Titel:
Rundfunkbeitrag, Anfechtungsklage, Keine Nichtigkeitsfeststellungsklage, Verfassungsmäßigkeit, Erfüllung des Funktionsauftrages, Grundsatz der Sparsamkeit, Haushalts- und Wirtschaftsführung, Anstalt des öffentlichen Rechts, Beitragserhebung durch den Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio, Kein Verstoß gegen den Grundsatz der Selbstorganschaft, Kein Verstoß gegen den Funktionsvorbehalt, Kein Verstoß gegen das Selbsttitulierungsrecht, automatisierter Erlass von Festsetzungsbescheiden, Festsetzung von rückständigen Rundfunkbeiträgen
Normenketten:
VwGO § 42 Abs. 1 Alt. 1
VwGO § 43
BayVwVfG Art. 44
RBStV § 2 Abs. 1
GG Art. 5 Abs. 1 S. 2
BayRG Art. 1 Abs. 1 S. 1
RBStV § 10 Abs. 5
RBStV § 10 Abs. 7
RDG § 10
GG Art. 33 Abs. 4
GG Art. 3 Abs. 1
RBStV § 10a
Rundfunkbeitragssatzung Art. 11 Abs. 1
Schlagworte:
Rundfunkbeitrag, Anfechtungsklage, Keine Nichtigkeitsfeststellungsklage, Verfassungsmäßigkeit, Erfüllung des Funktionsauftrages, Grundsatz der Sparsamkeit, Haushalts- und Wirtschaftsführung, Anstalt des öffentlichen Rechts, Beitragserhebung durch den Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio, Kein Verstoß gegen den Grundsatz der Selbstorganschaft, Kein Verstoß gegen den Funktionsvorbehalt, Kein Verstoß gegen das Selbsttitulierungsrecht, automatisierter Erlass von Festsetzungsbescheiden, Festsetzung von rückständigen Rundfunkbeiträgen
Fundstelle:
BeckRS 2025, 9340
Tenor
I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III.Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Klagepartei ist Inhaberin einer Wohnung mit der Anschrift … … … … … … Die Beklagte führt für die Klagepartei in Bezug auf diese Wohnung ein Rundfunkbeitragskonto mit der Nummer … … … Mit Bescheid vom 2. April 2024 setzte der Beklagte für den Zeitraum vom 1. Januar 2024 bis 31. März 2024 Rundfunkbeiträge einschließlich Säumniszuschlag in Höhe von 63,08 EUR fest.
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Gegen diesen Bescheid erhob die Klagepartei mit Schreiben vom 8. April 2024 Widerspruch. Diesen begründete die Klagepartei damit, dass aufgrund verschiedener formeller Fehler der Bescheid nicht nur formell rechtswidrig, sondern nichtig sei. Darüber hinaus sei der Bescheid materiell rechtswidrig, weil der Beklagte seine synallagmatische Leistungspflicht nicht erfülle, indem er nicht dem verfassungsrechtlichen Auftrag aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nachkomme. Die Berichterstattung sei weder frei noch umfassend noch wahrheitsgemäß. Der Beklagte komme seinen Pflichten insbesondere unter Berücksichtigung der Besetzungspraxis der Rundfunk- und Verwaltungsräte sowie der Intendanten und Chefredakteure, die die geforderte Staats- und Parteiferne des öffentlichen Rundfunks in ihr Gegenteil verkehrt hätten, nicht mehr nach. Auf den Widerspruch antwortete der Beklagte der Klagepartei zunächst formlos mit Schreiben vom 12. April 2024, woraufhin die Klagepartei mit Schreiben vom 18. April 2024 den Beklagten um Verbescheidung des Widerspruches bat.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 5. August 2024 wies der Beklagte den Widerspruch der Klagepartei als unbegründet zurück, dies mit der Begründung der angegriffene Festsetzungsbescheid sei formell und materiell rechtmäßig. Der Bescheid leide nicht an Formmängeln. Die Rechtsgrundlage für die Erhebung von Rundfunkbeiträgen liege in dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag, dessen Verfassungsmäßigkeit bereits höchstrichterlich geklärt sei. Die nach der Auffassung der Klagepartei fehlende Neutralität und Meinungsvielfalt bei der Berichterstattung lasse die Rechtmäßigkeit der Beitragspflicht unberührt. Vielmehr sei es Aufgabe der hierzu berufenen Rundfunkgremien, die Erfüllung der gesetzlich bestimmten Aufgaben der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sicherzustellen.
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Mit Schreiben vom 9. August 2024, bei dem Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg eingegangen am 13. August 2024, hat der Kläger Klage erhoben und beantragt:
Der Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 2. April 2024 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. August 2024 wird aufgehoben.
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Dies begründet die Klagepartei im Wesentlichen damit, dass der Bescheid sowohl an formellen als auch an materiellen Fehlern leide.
6
Im Hinblick auf die formelle Rechtswidrigkeit des angegriffenen Bescheides wird ausgeführt, dass er gegen den Grundsatz der Selbstorganschaft verstoße, da der Festsetzungsbescheid nicht durch Behördenmitarbeiter, sondern durch Mitarbeiter der Beitragsservices erstellt worden sei. Es bestehe keine gesetzliche Grundlage für die Übertragung der Aufgabenerfüllung auf den Beitragsservice. Außerdem sei der Beitragsservice, der die angegriffenen Bescheide erstellt habe, keine Behörde und keine Verwaltungsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, sondern agiere rein unternehmerisch. Dies werde beispielsweise durch das Abweichen der Regelung in der Satzung von den gesetzlichen Tilgungsbestimmungen (§ 366 BGB, § 225 AO), was nicht von § 9 RBStV erfasst sei, deutlich. Das Ausgliedern von hoheitlichen Rechten an ein Unternehmen sei rechtswidrig. Darüber hinaus verstoße der Erlass der Beitragsbescheide durch Angestellte des Beitragsservice gegen Art. 33 Abs. 4 GG. Auch der Bayerische Rundfunk als Beklagter sei keine Behörde, da das Senden von TV-Programmen keine Kernaufgabe des Staates sei und das Ausstrahlen von Werbung eine rein unternehmerische Tätigkeit sei.
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Darüber hinaus fehle es an einer Rechtsgrundlage für die vollautomatisierte Erstellung der Beitragsbescheide, sodass die Bescheide schlussendlich nichtig seien. Jedenfalls seien die Bescheide aufgrund der fehlenden Unterschrift des Erstellers rechtswidrig. Hinzu komme, dass gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung verstoßen werde, wenn die Behörde, die eine Forderung geltend mache, diese auch vollstrecke.
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In Hinblick auf die materielle Rechtswidrigkeit des angegriffenen Bescheides führt die Klagepartei aus, dass es an einer Gegenleistung fehle, da der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen verfassungsrechtlichen Auftrag nicht ausreichend erfülle. Dadurch bestehe kein individueller Vorteil der einzelnen Beitragspflichtigen. Die Programmgestaltung und die Frage, ob dadurch ein individueller Vorteil für die Beitragspflichtigen gegeben sei, müsse durch die Verwaltungsgerichte zumindest dann geprüft werden, wenn durch hinreichend substantiierte Rügen die mangelnde Ausgewogenheit und Programmvielfalt dargelegt werde. Sowohl die Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und seine Personalpolitik, als auch das strukturelles Versagen und die Untauglichkeit von Programmbeschwerden zur Abhilfe des Versagens stellten einen systematischen Bruch mit den Grundsätzen des Grundgesetzes dar, welcher der gerichtlichen Kontrolle durch den Verweis auf die Kontrolle durch die Gremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht entzogen werden dürfte. In diesem Zusammenhang regt die Klagepartei eine Vorlage beim Bundesverfassungsgericht hinsichtlich der Frage, ob trotz der von der Klagepartei geltend gemachten erheblichen Mängel der Funktionssicherung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks die Beitragserhebung noch rechtmäßig sei, an. Darüber hinaus rügt die Klagepartei, dass durch die Beitragsverwendung gegen den Grundsatz der Sparsamkeit verstoßen werde.
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Die Klagepartei stellt weiterhin dar, dass die Rundfunkbeiträge keine Beiträge, sondern Steuern seien, da es bei dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk an einem individuellen Vorteil fehle. Ein Vorteil komme vielmehr der Gemeinschaft zugute. Es fehle an der Steuergerechtigkeit, da die Rundfunkbeiträge wohnungs- und nicht personenbezogen erhoben würden. In diesem Zusammenhang regt die Klagepartei eine weitere Vorlage bei dem Bundesverfassungsgericht zu der Frage, ob trotz der von ihm angenommenen verfassungsrechtlichen Mängel bezüglich der Gleichbehandlung der Bürger im Rahmen der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks die Beitragserhebung noch rechtmäßig und die Ungleichbehandlung mit Art. 3 GG vereinbar sei, an.
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Darüber hinaus stellt die Klagepartei dar, dass es sich bei dem Rundfunkbeitrag um eine europarechtswidrige Beihilfe handele. Es lägen Verstöße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und die Dienstleistungsfreiheit vor.
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Der Beklagte beantragt
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Dies wird im Wesentlichen damit begründet, dass die Rechtsgrundlage für die Erhebung der Rundfunkbeiträge der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag sei, dessen Verfassungsmäßigkeit bereits höchstrichterlich geklärt sei. Darüber hinaus bestünden im Hinblick auf die formelle Rechtmäßigkeit der angegriffenen Bescheide keine Bedenken, insbesondere handelten die Landesrundfunkanstalten als Behörden. Darüber hinaus könnten Verwaltungsakte vollständig durch automatische Einrichtungen erlassen werden, sodass die fehlende Unterschrift in diesem Falle unschädlich sei. Außerdem seien die angegriffenen Bescheide materiell rechtmäßig. Die Voraussetzungen für die Beitragserhebung nach § 2 Abs. 1 RBStV lägen vor. Zudem sei es nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichts, über die Qualität öffentlich-rechtlicher Programminhalte, Tatsachengrundlagen und die Richtigkeit der Berichterstattung zu entscheiden. Darüber hinaus sei davon auszugehen, dass der Klageschriftsatz von der Webseite www.beitragsblocker.de oder der Webseite www.keinrundfunkbeitragmehr.de stamme. Dieses Musterschreiben stelle keinen individuellen Bezug zu einzelnen Sachverhalten her, sondern erschöpfe sich in der Wiederholung von Rechtsansichten, die bereits durch die Rechtsprechung entschieden seien.
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Mit Beschluss vom 13. Dezember 2024 hat das Gericht den Antrag der Klagepartei, das Verfahren bis zu einer Entscheidung über das beim Bundesverwaltungsgericht unter dem Aktenzeichen 6 C 5/24 (6 B 70/23) anhängige Revisionsverfahren auszusetzen, abgelehnt. Dies wurde damit begründet, dass die Voraussetzungen des § 94 VwGO nicht vorliegen und die Vorschrift nicht entsprechend angewendet werden kann.
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Mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2024 hat die Klagepartei die Vollmacht des Bevollmächtigten des Beklagten gerügt. Es sei nicht ersichtlich, dass die Einschaltung eines Rechtsanwaltes für den Beklagten erforderlich oder geboten wäre.
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Mit Schreiben vom 19. März 2025 hat die Klagepartei erneut beantragt, das Verfahren bis zu einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts auszusetzen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang des Beklagten, der Gegenstand des Verfahrens war, sowie das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 27. März 2025 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die von der Klagepartei unter dem 19. März 2025 beantragte Aussetzung des Verfahrens wegen des bei dem Bundesverwaltungsgericht unter dem Aktenzeichen 6 C 5/24 (6 B 70/23) anhängigen Revisionsverfahrens wird abgelehnt. Die Voraussetzungen des § 94 VwGO liegen nicht vor und die Vorschrift kann auf den vorliegenden Fall auch keine analoge Anwendung finden, sodass der Aussetzungsantrag keinen Erfolg hat. Zur Vermeidung von Wiederholungen und vor dem Hintergrund, dass die Klagepartei keine neuen Argumente vorgebracht hat, wird auf den Beschluss des Gerichts vom 13. Dezember 2024 Bezug genommen. Jedenfalls mit Blick darauf, dass der Aussetzungsantrag vom 19. März 2025 inhaltlich letztlich lediglich einen bereits zuvor gestellten und mit Beschluss vom 13. Dezember 2024 abgelehnten Aussetzungsantrag wiederholt, musste über die Aussetzung (ausnahmsweise) nicht vor der Sachentscheidung gesondert entschieden werden, sondern es konnte über die Aussetzung im vorliegenden Urteil entschieden werden.
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Es bestehen ferner keine Bedenken gegen die Vertretung des Beklagten durch den Prozessbevollmächtigten. Dies ist nach § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO zulässig. Darüber hinaus wurde eine schriftliche Prozessvollmacht übersandt (§ 67 Abs. 6 Satz 1 VwGO).
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Die Klage ist zulässig. Sie ist insbesondere als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft, da die Klagepartei die Aufhebung des Festsetzungsbescheides vom 2. April 2024 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. August 2024 und damit die Aufhebung eines Verwaltungsaktes nach Art. 35 Satz 1 BayVwVfG bzw. § 35 Satz 1 VwVfG begehrt.
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Vorab ist festzuhalten, dass die Vorschriften des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes nach Art. 2 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG keine unmittelbare Anwendung auf die Tätigkeiten des Beklagten finden. Soweit allerdings in den Vorschriften des Verfahrensrechts – wie beispielsweise in Art. 35 Satz 1 BayVwVfG und in anderen nachfolgend zitierten Vorschriften – anerkannte Rechtsgedanken und -prinzipien zum Ausdruck kommen, können diese für die Tätigkeit des Beklagten entsprechend herangezogen werden (BayVGH, B.v. 18.11.2024 – 7 C 24.1178 – juris Rn. 21; U.v. 16.5.2023 – 7 BV 21.1442- juris Rn. 36; B.v. 12.12.2022 – 7 ZB 20.1120 – juris Rn. 28; B.v. 26.1.2021 – 7 ZB 20.2029 – juris Rn. 10).
21
Obwohl die Klagepartei neben Gründen, die nach seiner Auffassung für die Rechtswidrigkeit des angegriffenen Bescheides sprechen, auch Gründe vorgetragen hat, die für die Nichtigkeit des Bescheides sprechen, ist eine Nichtigkeitsfeststellungsklage nach § 43 Abs. 1 Alt. 2, Abs. 2 Satz 2 VwGO nicht statthaft. Zum einen kann wegen der typischen Unsicherheit über die Frage, ob ein Verwaltungsakt rechtswidrig oder nichtig ist, auch gegen einen nichtigen Verwaltungsakt eine Anfechtungsklage erhoben werden, die im Prozess gegebenenfalls umzustellen ist (Möstl in Posser/Wolff/Decker, BeckOK, VwGO, 72. Ed. 1.1.2025, § 43 Rn. 38; Sodan in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 43 Rn. 68). Zum anderen ist der angegriffene Bescheid nicht nichtig im Sinne des Art. 44 BayVwVfG.
22
Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist (Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG) oder wenn die Fallgestaltungen des Art. 44 Abs. 2 BayVwVfG vorliegen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
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Die Nichtigkeit folgt nicht aus Art. 44 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG. Nach dieser Vorschrift ist ein schriftlich oder elektronisch erlassener Verwaltungsakt nichtig, wenn dieser die erlassende Behörde nicht erkennen lässt. Aus dem angegriffenen Festsetzungsbescheid ergibt sich eindeutig, dass der Beklagte den Bescheid erlassen und sich dabei des Beitragsservice bedient hat (vgl. hierzu die Ausführungen zur formellen Rechtmäßigkeit)
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Der Festsetzungsbescheid ist auch nicht nach Art. 44 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG nichtig. Danach wäre ein Verwaltungsakt nichtig, der nach einer Rechtsvorschrift nur durch die Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann, dieser Form aber nicht genügt. Es fehlt an einer Rechtsvorschrift, wonach der Rundfunkbeitragsfestsetzungsbescheid nur durch die Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann (VG Hamburg, U.v. 8.11.2024 – 3 K 2358/24 – juris Rn. 18).
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Darüber hinaus ist der Festsetzungsbescheid auch nicht nach Art. 44 Abs. 2 Nr. 5 BayVwVfG nichtig, weil er nicht die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straftatbestand oder Bußgeldtatbestand verwirklicht. Es ist fernliegend, dass der Rundfunkbeitrag zur Begehung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verwendet wird oder dass die Beitragspflichtigen, wenn sie den behördlich festgesetzten und auf einer rechtlichen Grundlage beruhenden Rundfunkbeitrag zahlen, zu Teilnehmenden einer solchen Tat werden (VG Hamburg, U.v. 8.11.2024 – 3 K 22358/24 – juris Rn. 23; VG Freiburg, Gb v. 11.9.2024 – 9 K 2585/24 – juris Rn. 130).
26
Des Weiteren ist der angegriffene Bescheid auch nicht nach Art. 44 Abs. 2 Nr. 6 BayVwVfG wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig. Sittenwidrigkeit bedeutet, dass der Verwaltungsakt gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, wobei ein Widerspruch zu den Mindestanforderungen anständigen und redlichen Verhaltens erforderlich ist (VG Hamburg, U.v. 8.11.2024 – 3 K 22358/24 – juris Rn. 24; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 24. Aufl. 2024, § 44, Rn. 48). Hiervon kann mit Blick auf den angegriffenen Festsetzungsbescheid, der auf einer gesetzlichen Grundlage beruht und mit dem eine gesetzliche Beitragspflicht konkretisiert wird, nicht die Rede sein. Der Umstand, dass die Klagepartei nicht mit dem Inhalt und der Qualität einzelner Beiträge des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einverstanden ist, vermag einen solchen Widerspruch nicht zu begründen (VG Hamburg, U.v. 8.11.2024 – 3 K 22358/24 – juris Rn. 24; VG Freiburg, Gb v. 11.9.2024 – 9 K 2585/24 – juris Rn. 129).
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Schließlich ist der Verwaltungsakt auch nicht nach Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG nichtig, da er nicht an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet, der bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Besonders schwerwiegend ist ein Fehler, wenn dieser mit der Rechtsordnung unter keinen Umständen vereinbar ist bzw. wenn dieser einen Mangel darstellt, der schlechterdings unerträglich ist, weil er mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten Wertvorstellungen unvereinbar erscheint (Goldhammer in Schoch/Schneider, VwVfG, § 44 Rn. 44). Ein solch schwerwiegender Mangel ist nicht erkennbar.
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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angegriffene Festsetzungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig und verletzt die Klagepartei nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Der Bescheid beruht auf einer verfassungsgemäßen und mit dem Unionsrecht vereinbaren gesetzlichen Grundlage. Mit dem angegriffenen Bescheid hat der Beklagte rechtmäßig rückständige Rundfunkbeiträge einschließlich eines Säumniszuschlages festgesetzt. Die hiergegen erhobenen Einwände der Klagepartei greifen nicht durch.
30
Rechtsgrundlage für die Erhebung des Rundfunkbeitrags ist für den streitgegenständlichen Zeitraum der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) vom 15. Dezember 2010 (GVBl. 2011 S. 258, 404; 2012 S. 18, BayRS 02-28-S), zuletzt geändert durch Art. 8 des Vertrags vom 14. April 2020 (GVBl. 2020 S. 450; 2021 S. 14). Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag stellt eine materiell rechtmäßige und wirksame gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Beitragserhebung dar. Er verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass er europarechtskonform und – abgesehen vom Sonderfall der Nebenwohnung bis zu dessen Neuregelung mit Wirkung vom 1. Juni 2020 – verfassungsgemäß ist (vgl. EuGH, U.v. 13.12.2018 – C-492/17 – NJW 2019, 577; BVerfG, U.v. 18.7.2018 – 1 BvR 1675/16 u.a. – NJW 2018, 3223; BayVerfGH, U.v. 15.5.2014 – Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 – NJW 2014, 3215).
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Es ist verfassungsrechtlich insbesondere nicht zu beanstanden, die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch Erhebung einer nichtsteuerlichen Abgabe sicherzustellen. Die verfassungsrechtlich erforderliche über den Zweck der Einnahmeerzielung hinausgehende besondere sachliche Rechtfertigung für die Erhebung einer nichtsteuerlichen Abgabe liegt vor (vgl. zu den Voraussetzungen für die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben BVerfG, B.v. 7.11.1995 – 2 BvR 413/88 – juris Rn. 150 ff.; U.v. 19.3.2003 – 2 BvL 9/98 – juris Rn. 49 ff.).
32
Dabei handelt es sich bei dem Rundfunkbeitrag aus finanzverfassungsrechtlicher Sicht nicht um eine Steuer, sondern um eine Vorzugslast in der Gestalt eines Beitrages, für dessen Erhebung nach Art. 70 Abs. 1 GG die Länder die Gesetzgebungskompetenz besitzen. Der Rundfunkbeitrag wird nicht voraussetzungslos erhoben und das Beitragsaufkommen wird nicht in die Landeshaushalte eingestellt. Er wird für die konkrete Gegenleistung der Rundfunkbeitragsempfangsmöglichkeiten erhoben, um die staatsferne, bedarfsgerechte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sicherzustellen (BVerfG, U.v. 18.7.2018 – 1 BvR 1675/16 – juris Rn. 63ff.; VG Hamburg, U.v. 8.11.2024 – 3 K 22358/24 – juris).
33
Das sich aus dem Grundsatz der Belastungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG; BVerfG, B.v. 25.6.2014 – 1 BvR 668/10 – juris Rn. 49) und aus der grundgesetzlichen Finanzverfassung (Art. 105 ff. GG) ergebende Erfordernis einer besonderen sachlichen Rechtfertigung trägt dem Ausnahmecharakter nichtsteuerlicher Abgaben Rechnung. Die grundgesetzliche Finanzverfassung verlöre ihren Sinn und ihre Funktion, wenn unter Rückgriff auf die Sachgesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern (Art. 70 ff. GG) beliebig nichtsteuerliche Abgaben unter Umgehung der finanzverfassungsrechtlichen Verteilungsregeln (Art. 105 ff. GG) begründet werden könnten und damit zugleich ein weiterer Zugriff auf die keineswegs unerschöpflichen Ressourcen der Bürger eröffnet würde (BVerfG, U.v. 19.3.2003 – 2 BvL 9/98 – juris Rn. 48; BVerwG, U.v. 18.3.2016 – 6 C 6/15 – juris Rn. 16; U.v. 15.6.2016 – 6 C 41/15 – BeckRS 2016, 49591 Rn. 16). Als notwendige sachliche Rechtfertigung der Erhebung einer nichtsteuerlichen Abgabe anerkannt sind neben dem Zweck der Kostendeckung auch Zwecke des Vorteilsausgleichs, der Verhaltenslenkung sowie soziale Zwecke (BVerfG, U.v. 19.3.2003 – 2 BvL 9/98 – juris Rn. 57; B.v. 25.6.2014 – 1 BvR 668/10 – juris Rn. 49).
34
Im Fall der Rundfunkbeitragspflicht ergibt sich die notwendige sachliche Rechtfertigung aus dem Gedanken der Gegenleistung, des Ausgleichs von Vorteilen und Lasten. Der Rundfunkbeitrag wird für die Möglichkeit erhoben, das Programm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu empfangen, und dient gemäß § 1 RBStV der funktionsgerechten Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (BVerfG, U.v. 18.7.2018 – 1 BvR 1675/16 u.a. – juris Rn. 59). Damit gilt er einen individuellen Vorteil ab, nämlich die Möglichkeit, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in seiner besonderen, aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG folgenden Funktion, ein vielfaltssicherndes und Orientierungshilfe bietendes Gegengewicht zu den privaten Rundfunkanbietern zu bilden, zu nutzen (BVerfG, U.v. 18.7.2018 – 1 BvR 1675/16 u.a. – juris Rn. 74 ff.).
35
Die Verknüpfung der finanziellen Belastung mit diesem Zweck der Abgabe und mit einer öffentlichen Leistung ist im gesetzlichen Tatbestand auch hinreichend verankert (vgl. insbesondere § 1 RBStV; BVerfG, U.v. 18.7.2018 – 1 BvR 1675/16 u.a. – juris Rn. 61). Zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hat nach dem Willen des Gesetzgebers beizutragen, wer die allgemein zugänglichen Angebote des Rundfunks empfangen kann, aber nicht notwendig empfangen muss (vgl. z.B. Bayerischer Landtag, Drs. 16/7001, S. 12 f.; BVerfG, U.v. 18.7.2018 – 1 BvR 1675/16 u.a. – juris Rn. 81). Es handelt sich daher beim Rundfunkbeitrag um einen Beitrag, der für die potenzielle Inanspruchnahme einer öffentlichen Leistung erhoben wird (BVerfG, U.v. 18.7.2018 – 1 BvR 1675/16 u.a. – juris Rn. 81). Auf die tatsächliche Nutzung, einen Nutzungswillen und die Nutzungsgewohnheiten der Empfänger kommt es dabei ebenso wenig an wie darauf, ob die Abgabenschuldner von der Nutzungsmöglichkeit nahezu geschlossen Gebrauch machen. Dass ein Empfangsgerät erforderlich ist, hat für den Zurechnungszusammenhang zwischen Vorteil und Beitragslast ebenfalls keine Bedeutung. Es ist nicht erforderlich, dass der beitragsrelevante Vorteil wahrgenommen wird. Maßgeblich ist, dass eine realistische Nutzungsmöglichkeit besteht (BVerfG, U.v. 18.7.2018 – 1 BvR 1675/16 u.a. – juris Rn. 76). Fälle objektiver Unmöglichkeit, zumindest über irgendeinen Übertragungsweg Rundfunk zu empfangen und dadurch die Nutzungsmöglichkeit realisieren zu können, werden ausreichend durch die Befreiungsmöglichkeiten nach § 4 RBStV aufgefangen (BVerfG, U.v. 18.7.2018 – 1 BvR 1675/16 u.a. – juris Rn. 90).
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Der öffentlich-rechtliche Rundfunk kann nur dann in seiner besonderen, aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG folgenden Funktion genutzt werden, wenn sichergestellt ist, dass er seinen Funktionsauftrag wahrnimmt. Das Vorliegen eines Sondervorteils als die Beitragserhebung legitimierende verfassungsrechtliche Voraussetzung hängt daher auch davon ab, dass der Gesetzgeber ausreichende Vorkehrungen trifft, um die Erfüllung dieses Zwecks sicherzustellen. Diesen Anforderungen genügt das im streitgegenständlichen Zeitraum geltende Beitragserhebungsrecht:
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Die Erfüllung des Funktionsauftrags wird durch die Organisation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als öffentlich-rechtliche Anstalt mit einer binnenpluralistischen Struktur, die Bildung von Aufsichtsgremien und die Kontrolle des Finanzbedarfs durch eine unabhängige Kommission (§ 2 Satz 1 RFinStV) sichergestellt. Hingegen hat der Gesetzgeber davon abgesehen, den Funktionsauftrag drittschützend auszugestalten (so inzwischen ausdrücklich der die bereits zuvor geltende Rechtslage lediglich klarstellende § 26 Abs. 3 Halbs. 2 MStV, vgl. Bayerischer Landtag, Drs. 18/25052, S. 12). Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Bundesverfassungsgericht hat es für verfassungsgemäß erachtet, dass die schutzwürdigen Interessen der Rundfunkteilnehmer im Rahmen der damaligen Rundfunkgebührenfestsetzung auf Grundlage des inzwischen aufgehobenen Staatsvertrags über den Rundfunk im vereinten Deutschland vom 31. August 1991 nicht auf individualrechtlicher Ebene, sondern vom Gesetzgeber wahrgenommen werden (BVerfG, B.v. 6.10.1992 – 1 BvR 1586/89 – juris Rn. 84; U.v. 22.2.1994 – 1 BvL 30/88 – juris Rn. 154; vgl. auch Libertus in Binder/Vesting (Hrsg.), Beck RundfunkR, 5. Aufl. 2024, § 8 RFinStV Rn. 23). Zu den schutzwürdigen Interessen der Rundfunkteilnehmer gehört auch, dass sie nur unter der Voraussetzung und in dem Maße zu einer Geldleistungspflicht herangezogen werden dürfen, das zur Funktionserfüllung geboten erscheint. Es ist nicht ersichtlich, weshalb für das mit dem 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag eingeführte neue Finanzierungsmodell eines geräteunabhängigen Rundfunkbeitrags etwas anderes gelten sollte.
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Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Abgabenrecht in der Regel Massenvorgänge des Wirtschaftslebens betrifft und es ein legitimes Anliegen des Gesetzgebers ist, die Erhebung von Abgaben so auszugestalten, dass sie praktikabel bleibt, und sie von übermäßigen, mit Rechtsunsicherheit verbundenen Differenzierungsanforderungen zu entlasten (BVerfG, B.v. 25.6.2014 – 1 BvR 668/10 – juris Rn. 50). Ausgehend hiervon erscheint es aus Gründen der Vereinfachung und zur Vermeidung von Rechtsunsicherheiten verfassungsrechtlich legitim, die Erfüllung des Funktionsauftrags nicht auf individualrechtlicher Ebene, sondern durch strukturelle und prozedurale Vorkehrungen zu gewährleisten. Denn die Erfüllung des Funktionsauftrags betrifft die Frage der generellen Existenz eines Vorteils, der für alle Beitragspflichtigen in der Nutzungsmöglichkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in seiner spezifischen Funktion liegt. Diese Frage nach dem grundsätzlichen Bestehen eines Vorteils stellt sich für alle Beitragspflichtigen im privaten Bereich gleichermaßen. Auch um einen der Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) zuwiderlaufenden Druck auf die Programmgestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu vermeiden, ist es legitim, den Beitragspflichtigen keinen subjektiven Anspruch auf Erfüllung des Rundfunkauftrags einzuräumen, den sie der Beitragserhebung entgegenhalten könnten. Die Frage, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen verfassungsmäßigen Funktionsauftrag verfehlt, ist daher nicht unmittelbarer Gegenstand der materiellen Rechtmäßigkeit eines Bescheids, welcher Rundfunkbeiträge festsetzt (BayVGH, U.v. 17.7.2023 – 7 BV 22.2642 – juris Rn. 22). Die Verwaltungsgerichte sind vielmehr auf die Prüfung beschränkt, ob Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlagen der Beitragserhebung bestehen und ggf. eine Vorlage gemäß Art. 65, 92 BV, Art. 50 VfGHG oder Art. 100 Abs. 1 GG in Betracht zu ziehen (vgl. VG Freiburg, Gb.v. 11.9.2024 – 9 K 2585/24 – juris Rn. 137). Insoweit ist insbesondere zu prüfen, ob eine besondere sachliche Rechtfertigung für die Beitragserhebung vorliegt (BayVGH, U.v. 17.7.2023 – 7 BV 22.2642 – juris Rn. 17). Dies beinhaltet die Frage, ob die Abgabepflichtigen aus der staatlichen Leistung einen besonderen Nutzen ziehen oder ziehen können und damit die Frage, ob der Rundfunkbeitrag der funktionsgerechten Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dient und hinreichend sichergestellt ist, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen Funktionsauftrag wahrnimmt. Denn nur dann können ihn die Beitragspflichtigen in seiner besonderen, aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG folgenden Funktion nutzen. Die Frage, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen Funktionsauftrag tatsächlich nicht erfüllt, ist dementsprechend allenfalls inzident zu prüfen, soweit ihr Indizwirkung dafür zukommt, ob die vom Gesetzgeber zur Sicherstellung der Erfüllung des Rundfunkauftrags vorgesehenen Sicherungs- und Kontrollmechanismen (noch) ausreichen.
39
Von dieser Frage des (generellen) Vorliegens eines Vorteils als die Beitragserhebung verfassungsrechtlich legitimierende Voraussetzung zu trennen ist die Frage der konkret-individuellen Zurechenbarkeit des Vorteils zum Einzelnen. Der Gesetzgeber hat in rechtlich nicht zu beanstandender Ausnutzung seines Typisierungsspielraums die Rundfunkbeitragspflicht im privaten Bereich an das Innehaben von Wohnungen in der Annahme geknüpft, das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks werde typischerweise in der Wohnung in Anspruch genommen (BVerfG, U.v. 18.7.2018 – 1 BvR 1675/16 u.a. – juris Rn. 87). Bei Innehaben einer Wohnung wird also vermutet, dass der mit dem Beitrag abzugeltende Vorteil dem Wohnungsinhaber individuell zurechenbar ist. Da dies – anders als die Frage der (Gewährleistung der) Erfüllung des Funktionsauftrags – von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängt, muss der konkret-individuelle Zurechnungszusammenhang auf individualrechtlicher Ebene überprüfbar sein. Hierfür sehen die Befreiungs- und Ermäßigungsregelungen in §§ 4, 4a RBStV ausreichend Möglichkeiten vor, um einen effektiven Schutz der Rechte des Einzelnen mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG zu gewährleisten (vgl. BVerfG, U.v. 18.7.2018 – 1 BvR 1675/16 u.a. – juris Rn. 90).
40
Es bestehen daher keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine Erhebung von Rundfunkbeiträgen dem Grunde nach. Darüber hinaus begegnet auch die Höhe des Rundfunkbeitrags keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Denn sie ist durch den rundfunkspezifischen Finanzierungszweck des Rundfunkbeitragsaufkommens gerechtfertigt.
41
Die Heranziehung zu einem Rundfunkbeitrag ist nur in dem Maß gerechtfertigt, das zur Erfüllung des Funktionsauftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks geboten ist (vgl. BVerfG, U.v. 22.2.1994 – 1 BvL 30/88 – juris Rn. 152). Denn der individuelle Vorteil, der mit dem Beitrag abgegolten werden soll, rechtfertigt die Erhebung einer Vorzugslast nicht nur, er setzt ihr zugleich Grenzen: Durch eine derartige nichtsteuerliche Abgabe dürfen grundsätzlich nur diejenigen Kosten finanziert werden, die dazu bestimmt sind, die auszugleichende Leistung zu erbringen. Eine darüberhinausgehende Belastung der Abgabepflichtigen ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt, weil sie nicht durch den Zweck des Vorteilsausgleichs gedeckt ist (BVerwG, U.v. 18.3.2016 – 6 C 6/15 – juris Rn. 26). Vorzugslasten dürfen also nur zur Finanzierung derjenigen Kosten erhoben werden, die einen sachlichen Zusammenhang mit der Gewährung des ausgleichspflichtigen Vorteils aufweisen. Die Einbeziehung anderer Kosten ist nicht durch den die Abgabenerhebung rechtfertigenden Zweck des Vorteilsausgleichs gerechtfertigt; sie verstößt gegen das Verfassungsgebot der Belastungsgleichheit nach Art. 3 Abs. 1 GG. Daher dürfen durch den Rundfunkbeitrag nur solche Kosten auf die Abgabenpflichtigen umgelegt werden, die zur Wahrnehmung des Rundfunkauftrags erforderlich sind (§ 1 RBStV i.V.m. § 34 Abs. 1, § 112 MStV; BVerwG, U.v. 18.3.2016 – 6 C 6/15 – juris Rn. 39). Das Kriterium der Erforderlichkeit erlaubt einen angemessenen Ausgleich zwischen der Programmautonomie der Rundfunkanstalten und den vom Gesetzgeber wahrzunehmenden finanziellen Interessen der Rundfunkempfänger (vgl. BVerfG, B.v. 6.10.1992 – 1 BvR 1586/89 – juris Rn. 84).
42
Bezugsgröße für die Bestimmung des Erforderlichen ist das gesamte Programm einer Rundfunkanstalt. In diesem, nicht in jedem einzelnen Programm oder gar in jeder Sendung, muss sie den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in vollem Umfang verwirklichen. Dagegen können einzelne Programme durchaus gegenständliche Schwerpunkte setzen oder bestimmte Zielgruppen ins Auge fassen. Wie die Rundfunkanstalten die verfügbaren Mittel im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen auf einzelne Programme oder Programmsparten verteilen, ist ihre Sache. Zusätzliche Finanzierungsansprüche können daraus nicht abgeleitet werden. Von Verfassungs wegen kommt es allein darauf an, ob die Höhe des Rundfunkbeitrags zusammen mit den weiteren Einnahmequellen der Rundfunkanstalten eine funktionsgerechte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ermöglichen (vgl. BVerfG, B.v. 6.10.1992 – 1 BvR 1586/89 – juris Rn. 87).
43
Die Beitragshöhe im streitgegenständlichen Zeitraum ergibt sich nicht aus einer nach §§ 1 ff. RFinStV zustande gekommenen staatsvertraglichen Regelung, die mit entsprechenden Transformationsakten der Länder in Landesrecht übernommen worden wäre. Sie geht vielmehr auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Juli 2021 – 1 BvR 2756/20, 1 BvR 2775/20, 1 BvR 2777/20 – zurück. Darin hat das Bundesverfassungsgericht auf Grundlage des § 35 BVerfGG mit Wirkung ab dem 20. Juli 2021 bis zu einer staatsvertraglichen Neuregelung durch die Länder die vorläufige Geltung der Bestimmungen des Art. 1 des Entwurfs des Ersten Staatsvertrags zur Änderung medienrechtlicher Staatsverträge (im Folgenden: Erster Medienänderungsstaatsvertrag) und damit eine diesen entsprechende Anpassung des Rundfunkbeitrags angeordnet. Der Entwurf sieht unter anderem vor, im Einklang mit dem Vorschlag der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfes der Rundfunkanstalten (KEF) den Rundfunkbeitrag zum 1. Januar 2021 von bis dahin 17,50 EUR um 86 Cent auf 18,36 EUR zu erhöhen. Zur Begründung hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, die Zwischenregelung sei mit Blick auf den grundrechtlichen Anspruch der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auf eine funktionsgerechte Finanzierung und die diesem nicht genügende Beitragsfestsetzung erforderlich, um weitere erhebliche Beeinträchtigungen der Rundfunkfreiheit zu vermeiden. Es liege nahe, hierfür übergangsweise eine dem Art. 1 des Ersten Medienänderungsstaatsvertrags entsprechende Anpassung des Rundfunkbeitrags vorzusehen. Denn eine solche vorläufige Anpassung entspreche der Bedarfsfeststellung der KEF, von der abzuweichen angesichts bisher fehlender Angabe nachprüfbarer verfassungsrechtlich tragfähiger Gründe kein Anlass bestehe (BVerfG, B.v. 20.7.2021 – 1 BvR 2756/20, 1 BvR 2775/20, 1 BvR 2777/20 – juris Rn. 113).
44
Hieraus wird zugleich deutlich, dass das Bundesverfassungsgericht offensichtlich nicht vom Vorliegen eines strukturellen Defizits des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wegen systemischer Nichterfüllung seines Funktionsauftrags ausgeht (vgl. BVerfG, B.v. 20.7.2021 – 1 BvR 2756/20, 1 BvR 2775/20, 1 BvR 2777/20 – juris Rn. 117 f., wonach den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ein Anspruch auf kompensierende finanzielle Mehrausstattung durch einen erhöhten Rundfunkbeitrag vor dem Hintergrund zusteht, dass sie den Programmauftrag vollständig erbracht haben und damit sie ihn weiterhin erbringen können; vgl. auch VG Freiburg, Gb.v. 11.9.2024 – 9 K 2585/24 – juris Rn. 87).
45
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden (§ 31 Abs. 1 BVerfGG). Auch Vollstreckungsregelungen haben an dieser Bindungswirkung teil (Sauer in Walter/Grünewald (Hrsg.), BeckOK BVerfGG, 17. Ed. 1.6.2024, § 35 Rn. 13). Daher ist im streitgegenständlichen Zeitraum von einer monatlichen Beitragshöhe von 18,36 EUR auszugehen, welche das Bundesverfassungsgericht in seiner vorstehend zitierten Entscheidung als verfassungsgemäß erachtet hat.
46
Das Gericht geht im Einklang mit der vorgenannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Juli 2021 davon aus, dass der Rundfunkbeitrag und seine Höhe im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Zudem hat das Gericht auch unter Berücksichtigung der seit der vorgenannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eingetretenen Entwicklungen keine Zweifel daran, dass der Rundfunkbeitrag nach wie vor den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Es liegen insbesondere keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der Rundfunkbeitrag nicht mehr der funktionsgerechten Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dienen würde, etwa weil der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen Funktionsauftrag nicht erfüllen würde und die Rundfunkbeitragspflichtigen ihn daher nicht mehr in dieser Funktion nutzen könnten. Hierbei ist wie bereits ausgeführt nicht auf jedes einzelne Programm oder einzelne Sendungen abzustellen, sondern auf das gesamte Programm einer Rundfunkanstalt. Es kann daher dahinstehen, ob die klägerische Kritik an einzelnen Sendungen und Programmen inhaltlich berechtigt ist. Denn sie lässt jedenfalls nicht den Schluss zu, dass im Gesamtprogramm der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht (mehr) erfüllt wird. Für das Gericht sind auch sonst keine Anhaltspunkte erkennbar, aus denen sich dies aufdrängen würde. Die Annahme, die Rundfunkstaatsverträge enthielten ausreichende Sicherungs- und Kontrollmechanismen zur Sicherstellung der Erfüllung des Rundfunkauftrags, ist nicht durch die tatsächlichen Entwicklungen widerlegt. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass die verfassungsrechtliche Legitimation der Abgabenerhebung (zwischenzeitlich) entfallen wäre.
47
Eine Verkürzung des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes und damit eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG liegt nach der Auffassung des Gerichts auch nicht darin, dass die (Fach-)Gerichte im Anfechtungsstreit gegen einen Festsetzungsbescheid nach den vorstehenden Ausführungen etwaige Einwände gegen die Qualität der Berichterstattung nicht (unmittelbar) zu prüfen haben. Denn der Zugang zum Gericht wird uneingeschränkt gewährt. Ein Anspruch auf gerichtliche Überprüfung besteht indes nur insoweit, als die geltend gemachten Gesichtspunkte entscheidungserheblich sind; das Gericht ist nicht gehalten – im Gegenteil steht es dem Gericht nicht zu –, Sachverhalte zu prüfen, auf die es für die Entscheidung über den streitgegenständlichen Antrag nicht ankommt. Auf die Programmqualität in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogrammen kommt es nach den obigen Ausführungen für die Berechtigung der Beitragsfestsetzung aber nicht an. Dies ist verfassungsrechtlich unbedenklich (VG Hamburg, U.v. 8.11.2024 – 3 K 2358/24 – juris Rn. 46).
48
Auch aus dem in der Klagebegründung angeführten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. April 2023 (1 BvR 601/23) und aus dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Mai 2024 (6 B 70.23) ergeben sich Anhaltspunkte weder für die Annahme, dass die Rundfunkbeitragspflicht in ihrer derzeitigen Ausgestaltung verfassungsrechtlichen Bedenken begegne, noch für die Annahme, dass der Beitragspflichtige die Zahlung des Rundfunkbeitrages von Programminhalten abhängig machen darf.
49
Das Bundesverfassungsgericht (B. v. 24.4.2023, 1 BvR 601/23, juris Rn. 9) hat es zwar als klärungsbedürftig angesehen, „ob und gegebenenfalls nach welchen Maßstäben unter Berücksichtigung der Rundfunkfreiheit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und der der Vielfaltsicherung dienenden Selbstkontrolle durch plural besetzte anstaltsinterne Aufsichtsgremien (…) vor den Verwaltungsgerichten geltend gemacht werden kann, es fehle an einem die Beitragszahlung rechtfertigenden individuellen Vorteil (…), weil das Programmangebot nach seiner Gesamtstruktur nicht auf Ausgewogenheit und Vielfalt ausgerichtet sei und daher kein Gegengewicht zu den privaten Rundfunkanbietern bilde“. Hieraus lässt sich aber nicht ableiten, dass das Bundesverfassungsgericht davon ausgeht, die aufgeworfene Frage sei voraussichtlich zu bejahen, geschweige denn ist es naheliegend, dass das Bundesverfassungsgericht von einem Strukturdefizit oder Systemversagen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ausgeht. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts betrifft lediglich eine verfassungsprozessuale Zulässigkeitsfrage, nämlich die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde. Ein materiell-rechtlicher Aussagegehalt lässt sich der Entscheidung nicht beimessen (ebenso: VG Hamburg, U.v. 8.11.2024 – 3 K 2358/24 – juris Rn. 48, VG Freiburg, Gb. v. 11.9.2024, 9 K 2585/24 – juris Rn. 75 ff.).
50
Nichts anderes gilt für die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (B.v. 23.5.2024 – 6 B 70.23 – juris), mit dem das Gericht die Revision in einem rundfunkbeitragsrechtlichen Verfahren wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen hat, weil das Revisionsverfahren Gelegenheit zur Klärung der Frage biete, „ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen gegen die Beitragserhebung geltend gemacht werden kann, der Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, ein der Vielfaltssicherung dienendes Programm anzubieten, werde strukturell verfehlt, so dass es an einem individuellen Vorteil fehle“. Auch hieraus lassen sich keine Anhaltspunkte für die voraussichtliche Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts ableiten. Ebenso wenig lässt sich hieraus ableiten, ob das Bundesverwaltungsgericht die aufgeworfene Grundsatzfrage bejahen wird (ebenso: VG Hamburg, U.v. 8.11.2024 – 3 K 2358/24 – juris Rn. 49).
51
Am Vorliegen eines Vorteils, der mit der Möglichkeit verbunden ist, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramme empfangen zu können, besteht auch unter Berücksichtigung der mit der Klagebegründung formulierten pauschalen Kritik an der Haushalts- und Wirtschaftsführung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten kein Zweifel. Denn die gesetzlichen Rahmenbedingungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gewährleisten in hinreichend effektiver Weise, dass hierbei die Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit einschließlich der damit verbundenen Rationalisierungspotentiale (vgl. § 36 Abs. 1 Medienstaatsvertrag in der Fassung des fünften Staatsvertrages zur Änderung medienrechtlicher Staatsverträge in Kraft seit 1. Oktober 2024 – MStV) eingehalten werden. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten können nämlich gerade nicht, wie dies die Klagebegründung suggeriert, beliebig und unkontrolliert darüber entscheiden, wie sie die ihnen zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel einsetzen. Vielmehr unterliegt die Bestimmung des Finanzbedarfs (unter Einschluss der erforderlichen Höhe des Rundfunkbeitrags) sowie die Wirtschaftsführung der Rundfunkanstalten der Kontrolle verschiedener Akteure – insbesondere der Kommission zur Überprüfung und Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF), der Landesparlamente und der Rechnungshöfe –, die außerhalb der Rundfunkanstalt angesiedelt sind (vgl. §§ 34 ff. MStV, §§ 1 ff. RFinStV).
52
Dass diese externen Kontrollverfahren ungeeignet sind, um zu gewährleisten, dass sich die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Rundfunkanstalten im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben hält, insbesondere die Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit berücksichtigt, ist nicht ersichtlich. Dies legt auch die Klagebegründung nicht nahe. Die dortigen Ausführungen erschöpfen sich im Ergebnis in einer allgemein gehaltenen Klage über eine subjektiv als ungerecht empfundene Höhe von Gehältern in Spitzenpositionen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und eine vermeintlich bestehende Lohnungleichheit (VG Aachen, U. v. 30.9.2024 – 8 K 1352/24 – juris Rn. 165, VG Hamburg U.v. 8.11.2024 – 3 K 2358/24 – juris Rn. 51). Ihnen liegt – einmal mehr – eine grundsätzliche Ablehnung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und die Einschätzung zugrunde, dieser und die von den dort (in verantwortlicher Position) Beschäftigten geleistete Arbeit sei „nichts wert“. Damit geht es der Klagebegründung nicht zentral um die Frage der Einhaltung der Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, sondern um die Frage, ob bzw. inwieweit der öffentlich-rechtliche Rundfunk überhaupt aus öffentlichen Abgaben finanziert werden sollte. Diese Frage stellt sich aus verfassungsrechtlichen Gründen indes nicht (vgl. BVerfG, B.v. 20.7.2021, 1 BvR 2756/20 u.a., juris Rn. 75 ff.).
53
Auch gegen die im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag vorgesehene Art und Weise der Erhebung von Rundfunkbeiträgen, namentlich den Erlass von Festsetzungsbescheiden durch die Landesrundfunkanstalten (§ 10 Abs. 5 und 7 Satz 1 RBStV), bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere stellt die Einschaltung des Beitragsservice weder einen Verstoß gegen den Grundsatz der Selbstorganschaft, noch einen Verstoß gegen den Funktionsvorbehalt aus Art. 33 Abs. 4 GG dar.
54
Der Grundsatz der Selbstorganschaft besagt, dass jede zuständige Behörde ihre Aufgaben grundsätzlich durch ihre eigenen Bediensteten erfüllen muss (BVerwG, U.v. 23.8.2011 – 9 C 2.11 – juris Rn. 2). Dies ist vorliegend der Fall, da der Beitragsservice gemäß § 10 Abs. 7 Satz 1 RBStV, § 2 der Satzung des Bayerischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge (Rundfunkbeitragssatzung) namens und im Auftrag des Beklagten als nichtrechtsfähige Stelle und auch nach außen deutlich erkennbar für diesen tätig wird (OVG Bautzen, B.v. 12.9.2016 – 3 B 166/16 – juris Rn. 6; VG Aachen, U.v. 30.9.2024 – 8 K 1352/24 – Rn. 62; VG Hamburg U.v. 8.11.2024 – 3 K 2358/24 – juris Rn. 59). Die Beitragsfestsetzung ist also dem Beklagten, nicht dem Beitragsservice zuzurechnen.
55
Nach Art. 33 Abs. 4 GG ist die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe „in der Regel“ Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen. Die in Art. 33 Abs. 4 GG damit ausdrücklich zugelassenen Abweichungen vom Grundsatz des Funktionsvorbehalts bedürfen der Rechtfertigung durch einen besonderen sachlichen Grund. Als solcher kommt nur ein spezifischer, dem Sinn der Ausnahmemöglichkeit entsprechender – auf Erfahrungen mit gewachsenen Strukturen oder im Hinblick auf den Zweck des Funktionsvorbehalts relevante Besonderheiten der jeweiligen Tätigkeit Bezug nehmender – Ausnahmegrund in Betracht (vgl. BVerfG, Urt. v. 18.1.2012, 2 BvR 133/10, juris Rn. 146). Ein solcher Ausnahmegrund liegt bei der Festsetzung von Rundfunkbeiträgen, die mit Blick auf die verfassungsrechtlich verbürgte Rundfunkfreiheit des Beklagten und sein Selbstverwaltungsrecht möglichst in einer gewissen Staatsferne wahrgenommen werden sollte, vor (OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 8.11.2019 – OVG 11 N 89/19 – juris Rn. 4; VG Aachen, Urt. v. 30.9.2024 – 8 K 1352/24 – juris Rn. 56; VG Hamburg U.v. 8.11.2024 – 3 K 2358/24 – juris Rn. 61; VG Bayreuth, U.v. 31.1.2025 – B 3 K 24.875 – juris Rn. 35). Auf die Frage, ob Art. 33 Abs. 4 GG überhaupt ein subjektives Recht, auf das sich der Einzelne mit Erfolg berufen kann, zu begründen vermag, kommt es nach alledem nicht an.
56
Darüber hinaus geht der Einwand der Klagepartei, der Beitragsservice verstoße durch das selbstständige Erbringen einer außergerichtlichen Inkassodienstleistung gegen § 10 RDG, fehl. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 RDG dürfen natürliche oder juristische Personen sowie rechtsfähige Personengesellschaften, die bei dem Bundesamt für Justiz registriert sind, aufgrund besonderer Sachkunde Rechtsdienstleistungen im Bereich Inkassoleistungen erbringen. Diese Vorschrift findet auf den Beitragsservice keine Anwendung, denn dieser wird nicht selbstständig tätig, sondern namens und im Auftrag des Beklagten (VG Hamburg, U.v. 8.11.2024 – 3 K 2358/24 – juris Rn. 60, VG Freiburg, Gb.v. 11.9.2024 – 9 K 2585/24 – juris Rn. 106; LG Braunschweig, U.v. 30.4.2020 – 11 O 3092/19 – juris Rn. 144). Darüber hinaus liegt für den Beklagten mit § 10 Abs. 7 Satz 2 i.V.m. § 9 Abs. 2 RBStV zudem eine gesetzliche Erlaubnis im Sinne des § 3 RDG vor, die zusätzlich von der Vorschrift des § 8 Abs. 1 Nr. 2 RDG flankiert wird. Dem Beklagten ist es danach erlaubt, im Rahmen seines Aufgaben- und Zuständigkeitsbereichs Rechtsdienstleistungen zu erbringen (VG Hamburg, U.v. 8.11.2024 – 3 K 2358/24 – juris Rn. 60; VG Freiburg, Gb. v. 11.9.2024 – 9 K 2585/24 – juris Rn. 106).
57
Entgegen der Auffassung der Klagepartei verstößt die Festsetzung der Rundfunkbeiträge sowie die Vollstreckung der festgesetzten Bescheide durch den Beklagten nicht gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung aus Art. 20 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG.
58
Zwar kann dahinstehen, ob dieser Einwand im vorliegenden Fall überhaupt relevant ist, denn streitgegenständlich ist die Rechtmäßigkeit eines Beitragsfestsetzungsbescheids und nicht die Vollstreckung aus einem Beitragsfestsetzungsbescheid. Jedenfalls wird ein Verstoß gegen das sogenannte Selbsttitulierungsrecht öffentlich-rechtlich konstituierter Akteure nur insoweit als verfassungswidrig angesehen, als damit ein Verstoß gegen das aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitende Gebot der Wettbewerbsgleichheit mit privaten Akteuren verbunden ist, weil es um die Vollstreckung einer privat-rechtlichen Forderung des öffentlich-rechtlichen Akteurs geht, der insoweit durch ein solches Recht gegenüber einem Privaten ohne sachlichen Grund privilegiert würde (BVerfG, B.v. 18.12.2012 – 1 BvL 8/11 – juris). Diese Situation ist aber im Falle der Rundfunkbeitragserhebung schon deshalb nicht gegeben, weil es sich bei der Beitragsforderung gerade nicht um eine privatrechtliche Forderung, sondern um eine auf gesetzlicher Grundlage beruhende öffentlich-rechtliche nichtsteuerliche Abgabe (Vorzugslast) handelt (BayVGH, B.v. 12.12.2022 – 7 ZB 20.1120 – juris Rn. 20, VG Freiburg, Gb. v. 11.9.2024 – 9 K 2585/24 – juris Rn. 103).
59
Auch im Übrigen ist die Regelung der Erhebung einer Rundfunkbeitragspflicht in § 2 Abs. 1 RBStV mit höherrangigem nationalem Recht, insbesondere dem Grundgesetz, vereinbar. Mit Blick auf diesen verfassungsrechtlichen Befund zum Rundfunkbeitragsstaatsvertrag kommt eine Richtervorlage gemäß Art. 65, 92 BV, Art. 50 VfGHG oder Art. 100 Abs. 1 GG nicht in Frage. Denn eine solche Vorlage würde voraussetzen, dass das erkennende Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält. Hieran fehlt es aus den vorstehend dargestellten Gründen.
60
Darüber hinaus ist die Regelung der Erhebung einer Rundfunkbeitragspflicht in § 2 Abs. 1 RBStV auch mit dem Unionsrecht vereinbar. Insbesondere stellt der Rundfunkbeitrag im privaten Bereich keine rechtswidrige staatliche Beihilfe nach Art. 107 AEUV dar (BVerwG, B.v. 24.4.2020 – 6 B 17.20 – juris Rn. 4; U.v. 9.12.2019 – 6 C 20.18 – juris Rn. 21). Die Europäische Kommission hatte die Rundfunkbeitragspflicht nach der vormaligen Rechtslage mit Entscheidung vom 24. April 2007 als Beihilfe eingestuft, jedoch als vereinbar mit dem Binnenmarkt angesehen. Im Hinblick auf die Änderung der Rundfunkfinanzierung von einer Gebühr zu dem jetzt maßgeblichen wohnungsbezogenen Beitrag hat der Gerichtshof der Europäischen Union (U.v. 13.12.2018 – C-492/17 – juris Rn. 53 ff.) entschieden, dass keine Änderung einer bestehenden Beihilfe vorliegt, von der die Kommission gem. § 108 Abs. 3 AUEV vorab zu unterrichten wäre (ebenso BVerfG, U.v. 18.7.2018 – 1 BvR 1675/16, juris Rn. 146 ff.; BVerwG, U.v. 18.3.2016 – 6 C 6.15- juris Rn. 51 f.). Die Änderung des Entstehungsgrunds für die Rundfunkbeitragspflicht betrifft nämlich nicht die wesentlichen Bestandteile der Finanzierungsregelung für den deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die von der Kommission bereits im Rahmen der Entscheidung vom 24. April 2007 beurteilt worden sind (vgl. EuGH, Urt. v. 13.12.2018, a.a.O., juris Rn. 59 ff.). Lediglich der Entstehungsgrund für die Beitragspflicht ist vor dem Hintergrund der technologischen Entwicklungen an vereinfachte Voraussetzungen geknüpft worden, ohne dass dies zu einer wesentlichen Erhöhung der Vergütung der öffentlich-rechtlichen Sender geführt hat (zu alledem: VG Hamburg, U.v. 8.11.2024 – 3 K 2358/24- juris Rn. 53).
61
Auch die mit der Klagebegründung erhobenen Rügen von behaupteten Verstößen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags gegen den in Art. 20 EUGrCh (bzw. Art. 14 EMRK) geregelten Gleichbehandlungsgrundsatz, die Freizügigkeit gemäß Art. 45 EUGrCh (bzw. Art. 21 AEUV) und die Dienstleistungsfreiheit aus Art. 56 AEUV greifen nicht durch. Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist vorliegend schon nicht anwendbar, da sie nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 EUGrCh ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union gilt, das deutsche Rundfunkbeitragsrecht aber nicht durch unionsrechtliche Vorgaben beeinflusst ist (BVerwG, U.v. 25.1.2017 – 6 C 15.16 – juris Rn. 61 f.) Im Übrigen stellt die allein an Inländer gerichtete Beitragspflicht keine normative Einschränkung der mit der Klagebegründung angeführten Gewährleistungen dar, weil sie für alle Personen, die Inhaber einer Wohnung i.S.v. § 2 Abs. 2 RBStV sind, gleichermaßen gilt (BVerwG, B.v. 25.1.2018 – 6 B 38.18 – juris Rn. 7; U.v. 25.1.2017 – 6 C 15.16 – juris Rn. 62). Auf die Staatsangehörigkeit kommt es nicht an. Anhaltspunkte für eine tatsächliche Schlechterstellung der Angehörigen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union gegenüber deutschen Staatsangehörigen bestehen nicht. Das Unionsrecht schützt regelmäßig nicht davor, durch die Wohnungsinhaberschaft in einem anderen Mitgliedstaat dort mit rechtlichen Regelungen konfrontiert zu werden, die im Staat des bisherigen Wohnsitzes nicht bestehen. Dies gilt jedenfalls für solche Regelungen, die – wie vorliegend – nicht durch das Unionsrecht determiniert sind (zu alledem VG Hamburg, U.v. 8.11.2024 – 3 K 2358/24 – juris Rn. 54).
62
§ 2 Abs. 1 RBStV stellt somit eine wirksame und auch materiell rechtmäßige Rechtsgrundlage zur Heranziehung der Klagepartei zu einem Rundfunkbeitrag dar. Danach ist im privaten Bereich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten.
63
Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig. Die von der Klagepartei vorgebrachten Einwände greifen nicht durch.
64
Der Beklagte war für den Erlass des angefochtenen Bescheids zuständig. Nach § 10 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 RBStV setzt er rückständige Rundfunkbeiträge durch Bescheid fest. § 10 Abs. 7 Satz 1 RBStV sieht ausdrücklich vor, dass jede Landesrundfunkanstalt die ihr zugewiesenen Aufgaben und die damit verbundenen Rechte und Pflichten ganz oder teilweise durch die im Rahmen einer nichtrechtsfähigen öffentlichen Verwaltungsgemeinschaft betriebene Stelle der öffentlichenrechtlichen Landesrundfunkanstalt selbst wahrnimmt. Dementsprechend ermächtigt der auf der Ermächtigungsgrundlage des § 9 Abs. 2 Satz 1 RBStV beruhende und durch diese gedeckte § 2 der Rundfunkbeitragssatzung die im Rahmen einer nicht rechtsfähigen öffentlich-rechtlichen Verwaltungsgemeinschaft betriebene gemeinsame Stelle der öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten – den Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio – zur Aufgabenwahrnehmung des Beitragseinzugs. Der Beitragsservice ist nach § 10 Abs. 7 Satz 1 RBStV eine nicht rechtfähige Stelle, die als öffentlich-rechtliche betrieben wird. Er ist demnach unselbstständiger Teil der jeweiligen Rundfunkanstalt und kein Dritter. Es ist seine Aufgabe, gewissermaßen als gemeinsame zentrale Inkassostelle der Rundfunkanstalten die Rundfunkbeiträge zu erheben (vgl. BGH, B.v. 11.6.2015 – I ZB 64/14 – juris Rn. 19; VG Hamburg, U.v. 8.11.2024 – 3 K 2358/24 – juris Rn. 60; VG Bayreuth, U.v. 31.1.2025 – B 3 K 24.875 – juris Rn. 33, VG Freiburg, U.v. 11.9.2024 – 9 K 2585/24 – juris Rn. 96). Dies bedeutet, dass die Rundfunkanstalten den Rundfunkbeitrag im eigenen Namen und für eigene Rechnung durch den Beitragsservice erheben. Erklärungen des Beitragsservice werden im Namen und im Auftrag der jeweiligen Landesrundfunkanstalt abgegeben. Dies trifft auch auf den streitgegenständlichen Bescheid zu, was für die Klagepartei aus der Gestaltung des streitgegenständlichen Bescheides auch ohne weiteres erkennbar ist. Im Kopf des Bescheides ist neben dem Beitragsservice auch der Beklagte aufgeführt und der Bescheid endet mit der Grußformel: „Mit freundlichen Grüßen Bayerischer Rundfunk“. Darüber hinaus wird in der Rechtsbehelfsbelehrungder Beitragsservice als für den Beklagten tätig beschrieben (BayVGH, B.v. 12.12.2022 – 7 ZB 20.1120 – juris Rn. 38; VG Hamburg, U.v. 8.11.2024 – 3 K 2358/24 – juris Rn. 58, VG Freiburg, Gb v. 11.9.2024 – 9 K 2585/24 – juris Rn. 94).
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Schließlich kann auch der Einwand der Klagepartei dahinstehen, dass der angegriffene Festsetzungsbescheid nicht auf der Grundlage des § 10a RBStV automatisiert habe erstellt werden dürfen und deshalb eine Unterschrift nicht entbehrlich gewesen sei. Der Ausgangsbescheid und der Widerspruchsbescheid bilden eine Einheit, wobei der Widerspruchsbescheid dem Ausgangsbescheid die maßgebliche Gestalt verleiht (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Vorliegend war jedenfalls der Widerspruchsbescheid, auf welchen es maßgeblich ankommt, unterschrieben (VG Hamburg, U.v. 8.11.2024 – 3 K 2358/24- juris Rn. 65, VG Freiburg, Gb. v. 11.9.2024 – 9 K 2585/24, juris Rn. 109). Darüber hinaus kann ein Rundfunkbeitragsfestsetzungsbescheid nach § 10a RBStV automatisiert erlassen werden, denn bei Verfahren im Bereich des Beitragseinzuges handelt es sich um geeignete Verfahren für eine vollständig automatisierte Bearbeitung. Grundlage der Festsetzungsbescheid sind regelmäßig – wie auch im vorliegenden Verfahren – einfach strukturierte Sachverhalte und es ist kein Ermessen auszuüben (BayVGH, B.v. 12.12.2022 – 7 ZB 20.1120 – juris Rn. 34 m.V.a. LT-Drs. 18/4703). Im Übrigen könnte die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der – wie hier – nicht nach bzw. entsprechend Art. 44 BayVwVfG nichtig ist, entsprechend Art. 46 BayVwVfG nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren oder die Form zustande gekommen ist, wenn – wie hier – offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.
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Der formell rechtmäßige Bescheid ist auch materiell rechtmäßig.
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Nach § 2 Abs. 1 RBStV ist im privaten Bereich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten. Die Pflicht zur Entrichtung des Rundfunkbeitrags beginnt mit dem Ersten des Monats, in dem der Beitragsschuldner erstmals die Wohnung innehat (§ 7 Abs. 1 Satz 1 RBStV). Rückständige Rundfunkbeiträge werden durch die zuständige Landesrundfunkanstalt festgesetzt (§ 10 Abs. 5 Satz 1 RBStV).
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Diese Voraussetzungen sind im Fall der Klagepartei erfüllt. Diese war unstreitig im streitgegenständlichen Zeitraum Inhaber der Wohnung unter der postalischen Anschrift „… … … … … …“ und daher gemäß § 2 Abs. 1 RBStV beitragspflichtig.
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Die Klagepartei ist auch nicht für den streitgegenständlichen Zeitraum von der Beitragspflicht befreit. Es liegt kein Bescheid des Beklagten vor, mit dem diese von der Rundfunkbeitragspflicht nach § 4 RBStV für den streitgegenständlichen Zeitraum befreit würde.
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Die Klagepartei kann der Beitragsforderung nicht mit Erfolg die Nicht- oder Schlechterfüllung des Grundversorgungsauftrages durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk entgegenhalten.
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Rundfunkbeiträge sind Abgaben. Das Abgabenrecht ist von dem Rechtsgedanken beherrscht, dass ein Gegenanspruch nur dann Beachtung findet und die Nichterfüllung einer fälligen Beitragsforderung daher nur dann rechtfertigen kann, wenn der Abgabenpflichtige einen unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Anspruch gegen den Abgabengläubiger hat. Damit wird, vergleichbar der Aufrechnung, unter anderem sichergestellt, dass ein Abgabenschuldner sich seiner Zahlungsverpflichtung nicht durch die bloße Behauptung, es gebe noch klärungsbedürftige Gegenansprüche, entziehen kann (BayVGH, B.v. 4.2.2002 – 23 ZS 01.3171 – juris Rn. 8; VG München, U.v. 21.9.2022 – M 6 K 22.3507 – juris Rn. 26; VG Würzburg, U.v. 21.9.2023 – W 3 K 23.95 – juris). Für den hierin zum Ausdruck kommenden Gedanken des Schutzes der Haushaltssicherheit und dafür, dass das Verfahren der Abgabenerhebung von Rechtsunsicherheiten und zeitlichen Verzögerungen wegen erst noch zu klärender Gegenansprüche frei bleiben soll, spricht auch die gesetzgeberische Wertung des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO. Durch § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO hat der Gesetzgeber sich dafür entschieden, der öffentlichen Haushaltssicherheit generell Vorrang gegenüber dem privaten Aufschubinteresse einzuräumen (BayVGH, B.v. 16.7.1990 – 7 CS 90.1090 – juris). Die Klage gegen einen Festsetzungsbescheid hat keine aufschiebende Wirkung mit der Folge, dass die festgesetzten Beträge schon vor einer gerichtlichen Entscheidung auf der Grundlage des angegriffenen Bescheides vollstreckt werden können (VGH BW, B.v. 9.10.2020 – 2 S 1758/20 – NVwZ-RR 2021, 127).
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Bei dem Verfahren zur Heranziehung von Rundfunkbeiträgen besteht zudem die Besonderheit, dass die Pflicht zur Entrichtung der Beiträge, anders als im Beitragsrecht sonst, ebenso wie die Fälligkeit bereits kraft Gesetzes besteht bzw. eintritt (§ 7 RBStV) und es deshalb eines vorherigen Erlasses eines Beitragsbescheides durch den Beklagten nicht bedarf, sondern die Zahlungsverpflichtung unabhängig von einer Zahlungsaufforderung entsteht (VGH BW, B.v. 9.10.2020 – 2 S 1758/20 – NVwZ-RR 2021, 127). Es besteht vor diesem Hintergrund ein Interesse daran, dass die Finanzierungssicherheit des öffentlichen Rundfunks gewährleistet bleibt und nicht durch den weiten Anwendungsbereich eines Zurückbehaltungsrechts ausgehebelt wird (VG München, U.v. 21.9.2022 – M 6 K 22.35407 – juris, Rn. 27, VG Würzburg, U.v. 21.9.2023 – W 3 K 23.95 – juris).
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Darüber hinaus fehlt es im streitgegenständlichen Fall an einem Anspruch der Klagepartei gegen den Beklagten, auf den das Zurückbehaltungsrecht gestützt werden könnte. Die Klagepartei hat keinen subjektiven Anspruch gegen den Beklagten auf Erfüllung des Funktionsauftrags. Der Sondervorteil, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in seiner besonderen Funktion zu nutzen, hat für das Rundfunkbeitragsrecht Bedeutung als verfassungsrechtliche Voraussetzung für die Erhebung eines Rundfunkbeitrags als nicht-steuerliche Abgabe. Der Gedanke der Gegenleistung, des Ausgleichs von Vorteilen und Lasten, ist also der den Beitrag im abgabenrechtlichen Sinne legitimierende Gesichtspunkt. Hingegen hat der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen, diese „Gegenleistung“ als subjektiven Anspruch des Einzelnen auszugestalten, wie die Regelung des § 26 Abs. 3 Halbs. 2 MStV zeigt. Danach werden subjektive Rechte Dritter durch die Regelungen in § 26 Abs. 1 und 2 sowie § 30 Abs. 3 und 4 MStV, die den Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks betreffen, nicht begründet. Diese Regelung ist zwar erst durch den Dritten Staatsvertrag zur Änderung medienrechtlicher Staatsverträge in den Medienstaatsvertrag aufgenommen worden. Diese Einfügung erfolgte jedoch bloß klarstellend (Bayerischer Landtag, Drs. 18/25052, S. 12).
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Unabhängig hiervon wird durch der Systematik des Rundfunkbeitragsrechts, die gerade keine subjektiven Ansprüche des einzelnen Rundfunkteilnehmers gegen die Rundfunkanstalt auf Erfüllung des Funktionsauftrags kennt, sowie dem Zweck des Rundfunkbeitrags, den laufenden zur Erfüllung des Funktionsauftrags notwendigen Finanzbedarf des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu decken (vgl. § 1 RBStV i.V.m. § 34 Abs. 1 MStV; § 35 Satz 1 MStV), deutlich, dass ein Gegenanspruch des einzelnen Beitragspflichtigen wegen einer von ihm behaupteten Nichterfüllung des Rundfunkauftrags nicht bestehen kann. Vielmehr versetzt erst die Erfüllung der Rundfunkbeitragspflichten den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in die Lage, seinem Funktionsauftrag nachzukommen.
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Erst recht nicht mit der Natur des Rundfunkbeitragsverhältnisses vereinbar ist dementsprechend ein Leistungsverweigerungsrecht des einzelnen Beitragspflichtigen wegen Einwänden, die sich nicht auf das gesamte Programm einer Rundfunkanstalt beziehen, sondern auf einzelne Programme oder gar Sendungen. Denn Bezugsgröße für die Bestimmung des zur funktionsgerechten Finanzierung des Rundfunks Erforderlichen ist – wie bereits ausgeführt – das gesamte Programm einer Rundfunkanstalt. In diesem, nicht in jedem einzelnen Programm oder gar in jeder Sendung, muss sie den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in vollem Umfang verwirklichen. Dagegen können einzelne Programme durchaus gegenständliche Schwerpunkte setzen oder bestimmte Zielgruppen ins Auge fassen (vgl. BVerfG, B.v. 6.10.1992 – 1 BvR 1586/89 – juris Rn. 87). Auf einzelne Programme oder Sendungen bezogene Kritik berührt daher die Rechtmäßigkeit der Rundfunkbeitragserhebung nicht, unabhängig davon, ob die Kritik zutrifft oder nicht, ob also Verstöße im Einzelfall vorliegen oder nicht (OVG RhPf, B.v. 16.11.2015 – 7 A 10455/15 – juris Rn. 21; BayVGH, B.v. 30.3.2017 – 7 ZB 17.60 – juris Rn. 9).
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Nachdem auch die übrigen Einwände der Klagepartei nicht durchgreifen und auch sonst keine zur Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheids führenden Fehler ersichtlich sind, hat der Beklagte ihn dem Grunde nach zu Recht zu Rundfunkbeiträgen für den streitgegenständlichen Festsetzungszeitraum herangezogen.
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Darüber hinaus begegnet auch die Höhe des von der Klagepartei geforderten Rundfunkbeitrags keinen rechtlichen Bedenken. Diese betrug aufgrund der Vollstreckungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Juli 2021 – 1 BvR 2756/20, 1 BvR 2775/20, 1 BvR 2777/20 – im streitgegenständlichen Zeitraum 18,36 EUR monatlich. Hieraus errechnet sich ein Gesamtbetrag von 55,08 EUR für den Drei-Monats-Zeitraum vom 1. Januar 2024 bis 31. März 2024.
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Auch die zusätzlich festgesetzten Säumniszuschläge wurden zu Recht erhoben. Die Erhebung eines Säumniszuschlags folgt aus § 11 Abs. 1 der Satzung des Bayerischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge (Rundfunkbeitragssatzung) vom 5. Dezember 2016, in Kraft ab 1. Januar 2017 (StAnz Nr. 51-52/2016). Danach wird dann, wenn geschuldete Rundfunkbeiträge nicht innerhalb einer Frist von vier Wochen nach Fälligkeit in voller Höhe entrichtet werden, ein Säumniszuschlag in Höhe von 1% der rückständigen Beitragsschuld, mindestens aber ein Betrag von 8,00 EUR fällig. Der Säumniszuschlag wird zusammen mit der Rundfunkbeitragsschuld durch Bescheid nach § 10 Abs. 5 RBStV festgesetzt. Mit jedem Bescheid kann nur ein Säumniszuschlag festgesetzt werden. Mit der Regelung in § 7 Abs. 3 Satz 2 RBStV ist die Fälligkeit des Beitrags im Gesetz festgelegt, die Beiträge werden nicht etwa erst dann fällig, wenn eine Rechnung oder gar ein Bescheid ergeht. Die Säumnisfolgen nach § 11 Abs. 1 der Rundfunkbeitragssatzung bauen in nicht zu beanstandender Weise auf dieser Systematik auf; es ist insoweit auch kein Rechtsschutzdefizit ersichtlich (VG Bayreuth, U.v. 28.9.2016 – B 3 K 15.828 – BeckRS 2016, 117821 Rn. 60). Der Säumniszuschlag ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Es war der Mindestbetrag von 8,00 EUR anzusetzen, da 1% der mit dem streitgegenständlichen Bescheid festgesetzten Rundfunkbeiträge in Höhe von insgesamt 55,08 EUR zu einem geringeren Betrag als 8,00 EUR führen würde.
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Damit erweist sich der angegriffene Bescheid in vollem Umfang als rechtmäßig. Er verletzt die Klagepartei nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klage war daher abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Regelung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.