Titel:
Rundfunkbeitrag, privater Bereich, Festsetzungsbescheid, Raumeinheit, Wohnung, Vermutung der Inhaberschaft einer Wohnung, melderechtliche Meldung, Widerlegung der Vermutung, Betriebsstätte innerhalb der Wohnung, Wohnung innerhalb der Betriebsstätte
Normenketten:
RBStV § 2 Abs. 1
RBStV § 2 Abs. 2 S. 2 Nr. 1
RBStV § 3 Abs. 1 S. 1
RBStV § 5 Abs. 5 Nr. 3
RBStV § 10 Abs. 5
Schlagworte:
Rundfunkbeitrag, privater Bereich, Festsetzungsbescheid, Raumeinheit, Wohnung, Vermutung der Inhaberschaft einer Wohnung, melderechtliche Meldung, Widerlegung der Vermutung, Betriebsstätte innerhalb der Wohnung, Wohnung innerhalb der Betriebsstätte
Fundstelle:
BeckRS 2025, 9338
Tenor
I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig voll-streckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu voll-streckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
1
Der Beklagte führt für den Kläger ein Rundfunkbeitragskonto mit der Nummer … … … für eine Wohnung mit der Anschrift … … in … Die Beteiligten streiten um diesbezügliche Rundfunkbeitragsbescheide.
2
Aufgrund eines Meldedatenabgleichs erlangte der Beklagte Kenntnis von der Tatsache, dass der Kläger seit dem 26. Juni 2006 bei der Stadt … unter der Anschrift … … in … als wohnhaft gemeldet ist.
3
Auf eine schriftliche Anfrage des Beklagten hierzu vom 5. Februar 2019 teilte der Kläger am 8. Februar 2019 mit, es gebe keine Wohnung in diesem Haus.
4
Mit Schreiben vom 8. Mai 2019 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, das Einwohnermeldeamt habe mitgeteilt, dass er unter der genannten Anschrift melderechtlich gemeldet sei. Daher werde auf den Namen des Klägers zum 1. Januar 2016 eine Wohnung unter der Anschrift … … in … angemeldet. Als Inhaber einer rundfunkbeitragspflichtigen Wohnung seien alle volljährigen Personen anzusehen, die nach dem Melderecht in der Wohnung gemeldet seien.
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Mit Schreiben vom 13. Mai 2019 teilte der Kläger dem Beklagten mit, im Haus … … in … gebe es keine Wohnung. Er sei dort gemeldet, weil er dort arbeite und die Post dahin geliefert werden solle.
6
Mit Schreiben vom 29. August 2019 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, die Rundfunkbeitragspflicht werde nicht durch die tatsächliche Nutzung, sondern durch das Innehaben eines Wohnsitzes begründet. Als Inhaber einer Wohnung gälten alle volljährigen Personen, die nach dem Melderecht an dem Wohnsitz gemeldet seien. Damit sei der Kläger als Inhaber der Wohnung beitragspflichtig.
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Daraufhin wies der Kläger den Beklagten mit Schreiben vom 5. September 2019 darauf hin, sein Wohnsitz sei die … * in … Der Beklagte verwies mit Schreiben vom 5. Dezember 2019 erneut darauf, dass der Kläger melderechtlich seit dem 1. August 2003 (sic!) im Anwesen … … in … gemeldet sei.
8
Mehrfachen Zahlungsaufforderungen widersprach der Kläger.
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Unter dem 1. Oktober 2020 erläuterte der Beklagte dem Kläger erneut die rechtlichen Grundlagen der Rundfunkbeitragserhebung.
10
Mit Bescheid vom 1. Dezember 2020 setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger unter der Beitragsnummer … … … für eine Wohnung in der … … in … für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis zum 30. September 2020 einen Rundfunkbeitrag einschließlich Säumniszuschlag in Höhe von 1.007,48 EUR fest.
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Mit Schreiben vom 4. Dezember 2020 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 1. Dezember 2020 mit der Begründung, im betreffenden Anwesen wohne niemand, dort befinde sich ein Konditorei-Café. Zugleich stellte er einen Antrag auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht.
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Mit Bescheid vom 1. Februar 2021 setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Oktober 2020 bis zum 31. Dezember 2020 Rundfunkbeiträge einschließlich Säumniszuschlag in Höhe von 60,50 EUR für die Wohnung … … in … fest.
13
Gegen den Bescheid vom 1. Februar 2021 erhob der Kläger am 8. Februar 2022 Widerspruch mit dem Angebot, die Räumlichkeiten in Augenschein zu nehmen.
14
Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2023 wies der Beklagte den Widerspruch vom 4. Dezember 2020 gegen den Festsetzungsbescheid vom 1. Dezember 2020 sowie den Widerspruch vom 8. Februar 2021 gegen den Festsetzungsbescheid vom 1. Februar 2021 zurück und begründete dies mit der Mitteilung der Einwohnermeldebehörde im Juli 2018, der Kläger sei seit dem Jahr 2006 unter der Anschrift … … in … mit Hauptwohnsitz angemeldet. Sein Vorbringen, er wohne dort nicht, habe der Kläger trotz entsprechender Aufforderung nicht mit einer Bestätigung der Einwohnermeldebehörde belegt. Damit sei der Kläger für eine Wohnung in diesem Anwesen rundfunkbeitragspflichtig. Auf die Häufigkeit oder die Intensität der Wohnnutzung komme es nicht an. Die gesetzliche Vermutung, dass der Kläger dort, wo er gemeldet sei, auch eine Wohnung innehabe, könne lediglich durch eine entsprechende melderechtliche Bestätigung der Meldebehörde widerlegt werden. Dies habe der Kläger jedoch nicht getan.
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Am 7. Februar 2023 erhob der Kläger im vorliegenden Verfahren Klage zum Verwaltungsgericht Würzburg und beantragte in der mündlichen Verhandlung,
die Bescheide vom 4. Dezember 2020 und vom 1. Februar 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2023 aufzuheben.
16
Dies begründete er damit, das Anwesen werde ausschließlich zu betrieblichen Zwecken genutzt, was durch Augenschein belegbar sei. Die Meldung bei der Einwohnermeldebehörde werde aufrechterhalten, weil es für die Postzustellung erforderlich sei. Im genannten Anwesen befinde sich keine Wohnung, kein Radio, kein Fernsehgerät und keine Internetverbindung.
17
Zudem legte der Kläger eine Meldebescheinigung der Stadt … vom 23. Mai 2023 vor, aus welcher hervorgeht, dass der Kläger seit dem 26. Juni 2006 unter der Anschrift … … in … mit einer Hauptwohnung und seit dem 1. August 2003 unter der Anschrift … * in … mit einer Nebenwohnung gemeldet ist.
18
Der Beklagte ließ beantragen,
Die Klage wird abgewiesen.
19
Zur Begründung wurde vorgetragen, wenn der Kläger nicht im Anwesen … … in … wohne, sei es ihm ohne weiteres möglich, eine entsprechende korrigierte und aktualisierte Meldebestätigung des Einwohnermeldeamtes beizubringen. Es sei treuwidrig, einerseits unter einer Adresse gemeldet zu sein, andererseits aber dort tatsächlich nicht zu wohnen. Mit dem formalisierten Verfahren im Rundfunkbeitragsrecht wolle der Gesetzgeber Nachforschungen „hinter den Haustüren“ vermeiden.
20
Tatsächlich werde der Kläger unter der Beitragsnummer ..283 747 3** unter der Anschrift … … in … als Hauptwohnsitz zur Zahlung von Rundfunkbeiträgen herangezogen. Zudem sei er mit Nebenwohnsitz unter der Anschrift … * in … gemeldet. Unter der Beitragsnummer … … … werde Frau … … für deren Hauptwohnsitz … * in … zur Zahlung von Rundfunkbeiträgen herangezogen. Zugleich werde der Kläger unter der Beitragsnummer … … … mit einer Betriebsstätte „Konditorei-Cafe …“ unter der Anschrift … … in … zur Zahlung von Rundfunkbeiträgen herangezogen.
21
Auf ein Aufklärungsschreiben des Gerichts teilte der Kläger mit, er lebe mit seiner Ehefrau gemeinsam in einer Wohnung. Der Betriebssitz … … in … sei nicht der Wohnsitz. Es gebe dort keine Wohnung. Mit der Anmeldung eines Wohnsitzes im Anwesen … … in … habe er die Zustellung von Post für sein Unternehmen an diese Adresse bewirken wollen. Nunmehr habe er diesen Wohnsitz abgemeldet und es sei für ihn nervig, dass nunmehr Post für sein Unternehmen unter der Privatadresse … * in … ausgeliefert werde. Zugleich legte der Kläger eine Meldebestätigung der Stadt … vom 27. Juli 2023 vor, wonach der Kläger seit dem 27. Juli 2023 einzig unter der Adresse … * in … gemeldet ist.
22
Im Übrigen wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 3. April 2025, auf das weitere schriftsätzliche Vorbringen der Parteien sowie auf den Inhalt der einschlägigen Verwaltungsakten des Beklagten, welche Gegenstand des Verfahrens waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
23
Über die Klage konnte gemäß § 102 Abs. 2 VwGO trotz Ausbleibens eines Vertreters oder Bevollmächtigten des Beklagten in der mündlichen Verhandlung verhandelt und entschieden werden.
24
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind die Bescheide des Beklagten vom 4. Dezember 2020 und vom 1. Januar 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Januar 2023, mit welchen der Beklagte gegenüber dem Kläger unter der Beitragsnummer … … … Rundfunkbeiträge einschließlich Säumniszuschlägen für eine Wohnung mit der Anschrift … … in … festgesetzt hat.
25
Die Klage ist zwar zulässig, inhaltlich jedoch unbegründet. Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
26
Rechtsgrundlage für die Erhebung des Rundfunkbeitrags ist der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) vom 15. Dezember 2010 (GVBl. 2011 S. 258, 404; 2012 S. 18, BayRS 02-28-S), verkündet als Art. 1 des Fünfzehnten Staatsvertrags zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Fünfzehnter Rundfunkänderungsstaatsvertrag), zuletzt geändert mit § 1 Staatsvertrag vom 28.4.2020 (GVBl 2020, 450, in Kraft getreten am 7.11.2020, Bek.v.13.1.2021, GVBl 2021,14). Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag stellt eine materiell rechtmäßige und wirksame gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Beitragserhebung dar. Er verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass er europarechtskonform und – abgesehen vom Sonderfall der Nebenwohnung bis zu dessen Neuregelung mit Wirkung vom 1. Juni 2020 – verfassungsgemäß ist (vgl. EuGH, U.v. 13.12.2018 – C-492/17 – NJW 2019, 577; BVerfG, U.v. 18.7.2018 – 1 BvR 1675/16 u.a. – NJW 2018, 3223; BayVerfGH, U.v. 15.5.2014 – Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 – NJW 2014, 3215).
27
Nach § 2 Abs. 1 RBStV ist im privaten Bereich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten. Inhaber einer Wohnung ist jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt (§ 2 Abs. 2 Satz 1 RBStV). Wohnung in diesem Sinne ist unabhängig von der Zahl der darin enthaltenen Räume jede ortsfeste, baulich abgeschlossene Raumeinheit, die zum Wohnen oder Schlafen geeignet ist oder genutzt wird und durch einen eigenen Eingang unmittelbar von einem Treppenhaus, einem Vorraum oder von außen, nicht ausschließlich über eine andere Wohnung, betreten werden kann (§ 3 Abs. 1 Satz 1 RBStV). Als Inhaber einer Wohnung wird jede Person vermutet, die dort nach dem Melderecht gemeldet ist (§ 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RBStV). Die Pflicht zur Entrichtung des Rundfunkbeitrags beginnt mit dem Ersten des Monats, in dem der Beitragsschuldner erstmals die Wohnung innehat (§ 7 Abs. 1 Satz 1 RBStV). Rückständige Rundfunkbeiträge werden durch die zuständige Landesrundfunkanstalt festgesetzt (§ 10 Abs. 5 Satz 1 RBStV).
28
Bei der baulichen Einheit unter der Anschrift … … in … handelt es sich um eine ortsfeste, abgeschlossene Raumeinheit, die durch einen Eingang von außen betreten werden kann. Dies haben die Parteien nicht in Frage stellt.
29
Diese Raumeinheit ist zum Wohnen oder Schlafen geeignet. Die Geeignetheit einer Raumeinheit zum Wohnen oder Schlafen ist nicht von einer bestimmten Zimmeranzahl oder Mindestausstattung der Raumeinheit abhängig. Es bedarf keiner besonderen Ausstattungsmerkmale wie etwa eines Badezimmers oder einer Küche; ebenso wenig benötigt diese Raumeinheit eine bestimmte Mindestmöblierung wie z.B. ein Bett, um zum Wohnen oder Schlafen geeignet zu sein (Schneider/Siekmann in Binder/Vesting, Beck‘scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 5. Aufl. 2024, § 3 RBStV Rn. 14).
30
Hierbei handelt es sich um eine eigenständige Definition des Begriffs der Wohnung für den Bereich des Rundfunkbeitragsrechts, die an den Abgrenzungserfordernissen des Beitragsrechts ausgerichtet und im Licht des Beitragsmodells auszulegen ist. Der Begriff der Wohnung ist mit dieser Definition objektiv formalisiert abgrenzbar (LT-Drs. 16/7001, 14). Damit sollen Ermittlungen „hinter der Wohnungstür“ entfallen (BayVerfGH, U.v. 15.5.2014 – Vf. 8-VII-12 – BeckRS 2014, 52739, Rn. 108). Um den Wohnungsbegriff des § 3 Abs. 1 RBStV zu erfüllen, ist ein tatsächliches Bewohnen dieser Raumeinheit nicht erforderlich (BayVGH, B.v. 18.2.2015 – 7 CS 15.103 – juris Rn. 10).
31
Wird in der Wohnung eine Betriebsstätte betrieben, lässt dies die Geeignetheit der Raumeinheit zum Wohnen oder Schlafen nicht entfallen.
32
Dass sich in einer Raumeinheit sowohl eine Wohnung als auch eine Betriebsstätte befinden kann, ergibt sich bereits aus der vom Gesetzgeber dafür geschaffenen Kollisionsnorm des § 5 Abs. 5 Nr. 3 RBStV. Hiernach ist ein Rundfunkbeitrag im nichtprivaten Bereich nicht zu entrichten, wenn sich die Betriebsstätte innerhalb einer beitragspflichtigen Wohnung befindet, für die bereits ein Rundfunkbeitrag entrichtet wird (bzw. zu entrichten ist). Der Gesetzgeber hat damit der Beitragsschuld für die Wohnung den Vorrang eingeräumt vor der Beitragsschuld für die Betriebstätte. Damit ist auch der Fall umfasst, dass sämtliche Räume der Raumeinheit in welchem Umfang auch immer für nichtprivate Zwecke genutzt werden (VG München, U.v. 2.3.2016 – M 6 K 15.1124 – juris Rn. 73). Selbst die Entrichtung von Rundfunkbeiträgen für eine Betriebsstätte in einer Wohnung ändert nichts an der Beitragspflicht für die Wohnung (BayVGH, B.v. 22.10.2024 – 7 ZB 23.1062 – juris Rn. 10; vgl. zur gesamten Problematik auch OVG Berlin-Bbg., B.v. 7.5.2020 – OVG 11 S 39/20 – juris Rn. 3; OVG NW, B.v. 24.7.2019 – 2 A 3345/18 – NVwZ-RR 2019, 1063, 1064, Rn. 9; VG Frankfurt (Oder), U.v. 4.11.2019 – 3 K 4135/17 – juris Rn. 39).
33
Auf dieser Grundlage gelangt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Raumeinheit … … in … zum Wohnen oder Schlafen geeignet ist, auch wenn sie – wie der Kläger unwidersprochen vorgetragen hat – keine hierfür geeignete Möblierung oder Ausstattung aufweist und auch wenn in dieser Raumeinheit eine Betriebsstätte betrieben wird. Es ist nicht erkennbar, dass eine Übernachtung in der Raumeinheit – beispielsweise mit Hilfe einer einfachen transportablen Liege – unmöglich wäre. Damit kommt es auf das Angebot des Klägers, die Raumeinheit in Augenschein zu nehmen, sowie auf die mit Schreiben vom 29. März 2025 vorgelegten Lichtbilder nicht an. Wie oben ausgeführt, sollen gerade derartige Nachforschungen „hinter der Wohnungstür“ vermieden werden, dies gerade auch unter dem Aspekt, dass in Massenverfahren wie der Erhebung von Rundfunkbeiträgen eine Anknüpfung an einen typisierenden und damit pauschalisierenden Tatbestand zulässig ist (LT-Drs. 16/7001 S. 14).
34
Damit erfüllt das Anwesen … … in … den Wohnungsbegriff nach § 3 Abs. 1 RBStV.
35
Für die Entstehung eines Rundfunkbeitrags für eine derartige Wohnung ist es erforderlich, dass eine natürliche Person (Göhmann/Siekmann in Binder/Vesting, Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 5. Aufl. 2024, § 2 RBStV Rn. 5) diese Wohnung innehat, also Inhaber der Wohnung i.S. des § 2 RBStV ist. Für eine Wohnung i.S. des § 3 RBStV, die keinen Inhaber i.S. des § 2 RBStV hat, entsteht demgegenüber kein Rundfunkbeitrag (vgl. hierzu VG Berlin, U.v. 10.11.2025 – 27 K 501.14 – juris LS und Rn. 21, das auf die Zwecksetzung des Inhabers einer Raumeinheit durch eine Meldung bei der Meldebehörde abstellt, welche die Raumeinheit zur Wohnung im Sinne des Rundfunkbeitragsrechts werden lässt).
36
Der Kläger ist Inhaber der Wohnung … … in …, so dass zu seinen Lasten für den Zeitraum des Innehabens dieser Wohnung hierfür kraft Gesetzes (BVerwG, U.v. 15.6.2016 – 6 C 35.15 – BeckRS 2016, 49588 Rn. 8) ein Rundfunkbeitrag entstanden ist. Dies trifft insbesondere auch auf die hier streitigen Zeiträume vom 1. Januar 2016 bis zum 30. September 2020 (Bescheid vom 1.12.2020) und vom 1. Oktober 2020 bis zum 31. Dezember 2020 (Bescheid vom. 1.2.2021) zu.
37
Die Wohnungsinhaberschaft ergibt sich aus der Vermutung des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RBStV. Hiernach wird als Inhaber einer Wohnung jede Person vermutet, die dort nach dem Melderecht gemeldet ist. Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis zum 31. Dezember 2020 im Anwesen … … in … gemeldet. Dies ergibt sich aus der Meldebescheinigung der Stadt … vom 23. Mai 2023 (Bl. 52 Gerichtsakte), wonach der Kläger seit dem 26. Juni 2006 mit der Hauptwohnung … … und seit dem 1. August 2003 mit der Nebenwohnung … * in … gemeldet ist.
38
Die Vermutung nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RBStV kann widerlegt werden. Eine solche Widerlegung ist dem Kläger jedoch nicht gelungen.
39
Die Vermutung des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RBStV ist widerleglich.
40
Aus der Landtagsdrucksache 16/7001 vom 21. Januar 2011 – Antrag der Staatsregierung auf Zustimmung zum 15. Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag) – Begründung, B., I., B., zu § 3 ergibt sich, das die Vermutung nach Abs. 2 Satz 2 des § 2 RBStV widerlegt werden kann. Den Nachweis, dass eine Wohnung nicht bewohnt wird, hat die betreffende gemeldete Person zu führen. Die sich aus dem Melderecht ergebende Verpflichtung, sich an-, um- oder abzumelden, bleibt davon unberührt. Die Landesrundfunkanstalten legen in ihren Satzungen Kriterien für diesen Nachweis fest, um eine einheitliche Verwaltungspraxis sicherzustellen.
41
Auf dieser Grundlage hat der Beklage in seiner Satzung über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge (Rundfunkbeitragssatzung) vom 15. Dezember 2016 (StAnz. Nr. 51 bis 52/2016) Regelungen zur Widerlegung dieser Vermutung geschaffen. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Rundfunkbeitragssatzung kann die Rundfunkanstalt im Einzelfall verlangen, dass ein Nachweis erbracht wird für alle Tatsachen, die Grund, Höhe oder Zeitraum der Beitragspflicht betreffen, insbesondere für die Widerlegung der Vermutung nach § 2 Abs. 2 Satz 2 RBStV (Inhaberschaft einer Wohnung). Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 Rundfunkbeitragssatzung sind die Nachweise durch Urkunden zu erbringen. Dabei soll der Beitragsschuldner darauf hingewiesen werden, welche Daten zum Nachweis benötigt werden (§ 6 Abs. 2 Satz 2 Rundfunkbeitragssatzung). Als Nachweis ist in den Fällen des Abs. 1 Nr. 2 insbesondere eine Meldebescheinigung der Meldebehörde vorzulegen (§ 6 Abs. 2 Satz 3, 2 Alt. 3 Rundfunkbeitragssatzung).
42
Die Widerlegung der Vermutung mittels einer Urkunde kann nicht nur durch eine korrigierte Meldebescheinigung erfolgen, sondern auch durch andere Urkunden; diesbezügliche genauere gesetzliche Regelungen existieren nicht, so dass jeder Einzelfall einer besonderen Prüfung bedarf. Allerdings muss die Urkunde für den Beleg, dass die fragliche Person nicht selbst in der Wohnung wohnt, geeignet sein. In Betracht kommt hier z.B. die Bescheinigung eines Vermieters über die Wohnungsaufgabe des zum Rundfunkbeitrag herangezogenen Mieters oder die Vorlage eines Untermietvertrages, der belegt, dass der zum Rundfunkbeitrag herangezogene Mieter keinen Zugang zur Wohnung hat (Göhmann/Siekmann in Binder/Vesting, Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 5. Aufl. 2024, § 2 RBStV Rn. 29; vgl. ausführlich zur gesamten Problematik und insbesondere zur diesbezüglichen Bedeutung einer notariellen eidesstattlichen Versicherung: VG Würzburg, U.v. 17.1.2019 – W 3 K 17.1235 – juris Rn. 48 ff.; zustimmend hierzu auch VG Regensburg, U.v. 13.5.2024 – RO 3 K 23.1708 – BeckRS 2024, 14437 Rn. 27; VG Cottbus, U.v. 16.12.2022 – VG 6 K 153/17 – BeckRS 2022, 4794 Rn. 33; VG München, U.v. 27.7.2022 – M 6 K 20.1840 – BeckRS 2022, 20664 Rn. 32; VG München, U.v. 1.8.2022 – M 6 K 21.554 – BeckRS 2022, 29399 Rn. 24; offengelassen: NdsOVG, B.v. 16.8.2022 – 8 LA 83/22 – BeckRS 2022, 52978 Rn. 12; VG Ansbach, U.v. 20.2.2020 – AN 6 K 17.01964 – BeckRS 2020, 10443 Rn. 44).
43
Allerdings hat der Kläger keine Urkunde vorgelegt, die dafür geeignet wäre, die aus der Meldung des Erstwohnsitzes in der … … in … fließende Vermutung der Inhaberschaft einer Wohnung zu widerlegen. Er hat lediglich vorgetragen, er wohne nicht im Anwesen … …, sondern im Anwesen … * in …, er habe sich gleichwohl mit erstem Wohnsitz im Anwesen … … in … melderechtlich gemeldet, um hiermit die Zuleitung von seinen Gewerbetrieb betreffende Post an diese Anschrift zu bewirken. Hiermit kann er die Vermutung nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RBStV jedoch schon deshalb nicht widerlegen, weil er nicht dazu in der Lage war, eine entsprechende Urkunde vorzulegen. Zudem muss davon ausgegangen werden, dass der Kläger sich in melderechtlicher Hinsicht nicht vorsätzlich ordnungswidrig verhält. Denn nach § 17 Abs. 1 BMG hat lediglich derjenige, der eine Wohnung bezieht, sich innerhalb von zwei Wochen nach dem Einzug bei der Meldebehörde anzumelden. Im Umkehrschluss ist die Anmeldung ohne den Bezug einer Wohnung nicht zulässig. Dementsprechend handelt nach § 54 Abs. 2 Nr. 1 BMG ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 17 Abs. 1 BMG sich nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig anmeldet.
44
Aus diesen Gründen ist es für das Gericht nicht erkennbar, dass der Kläger entgegen der Vermutung nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RBStV keinerlei Zugang zum bzw. Zugriff auf die Wohnung in der … … in … hätte. Vielmehr hat er selbst in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass er sich in diesem Anwesen regelmäßig aufhält.
45
Keine Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass sich im Anwesen … … in … – auch – eine Betriebsstätte des Klägers befindet. Denn wie oben bereits ausgeführt hat der Gesetzgeber mit § 5 Abs. 5 Nr. 3 RBStV der Rundfunkbeitragspflicht für eine Wohnung den Vorrang vor der Betriebsstätte eingeräumt. Die Rundfunkbeitragspflicht des Klägers für seine Betriebsstätte ändert nichts an der Beitragspflicht für die Wohnung. Gemäß § 5 Abs. 5 Nr. 3 RBStV könnte nämlich umgekehrt der Kläger möglicherweise von der Beitragspflicht für die Betriebsstätte (und nicht für die streitgegenständliche Wohnung) befreit werden, weshalb eine unangemessene Doppelbelastung durch § 5 Abs. 5 Nr. 3 RBStV hinreichend ausgeschlossen ist (BayVGH, B.v. 22.10.2024 – 7 ZB 23.1062 – juris Rn. 19; OVG Berlin-Bbg., B.v. 7.5.2020 – OVG 11 S 39/20 – juris Rn. 3).
46
Aus alledem ergibt sich, dass es sich aus rundfunkbeitragsrechtlicher Sicht beim Anwesen … … in … um eine Wohnung handelt, die der Kläger gemäß der Vermutung aus § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RBStV innehat, ohne dass er diese Vermutung der Wohnungsinhaberschaft hätte widerlegen können. Damit ist er für dieses Anwesen rundfunkbeitragspflichtig.
47
Eine analoge Anwendung des § 5 Abs. 5 Nr. 3 RBStV auf den privaten Bereich dergestalt, dass für eine Wohnung, die sich innerhalb einer beitragspflichtigen Betriebsstätte befindet, ein Rundfunkbeitrag nicht zu entrichten ist, scheidet schon mangels der hierfür erforderlichen planwidrigen Regelungslücke aus (Schneider/Siekmann in Binder/Vesting, Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 5. Aufl. 2024, § 5 RBStV Rn. 57).
48
Auch sonst bestehen keine rechtlichen Bedenken gegen die streitgegenständliche Festsetzung von Rundfunkbeiträgen für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2020.
49
Damit hat der Beklagte zu Recht mit Bescheid vom 1. Dezember 2020 für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis zum 30. September 2020 und mit Bescheid vom 1. Februar 2021 für die Zeit vom 1. Oktober 2020 bis zum 31. Dezember 2020, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2023 Rundfunkbeiträge für dieses Anwesen gegenüber dem Kläger festgesetzt.
50
Die neben den Rundfunkbeiträgen festgesetzten Säumniszuschläge wurden ebenfalls zu Recht erhoben. Die Erhebung eines Säumniszuschlags folgt aus § 11 Abs. 1 Rundfunkbeitragssatzung. Danach wird dann, wenn geschuldete Rundfunkbeiträge nicht innerhalb einer Frist von vier Wochen nach Fälligkeit in voller Höhe entrichtet werden, ein Säumniszuschlag in Höhe von 1% der rückständigen Beitragsschuld, mindestens aber ein Betrag von 8,00 EUR fällig. Der Säumniszuschlag wird zusammen mit der Rundfunkbeitragsschuld durch Bescheid nach § 10 Abs. 5 RBStV festgesetzt. Mit jedem Bescheid kann nur ein Säumniszuschlag festgesetzt werden. Mit der Regelung in § 7 Abs. 3 Satz 2 RBStV ist die Fälligkeit des Beitrags im Gesetz festgelegt, die Beiträge werden nicht etwa erst dann fällig, wenn eine Rechnung oder gar ein Bescheid ergeht. Die Säumnisfolgen nach § 11 Abs. 1 der Rundfunkbeitragssatzung bauen in nicht zu beanstandender Weise auf dieser Systematik auf; es ist insoweit auch kein Rechtsschutzdefizit ersichtlich (VG Bayreuth, U.v. 28.9.2016 – B 3 K 15.828 – BeckRS 2016, 117821 Rn. 60).
51
Die Höhe des Säumniszuschlags von 9,98 EUR im Bescheid vom 1. Dezember 2020 ist nicht zu beanstanden. Dies entspricht einem Betrag von 1% der rückständigen Beitragsschuld von 997,50 EUR. Auch der Säumniszuschlag von 8,00 EUR im Bescheid vom 1. Februar 2021 ist der Höhe nach nicht zu beanstanden. Hierbei handelt es sich um den Mindestbetrag.
52
Aus diesen Gründen erweisen sich die angegriffenen Bescheide als rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO in vollem Umfang abzuweisen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.