Titel:
Kein Rückzahlungsanspruch bei Online-Glücksspiel teilweise aus dem Ausland
Normenketten:
BGB § 812, § 823 Abs. 2
GlüStV § 4 Abs. 1, Abs. 4
Leitsätze:
1. Der Anspruch auf Rückforderung von Verlusten bei Online-Glücksspiel gegenüber einem Anbieter ohne Lizenz in Deutschland ist nicht schlüssig dargelegt, wenn der Kläger auch während Auslandsaufenthalten an Online-Glücksspielen teilgenommen hat und er nicht darlegt, wann und inwieweit er seine erfolgten Einzahlungen im Geltungsbereich des GlüStV 2012/2021 einerseits und im Ausland andererseits verspielt hat. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für den Anspruch auf Rückzahlung von Verlusten bei Online-Glücksspiel ist entscheidend, wo der Spieler tatsächlich spielt, nicht, wo er sich gewöhnlich aufhält oder von welchem Konto er seine Einsätze tätigt. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Online-Glücksspiel, Verluste, Rückforderungsanspruch, Spielteilnahme aus dem Ausland, fehlende deutsche Lizenz, Aufenthaltsort, Darlegungslast
Vorinstanz:
LG Memmingen, Endurteil vom 29.08.2024 – 35 O 1667/23
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Beschluss vom 03.04.2025 – 24 U 3358/24 e
Fundstelle:
BeckRS 2025, 9382
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 29.8.2024, Az. 35 O 1667/23, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist auch nicht aus anderen Gründen geboten.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Rückzahlung der an sie im Rahmen von Online-Glückspielen geleisteten Zahlungen in Höhe seiner Nettoverluste.
2
Die Beklagte mit Sitz in Malta bietet im Internet Glücksspiele und Sportwetten an. Der Kläger nahm im Zeitraum von 3.11.2014 bis zum 17.4.2023 über die Webseite der Beklagten mit dem Kontonamen (E-Mail-Adresse “) an Sportwetten und Online-Poker der Beklagten teil und spielte auch an Online-Automaten. Während dieses Zeitraums verfügte die Beklagte über eine Lizenz der maltesischen Glücksspielaufsichtsbehörde.
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Das Landgericht Memmingen hat die Klage mangels Schlüssigkeit abgewiesen. Hiergegen hat der Kläger Berufung mit dem Ziel der Rückzahlung seiner Verluste eingelegt.
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Das Ersturteil des Landgerichts Memmingen entspricht der Sach- und Rechtslage. Die hiergegen von der Berufung erhobenen Rügen verfangen nicht. Entscheidungserhebliche Rechtsfehler im Sinne von § 520 Abs. 3 ZPO sind nicht ersichtlich und werden von der Berufung auch nicht aufgezeigt.
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Zu den Berufungsangriffen des Klägers ist im Einzelnen Folgendes zu bemerken:
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Zu Recht hat das Landgericht Memmingen einen Anspruch des Klägers auf Rückzahlung der Verluste verneint, weil er seinen Klageantrag bereits nicht schlüssig dargelegt hat. Entscheidend für einen Rückzahlungsanspruch nach § 812 BGB bzw. Ansprüche aus § 823 BGB ist ein Verstoß gegen Regelungen des am 01.07.2012 in Kraft getretenen Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland (GlüStV 2012) bzw. gegen Regelungen des Staatsvertrags zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland (GlüStV 2021), deren Geltungsbereich auf das Bundesgebiet (ausgenommen Schleswig-Holstein) beschränkt ist (vgl. hierzu auch ausführlich Beschluss des OLG Hamm vom 23.9.2024, 21 U 69/24).
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Hier hat aber der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Kläger nicht hinreichend dargelegt, dass die von ihm geltend gemachten Spielverluste aus Spielteilnahmen im Geltungsbereich der GlüStV 2012 bzw. 2021 resultieren.
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1. Soweit der Kläger in seiner Berufungsbegründung ausführt, das Erstgericht habe den klägerischen Vortrag zu seiner Spielteilnahme aus dem Ausland (im Schriftsatz vom 19.8.2024) nicht hinreichend berücksichtigt, hilft dies nicht weiter.
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Zum einen hat das Erstgericht durchaus den schriftsätzlichen Vortrag des Klägers zur Kenntnis genommen und berücksichtigt (vgl. S. 7 unten des Ersturteils).
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Zum anderen ist das Erstgericht unter weiterer Berücksichtigung der Ausführungen der Beklagten sowie der Angaben des Klägers in seiner informatorischen Anhörung vor dem Landgericht Memmingen am 22.8.2024 zur Rechtsauffassung gelangt, dass die Klage mangels schlüssigen klägerischen Sachvortrags abzuweisen ist.
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Dies ist nicht zu beanstanden.
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Die Beklagte hat in der Klageerwiderung vom 2.5.2024 die fehlende Schlüssigkeit der Klage gerügt und unter Vorlage der Anlagen B 9 und auch der Anlage B 21 vorgetragen, dass sich der Kläger auch aus dem Ausland, beispielsweise aus Österreich und der Türkei, auf die Internetseite der Beklagten eingeloggt und dabei an den Online-Glücksspielen teilgenommen hat. Aus den vorgelegten Anlagen geht hervor, dass sich der Kläger in den Jahren 2016, 2019, 2020, 2021 und 2022 mehr als 20 Mal in der Türkei und Österreich auf der Onlineplattform eingeloggt hat. Die Zeitdauer der genannten Logins lag zwischen 6 Sekunden und 19:18 Minuten.
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Daraufhin wurde im klägerischen Schriftsatz vom 19.8.2024 behauptet, lediglich am 31.8.2019 (Österreich) habe der Kläger einen Betrag von 53,52 US-Dollar bei der Beklagten eingezahlt und am selben Tag bei Online-Casino-Spielen einen Betrag von 33,54 US-Dollar und bei Online-Pokerspielen einen Betrag von 20,06 US-Dollar verloren. In der Türkei habe der Kläger weder bei der Beklagten eingezahlt noch bei ihr online um Geldbeträge gespielt. Lediglich im Zeitraum vom 10.8.2022 bis zum 20.8.2022 (Türkei) habe er – ohne Einzahlung – bei Online-Casino-Spielen einen Betrag von 0,15 €, der ihm als Bonus zur Verfügung gestellt worden sei, verloren.
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Dass der Kläger tatsächlich mehrfach an Online-Glücksspielen im Ausland teilgenommen hat, hat der Kläger hingegen selbst in seiner mündlichen Anhörung am 22.8.2024 bestätigt. So hat er nicht nur einmalige, sondern gelegentliche Spielteilnahmen in Österreich und auch in der Türkei eingeräumt. Zusätzlich hat er ausgeführt, auch in Spanien Online-Glücksspiele gespielt zu haben.
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Er habe sich dort einmal eingeloggt und auch eine Einzahlung vorgenommen.
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Nach Gesamtwürdigung der Umstände, insbesondere unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers in seiner informatorischen Anhörung, geht der Senat davon aus, dass der Kläger die (unstreitigen) Auslands-Logins auch dazu genutzt hat, wie üblich an Online-Poker, -Sportwetten und -Casinospielen teilzunehmen.
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Hat aber der Kläger auch während seiner Auslands-Aufenthalte an (kostenpflichtigen) Online-Glücksspielen der Beklagten teilgenommen, hätte er konkret darlegen müssen, wann und inwieweit er seine erfolgten Einzahlungen im Geltungsbereich des GlüStV 2012/2021 einerseits und im Ausland andererseits verspielt hat.
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Substantiierter klägerische Vortrag hierzu fehlt.
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Vielmehr hat der Kläger in seiner informatorischen Anhörung ausgeführt, dass er „die genauen Daten, wann und wie oft“ er letztlich im Ausland gespielt habe, heute nicht mehr genau sagen könne.
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2. Soweit der Kläger moniert, die Beklagte selbst habe keinen Aufenthalt des Klägers in Spanien unterstellt, hilft auch dies nicht weiter.
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Nicht die Beklagte, sondern der Kläger ist darlegungspflichtig, dass die von ihm geltend gemachten Spielverluste aus Spielteilnahmen im Geltungsbereich der GlüStV 2012 bzw. 2021 resultieren.
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Trägt die Beklagte konkret vor, dass der Kläger im Ausland, beispielsweise in Österreich und der Türkei, an Online-Glücksspielen der Beklagten teilgenommen habe, und führt der Kläger anschließend in seiner informatorischen Anhörung aus, dass er – neben Österreich und der Türkei – auch in Spanien an derartigen Glücksspielen teilgenommen hat, so ist er jedenfalls seiner insoweit bestehenden Darlegungslast nicht nachgekommen (Hervorhebung durch den Senat).
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3. Soweit auf S. 3 der Berufungsbegründung erstmals ausgeführt wird, angesichts der IP-Adressen sei darauf zu schließen, dass sich die Einzahlungen und Spiele in Spanien auf den Zeitraum nach dem 18.4.2023 beziehen würden, hilft auch dies nicht weiter. Diese neuen Ausführungen stehen bereits in Widerspruch zum erstinstanzlichen Vorbringen des Klägers. Dieser hat in seiner informatorischen Anhörung erklärt, dass er lediglich eine Einzahlung in Spanien vorgenommen habe. Da der Kläger zudem erstinstanzlich bereits eingeräumt hat, nicht mehr zu wissen, wann er im Ausland gespielt hat, handelt es sich beim neuen klägerischen Vortrag um bloße Vermutungen (Hervorhebung durch den Senat).
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4. Soweit der Kläger in seiner Berufungsbegründung zu seinem gewöhnlichen Aufenthalt in Bayern, zur Einrichtung des „Spielerkontos“/“Spielerkontovertrages“ und zu fehlenden Einzahlungen des Klägers im Ausland ausführt, verhilft auch dies der Berufung nicht zum Erfolg.
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Der Kläger hat darzulegen, dass er während seiner Spielteilnahmen seinen Aufenthalt in Deutschland (ausgenommen Schleswig-Holstein) hatte. Es ist also entscheidend, wo der Spieler tatsächlich spielt, nicht, wo er sich gewöhnlich aufhält oder von welchem Konto er seine Einsätze tätigt (vgl. hierzu bereits Senatsurteil vom 11.7.2024, 24 U 4050/23e, sowie Hinweisbeschluss des OLG Braunschweig vom 9.9.2024, 9 U 72/23).
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Vor diesem Hintergrund gehen auch die klägerischen Ausführungen zur Unbeachtlichkeit von „kurzzeitigen Aufenthalten im Ausland“ ins Leere. Unbeschadet des Umstands, dass der Vortrag hierzu pauschal bleibt (Wie lange dauert ein „kurzzeitiger Aufenthalt“? Sind nur wenige Stunden, Tage oder gar Wochen gemeint?), finden die Glücksspielstaatsverträge 2012 und 2021 nur auf Spielteilnahmen im Bundesgebiet und nicht auf solche im Ausland Anwendung. Hierzu hat der Kläger substantiiert vorzutragen, was nicht erfolgt ist.
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5. Soweit der Kläger meint, sein Vortrag sei, da von der Beklagten nicht bestritten, gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden zu werten, hilft auch dies nicht weiter.
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Zum einen hat die Beklagte bereits in der Klageerwiderung konkret ausgeführt, dass sich der Kläger auch aus dem Ausland, beispielsweise aus Österreich und der Türkei, auf die Internetseite der Beklagten eingeloggt und dabei an den Online-Glücksspielen teilgenommen hat (Hervorhebung durch den Senat).
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Zum anderen fehlt es hier bereits an substantiiertem klägerischen Vortrag. Auf ein Bestreiten der Beklagten kommt es demnach nicht an.
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6. Soweit der Kläger vorträgt, das Angebot von Online-Glücksspielen in Österreich ohne Lizenz sei ebenfalls nicht erlaubt und führe zur Rückzahlungsverpflichtung der Beklagten, hilft auch dies dem Kläger nicht weiter. Wie bereits ausgeführt, ist der Geltungsbereich der Glücksspielstaatsverträge 2012 und 2021 auf das Bundesgebiet (ausgenommen Schleswig-Holstein) beschränkt. Etwaige im Ausland geltende Bestimmungen sind weder Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB noch Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB.
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7. Entgegen der Auffassung des Klägervertreters vermag der Senat auch nicht im Wege einer Schätzung nach § 287 ZPO zu ermitteln, in welcher Höhe die erfolgten Einzahlungen des Klägers im Ausland verspielt wurden. Es fehlt insoweit an den erforderlichen Schätzgrundlagen. Einen Erfahrungssatz, dass bei Online-Glücksspielen immer nur die Einzahlungen der letzten Tage vor der Spielteilnahme verspielt werden, gibt es nicht.
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8. Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Beklagte „offenkundige Wissenshoheit“ habe. Vielmehr war es der Kläger selbst, der Einzahlungen vorgenommen, das jeweilige Spiel gestartet bzw. vom Ausland aus gespielt hat.
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Haben – wie der Kläger weiter (recht pauschal) ausführt – „geschädigte Spieler“ aufgrund „menschlicher Erinnerungslücken“ „naturgemäß nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten, ihre teils sehr umfangreiche Spieltätigkeit über Jahre hinweg haarklein nachvollziehen zu können“, führt dies nicht dazu, der Beklagten weiteren Vortrag zur Spielteilnahme des Klägers im Sinne einer sekundären Darlegungslast aufzuerlegen. Vielmehr hätte der Kläger hier seine – nach seinem eigenen Vortrag – vorhandenen, wenngleich eingeschränkten Möglichkeiten wahrnehmen und auch ggfs. erforderliche Nachforschungen anstellen müssen, um dann substantiiert vortragen zu können.
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Vor diesem Hintergrund liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Klägers fern.
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Aus den genannten Gründen hat auch der Hilfsantrag keinen Erfolg.
36
Die Berufungsangriffe gehen insgesamt ins Leere. Das Ersturteil hat Bestand.
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Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt der Senat aus Kostengründen die Rücknahme des Rechtsmittels nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
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Es besteht Gelegenheit zur Berufungsrücknahme sowie zur Stellungnahme zum Senatshinweis bis spätestens 14.2.2025.
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Binnen gleicher Frist können beide Parteien auch zum Streitwert Stellung nehmen. Der Senat beabsichtigt, den Berufungsstreitwert auf bis zu 50.000,00 € festzusetzen.