Titel:
Entziehung der Fahrerlaubnis, Fahrerlaubnis auf Probe, Schwerwiegender Verkehrsverstoß, Anordnung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar, Verfristete Vorlage der Teilnahmebescheinigung, Abgelehnter Fristverlängerungsantrag
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
StVG § 2a Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 3, Abs. 6
BayVwVfG Art. 31 Abs. 7
Schlagworte:
Entziehung der Fahrerlaubnis, Fahrerlaubnis auf Probe, Schwerwiegender Verkehrsverstoß, Anordnung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar, Verfristete Vorlage der Teilnahmebescheinigung, Abgelehnter Fristverlängerungsantrag
Fundstelle:
BeckRS 2025, 9426
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis auf Probe.
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Er ist seit dem 24. Januar 2022 Inhaber einer Fahrerlaubnis auf Probe für die Klassen B, AM und L.
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Mit seit 25. November 2023 rechtskräftiger Entscheidung wurde gegenüber dem Antragsteller wegen eines am 27. September 2023 infolge Missachtung der Vorfahrt von rechts kommender Fahrzeuge nach § 8 Abs. 2, § 1 Abs. 2, § 49 StVO i.V.m. § 24 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 5 StVG und § 19 OWiG stattgefundenen Verkehrsunfalls ein Bußgeld i.H.v. 120 EUR verhängt. Es wurde ein Punkt im Fahreignungsregister eingetragen (s. Auszug aus dem Fahreignungsregister, Bl. 7 f. der Behördenakte).
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Mit Bescheid vom 18. Dezember 2023, dem Antragsteller zugestellt am 20. Dezember 2023, ordnete die Fahrerlaubnisbehörde des Antragsgegners gegenüber dem Antragsteller die Teilnahme an einem Aufbauseminar für Fahranfänger sowie einen entsprechenden Abschluss bis zum 18. März 2024 an und gab ihm auf, der Fahrerlaubnisbehörde der Landeshauptstadt München die Teilnahmebescheinigung vorzulegen. Sie wies darauf hin, dass die festgesetzte Frist nur durch die Abgabe der Teilnahmebescheinigung gewahrt werden könne und dass dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entzogen werde, wenn dieser am angeordneten Seminar nicht innerhalb der gesetzten Frist teilnimmt.
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Nachdem der Antragsteller der Anordnung nicht nachkam, hörte die Fahrerlaubnisbehörde ihn mit Schreiben vom 20. März 2024, zugestellt am 21. März 2024, unter Setzung einer Frist zur Stellungnahme bis zum 3. April 2024 zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis an. Für den Fall, dass der Antragsteller den Anhörungstermin nicht einhalte oder nichts vorbringe, was einer Fahrerlaubnisentziehung entgegenstehe, werde unverzüglich nach Fristablauf die Fahrerlaubnis entzogen.
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Am 21. März 2024 erklärte der Antragsteller telefonisch gegenüber der Behörde, dass er aus persönlichen Gründen (Erkrankung seines Großvaters) nicht am geforderten Aufbauseminar habe teilnehmen können. Ein vom Antragsteller angekündigter weiterer Anruf erfolgte nicht.
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Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 9. April 2024, dem Antragsteller zugestellt am 11. April 2024, entzog der Antragsgegner dem Antragsteller die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen aller Klassen (Nr. 1 des Bescheids) und gab ihm auf, seinen Führerschein innerhalb einer Frist von sieben Tagen ab Zustellung dieses Bescheids abzuliefern (Nr. 2). Für den Fall der Nichtbeachtung der Nr. 2 wurde ein Zwangsgeld i.H.v. 500 EUR angedroht (Nr. 3). Es wurde die sofortige Vollziehung der Nr. 2 des Bescheids angeordnet (Nr. 4). Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass der Antragsteller eine Teilnahmebescheinigung nicht fristgerecht vorgelegt habe. Eine Fristverlängerung sei nicht in Betracht gekommen, da private Belange des Fahrerlaubnisinhabers in der Regel keine Ausnahme der Folgen des § 2a Abs. 3 StVG rechtfertigen könnten. Nach dieser Vorschrift habe die Fahrerlaubnis des Antragstellers zwingend entzogen werden müssen. Zur Begründung der Sofortvollzugsanordnung in Nr. 4 des Bescheids wurde ausgeführt, dass die sofortige Führerscheinabgabe der Verhinderung des Rechtsscheins und der Vorspiegelung einer Fahrberechtigung dienten. Die Rechte des Antragstellers müssten daher hinter dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug in Form der Verhinderung von Täuschungshandlungen zurücktreten.
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Am 1. Mai 2024 erhob der Antragsteller über seinen Bevollmächtigten beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage gegen den Bescheid vom 9. April 2024 und beantragte gleichzeitig sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen und dem Antragsgegner aufzugeben, den abgelieferten Führerschein unverzüglich wieder herauszugeben.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, der Antragsteller habe keinen schwerwiegenden Verkehrsverstoß begangen. Die ihm vorgeworfene Missachtung der Vorfahrtsregel „rechts vor links“ gelte auf öffentlichen Parkplätzen, wo der im Fahreignungsregister eingetragene Verkehrsunfall stattgefunden habe, nicht. Insoweit wurde auf einen im zwischen dem Antragsteller und den Unfallgeschädigten geführten zivilrechtlichen Schadensersatzprozess vor dem Landgericht Landshut (Az. 45 O 228/24) eingereichten Schriftsatz vom 12. April 2024 verwiesen. Zudem sei der streitgegenständliche Bescheid spätestens mit der vom Antragsteller angebotenen freiwilligen Nachholung des Aufbauseminars und der Vorlage der entsprechenden Teilnahmebescheinigung seiner Rechtsgrundlage beraubt.
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Der Antragsgegner beantragte mit Schriftsatz vom 14. Mai 2024,
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Zur Begründung trug er im Wesentlichen vor, der Entziehungsbescheid sei rechtmäßig. Die infolge des Verkehrsunfalls vom 27. September 2023 ergangene Bußgeldentscheidung sei seit 25. November 2023 rechtskräftig. Der Antragsteller habe hiergegen keinen (rechtzeitigen) Rechtsbehelf eingelegt, sodass die Fahrerlaubnisbehörde an die Bußgeldentscheidung gebunden sei. Der zivilrechtliche Schadensersatzprozess lasse den Bußgeldbescheid unberührt. Daher habe die Fahrerlaubnisbehörde von einer schwerwiegenden Zuwiderhandlung i.S.d. § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StVG in Verbindung mit der Anlage 12 zur Fahrerlaubnisverordnung (FeV) auszugehen. Der Antragsteller habe innerhalb der gesetzten dreimonatigen Frist keine Bescheinigung über die Teilnahme an einem Aufbauseminar vorgelegt. Die Frist sei angemessen gewesen. Es sei weder ein Fristverlängerungsantrag gestellt worden noch seien substantiierte Gründe für eine Nichtteilnahme dargelegt worden.
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Am 18. Juni 2024 übersandte der Antragsteller dem Antragsgegner und dem Gericht eine Bescheinigung über die Teilnahme an einem Aufbauseminar vom 17. Juni 2024.
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Mit Schriftsatz vom 4. Juli 2024 wies der Antragsgegner darauf hin, dass die nachgeholte Teilnahme an einem Aufbauseminar keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis habe.
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Mit Schriftsatz vom 30. August 2024 replizierte der Antragsteller auf die Klageerwiderung des Antragsgegners. Die Entziehung der Fahrerlaubnis sei unverhältnismäßig. Der Antragsteller habe den festen Willen zur Nachholung der Teilnahme am Aufbauseminar bereits erklärt und dieses nunmehr auch absolviert. Die Fahrerlaubnisbehörde sei verpflichtet gewesen, den Antragsteller auf die Möglichkeit der Fristverlängerung sowie darauf hinzuweisen, dass sein bisheriges Vorbringen hierzu nicht ausreiche und er konkrete Hinderungsgründe darlegen müsse. Sie sei außerdem verpflichtet gewesen, eine Fristverlängerung von Amts wegen zu prüfen.
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Hierauf erwiderte der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 19. September 2024, eine rechtzeitige Fristverlängerung sei nicht beantragt worden. Der Antragsteller sei hinreichend auf die Konsequenzen einer nicht fristgerechten Vorlage der Teilnahmebescheinigung hingewiesen und zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis ordnungsgemäß angehört worden. Weitere Hinweispflichten der Behörde bestünden nicht.
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Am 2. Mai 2024 gab der Antragsteller seinen Führerschein bei der Fahrerlaubnisbehörde ab.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird ergänzend auf die Gerichtsakten und auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
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Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO hat keinen Erfolg. Er ist zwar zulässig, aber unbegründet.
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1. Der Antrag des Antragstellers auf „Anordnung“ der aufschiebenden Wirkung der Klage ist nach interessengerechter Auslegung i.S.d. §§ 122 Abs. 1, 86 Abs. 3, 88 VwGO dahingehend zu verstehen, dass der Antragsteller hinsichtlich der in Nr. 1 und 3 des streitgegenständlichen Bescheids verfügten und kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 2a Abs. 6 StVG) und Zwangsgeldandrohung (Art. 21a Satz 1 VwZVG) die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage vom 1. Mai 2024 und hinsichtlich der in Nr. 2 des Bescheids verfügten und für sofort vollziehbar erklärten Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage begehrt.
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2. Der so verstandene Antrag ist zulässig.
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a) Die Klage gegen Nr. 1 bzw. Nr. 3 des Bescheids entfaltet gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 2a Abs. 6 StVG bzw. Art. 21a Satz 1 VwZVG keine aufschiebende Wirkung; insoweit ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO statthaft. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 2 des Bescheides entfällt aufgrund der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit durch den Antragsgegner gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO; daher ist der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO ebenfalls statthaft. Hinsichtlich des auf Herausgabe des Führerscheins gerichteten Begehrens wäre in der Hauptsache der Annexantrag nach § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO statthaft. Im Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen, wenn der Verwaltungsakt – wie hier – zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung schon vollzogen ist (§ 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO).
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b) Dem Eilantrag fehlt auch nicht das Rechtschutzbedürfnis. Mit Klageeinreichung am 1. Mai 2024 wahrte der Antragsteller die einmonatige Frist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Die Ablieferungsanordnung in Nr. 2 des Bescheids hat sich durch Abgabe des Führerscheins beim Antragsgegner am 2. Mai 2024 nicht i.S.d. Art. 43 Abs. 3 BayVwVfG erledigt, da diese Anordnung weiterhin den Rechtsgrund für das Einbehalten des Führerscheins durch den Antragsgegner darstellt (vgl. BayVGH, B.v. 12.2.2014 – 11 CS 13.2281 – juris Rn. 22). Die in Nr. 3 verfügte Zwangsgeldandrohung für den Fall der nicht oder nicht fristgerechten Abgabe des Führerscheins nach Nr. 2 des Bescheids hat sich durch die zwischenzeitliche Abgabe nicht erledigt. Eine Erledigung einer Zwangsgeldandrohung tritt nur ein, wenn die zwangsgeldbewehrte Anordnung rechtzeitig erfüllt wurde und somit die Bedingung, von der die Fälligkeit des Zwangsgelds abhängt, nicht mehr eintreten kann (vgl. BayVGH, B.v. 26.4.20012 – 11 CS 12.650 – juris Rn. 13; B.v. 25.10.2019 – 11 CS 19.1577 – juris Rn. 13). Der Antragsteller hat seinen Führerschein vorliegend nicht fristgerecht innerhalb von 7 Tagen nach Zustellung des Entziehungsbescheids am 11. April 2024 abgeliefert, sodass die Bedingung für die Zwangsgeldandrohung eintrat und diese weiterhin Rechtswirkung entfaltet.
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3. Der Antrag ist unbegründet. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung hinsichtlich der Abgabe des Führerscheins ist formell rechtmäßig und die materielle Interessenabwägung fällt insgesamt zulasten des Antragstellers aus.
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a) Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung hinsichtlich Nr. 2 des Entziehungsbescheids genügt den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
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Nach dieser Vorschrift ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Dabei hat die Behörde unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalls darzulegen, warum sie abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung, die Widerspruch und Klage grundsätzlich zukommt, die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts angeordnet hat. An den Inhalt der Begründung sind dabei allerdings keine zu hohen Anforderungen zu stellen (Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80, Rn. 43).
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Die Fahrerlaubnisbehörde hat hier ausreichend dargelegt, warum sie konkret im Fall des Antragstellers im Interesse der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs die sofortige Vollziehung der Ablieferung des Führerscheins angeordnet hat. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung wurde damit begründet, dass die sofortige Führerscheinabgabe der Verhinderung des Rechtsscheins einer Fahrberechtigung diente. Die Rechte des Antragstellers müssten hinter dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug in Form der Verhinderung von Täuschungshandlungen zurücktreten. Diese Begründung genügt den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass es sich bei der Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheines um eine Vollzugs- bzw. Begleitanordnung zur kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Entziehung der Fahrerlaubnis handelt, sodass auch die sofortige Vollziehbarkeit der Ablieferungsanordnung geboten ist. Im Übrigen ergibt sich das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung im Bereich des Sicherheitsrechts regelmäßig – so auch hier – gerade aus den Gesichtspunkten, die für den Erlass des Verwaltungsakts selbst maßgebend waren (vgl. BayVGH, B.v. 9.2.2012 – 11 CS 11.2272 – juris).
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b) Die im einstweiligen Rechtschutzverfahren durchzuführende materielle Interessenabwägung fällt zulasten des Antragstellers aus.
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Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung einer Klage im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 VwGO anordnen oder wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei seiner Entscheidung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotene, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessenabwägung.
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Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Rechtmäßigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (stRspr, vgl. u.a. BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3.13 – juris Rn. 13).
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Gemessen an diesen Grundsätzen bleibt die Klage des Antragstellers gegen den Entziehungsbescheid vom 9. April 2024 voraussichtlich ohne Erfolg, weil dieser nach summarischer Prüfung rechtmäßig ist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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aa) Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Insbesondere wurde der Antragsteller mit Schreiben vom 20. März 2024 ordnungsgemäß i.S.d. Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG angehört.
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bb) Der Bescheid ist materiell rechtmäßig.
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(1) Die Entziehung der Fahrerlaubnis in Nr. 1 des Bescheids ist rechtmäßig.
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Nach § 2a Abs. 3 StVG ist die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn der Fahrerlaubnisinhaber einer vollziehbaren Anordnung der zuständigen Behörde zur Teilnahme an einem Aufbauseminar nach § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StVG in der festgesetzten Frist nicht nachgekommen ist. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2a Abs. 3 StVG sind hier erfüllt. Es handelt sich insoweit um eine gebundene Entscheidung ohne Ermessensspielraum der Behörde.
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(aa) Mit Bescheid vom 18. Dezember 2023 ordnete der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller die Teilnahme an einem Aufbauseminar i.S.d. § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StVG an. Dieser Bescheid wurde dem Antragsteller am 20. Dezember 2023 zugestellt und ist wirksam i.S.d. Art. 43 Abs. 1 BayVwVfG. Für den Erlass dieser Anordnung war die Fahrerlaubnisbehörde gem. § 73 Abs. 1 und Abs. 2 FeV i.V.m. § 8 Abs. 1 Verordnung über Zuständigkeiten im Verkehrswesen (ZustVVerk) zuständig. Die Anordnung vom 18. Dezember 2023 war zum maßgeblichen Zeitpunkt der Fahrerlaubnisentziehung am 9. April 2024 auch nach Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG vollziehbar, da das Gesetz den Sofortvollzug der Anordnung eines Aufbauseminars nach § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StVG vorsieht (vgl. § 2a Abs. 6 StVG). Die Anordnung vom 18. Dezember 2023 war – da gegen sie nicht fristgerecht nach § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO Klage erhoben wurde – zum Zeitpunkt der Fahrerlaubnisentziehung zudem bereits bestandskräftig und damit auch nach Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG vollziehbar.
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Auf die Rechtmäßigkeit der Anordnung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar nach § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StVG i.V.m. §§ 1 Abs. 2, 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr. 8 StVO und § 28 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a Unterbuchst. bb, § 24 Abs. 1, § 6 Abs. 1 StVG sowie § 34 FeV, A. 2.1 der Anlage 12 zur FeV kommt es nicht an. Die Behörde geht zu Recht davon aus, dass sie gemäß § 2a Abs. 2 Satz 2 StVG an die rechtskräftige Bußgeldentscheidung gebunden ist. Diese Norm begegnet auch vor dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, da gegen die mit Bindungswirkung ausgestattete Vorentscheidung Rechtsschutz zur Verfügung steht und die Anfechtungslast gegenüber der Vorentscheidung für den Betroffenen klar erkennbar und nicht unzumutbar ist (vgl. BayVGH, B.v. 11.1.2022 – 11 ZB 21.164 – juris Rn. 15). Nur eine Aufhebung des Bußgeldbescheids, insbesondere aufgrund Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch die Bußgeldbehörde, kann dazu führen, dass die Rechtskraft der Entscheidung über die mit Punkten bewertete Tat entfällt, sodass sie der Betroffene nicht mehr gegen sich gelten lassen muss und der Punktestand für die fahrerlaubnisrechtliche Maßnahme rückwirkend zu korrigieren wäre (vgl. BayVGH, B.v. 9.12.2020 – 11 CS 20.2039 – juris Rn. 18; Hühnermann in Burmann/Heß (Hrsg. u.a.), Straßenverkehrsrecht, 28. Aufl. 2024, § 4 StVG Rn. 28; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 4 StVG Rn. 79 b). Hierfür ist vorliegend nichts ersichtlich.
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(bb) Der Antragsteller leistete der vollziehbaren Anordnung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar nicht innerhalb der behördlich gesetzten dreimonatigen Frist bis zum 18. März 2024 Folge. Auch bis zur Entziehung der Fahrerlaubnis am 9. April 2024 wurde keine Teilnahmebescheinigung vorgelegt. Dies erfolgte erst am 18. Juni 2024 hinsichtlich einer Teilnahmebescheinigung vom Vortag.
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(cc) Die Entscheidung des Antragsgegners, die Frist zur Vorlage der Teilnahmebescheinigung nicht zu verlängern, ist nach der gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung nicht zu beanstanden.
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Bei behördlichen Fristen besteht zwar grundsätzlich die Möglichkeit einer Fristverlängerung auf Antrag oder von Amts wegen (vgl. Art. 31 Abs. 7 Satz 1 BayVwVfG). Eine solche kann im Falle eines – wie hier – bereits eingetretenen Fristablaufs auch ausnahmsweise rückwirkend gewährt werden (vgl. Art. 31 Abs. 7 Satz 2 BayVwVfG). Danach ist bei der Frage der Gewährung einer rückwirkenden Fristverlängerung insbesondere zu berücksichtigen, ob es unbillig wäre, die durch den Fristablauf eingetretene Rechtsfolge bestehen zu lassen. Die Entscheidung steht im Ermessen der Behörde und ist gerichtlich nur eingeschränkt auf Ermessensfehler überprüfbar (vgl. § 114 Satz 1 VwGO).
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Gemessen an diesen Grundsätzen erfolgte die im Entziehungsbescheid begründete Entscheidung der Fahrerlaubnisbehörde, die gesetzte Frist nicht zu verlängern, ermessensfehlerfrei. Es war im konkreten Fall voraussichtlich nicht unbillig, die durch den Fristablauf eingetretene Rechtsfolge (Fahrerlaubnisentziehung) bestehen zu lassen. Die gesetzte dreimonatige Frist war angemessen. Für eine Fristverlängerung bestand kein Grund. Die Fahrerlaubnisbehörde ist gehalten, Zweifeln an der Fahreignung unverzüglich nachzugehen (vgl. BayVGH, B.v. 4.1.2021 – 11 CS 20.2536 – juris Rn. 12). Die Entziehung könnte nur dann unverhältnismäßig gewesen sein, wenn der Antragsteller substantiiert die Hinderungsgründe darlegt sowie erkennbar den Willen geäußert hätte, das Aufbauseminar bei nächster Gelegenheit zu absolvieren (vgl. OVG SH, B.v. 31.3.2021 – 5 MB 39/20 – juris Rn. 13). Dies war aber nicht der Fall. Nach Aktenlage hat sich der Antragsteller bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Fahrerlaubnisentziehung lediglich pauschal auf persönliche Gründe (Erkrankung seines Großvaters) berufen, ohne zu erläutern oder zu belegen, weshalb ihn diese an der fristgerechten Ableistung des angeordneten Aufbauseminars hinderten. Bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Fahrerlaubnisentziehung hat er auch nicht erkennen lassen, dass er die Teilnahme an einem Aufbauseminar zu einem absehbaren Termin nachholen will. Der Antragsteller trug zudem nicht dafür Sorge, Verzögerungsgründe von sich aus (und nicht erst aufgrund der behördlichen Anhörung zur beabsichtigten Fahrerlaubnisentziehung) möglichst zeitnah darzulegen. Er wurde sowohl in der Anordnung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar vom 18. Dezember 2023 als auch im Anhörungsschreiben vom 20. März 2024 darauf hingewiesen, dass die nicht fristgerechte Vorlage der Teilnahmebescheinigung bzw. das Fehlen durchgreifenden Vorbringens zu der in Aussicht gestellten Fahrerlaubnisentziehung führen würde. Weitere Hinweispflichten, insbesondere zu den bisher nicht erfüllten Anforderungen für eine Fristverlängerung, sind weder gesetzlich vorgesehen noch nach der Rechtsprechung erforderlich (vgl. BayVGH a.a.O; OVG SH a.a.O.). Mit Blick auf die von ungeeigneten Kraftfahrern ausgehenden hohen Gefahren für Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer bestand kein Anlass für ein Zuwarten der Behörde.
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(2) Da die Entziehung der Fahrerlaubnis in Nr. 1 des Bescheids materiell rechtmäßig ist, ist auch die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins, die für sofort vollziehbar erklärt wurde, als begleitende Anordnung (Nr. 2 des Bescheids) geboten, um die Ablieferungspflicht nach § 47 Abs. 1 FeV durchzusetzen.
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(3) Auch die Zwangsgeldandrohung in Nr. 3 des Bescheids erweist sich vor diesem Hintergrund voraussichtlich als rechtmäßig, sodass der diesbezüglich gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO ebenso wenig Erfolg hat.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit sowie § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV.