Titel:
Ablehnung der Überbrückungshilfe III, unzulässige Klage gegen Schluss-Ablehnungsbescheid, formunwirksame Klageerhebung, Versäumung der Klagefrist, unwirksame Klageerhebung durch Steuerberater per Briefpost, zwingende Verpflichtung von Steuerberatern zur elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen über das besondere elektronische Steuerberaterpostfach, beSt, keine Ausnahme und keine Wiedereinsetzung, fortdauernder Verstoß gegen Berufspflichten durch unterlassene Rücksendung der elektronischen Empfangsbekenntnisse
Normenketten:
VwGO § 55a
VwGO § 55d
VwGO § 67
BayDiG Art. 24
ZPO § 189
BOStB § 23
Schlagworte:
Ablehnung der Überbrückungshilfe III, unzulässige Klage gegen Schluss-Ablehnungsbescheid, formunwirksame Klageerhebung, Versäumung der Klagefrist, unwirksame Klageerhebung durch Steuerberater per Briefpost, zwingende Verpflichtung von Steuerberatern zur elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen über das besondere elektronische Steuerberaterpostfach, beSt, keine Ausnahme und keine Wiedereinsetzung, fortdauernder Verstoß gegen Berufspflichten durch unterlassene Rücksendung der elektronischen Empfangsbekenntnisse
Fundstellen:
NWB 2025, 1901
BeckRS 2025, 9336
Tenor
I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.Der Gerichtsbescheid ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung seines Antrags auf Gewährung der von ihm begehrten Überbrückungshilfe III in Höhe von 3.893,00 EUR gemäß der Richtlinie für die Gewährung von Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen – Phase 3 (Überbrückungshilfe III) des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie vom 18. Februar 2021, Az. PGÜ-3560-3/2/304 (BayMBl. Nr. 132), zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 21. Dezember 2021 (BayMBl. Nr. 25) – im Folgenden: Richtlinie Überbrückungshilfe III – und gegen die Rückzahlung der ihm gewährten Überbrückungshilfe in Höhe von 3.893,00 EUR samt Zinszahlung.
2
Mit Online-Antrag vom 15. Februar 2021 beantragte der Kläger eine Überbrückungshilfe III in Höhe von 3.893,00 EUR.
3
Mit Bescheid vom 12. April 2021 wurde ihm eine Überbrückungshilfe in Höhe von 3.893,00 EUR gewährt (Nr. 1). Die Bewilligung und Auszahlung der Neustarthilfe erging unter dem Vorbehalt der endgültigen Festsetzung in einem Schlussbescheid (Nr. 2).
4
Mit Schluss-Ablehnungsbescheid vom 28. November 2024 wurde der Antrag des Klägers auf Gewährung eine Überbrückungshilfe III mangels fristgerechter Einreichung einer Schlussabrechnung abgelehnt (Nr. 1, 3) Der vorläufige Bewilligungsbescheid wurde vollständig ersetzt (Nr. 2). Der Kläger wurde zur Rückzahlung der erhaltenen 3.893,00 EUR sowie zur Zinszahlung verpflichtet (Nr. 4).
5
Der Schluss-Ablehnungsbescheid wurde am 28. November 2024 im Antragsportal für die Überbrückungshilfe zum Abruf für den Kläger über den prüfenden Dritten bereitgestellt. Der prüfende Dritte wurde per E-Mail vom selben Tag darüber informiert.
6
Mit Schreiben vom 27. Dezember 2024, bei Gericht im Nachtbriefkasten eingegangen am 30. Dezember 2024, ließ der Kläger durch den bevollmächtigten Steuerberater Klage („Einspruch“) gegen den Schluss-Ablehnungsbescheid vom 28. November 2024 erheben, ohne einen konkreten Klageantrag zu formulieren.
7
Mit Schreiben des Gerichts vom 3. Januar 2025 wurde der Klägerbevollmächtigte darauf hingewiesen, dass die Klage formunwirksam erhoben sei, weil sie entgegen der zwingenden Verpflichtung von Steuerberatern zur elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen nicht über das besondere elektronische Steuerberatungspostfach (beSt) eingereicht worden sei (vgl. §§ 55a, 55d VwGO). Die Klage per Briefpost in Papierform wahre auch nicht die Klagefrist.
8
Das Gericht wiederholte den Hinweis, dass die Klage nicht die erforderliche elektronische Form und damit auch nicht die Klagefrist wahre mit Schreiben vom 24. Januar 2025 und empfahl auch aus Kostengründen eine Klagerücknahme.
9
Mit Schreiben vom 21. März 2025 hörte das Gericht die Beteiligten zum Erlass eines Gerichtsbescheids gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO an.
10
Der Steuerberater äußerte sich nicht und schickte auch trotz Erinnerung die elektronischen Empfangsbekenntnisse nicht zurück Ebenso wenig legte er trotz wiederholter Aufforderung seine Vollmacht vor.
11
Die Kammer übertrug den Rechtsstreit mit Beschluss vom 11. April 2025 die dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung.
12
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze samt Anlagen, die Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
13
Gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden vorher angehört (§ 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO).
14
Die Klage ist schon abzuweisen, weil sie unzulässig ist.
15
Die ausschließlich in Papierform am 30. Dezember 2024 über den Nachtbriefkasten eingereichte – nicht unterschriebene – Klage ist unzulässig. Die Klage ist nicht wirksam erhoben. Denn sie wahrt jedenfalls nicht die nach § 55d Satz 2 VwGO gebotene Form, weil der vom Kläger bevollmächtigte Steuerberater gegenüber dem Verwaltungsgericht nicht das für ihn verpflichtende besondere elektronische Steuerpostfach (beSt) verwendet hat.
16
Aus dem gleichen Grund wahrt sie auch nicht die einmonatige Klagefrist des § 74 VwGO, die nach der allein relevanten ersten elektronischer Bereitstellung des streitgegenständlichen Bescheides am 28. November 2024, in die der Klägerbevollmächtigte für den Kläger entsprechend Art. 24 Abs. 1 S. 1 BayDiG (vormals Art. 6 Abs. 4 BayEGovG) eingewilligt hat (siehe S. 5 der Behördenakte), mit Ablauf des dritten Tages (1.12.2024) am 2. Dezember 2024, 0.00 Uhr zu laufen begonnen hat (§ 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayDiG). Die Monatsfrist ist – wegen des Feiertages an Neujahr – mit Ablauf des 2.Januar 2025, 24.00 Uhr, verstrichen (§ 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB; vgl. zum Ganzen auch VG Würzburg, U.v. 4.11.2024 – W 8 K 24.371 – juris Rn. 31. ff.).
17
Denn vorbereitende – und gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 253 Abs. 4 ZPO auch bestimmende – Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen sind über einen Rechtsanwalt oder einen Steuerberater usw. als elektronisches Dokument zu übermitteln (§ 55d Satz 1 VwGO). Nach § 55d Satz 2 VwGO gilt das Gleiche für die nach diesem Gesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 55a Abs. 4 Nr. 2 VwGO zur Verfügung steht. Die Voraussetzungen der elektronischen Übermittlungspflicht nach § 55d Satz 2 VwGO sind bei dem durch den Kläger bevollmächtigten Steuerberater erfüllt. Er ist für das vorliegende Verfahren nach § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3a VwGO vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt. Für ihn steht ein sicherer Übermittlungsweg im Sinne des § 55a Abs. 4 Nr. 2 VwGO zur Verfügung (vgl. § 86d StBerG; Buchheister in Wysk, VwGO, 4. Aufl. 2025, § 55a Rn. 14 und § 55d Rn. 3). Steuerberater sind seit dem 1. Januar 2023 zur hier maßgeblichen aktiven Nutzung des besonderen elektronischen Steuerberatungspostfachs (beSt) verpflichtet, da die Bundessteuerberaterkammer über die Steuerberaterplattform für jeden Steuerberater ab diesem Zeitpunkt ein solches empfangsbereit einrichtet (vgl. VG München, U.v. 28.11.2023 – M 31 K 23.1446 – juris Rn. 14 ff.; BayVGH, B.v. 17.7.2023 – 22 CS 23.1040 – juris Rn. 11; B.v. 3.7.2023 – 22 ZB 23.906 – juris Rn. 12).
18
Der Klägerbevollmächtigte hat nicht vorgetragen, dass die Voraussetzungen für eine wirksame Ersatzeinreichung in Papierform vorgelegen hätten, weil ihm aus technischen Gründen vorübergehend eine elektronische Einreichung nicht möglich gewesen wäre (vgl. § 55d Satz 3 und 4 VwGO).
19
Die Nichteinhaltung einer bestehenden elektronischen Einreichungspflicht führt zur Unwirksamkeit der jeweiligen Erklärungen und zur Unzulässigkeit von eingelegten Rechtsmitteln (BVerwG, B.v. 8.12.2022 – 8 B 51/22 – juris Rn 2; Hoppe/Ulrich, Die elektronische Einreichungspflicht nach § 55d VwGO – eine Rechtsprechungsübersicht, NVwZ 2023, 465, 466).
20
Der Klägerbevollmächtigte wurde wiederholt seitens des Gerichts auf die Formunwirksamkeit seines Schriftsatzes und die Versäumung der Klagefrist hingewiesen.
21
Wiedereinsetzungsgründe gemäß § 60 VwGO wurden weder substantiiert noch rechtzeitig vorgebracht, noch sind sie sonst ersichtlich. Das Gericht weist darauf hin, dass Angehörige der rechts- und steuerberatenden Berufe in der Regel das Verfahrensrecht kennen müssen. Dies gilt insbesondere für die Verpflichtung der Steuerberater, ab dem 1. Januar 2023 Schriftsätze sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen über das besondere elektronische Steuerberaterpostfach als elektronisches Dokument an die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu übermitteln, zumal wenn ein Steuerberater jedenfalls grundsätzlich gegenüber seinem Mandanten bereit ist, auch gerichtliche Mandate zu übernehmen und zu verfolgen. Ein etwaiger Irrtum eines Prozessbevollmächtigten, zu einer elektronischen Einreichung nicht verpflichtet zu sein, ist im Hinblick auf eine Wiedereinsetzung nicht entschuldbar (BFH, B.v. 31.10.2023 – IV B 77/22 – juris Rn. 14; VG München, U.v. 28.11.2023 – M 31 K 23.1446 – juris Rn. 22).
22
Ergänzend wird angemerkt, dass die trotz Erinnerung und Mahnung fehlende Rücksendung der elektronischen Empfangsbekenntnisse im gerichtlichen Verfahren – wodurch der Prozessbevollmächtigte fortdauernd und eklatant gegen seine berufsrechtlichen Pflichten zur unverzüglichen Rücksendung gemäß § 23 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 BOStB verstößt (FG München, G.v. 21.6.2024 – 12 K 1594/23 – juris Rn. 19) – unschädlich ist, wenn der Empfänger wie hier über ca. dreieinhalb Monate hinweg beharrlich seiner Rücksendungspflicht nicht nachkommt und sich der tatsächliche Zugang des jeweiligen Dokuments – wie vorliegend durch gerichtliche Versandprotokolle – anderweitig nachweisen lässt (siehe KG Berlin B.v. 24.1.2025 – 7 U 17/24 --juris Rn 15 ff.; BayVGH, B.v. 3.7.2023 – 22 ZB – juris Rn. 8 f.; jeweils mit Verweis auf § 189 ZPO). Der Prozessbevollmächtigte hat allem Anschein nach sein besonderes elektronisches Steuerberaterpostfach im ganzen Zeitraum überhaupt nicht (selbst) bearbeitet, worauf seine fernmündlichen Aussagen gegenüber der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts hindeuten.
23
Auch das Nichtvorlegen der Vollmachtsurkunde, das auch ein Indiz für eine gänzlich fehlende Bevollmächtigung sein könnte (vgl. FG München, G.v. 21.6.2024 – 12 K 1594/23 – juris Rn. 19) – wovon das Gericht einstweilen aufgrund der telefonischen Nachfrage beim Prozessbevollmächtigten, zuletzt am 2. April 2025 (noch) nicht ausgeht –, enthebt den Bevollmächtigten nicht seiner sonstigen Pflichten.
24
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO als unzulässig abzuweisen.
25
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.