. Dezember 2024 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 19. Dezember 2024 zur Niederschrift des Rechtspflegers Rechtsbeschwerde eingelegt und diese mit formellen und materiellen Rügen begründet. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II.
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1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden. Die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 116 Abs. 1 StVollzG sind ebenfalls gegeben, da eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Rechtsfortbildung (vgl. Arloth in: Arloth/Krä StVollzG, 5. Aufl., § 116 Rn. 3 m.w.N.; Laubenthal in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, Strafvollzugsgesetze, 7. Aufl., 12. Kapitel, Abschnitt J Rechtsbeschwerde, § 116 Rn. 4 m.w.N.) erforderlich ist. Die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage, welche Aspekte bei der Ermessensentscheidung der Durchsuchung eines Haftraumes in Abwesenheit des Strafgefangenen zu berücksichtigen sind, ist praxisrelevant und bietet Anlass zur höchstrichterlichen Klärung.
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2. Der Zulässigkeit des Antrags und der Rechtsbeschwerde steht nicht entgegen, dass sich die Maßnahme der Durchsuchung des Haftraums am 18. Januar 2024 mit Beendigung derselben erledigt hat. Der Antragsteller kann die Maßnahme nachträglich gerichtlich überprüfen lassen. Das hierfür gemäß § 115 Abs. 3 StVollzG erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich unter dem Gesichtspunkt einer sich konkret abzeichnenden Wiederholungsgefahr, da die Antragsgegnerin derartige Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit in der Anstalt regelmäßig durchführt und damit zu rechnen ist, dass auch der Antragsteller hiervon noch wiederholt betroffen sein wird.
III.
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Die vom Antragsteller erhobene Rüge der Verletzung formellen Rechts bleibt erfolglos. Der Antragsteller hat seine allgemein erhobene Verfahrensrüge entgegen § 118 Abs. 2 S. 2 StVollzG nicht weiter ausgeführt. Sollte sein Vorbringen zu den Gummidichtungen als Rüge der Verletzung von § 244 Abs. 5 StPO i.V.m. § 120 Abs. 1 S. 2 StVollzG zu verstehen sein, wäre diese jedenfalls unbegründet, weil die Strafvollstreckungskammer mögliche Verstecke in Gummidichtungen ausdrücklich nur als Beispiel für baubedingte Verstecke angeführt hat, die Beschaffenheit der konkreten Türe nach den Gründen des Beschlusses für die Entscheidung jedoch keine Rolle gespielt hat.
IV.
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Die Sachrüge deckt keinen Rechtsfehler auf.
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1. Nach den Feststellungen der Strafvollstreckungskammer hat die Justizvollzugsanstalt am 18. Januar 2024 den Antrag des Antragstellers, einer an diesem Tag routinemäßig durchgeführten Kontrolle seines Haftraumes beizuwohnen, mit einem schriftlich begründeten Bescheid abgelehnt und es dem Strafgefangenen untersagt, während der Dauer der Durchsuchung im Haftraum zu verbleiben.
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2. Rechtsfehlerfrei hat die Strafvollstreckungskammer den Bescheid der Justizvollzugsanstalt an Art. 91 BayStVollzG unter Beachtung von § 115 Abs. 5 StVollzG gemessen.
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a. Rechtsgrundlage für die Anordnung und Durchführung der Durchsuchung des Haftraums ist Art. 91 Abs. 1 S. 1 BayStVollzG.
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b. In der Rechtsprechung geklärt ist bereits, dass die Hafträume der Strafgefangenen von den Vollzugsbediensteten ohne Einverständnis des Gefangenen betreten und durchsucht werden dürfen (vgl. Senat, Beschluss vom 30. Oktober 2023 – 203 StObWs 407/23 –, juris Rn. 11; KG Berlin, Beschluss vom 15. Januar 2024 – 2 Ws 136/23 –, juris Rn. 13; Arloth in BeckOK Strafvollzug Bayern, 21. Ed. 1.10.2024, BayStVollzG Art. 91 Rn. 2 m.w.N.). Der Schutzbereich des Art. 13 GG umfasst nicht die Hafträume einer Justizvollzugsanstalt (BVerfG, Beschluss vom 30. Mai 1996 – 2 BvR 727/94, BeckRS 1996, 12523 Rn. 16; KG Berlin, Beschluss vom 15. Januar 2024 – 2 Ws 136/23 –, juris Rn. 14; Goerdeler in Feest/Lesting/Lindemann, Strafvollzugsgesetze, 8. Aufl., Teil II § 74 Rn. 14).
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c. Für eine Durchsuchung des Haftraums bedarf es keines konkreten Verdachts einer Sicherheitsgefährdung. Daher sind Routinedurchsuchungen ohne Anlass zulässig (BVerfG, Beschluss vom 12. Juni 2017 – 2 BvR 1160/17, BeckRS 2017, 113888 Rn. 19 m.w.N.; OLG Hamm, Beschluss vom 25. September 2023 – 1 Vollz 340+341/23 –, juris Rn. 17; Arloth in BeckOK Strafvollzug Bayern a.a.O. Art. 91 Rn. 2 m.w.N.; Verrel in Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel/Baier, 13. Aufl. 2024, Kap. M Rn. 42; einschränkend Goerdeler a.a.O. § 74 Rn. 8). Die bundeseinheitliche Verwaltungsvorschrift VV Nr. 1 Abs. 1 zu § 84 StVollzG sieht dementsprechend vor, dass die Vollzugsbediensteten in geschlossenen Anstalten die von Gefangenen benutzten Räume mittels unvermuteter Durchsuchungen in kurzen Zeitabständen kontrollieren sollen. Diese Vorgabe findet sich auch in der zu Art. 91 BayStVollzG erlassenen Verwaltungsvorschrift (VVBayStVollzG, Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 1. Juli 2008 Az.: 4430 – VII a – 4696/08, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 9. November 2022 (BayMBl Nr. 691)).
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d. Die Verantwortlichen der Justizvollzugsanstalt haben nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen darüber zu befinden, ob, wann und wie oft sowie auf welche Art und Weise sie den Haftraum eines Gefangenen und seine Sachen durchsuchen (Senat, Beschluss vom 30. Oktober 2023 – 203 StObWs 407/23 –, juris Rn. 11; KG Berlin, Beschluss vom 15. Januar 2024 – 2 Ws 136/23 –, juris Rn. 13; KG, Beschluss vom 1. Oktober 2019 – 5 Ws 168/19 Vollz, BeckRS 2019, 51987 Rn. 29; Arloth in BeckOK Strafvollzug a.a.O. Art. 91 Rn. 2; Goerdeler a.a.O. § 74 Rn. 8; Brockhaus in BeckOK Strafvollzug Bund, 26. Ed. 1.8.2024, StVollzG § 84 Rn. 30).
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e. Im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung hat die Vollzugsanstalt die Grundrechte des Betroffenen, das Übermaß- und Willkürverbot und die allgemeinen Vollzugsgrundsätze zu beachten; die Durchsuchung hat der Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung in der Anstalt zu dienen (vgl. Senat, Beschluss vom 30. Oktober 2023 – 203 StObWs 407/23 –, juris Rn. 11; KG, Beschluss vom 1. Oktober 2019 – 5 Ws 168/19 Vollz, BeckRS 2019, 51987 Rn. 29; BVerfG, Beschluss vom 12. Juni 2017 – 2 BvR 1160/17, BeckRS 2017, 113888 Rn. 18 f. m.w.N.; Goerdeler a.a.O. § 74 Rn. 6 und 8; Brockhaus a.a.O. § 84 Rn. 30). Bei der im Einzelfall zu treffenden Ermessensentscheidung sind die widerstreitenden Sicherheitsinteressen der Anstalt einerseits und die Interessen des Gefangenen an der Wahrung eines persönlichen, vom allgemeinen Anstaltsbereich abgegrenzten Lebensbereiches andererseits gegeneinander abzuwägen (Senat, Beschluss vom 30. Oktober 2023 – 203 StObWs 407/23 –, juris Rn. 12; KG, Beschluss vom 1. Oktober 2019 – 5 Ws 168/19 Vollz, BeckRS 2019, 51987 Rn. 29; Brockhaus a.a.O. § 84 Rn. 30). Die Vorgaben in den zu § 84 StVollzG und zu Art. 91 BayStVollzG erlassenen Verwaltungsvorschriften entbinden die Vollzugsbehörde nicht von eigenen Ermessenserwägungen (BVerfG, Beschluss vom 12. Juni 2017 – 2 BvR 1160/17, BeckRS 2017, 113888 Rn. 19).
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f. Der Gefangene hat grundsätzlich keinen Rechtsanspruch darauf, während der Durchsuchung im Haftraum anwesend zu sein (Senat, Beschluss vom 30. Oktober 2023 – 203 StObWs 407/23 –, juris Rn. 12 m.w.N.; KG Berlin, Beschluss vom 15. Januar 2024 – 2 Ws 136/23 –, juris Rn. 11 m.w.N.; OLG Hamm, Beschluss vom 25. September 2023 – 1 Vollz 340+341/23 –, juris Rn. 18; für eine soll-Anwesenheit Goerdeler a.a.O. § 74 Rn. 15; Verrel a.a.O. Kap. M Rn. 43; Brockhaus a.a.O. § 84 Rn. 30; Harrendorf/Ullenbruch in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, Strafvollzugsgesetz, 7. Aufl. 2020, 11. Kapitel Sicherheit und Ordnung D II Rn. 6). Die Befugnisnorm des Art. 91 Abs. 1 S. 1 BayStVollzG sieht – wie auch § 84 Abs. 1 StVollzG – für den Fall der Haftraumkontrolle kein Anwesenheitsrecht des von der Durchsuchung betroffenen Strafgefangenen vor. In der Rechtsprechung und in der Literatur ist anerkannt, dass mangels einer Regelungslücke eine entsprechende Anwendung des § 106 Abs. 1 S. 1 StPO nicht in Betracht kommt (Senat, Beschluss vom 30. Oktober 2023 – 203 StObWs 407/23 –, juris Rn. 12; KG Berlin, Beschluss vom 15. Januar 2024 – 2 Ws 136/23 –, juris Rn. 12, 13; Goerdeler a.a.O § 74 Rn. 15; Brockhaus a.a.O. § 84 Rn. 29).
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g. Der Strafgefangene hat jedoch, soll sein Haftraum durchsucht werden, einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über einen von ihm gestellten Antrag auf Anwesenheit (Senat, Beschluss vom 30. Oktober 2023 – 203 StObWs 407/23 –, juris Rn. 12; KG Berlin, Beschluss vom 15. Januar 2024 – 2 Ws 136/23 –, juris Rn. 15; Brockhaus a.a.O. § 84 Rn. 29). In Bezug auf die relevanten Sicherheitsinteressen der Anstalt darf bei einer Durchsuchung eines Haftraumes die Befürchtung eingestellt werden, dass ein bei der Durchsuchung anwesender Strafgefangener Durchsuchungsmethoden erkennen und dieses Wissen für sich nutzen oder an andere Insassen weitergeben könnte oder dass er die Durchsuchung stören könnte (vgl. Senat, Beschluss vom 30. Oktober 2023 – 203 StObWs 407/23 –, juris Rn. 13; KG Berlin, Beschluss vom 15. Januar 2024 – 2 Ws 136/23 –, juris Rn. 16 zur Sicherungsverwahrung). Die Regelungen der Zulässigkeit der Durchsuchung rücken nach dem Willen des Gesetzgebers im allgemeinen das Sicherheitsbedürfnis der Anstalt in den Vordergrund (KG, Beschluss vom 1. Oktober 2019 – 5 Ws 168/19 Vollz, BeckRS 2019, 51987 Rn. 29; KG, Beschluss vom 23. Mai 2003 – 5 Ws 99/03 Vollz –, juris Rn. 12 m.w.N.). Dies gilt insbesondere für eine Anstalt, die längerstrafige und kriminell mehr belastete Gefangene verwahrt (im Erg. auch OLG Nürnberg, Beschluss vom 24. Oktober 1996 – Ws 753/96 –, juris).
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h. Stets ist bei der Art der Durchsuchung Behutsamkeit angezeigt (Senat, Beschluss vom 30. Oktober 2023 – 203 StObWs 407/23 –, juris Rn. 11; OLG Nürnberg, Beschluss vom 24. Oktober 1996 – Ws 753/96 –, juris; Verrel a.a.O. Kap. M Rn. 42; Goerdeler a.a.O § 74 Rn. 16; Brockhaus a.a.O. § 84 Rn. 30 m.w.N.; Harrendorf/Ullenbruch a.a.O. 11. Kapitel Sicherheit und Ordnung D II Rn. 6). Geboten sind Sorgfalt, um nicht unnötige Unordnung in den Haftraum zu bringen, und Vorsicht, um Schäden zum Nachteil der Gefangenen zu vermeiden (Harrendorf/Ullenbruch a.a.O.).
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i. Im Interesse eines effektiven Schutzes von Verteidigungsunterlagen und Verteidigerpost vor inhaltlicher Kenntnisnahme muss dem Gefangenen zudem die Möglichkeit gewährt werden, zumindest deren Sichtkontrolle im Rahmen der Haftraumdurchsuchung zu beobachten (KG Berlin, Beschluss vom 1. Oktober 2019 – 5 Ws 168/19 Vollz –, juris Rn. 27; OLG München, Beschluss vom 30. November 2006 – 903/06 R, BeckRS 2015, 16232; OLG Koblenz, Beschluss vom 15. Juni 2007 – 1 Ws 243/07 –, juris Rn. 15; Arloth in BeckOK Strafvollzug Bayern a.a.O. Art. 33 Rn. 5; Harrendorf/Ullenbruch a.a.O. 11. Kapitel Sicherheit und Ordnung D II Rn. 6).
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j. Gemäß § 115 Abs. 5 StVollzG ist eine Ermessensentscheidung der Vollzugsbehörde im Verfahren nach §§ 109 ff. StVollzG von der Strafvollstreckungskammer nur eingeschränkt auf Ermessensfehler hin überprüfbar. Insoweit prüft das Gericht nach, ob die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung deshalb rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde. Erfasst werden auch der Ermessensnichtgebrauch und die Ermessensunterschreitung (st. Rspr., vgl. Senat, Beschluss vom 18. November 2024 – 203 StObWs 550/24 –, juris Rn. 8 m.w.N.). Fehlerhaft sind Ermessenserwägungen, wenn sie auf unrichtigen oder unvollständigen tatsächlichen Grundlagen beruhen oder wenn nicht alle für die Abwägung relevanten Aspekte einbezogen werden (vgl. zur Überprüfung von Ermessensentscheidungen Senat, Beschluss vom 26. Februar 2024 – 203 StObWs 49/24 –, juris Rn. 14 f. m.w.N.).
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k. Gemessen daran hat die Strafvollstreckungskammer den Antrag auf gerichtliche Entscheidung auch unter Berücksichtigung des Vortrags des Beschwerdeführers nach dem Maßstab des § 115 Abs. 5 StVollzG rechtsfehlerfrei als unbegründet zurückgewiesen. Ausweislich der Gründe des angefochtenen Beschlusses ist weder zu besorgen, dass die Strafvollstreckungskammer von rechtlich unzutreffenden oder unzureichenden Grundlagen ausgegangen ist, noch, dass sie den für die Beurteilung zugrunde zu legenden Maßstab verkannt hat.
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aa. Die Vollzugsanstalt hat sich bei ihren Entscheidungen, den Haftraum des Beschwerdeführers zu durchsuchen und diese Maßnahme in dessen Abwesenheit durchzuführen, jeweils zutreffend an Art. 91 Abs. 1 S. 1 BayStVollzG orientiert.
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bb. Die Justizvollzugsanstalt war sich bei ihrer Entscheidung der rechtlichen Möglichkeit bewusst, dem Antragsteller zu gestatten, während der Durchsuchung anwesend zu sein.
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cc. Ihr lag für ihre Entscheidung ein hinreichend geklärter Sachverhalt vor. Der Vortrag des Beschwerdeführers, dass in der Vergangenheit nach einer vorangegangenen Haftraumkontrolle einmal ein Schreiben nicht mehr auffindbar gewesen wäre, bedurfte im Vorfeld der Entscheidung keiner Klärung. Denn auch wenn die Behauptung zutreffen würde, wäre dies kein Umstand, der eine Durchsuchung in Abwesenheit des Strafgefangenen generell unzulässig machen würde. Dass der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an der Unversehrtheit seiner persönlichen Gegenstände hat, hat die Anstalt bei ihrer Entscheidung ausdrücklich bedacht.
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dd. Die Justizvollzugsanstalt hat in ihrer Ermessensentscheidung die wesentlichen Aspekte, die für und gegen die Anwesenheit des Strafgefangenen sprachen, berücksichtigt. Sie hat in ihre Überlegungen mit eingestellt, dass der Strafgefangene ein schutzwürdiges Interesse daran hat, dass Gegenstände im Haftraum nicht entnommen, umgesetzt oder zerstört werden. Auch die dem Bediensteten gegenüber vorgetragenen Bedenken des Strafgefangenen in Bezug auf die Einhaltung der Hygiene und ein nach einer vorangegangenen Haftraumkontrolle nicht mehr auffindbares Schreiben hat sie bedacht. Andererseits hat sie berücksichtigt, dass es sich um eine Anstalt der höchsten Sicherheitsstufe handelt, in der eine große Anzahl wegen Gewaltstraftaten Verurteilter langjährige bis lebenslängliche Haftstrafen verbüßen. Gefangene sollten nach Möglichkeit keine Kenntnis davon erlangen, welche potentiellen Verstecke von den Bediensteten kontrolliert würden. Die mit der Haftraumkontrolle befassten Bediensteten seien geschult. Sie würden nur Gegenstände entnehmen, die der Gefangene nicht besitzen dürfe oder bezüglich derer das Recht auf Besitz zweifelhaft sei. Im letzteren Fall werde das Besitzrecht geklärt. Die Hygiene werde gewährleistet. Die Bediensteten trügen Einweghandschuhe, der Toilettenbereich würde am Ende kontrolliert, die Handschuhe würden nach der Durchsuchung entsorgt.
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ee. Mit seinen Einwendungen in der Rechtsbeschwerde zeigt der Beschwerdeführer mit Blick auf die oben dargestellten Grundsätze keinen Ermessensfehler der Justizvollzugsanstalt auf.
Im Einzelnen:
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Es bestand im Zusammenhang mit der Durchsuchung eines Haftraums keine Pflicht des Bediensteten, auch den Strafgefangenen eingehend zu durchsuchen. Der Strafgefangene hat keinen Rechtsanspruch auf eine bestimmte Dauer, eine bestimmte Intensität oder einen bestimmten Aufwand der Durchsuchung. Eine konkrete Störung von Seiten des Strafgefangenen musste nicht abgewartet werden. Die vom Strafgefangenen im Vollzugsverfahren desweiteren vorgetragenen Aspekte einer der Abwesenheit während der Durchsuchung geschuldeten Beweisnot, einer früheren Aushändigung von nach der Beurteilung des Strafgefangenen gefährlichen Gegenständen und Werkzeugen, des Fehlens von Aggressivität, eines deeskalierenden Einschreitens des Strafgefangenen in der Vergangenheit, des zeitlichen Abstands zu der der Verurteilung zugrundeliegenden Straftat, der freiwilligen Mitwirkung an Behandlungsmaßnahmen, der Behauptung von Rechtsverstößen der Anstalt vor dem Jahre 2021, eines in anderer Sache ergangenen zivilrechtlichen Entschädigungsurteils, eines Zweifels des Strafgefangenen an einem sinnvollen Behandlungsvollzug, eines fehlenden Vertrauens in den oder die Bediensteten, eines allgemeinen Zweifels des Strafgefangenen und weiterer Mitinsassen am korrekten dienstlichen Verhalten der Anstaltsbediensteten, der Behauptung früherer Rechtsverletzungen von Anstaltsbediensteten und der Möglichkeit unkorrekten Vorgehens der Bediensteten ungeachtet des sogenannten vier – Augen – Prinzips stellen keine wesentlichen Umstände dar, die von der Justizvollzugsanstalt im Rahmen einer Entscheidung über die Anwesenheit des Strafgefangenen bei einer Routinekontrolle seines Haftraums zwingend im Einzelnen erörtert werden müssten. Denn aufzuführen in der Begründung der Ermessensentscheidung der Anstalt im Rahmen einer Durchsuchung sind nur die für die Abwägung wesentlichen Umstände. Eine erschöpfende Aufstellung und Abhandlung aller potentiell berührten Belange und Besorgnisse des Strafgefangenen und der weiteren Mitinsassen ist nicht geboten.
V.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 4 StVollzG i. V. m. § 473 Abs. 1 StPO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 1 Nr. 8, § 63 Abs. 3, § 65 GKG.