Titel:
Führungsaufsicht, Bewährungshelfer, Fachambulanzen, Mündliche Anhörung, Gesamtfreiheitsstrafe, Untersuchungshaft, Arbeitsvermittlung, Vollständige Verbüßung, Verurteilten, Ausbildung, Freiheitsstrafe, Strafvollstreckungskammer, Staatsanwaltschaft, Sachverständigenberatung, Besitz kinderpornografischer Schriften, Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen, Schwere räuberische Erpressung, Nichtbeschäftigte, Jugendstrafe, Minderjähriges Kind
Schlagworte:
Führungsaufsicht, Bewährungshelfer, Weisungen, Sexualstraftätertherapie, Rückfallprävention, Sozialtherapie, Lebensführungseinschränkungen
Vorinstanz:
LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 07.06.2019 – JKI KLs 652 Js 59829/18 jug
Rechtsmittelinstanz:
OLG Nürnberg, Beschluss vom 27.03.2025 – Ws 209/25
Fundstelle:
BeckRS 2025, 9470
Tenor
1. Der Verurteilte untersteht nach Verbüßung der Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Jahren 6 Monaten aus dem Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 07.06.2019 (Az. JKI KLs 652 Js 59829/18 jug), rechtskräftig seit 05.12.2019,
2. Es verbleibt bei der Höchstfrist der Führungsaufsicht von 5 Jahren.
3. Der Verurteilte untersteht für die Dauer der Führungsaufsicht der Aufsicht und Leitung des für seinen Wohnsitz zuständigen hauptamtlichen Bewährungshelfers.
4. Dem Verurteilten werden für die Dauer der Führungsaufsicht folgende strafbewehrte Weisungen gem. § 68 b Abs. 1 StGB erteilt:
a) Er darf sich nicht an Orten aufhalten, an denen erfahrungsgemäß mit der Anwesenheit von Kindern und Jugendlichen zu rechnen ist oder an denen sich bereits erkennbar Kinder und Jugendliche befinden, z.B. Kinderspielplätze, Schulen, Kindergärten, Schwimmbäder, Jugendtreffs, Badegewässer, Sporteinrichtungen, Volks-, Vereins- oder Straßenfeste (§ 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB).
b) Er darf sich nicht in den Wohnungen der Mutter … und der Schwester … seiner Verlobten … in den Anwesen … und … in … aufhalten (§ 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB). (aufgehoben Bl. 14 ff.)
c) Er darf keinen Kontakt zu den früheren Tatopfern …, geb. am … und … geb. am … aufnehmen (persönlich, schriftlich, per Telekommunikationsmittel noch in sonstiger Weise oder über Dritte), mit ihnen nicht verkehren (schriftlich, telefonisch, elektronisch oder in sonstiger Weise), sie nicht beschäftigten, ausbilden oder beherbergen (§ 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB).
d) Er darf keinen Kontakt mit Kindern und Jugendlichen aufnehmen (persönlich, schriftlich, per Telekommunikationsmittel, in sonstiger Weise oder über Dritte), mit ihnen nicht verkehren (schriftlich, telefonisch, elektronisch oder in sonstiger Weise), sie nicht beschäftigten, ausbilden oder beherbergen. Hiervon ausgenommen ist das Kind … der Schwester … seiner Verlobten …, solange die Beziehung zu … besteht. Er darf sich zu keinem Zeitpunkt alleine ohne Aufsicht einer anderen erwachsenen Person in der Nähe des Kindes … aufhalten. Sofern sich zufällig oder unvorhergesehen eine alleinige Anwesenheit in der Nähe des Kindes … ergibt, hat sich der Verurteilte unverzüglich zu entfernen oder eine andere erwachsene Person hinzuzuziehen (§ 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB).
e) Er hat sich zu bestimmten Zeiten bei dem für seinen Wohnort zuständigen Bewährungshelfer persönlich zu melden und zwar nach näherer Bestimmung (hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Meldung) durch den Bewährungshelfer mindestens einmal, höchstens viermal im Monat, erstmals binnen 3 Tagen nach Entlassung (§ 68 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 StGB).
f) Er hat sich erstmals binnen 7 Tagen nach Haftentlassung und sodann mindestens zweimal bis zu zwölfmal im Kalenderjahr bei den zuständigen kriminalpolizeilichen Ansprechpartnern der Landeskonzeption für rückfallgefährdete Sexualstraftäter (HEADS-Ansprechpartner oder dessen Vertreter) bei der für seinen Wohnsitz zuständigen Kriminalpolizeiinspektion nach näherer Absprache hinsichtlich Meldeart und Meldeort und Terminvergabe durch die zuständigen Beamten persönlich zu melden (§ 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 7 StGB).
g) Er hat jeden Wechsel der Wohnung oder des Arbeitsplatzes binnen 1 Woche der Führungsaufsichtsstelle mitzuteilen (§ 68 b Absatz 1 Satz 1 Nr. 8 StGB).
h) Er hat sich im Falle der Erwerbslosigkeit binnen 1 Woche bei der für seinen Wohnsitz zuständigen Agentur für Arbeit oder einer anderen zur Arbeitsvermittlung zugelassenen Stelle zu melden (§ 68 b Absatz 1 Satz 1 Nr. 9 StGB).
i) Er hat sich zunächst mindestens einmal, höchstens viermal im Monat, nach näherer Absprache mit den dortigen Therapeuten bei der Fachambulanz für Sexual-/Gewaltstraftäter der Stadtmission N. e.V., P. Straße ..., ... Nürnberg, persönlich vorzustellen, erstmals binnen 1 Woche nach Entlassung (§ 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 11 StGB).
5. Dem Verurteilten werden für die Dauer der Führungsaufsicht folgende nicht strafbewehrte Weisungen gem. § 68 b Abs. 2 StGB erteilt:
a) Er hat unmittelbar im Anschluss an die Entlassung einen festen Wohnsitz zu begründen und den Wohnsitz binnen 1 Woche dem Bewährungshelfer und der Führungsaufsichtsstelle mitzuteilen.
b) Er hat jeden Wechsel der Wohnung oder des Arbeitsplatzes binnen 1 Woche auch dem Bewährungshelfer, dem HEADS-Ansprechpartner und der Fachambulanz mitzuteilen.
c) Im Falle der Erwerbslosigkeit hat der die Meldung bei der für seinen Wohnsitz zuständigen Agentur für Arbeit oder einer anderen zur Arbeitsvermittlung zugelassenen Stelle binnen 2 Wochen dem Bewährungshelfer nachzuweisen.
d) Er hat sich in den unter Ziffer 4. i) bestimmten Terminen bei der Fachambulanz für Sexual-/Gewaltstraftäter der Stadtmission N. e.V., P. Straße ..., ... Nürnberg, betreuen und behandeln zu lassen, die Therapie regelgerecht durchzuführen, alle Anweisungen der Therapeuten gewissenhaft zu befolgen und die Wahrnehmung der Therapietermine gegenüber dem Bewährungshelfer in Abständen von höchstens 3 Monaten schriftlich nachzuweisen. Er darf die Therapie nicht gegen den Rat der behandelnden Therapeuten und nicht ohne Einverständnis des Bewährungshelfers beenden. Er darf keinen schuldhaften Anlass zu einem Abbruch seitens der Einrichtung geben.
e) Er hat zu dulden, dass Polizeibeamte, insbesondere der HEADS-Ansprechpartner, der Bewährungshelfer und die Ärzte und Therapeuten der Fachambulanz Einsicht in seine elektronischen Endgeräte nehmen.
f) Er hat sich des Konsums kinder- und jugendpornografischer Inhalte aller Art zu entha ten.
6. Die Belehrung über die Bedeutung der Führungsaufsicht und der erteilten Weisungen wird der Justizvollzugsanstalt … übertragen.
7. Der Verurteilte wird ergänzend darauf hingewiesen, dass schuldhafte Verstöße gegen Weisungen, die gemäß § 68 b Abs. 1 S. 1 StGB erteilt werden, gemäß § 145 a StGB auf Antrag der Führungsaufsichtsstelle strafrechtlich verfolgt und mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden können.
Gründe
1
1. Mit dem im Tenor genannten Urteil wurde … wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in sieben Fällen, in einem Fall mit Herstellung kinderpornografischer Schriften, und des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in zwei Fällen und der Herstellung kinderpornografischer Schriften in zwei Fällen und des Besitzes kinderpornografischer Schriften mit Besitz jugendpornografischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Jahren 6 Monaten verurteilt.
Der Verurteilung liegt zugrunde, dass der Verurteilte im Zeitraum 01.01.2014 bis 31.12.2017 seinen am … geborenen Sohn … in sieben Fällen sexuell missbrauchte, wobei er hiervon am 07.03.2016 einmal eine Bildaufnahme fertigte. In fünf Fällen hiervon manipulierte der Verurteilte dabei für einen nicht nur unbedeutenden Zeitraum am unbekleideten Penis seines Sohnes, um sich hierdurch sexuell zu erregen. In zwei weiteren Fällen ließ der Verurteilte an sich durch seinen Sohn Oralverkehr durchführen und befriedigte sich dann bis zum Samenerguss vor diesem selbst. In einem Fall manipulierte der Verurteilte mit einem Körperteil oder Gegenstand für einen nicht nur unbedeutenden Zeitraum am unbekleideten Gesäß des Sohnes, um sich hierdurch sexuell zu erregen und befriedigte sich anschließend selbst vor seinem Sohn bis zum Samenerguss. Am 07.03.2016 führte der Verurteilte seinen unbekleideten teilweise erigierten Penis zwischen die unbekleideten Pobacken seines Sohnes, wobei er hiervon eine Bildaufnahme machte. Anschließend drehte der Verurteilte seinen Sohn um und fertigte von dessen nacktem Penis in sexuell aufreizender Art und Weise eine weitere Bildaufnahme. Der Verurteilte fertigte zudem zwei weitere Bildaufnahmen seiner unbekleideten minderjährigen Söhne … (geb. …). Er hatte außerdem am 06.07.2018 diverse kinder- und jugendpornografische Dateien in Besitz, welche fast ausschließlich männliche Kinder und Jugendliche zeigen.
2
Mit Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 09.07.2021 (Az. JKII KLs 652 Js 59829/18 jug (2)), rechtskräftig seit 17.11.2021, wurde die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vorbehalten.
3
Mit Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 02.07.2024 (Az. JKII KLs 652 Js 59829/18 jug (2)) wurde ausgesprochen, dass die im Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 09.07.2021 vorbehaltene Anordnung der Sicherungsverwahrung unterbleibt. Die Kammer wurde dabei sachverständig beraten durch den Sachverständigen … der am 23.06.2024 ein schriftliches Gutachten erstattete, das der Strafvollstreckungskammer ebenfalls vorliegt.
4
Bezüglich der näheren Einzelheiten des der Verurteilung zugrunde liegenden Sachverhalts, des Vorlebens und der Persönlichkeit des Verurteilten wird auf die bei den Akten befindlichen Ausfertigungen der genannten Urteile sowie das Gutachten des Sachverständigem … vom 23.06.2024 Bezug genommen.
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2. Der Verurteilte ist zuvor bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten.
6
a) Mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth vom 12.04.1991 (Az. 368 Js 34121/91) wurde wegen eines Diebstahls von der Verfolgung nach § 45 Abs. 2 JGG abgesehen.
7
b) Mit Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 12.07.1994 (Az. 362 Js 31959/94) wurde er wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern mit vorsätzlicher Körperverletzung und versuchter Nötigung zu einer Jugendstrafe von 9 Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, verurteilt.
Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Verurteilte einen zum damaligen Zeitpunkt 8-jährigen Jungen in den Keller seines Wohnanwesens lockte, diesem die Hose und Unterhose bis zu den Knöcheln herunterzog und diesen anschließend am Gesäß streichelte und ihm einen Finger bis zur Hälfte in den After steckte. Danach drohte er dem Geschädigten, dass er ihn schlagen und seinen Eltern Nacktaufnahmen von ihm zeigen werde, sollte er jemanden von den Ereignissen erzählen.
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c) Weiter wurde er mit Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 15.08.1995 (Az. 64 Ls 652 Js 33702/95) wegen Raubs, räuberischer Erpressung in vier Fällen, versuchter schwerer räuberischer Erpressung mit sexueller Nötigung und vorsätzlicher Körperverletzung und Nötigung unter Einbeziehung der unter 2. b) geschilderten Entscheidung zu einer Jugendstrafe von 3 Jahren verurteilt. Daneben wurde die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Verurteilte einem 17-jährigen Mitschüler, der von seiner geistigen Entwicklung nicht unbedingt einem 17-Jährigen gleichstand und auch keinen altersentsprechenden Eindruck hinterließ, mehrfach Geld durch Androhung von Prügeln abnahm. Einmal hielt er dem Geschädigten hierzu eine Schreckschusspistole vor. Dabei forderte er den Geschädigten auf, seine Jacke auszuziehen und seine Hose und Unterhose bis zu den Knien herunterzulassen. Anschließend zog der Verurteilte selbst seine Hose und Unterhose bis zu den Knien herunter. Der Verurteilte zwang den Geschädigten, sein Glied in die Hand zu nehmen und an diesem solange herumzureiben, bis es vollständig erigiert war. Anschließend führte er beim Geschädigten unter Verwendung eines Kondoms über mehrere Minuten hinweg den Analverkehr aus. Danach drohte er dem Geschädigten mit „Ärger“, falls dieser jemandem von dem Vorfall erzählen sollte.
9
Der Verurteilte war seit 06.09.1995 im Maßregelvollzug untergebracht. Mit Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 22.03.2013 (Az. 2 Ws 522/12) wurde die Unterbringung für erledigt erklärt und die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt. Mit Beschluss des Landgerichts Ansbach vom 29.05.2013 (Az. StVK 65/2013) wurde die Führungsaufsicht ausgestaltet und der Verurteilte unter anderem angewiesen, zu Minderjährigen – mit Ausnahme seiner minderjährigen Kinder – keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilunter anderem angewiesen, zu Minderjährigen – mit Ausnahme seiner minderjährigen Kinder – keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen.
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d) Das Amtsgericht Schwabach verurteilte ihn mit Strafbefehl vom 25.10.2010 (Az. 3 Ds 301 Js 8666/10) wegen Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 15 €.
Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Verurteilte im Rahmen von Lockerungen während des Vollzugs der Unterbringung nach § 63 StGB selbst Lohn- und Gehaltsabrechnungen sowie Kontoauszüge herstellte, um die so gefälschten Dokumente zum Nachweis des Absolvierens einer Ausbildung dem BKH Ansbach vorzulegen.
11
3. Der Verurteile befand sich in dieser Sache von 07.07.2018 bis zur Rechtskraft des Urteils am 05.12.2019 in Untersuchungshaft. Seit Rechtskraft wird die Freiheitsstrafe vollstreckt, derzeit in der JVA … Zwei Drittel der Strafe waren am 25.12.2022 verbüßt. Das Strafende ist für den 25.02.2025 vorgemerkt.
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4. Die JVA … hat mit Schreiben vom 04.07.2024, 18.07.2024 und 09.12.2024 zum Vollzugsverlauf Stellung genommen und für den Fall des Eintritts der Führungsaufsicht konkrete Weisungen vorgeschlagen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben Bezug genommen.
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Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth hat am 03.12.2024 beantragt, festzustellen, dass es bei der kraft Gesetzes nach der Entlassung aus dem Strafvollzug eintretenden Führungsaufsicht von fünf Jahren sein Bewenden habe, dass dem Verurteilten ein Bewährungshelfer bestellt werde und dass dem Verurteilten Weisungen erteilt werden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Verfügung vom 03.12.2024 Bezug genommen.
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Der Verurteilte wurde am 09.12.2024 mündlich angehört, wobei es hierbei vorrangig um einen Antrag des Verurteilten nach § 57 Abs. 1 StGB ging. In diesem Rahmen wurde seitens der Verteidigung mitgeteilt, dass eine Stellungnahme zu den beantragten Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht derzeit nicht abgegeben werden soll und ggf. später eine schriftliche Stellungnahme erfolger soll.
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Der Beschluss vom 16.12.2024 wurde dem Verteidiger am 30.12.2024 zugestellt. Zusammen mit dem Beschluss wurde dem Verteidiger eine Verfügung zugeleitet und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu den von der JVA … und der Staatsanwaltschaft vorgeschlagenen Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht bis 15.01.2025 gegeben. Zudem wurde er um Mitteilung möglicher Termine für eine mündliche Anhörung gebeten, sollte eine solche doch gewünscht werden.
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Eine weitere Stellungnahme ist nicht eingegangen, ebenso keine Mitteilung, dass doch eine mündliche Anhörung gewünscht wird.
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Der Verurteilte untersteht nach vollständiger Verbüßung der vom Landgericht verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Jahren 6 Monaten gemäß § 68 f Abs. 1 S. 1 StGB von Gesetzes wegen der Führungsaufsicht.
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Der Verurteilte erhob keine Einwendungen gegen die Anordnung der Führungsaufsicht als solche.
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Eine Anordnung dass die Führungsaufsicht nach § 68 f Abs. 2 StGB entfällt, kam vorliegend auch nicht in Betracht. Anhaltspunkte dafür, dass zu erwarten ist, der Verurteilte werde auch ohne die Führungsaufsicht keine Straftaten mehr begehen, sind nicht ersichtlich. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den bisherigen strafrechtlichen Werdegang.
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Es bestand derzeit auch keinerlei Veranlassung, die Dauer der Führungsaufsicht abzukürzen. Zwar ist deren Dauer grundsätzlich unbestimmt (2-5 Jahre), dennoch ist im vorliegenden Fall bereits jetzt abzusehen, dass die Höchstfrist nicht abgekürzt werden kann. Vielmehr ist es erforderlich, über einen längeren Zeitraum nachhaltig auf die künftige Lebensführung des Verurteilten einwirken zu können. Selbst die im Fall einer günstigen Prognose festzusetzende Bewährungszeit würde nicht unter 5 Jahre betragen. Sollten sich dennoch aus den jährlich vorzulegenden Berichten des Bewährungshelfers außergewöhnliche Umstände ergeben, die Anlass zu einer anderen Beurteilung geben könnten, behält sich das Gericht eine Abkürzung der Höchstfrist vor (§§ 68 c Abs. 1 S. 2, 68 d.S. 1 StGB). Derzeit besteht hierfür allerdings noch kein Anlass.
21
Gemäß § 68 a Abs. 1 StGB war dem Verurteilten für die Dauer der Führungsaufsicht ein Bewährungshelfer zu bestellen.
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Die dem Verurteilten erteilten Weisungen beruhen auf § 68 b StGB.
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1. Die Weisungen nach § 68 b Abs. 1 StGB sind zwingend strafbewehrt. Deren Nichtbefolgung führt zur Bestrafung nach § 145 a StGB (vgl. BeckOK StGB/Heuchemer, 46. Ed. 1.5.2020, StGB § 68 b Rn. 22). Nach § 68 b Abs. 2 StGB können weitere, dem Einzelfall angepasste Weisungen erteilt werden, deren Nichterfüllung nicht nach § 145 a bestraft werden kann (vgl. BeckOK StGB/Heuchemer, 46. Ed. 1.5.2020, StGB § 68 b Rn. 20).
24
Wird folglich eine Weisung nach § 68 b Abs. 1 StGB erteilt, ist diese auch strafbewehrt.
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Die Erteilung der Weisungen steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Die Auswahl der Weisungen hat sich nach der begangenen Tat, der Persönlichkeit des Täters und dessen konkretem Lebensumfeld zu richten. Sie orientieren sich am Ziel der Prävention. Weisungen, die keinen Zusammenhang zur kriminellen Gefährdung aufweisen, sind unzulässig. Das Gericht kann mehrere Weisungen nebeneinander anordnen. Die Grenzen der Weisungen ergeben sich aus dem Unzumutbarkeitsgrundsatz nach Abs. 3. Die Unzumutbarkeit muss konkret anhand der jeweiligen Führungsaufsicht überprüft werden. An die Zumutbarkeit sind im Rahmen der Führungsaufsicht höhere Anforderungen zu stellen, da diese gem. § 145 a StGB strafbewehrt ist (vgl. BeckOK StGB/Heuchemer, 46. Ed. 1.5.2020, StGB § 68 b Rn. 5 ff. m.w.N.).
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2. Unter Berücksichtigung der Anlassdelinquenz erscheinen die erteilten Weisungen erforderlich, um die soziale Integration zu fördern, weitere Straftaten zu verhindern und insbesondere eine effektive Kontrolle und Überwachung zu ermöglichen, damit etwaigen gefährlichen Entwicklungen nach Möglichkeit rechtzeitig entgegengesteuert werden kann.
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Soweit nicht konkret etwas anderes bestimmt ist, gelten die erteilten Weisungen für die gesamte Dauer der Führungsaufsicht. Die Weisungen können jedoch jederzeit insgesamt oder einzeln abgeändert, ergänzt und auch aufgehoben werden, wenn sich im Verlauf der Führungsaufsicht aufgrund der Entw cklung des Verurteilten oder aufgrund seines Verhaltens die zugrundeliegenden persönlichen Verhältnisse entsprechend ändern und wenn deswegen eine Abänderung der Weisungen erforderlich wird. Eine entsprechende Änderung oder Anpassung sowie eine Ergänzung der erteilten Weisungen bleibt insoweit ausdrücklich vorbehalten.
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Eine unangemessene Einschränkung in der Lebensführung des Verurteilten tritt durch die erteilten Weisungen nach Auffassung des Gerichts im Hinblick auf den hierdurch zu erreichenden Zweck nicht ein.
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3. Hinsichtlich der angeordneten Weisungen ist im Einzelnen Folgendes auszuführen:
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Die Weisungen dienen dazu, die weitere Entwicklung des Verurteilten in positiver Richtung zu stabilisieren. Sie sind dem Verurteilten zumutbar.
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Die Weisungen bzgl. des Aufenthalts an bestimmten Orten sowie der Kontaktaufnahme mit bestimmten Personen ist vor dem Hintergrund der Anlassdelinquenz sowie der nicht vollständig abgeschlossenen Sozialtherapie für Sexualstraftäter zur Verhinderung weiterer gleichgelagerter Straftaten unumgänglich. Durch die Weisungen Ziffer 4 a) bis d) soll sichergestellt werden, dass dem Verurteilten der Kontakt zu Minderjährigen und damit die Gelegenheit zur Vornahme weiterer gleichgelagerter Taten jedenfalls erheblich erschwert wird. Hiervon war entgegen des Antrags der Staatsanwaltschaft der Sohn … er Schwester … seiner Verlobten … auszunehmen, zumindest für die Dauer der Beziehung. Das Gericht verkennt hierbei nicht, dass sich der Sachverständige … im Rahmen der mündlichen Anhörung vom 09.12.2024 dahingehend geäußert, dass der Verurteilte durchaus in der Lage wäre, das Vertrauen des Kindes zu gewinnen und es dann zu Missbrauchshandlungen kommen könnte. Allerdings ist auch zu sehen, dass die Verlobte des Verurteilten die Tante des Kindes ist und dieses auch oft beaufsichtigt. Ein vollständiges Kontaktverbot zum Kind … wäre daher nur äußert schwer umsetzbar. Um dennoch sicherzustellen, dass es zu keinen Situationen kommt, in denen der Verurteilte mit dem Kind … alleine ist, wurde stattdessen ein Verbot erteilt, sich alleine in der Nähe des Kindes aufzuhalten. Der Verurteilte hat ausnahmslos sicherzustellen, dass bei Kontakt mit dem Kind … zu jeder Zeit eine andere erwachsene Person anwesend ist. Zudem wurde ihm ein Betretungsverbot bzgl. der Wohnungen der Mutter und der Schwester der Verlobten erteilt, da sich das Kind … dort üblicherweise aufhält.
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Die Weisung, einen etwaigen Wechsel des Wohnsitzes oder Arbeitsplatzes auch dem Bewährungshelfer mitzuteilen dient zur Aufrechterhaltung des Kontaktes zum Bewährungshelfer selbst.
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Die Weisung, bei der zuständigen Stelle zum Zwecke der Arbeitsvermittlung vorstellig zu werden, dient der integration auf dem Arbeitsmarkt und der Stabilisierung des Verurteilten.
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Die Weisung, sich bei der Fachambulanz für Sexual-/Gewaltstraftäter einer Behandlung zu unterziehen, erfolgt vor dem Hintergrund, dass bislang keine ausreichende therapeutische Aufarbeitung der Persönlichkeitsdefizite des Verurteilten erfolgte. Der Sachverständige …, der im Rahmen des beim Landgericht … geführten Verfahrens über die Entscheidung über die vorbeha tenen Sicherungsverwahrung am 23.06.2024 sowie ergänzend im Rahmen des bei der Strafvollstreckungskammer geführten Verfahrens nach § 57 Abs. 1 StGB am 04.11.2024 ein schriftliches Gutachten erstattete, hält die Anbindung an die Fachambulanz im Falle einer Entlassung ebenfalls für erforderlich. Insofern dient die Vorstellungs- und Therapieweisung dazu, die Motivation beim Verurteilten nach der Haft zu wecken und durch die möglichst erfolgreiche Absolvierung der Therapie legalprognostisch relevante Fortschritte erzielen zu können, um insoweit das vom Verurteilten ausgehende Rückfallrisiko abzusenken und insoweit die Allgemeinheit vor neuerlichen verg eichbaren Straftaten des Verurteilten zu schützen. Die Einschränkungen, die der Verurteilte durch die Teilnahme an der Therapie hinnehmen muss, stehen hierbei nicht annähernd außer Verhältnis zu den von dem Verurteilten ausgehenden Gefahren für neuerliche Sexualdelikte. Überdies gilt es zu berücksichtigen, dass die Therapie bei der Fachambulanz in Nürnberg kostenlos absolviert werden kann und dem Verurteilten hierdurch keine besonderen Belastungen treffen. Das Gericht weist an dieser Stelle bereits darauf hin, dass der Verurteilte, sofern er der Vorstellung zur Therapieweisung nicht nachkommt, gegebenenfalls mit der Anordnung der unbefristeten Dauer der Führungsaufsicht rechnen muss. Die Weisung wurde zunächst für die gesamte Dauer der Führungsaufsicht angeordnet, wobei bei entsprechend positivem Verlauf der Therapie durch entsprechende Mitteilungen des Bewährungshelfers oder der Therapiestelle gegebenenfalls eine Ausweitung des Vorstellungsintervalls oder gar eine Beendigung der Therapieweisung vorbehalten bleiben.
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Die von der Staatsanwaltschaft beantragte Weisung, dem Verurteilten den Besitz internetfähiger Endgeräte zu untersagen, wurde nicht erteilt. In der heutigen Zeit ist der Besitz zumindest eines solchen Endgerätes essentiell. Würde man den Verurteilten den Besitz eines solchen Gerätes untersagen, könnte er beispielsweise kein Deutschlandticket erwerben, da ein solches nur digital und nicht am Fahrkartenautomaten erhältlich ist. Zudem bieten die meisten Banken nur noch Onlinebanking an und verlangen für Papierüberweisungen extra Gebühren. Die Erteilung eines vollständigen Verbotes würde die Lebensführung des Verurteilten in unangemessener Weise erschweren. Allerdings hat der Verurteilte regelmäßige Kontrollen zu dulden, um sicherzustellen, dass er keine kinder- und jugendpornographischen Schriften konsumiert.
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4. Die Übertragung der ergänzenden Belehrung über die Bedeutung und die Folgen der Führungsaufsicht auf die JVA … beruht auf §§ 463 Abs. 3, 454 Abs. 4 S. 2 StPO.