Inhalt

VG München, Beschluss v. 01.04.2025 – M 20 P 22.2149
Titel:

(Landes) Personalvertretungsrecht, Ausschluss einer Bereichsleiterstelle einer Landesbank auf 2. Führungsebene von der Mitbestimmung des Personalrats, Vergleichbarkeit eines Bereichsleiters mit A16-Beamten, Anforderungen an eine Vergleichbarkeit i.S.v. Art. 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayPVG, Funktionsgleichwertigkeit

Normenketten:
BayPVG Art. 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
BayPVG Art. 78 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
BayPVG Art. 78 Abs. 1 S. 1 Nr. 7
BetrVG § 5 Abs. 3
Schlagworte:
(Landes) Personalvertretungsrecht, Ausschluss einer Bereichsleiterstelle einer Landesbank auf 2. Führungsebene von der Mitbestimmung des Personalrats, Vergleichbarkeit eines Bereichsleiters mit A16-Beamten, Anforderungen an eine Vergleichbarkeit i.S.v. Art. 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayPVG, Funktionsgleichwertigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2025, 9431

Tenor

Soweit die Anträge zurückgenommen wurden, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen werden die Anträge abgelehnt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt im Wege eines Beschlussverfahrens beim Verwaltungsgericht München die Feststellung, dass die Einstellung eines Bereichsleiters bei der Bayerischen Landesbank (BayernLB) mitbestimmungspflichtig gewesen sei.
2
Bei der Einstellung des Bereichsleiters im Bereich … * … * … (Bereich … *) im Januar 2022 wurde der Antragsteller als örtlicher Personalrat der BayernLB in München nicht beteiligt. Hintergrund ist die Auffassung des Beteiligten zu 1), es handle sich bei dem Bereichsleiter um einen Arbeitnehmer in entsprechender Stellung eines Beamten der Besoldungsgruppe A16 und höher, so dass der Ausnahmetatbestand des Art. 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Bayerisches Personalvertretungsgesetz (BayPVG) greife.
3
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 13. April 2022 an das Gericht. Bei der Einstellung des Bereichsleiters habe der Dienststellenleiter die Mitbestimmungsrechte des Personalrats nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayPVG nicht beachtet. Weder die Ausnahmetatbestände des Art. 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 noch der Nr. 7 Buchst. b) und Buchst. c) lägen in Bezug auf den Bereichsleiter … * vor. Im Folgenden sowie umfangreich ergänzend mit Schriftsätzen vom 4. Dezember 2024, 17. Februar 2025 und 30. März 2025 wurde hierzu ausgeführt. Dabei tritt der Antragsteller insbesondere den Ausführungen des Beteiligten zu 1) zur Bedeutung des Bereichs für die BayernLB an sich und zum Aufgaben- und Verantwortlichkeitsumfang des Bereichsleiters innerhalb der Struktur der BayernLB entgegen. In der Anhörung am 1. April 2025 kritisierte der Bevollmächtigte insbesondere, dass sich der Beteiligte zu 1) in abstrakten Begriffen verliere. Inwieweit der Bereichsleiter tatsächlich konkrete Beiträge zur Verwirklichung der betrieblichen Ziele in seinem Arbeitsalltag leiste, sei nicht erkennbar. Die hierarchische Stellung und deren Vergleich zu einem in A16 besoldeten Beamten einer Behörde sei nicht ausschlaggebend, sondern die konkrete funktionelle Betrachtungsweise. Der Personalratsvorsitzende erklärte insbesondere, durch die politischen Vorgaben, Vorgaben von Aufsichtsrat und Vorstand existiere ein derart enges Korsett, das von keinem hohen Maß an Eigenständigkeit und Eigenverantwortung auf Bereichsleiterebene ausgegangen werden könne. Im Übrigen wird auf das schriftsätzliche Vorbringen und das Protokoll über die Anhörung verwiesen.
4
Der Antragsteller beantragt,
1.
Es wird festgestellt, dass die Einstellung des Herrn … … als Bereichsleiter … … … * … mitbestimmungspflichtig nach Art. 75 Abs. 1 BayPVG war.
2.
Die Beteiligte wird verpflichtet, in Bezug auf die Einstellung von Herrn … … als Bereichsleiter … … … * … das Mitbestimmungsverfahren nach Art. 75 BayPVG nachträglich durchzuführen.
5
Der Beteiligte zu 1) beantragt
die Zurückweisung der Anträge zu 1) und 2).
6
Zur Begründung wurde mit Schriftsätzen vom1. Juni 2022, 8. Januar 2025 und 19. März 2025 ausführlich zum Aufgaben- und Verantwortungsbereich der streitgegenständlichen Stelle und zur Struktur der BayernLB vorgetragen. Der Leiter des Bereichs … * sei Arbeitnehmer in entsprechender Stellung eines Beamten der Besoldungsgruppe A16 und höher, so dass eine Ausnahme von der Beteiligung gemäß Art. 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayPVG gegeben sei. Auch die Ausnahmetatbestände des Art. 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. b) und Buchst. c) seien zu bejahen. Auf das schriftsätzliche Vorbringen sowie die Ausführungen in der Anhörung am 1. April 2025 hierzu wird verwiesen.
7
Die zwischenzeitlich durch Schriftsatz vom 4. Dezember 2024 verfahrenserweiternden Anträge hat der Antragsteller nach Erörterung in der mündlichen Verhandlung am 1. April 2025 zurückgenommen.
8
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte mit dem Protokoll über die Anhörung am 1. April 2025 Bezug genommen.
II.
9
Die zulässigen Anträge, soweit sie nicht zurückgenommen wurden und das Verfahren insoweit einzustellen war, sind unbegründet.
10
Der Leiter des Bereichs … * unterfällt der Ausnahmeregelung des Art. 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayPVG und unterliegt daher keiner personalvertretungsrechtlichen Mitbestimmung. Er ist in funktioneller Hinsicht mit einem Beamten in der Besoldungsgruppe A16 und höher einer Oberbehörde, aber auch einer Mittelbehörde durchaus vergleichbar.
11
1. Für den vorzunehmenden Vergleich der gegenständlichen Bereichsleiterstelle mit einem Beamten in der Besoldungsgruppe A16 und höher ist den in der Rechtsprechung entwickelten Vorgaben folgend ein Funktionsvergleich anhand einfach zu überschauender und handzuhabender Kriterien vorzunehmen (vgl. BVerwG, B.v. 12.1.2006 – 6 P 6/05 – beck-online Rn. 25). Dabei dürfen mit Rücksicht auf eine praxisgerechte Anwendung keine überzogenen Anforderungen gestellt werden; umfangreiche und zeitraubende Ermittlungen von hohem Komplexitätsgrad verfehlen dieses Ziel (BVerwG, a.a.O.). In Betracht kommen nach der zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere Kriterien wie der Rang der Führungsebene, der Stellenplan, die Zahl der betroffenen Angestellten im Verhältnis zur Gesamtzahl der Beschäftigten und ein im Verhältnis zum Vorstand eigenständig wahrzunehmender Aufgabenkreis.
12
Wenngleich der Antragsteller – wie auch der Beteiligte zu 1) – im Verfahren die diesbezügliche Rechtsprechung zitiert, haben die schriftsätzlichen Ausführungen, mit denen er der Auffassung des Beteiligten zu 1) entgegentritt und der Beteiligte zu 1) repliziert, eine Komplexität und Detailtiefe erreicht, die der Vorgabe einfach handzuhabender Kriterien verlässt.
13
2. Nach dem skizzierten Maßstab ist vorliegend vielmehr Folgendes herauszustellen:
14
a) Die verfahrensgegenständliche Bereichsleiterstelle ist in der zweiten Führungsebene angesiedelt. Der Bereichsleiter untersteht unmittelbar dem Vorstand. Hierbei handelt es sich um einen bedeutenden Anhaltspunkt (vgl. BVerwG, a.a.O. Rn. 26). Im Vergleich finden sich bei einer Landesoberbehörde insoweit Führungskräfte in der Besoldungsgruppe B und bei einer Landesmittelbehörde durchaus in der Besoldung von jedenfalls A16.
15
b) In der BayernLB stehen nach Angaben des Beteiligten zu 1) 26 Bereichsleiterinnen und Bereichsleitern insgesamt über 3.000 Beschäftigten gegenüber. Damit beläuft sich der Anteil der Bereichsleiter auf weniger als 1% im Verhältnis zur Gesamtbeschäftigtenzahl. Dabei beschäftigte der Bereich … * zum Stand 1. Mai 2022 101 Mitarbeitende, so dass der Bereich in personeller Hinsicht einen bedeutsamen Umfang hat.
16
c) Hinreichend dargelegt hat der Beteiligte zu 1) zur Überzeugung des Gerichts insbesondere auch, dass dem Bereichsleiter … * strategische Verantwortung zukommt. Ihm obliegt die Entwicklung von Strategien und Konzepten zur Erreichung der Ziele in Bezug auf die Vorgaben des Vorstands und nicht nur eine bloße operative Umsetzung.
17
Soweit der Bevollmächtigte des Antragstellers dem Beteiligten zu 1) vorhält, sich in Allgemeinplätzen zu verlieren, ist diese Kritik einerseits nachvollziehbar, aber andererseits gerade systembedingt. Je höher die Führungsebene, umso abstrakter gestaltet sich regelmäßig die Darstellung von Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten.
18
Den Leiter des Bereichs … * trifft die „produktübergreifende Ergebnis-, Kunden- und Gesamt-Kostenbudgetverantwortung“ seines Bereichs. Hierzu hat der Beteiligte zu 1) umfangreich ausgeführt und sogar die Zielvereinbarung des Bereichsleiters vorgelegt, die die strategische und operative Verantwortlichkeit des Bereichsleiters untermauert. Der Beteiligte zu 1) hat dargestellt, dass dem Bereichsleiter die strategische und operative Umsetzung der vom Vorstand als Rahmenvorgaben erhaltenen lediglich übergeordneten Ertragsziele eigenständig durch Konzeption, Ausgestaltung und das Review obliegt. Die Identifikation von Optimierungspotenzialen und neuen Geschäftsmöglichkeiten, eine eigenständige Entwicklung und Ausarbeitung strategischer Konzepte zur Erreichung der Ertragsziele, die Koordination und Steuerung interner sowie externer Projektressourcen und die laufende Überprüfung und Bewertung der Wirksamkeit der eingeleiteten Maßnahmen sowie die ggf. notwendige Anpassung der Strategien werden genannt. Dabei nehme der Vorstand lediglich eine übergeordnete Kontrollfunktion wahr, ohne in die operative Tätigkeit des Bereichsleiters im Einzelnen einzugreifen.
19
Der Bereich … * hat dabei nach Darstellung des Beteiligten zu 1) zum Stand 31. Dezember 2021 einen Anteil von über 20% am Kreditvolumen, über 15% der Bruttoerträge und fast 25% des durchschnittlichen wirtschaftlichen Eigenkapitals der BayernLB. Soweit der Antragsteller die Bedeutung des Bereichs für die BayernLB negiert und hierzu ausführt, der Beteiligte zu 1) dem hingegen deutlich entgegentritt und nachvollziehbar den Bereich vielmehr als Kerngeschäftsbereich qualifiziert, kommt es darauf letztlich nicht wesentlich an. Nach Auffassung des Gerichts könnte dies allenfalls dann auf den Wertigkeitsvergleich der Bereichsleiterstelle durchschlagen, wenn es sich um einen vollkommen untergeordneten (Rand) Bereich handeln würde, oder etwa bei einer unmittelbar unterhalb des Vorstands angesiedelten Stabstelle eine nähere Betrachtung geboten sein.
20
d) Auch im Übrigen liegen weitere indizielle Anhaltspunkte vor, die den Wertigkeitsvergleich stützen.
21
(1) Soweit der Bereichsleiter außer Tarif entlohnt wird, ist dem Antragsteller zuzustimmen, dass die Vergütungsstruktur einer Landesbank nicht mit behördlichen Maßstäben vergleichbar ist (vgl. hierzu auch BVerwG, a.a.O. Rn. 25 m.w.N.). Dennoch stellt auch die außertarifliche Beschäftigung, insbesondere in der dargelegten konkreten Ausgestaltung, ein weiteres – wenngleich schwaches – Indiz dar.
22
(2) Gleiches gilt in Bezug auf die dem Bereichsleiter eingeräumte Prokura. Auf die zwischen dem Antragsteller und Beteiligten zu 1) geführte Diskussion über die Beschränkung auf eine Titelprokura kommt es insoweit nicht maßgeblich an. Hier verlässt die Diskussion zwischen dem Antragsteller und Beteiligten zu 1) die Ebene der gebotenen einfach handzuhabenden Kriterien.
23
(3) Die Funktion als stimmberechtigtes Mitglied im sog. Credit Risk Board oder die bankenrechtliche Rolle des Bereichsleiters als sog. Risikoträger stellen weitere unterstützende Indizien dar.
24
(4) Zutreffend hat der Beteiligte zu 1) in der Anhörung darauf hingewiesen, dass in der antragstellerseitig vorgelegten Intranetmeldung vom 26. November 2024 das hohe Anforderungsprofil für die dort behandelte Bereichsleiterstelle deutlich wird. Auch dies untermauert die vorstehenden Ausführungen.
25
e) Die Komplexität, mit der der Antragsteller den Ausführungen des Beteiligten zu 1) zur Struktur und Bedeutung hingegen jeweils entgegentritt, ist vor dem Hintergrund der gebotenen klar überschaubaren Kriterien nicht geeignet, den sich aus den vorstehenden Ausführungen ergebenden Gesamteindruck einer entsprechenden Funktionsgleichwertigkeit des Bereichsleiters … * zu einem Beamten in der Besoldungsgruppe A16 zu erschüttern.
26
Insbesondere scheint der Antragsteller auszublenden, dass gerade auch in behördlichen Strukturen (auch) Beamte der Besoldungsgruppe A16 und höher durchaus von Vorgaben der Behördenleitung und jeweiligen Organe wie Gemeinderat, Bezirkstag, Landtag etc. abhängig sind. Spräche man angesichts von Zielvorgaben des Vorstands an den Bereichsleiter … * diesem eine strategische Verantwortung ab, so ließe sich dies auch auf den Beamten in A16 übertragen, der entsprechende Zielvorgaben zu den in seinem Verantwortungsbereich befindlichen behördlichen Aufgaben erhalten hat. Hier verkennt der Antragsteller womöglich, dass betriebswirtschaftliche Steuerungselemente wie Produktorientierung und -steuerung, Budgetierung, Zielvereinbarungen und Zielesysteme längst Einzug in den behördlichen Alltag gefunden haben. Dies innerhalb des Verantwortungsbereichs strategisch umzusetzen und mit operativen Vorgaben zu verknüpfen gehört durchaus zum Kernbereich eines Beamten in der Besoldungsgruppe A16 und höher.
27
In gleicher Weise greifen die Ausführungen zur bestrittenen Personalverantwortung des Bereichsleiters nicht. Schließlich führt auch in behördlichen Strukturen kein Weg an der zuständigen Personalabteilung/Personalreferat/Personalsachgebiet vorbei. Ebenso geht Personalverantwortung i.S.v. Führungsverantwortung, Personalmanagement und -steuerung nicht dadurch verloren, dass – so der Vortrag des Antragstellers – jede Personalmaßnahme beim Dezernenten bzw. dem Gesamtvorstand vorlagepflichtig sei.
28
f) Der Bevollmächtigte des Antragstellers hat in der mündlichen Verhandlung zutreffend darauf verwiesen, dass für die Regelung in Art. 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. b) und c) BayPVG durchaus die Rechtsprechung zum insoweit inhaltsähnlichen § 5 Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) herangezogen werden kann – jeweils mit der Maßgabe, den Besonderheiten des Personalvertretungsrechts Rechnung zu tragen. In Bezug auf die – vorliegend aber bereits einschlägige – Ausnahmeregelung in Art. 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayPVG gilt dies hingegen nicht. Daher bedarf es keiner näheren Auseinandersetzung mit den antragstellerseitig herangezogenen Entscheidungen des Arbeitsgerichts Hamburg vom 13. Januar 2021 und 11. März 2021. Folglich war auch dem (rein) schriftsätzlichen Antrag auf Aktenbeziehung keine Folge zu geben.
29
3. Dahinstehen kann, ob bezüglich des Bereichsleiters … * auch die Ausnahmetatbestände des Art. 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7. Buchst. b) und/oder c) BayPVG einschlägig sind.
30
Es ist daher nicht zu beanstanden, dass der Beteiligte zu 1) den Antragsteller bei der Einstellung des Leiters des Bereichs … * im Jahre 2022 nicht beteiligt hat.
31
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.