Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 07.05.2025 – 101 VA 12/25
Titel:

Berechtigtes Interesse eines Dritten an Gewährung von Einsicht in eine Nachlassakte

Normenketten:
EGGVG § 23, § 28 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2
FamFG § 13 Abs. 2
BGB § 2365
Leitsätze:
1. Das berechtigte Interesse iSd § 13 Abs. 2 FamFG wird nicht durch den Gegenstand des Verfahrens, dessen Akten eingesehen werden sollen, begrenzt. Ein berechtigtes Interesse liegt regelmäßig vor, wenn Rechte des Antragstellers durch den Streitstoff der Akten auch nur mittelbar berührt werden können und Kenntnis vom Inhalt der Akten für ihn zur Verfolgung von Rechten oder zur Abwehr von Ansprüchen erforderlich ist. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Entscheidung über die Akteneinsicht steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Die Ermessensausübung hat aufgrund einer Abwägung zu erfolgen, der eine mehrstufige Prüfung vorauszugehen hat. Zunächst ist festzustellen, ob der Dritte ein berechtigtes Interesse dargelegt hat. Erforderlich ist im nächsten Schritt eine Glaubhaftmachung. Weiter dürfen keine schutzwürdigen Interessen eines Beteiligten oder Dritten entgegenstehen. Sodann sind gegebenenfalls die unterschiedlichen Interessen abzuwägen. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
1.  Ein berechtigtes Interesse muss sich nicht auf ein bereits vorhandenes Recht stützen, es geht über ein rechtliches Interesse hinaus. (redaktioneller Leitsatz)
2.  Das berechtigte Interesse bezüglich des Gutachtens besteht darin, dass die ergänzende Akteneinsicht der Antragstellerin eine eigenständige Prüfung ermöglicht, ob der Erblasser zum maßgeblichen Zeitpunkt testierfähig war. Maßgeblich ist, dass die Antragstellerin noch nicht über die erbetenen Informationen verfügt und nicht erkennbar ist, dass die Akteneinsicht nicht zu weitergehenden Erkenntnissen führen wird. Ein berechtigtes Interesse liegt im Allgemeinen bereits dann vor, wenn ein künftiges Verhalten des Antragstellers durch die Kenntnis vom Akteninhalt beeinflusst werden kann. (Leitsätze der Redaktion) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Akteneinsicht, Justizverwaltungsakt, berechtigtes Interesse, Erbschein, postmortales Persönlichkeitsrecht, Ermessensentscheidung, Sachverständigengutachten
Fundstellen:
FDErbR 2025, 009332
BeckRS 2025, 9332

Tenor

1. Der Bescheid des Amtsgerichts … vom 23. Januar 2025, Az. …, wird aufgehoben.
Der Antragsgegner wird angewiesen, den Antrag der Antragstellerin vom 19. September 2024 auf Bewilligung von Einsicht in die Akte des Nachlassverfahrens, Az. …, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.
Im Übrigen wird der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin, eine Rechtsanwaltskanzlei in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, wendet sich mit ihrem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die Ablehnung ihres Antrags auf (ergänzende) Akteneinsicht in eine Nachlassakte.
2
Am 12. Oktober 2020 erteilte das Amtsgericht … – Abteilung für Nachlasssachen – aufgrund gesetzlicher Erbfolge den drei Schwestern des am … 2019 verstorbenen … einen Erbschein.
3
Mit Schreiben vom 17. Juli 2021 reichte die Antragstellerin beim Amtsgericht … zwei eigenhändige Testamente des Erblassers vom 17. und 26. August 2014 ein, welche sich in der Verwahrung der Rechtsanwaltskanzlei befunden hätten.
4
Mit Beschlüssen vom 2. Dezember 2021 zog das Amtsgericht den am 12. Oktober 2020 erteilten Erbschein als unrichtig ein und erklärte diesen für kraftlos.
5
Mit anwaltlichem Schreiben vom 22. Dezember 2021 übermittelte der weitere Beteiligte die Ausfertigung eines notariell beurkundeten Antrags auf Erteilung eines Erbscheins vom 20. Dezember 2021 mit der Begründung, dass der Erblasser gemäß den vorgelegten Testamenten von dem weiteren Beteiligten allein beerbt worden sei.
6
Dagegen erhob eine der Schwestern des Erblassers, …, mit anwaltlichem Schreiben vom 19. Mai 2022 Einwendungen. Sie brachte unter anderem vor, der Erblasser sei zu den maßgeblichen Zeitpunkten nicht testierfähig gewesen.
7
Mit Beschluss vom 15. September 2022 ordnete das Amtsgericht die Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens zu der Frage der Testierfähigkeit zum Zeitpunkt der Errichtung der eigenhändigen Testamente vom 17. und 26. August 2014 an, welches am 21. November 2022 erstellt und zur Nachlassakte genommen wurde (Bl. 207/235 d. Akte des Amtsgerichts).
8
Mit anwaltlichem Schreiben vom 15. Dezember 2022 bat der anwaltliche Vertreter der Schwester … des Erblassers das Amtsgericht darum, dem Sachverständigen aufzugeben, die in seinem Gutachten angesprochenen Unterlagen und Informationen sowie das Literaturverzeichnis zu übermitteln. Das Amtsgericht verfügte, dass vom Sachverständigen Kopien der in dem Schriftsatz vom 15. Dezember 2022 erwähnten Unterlagen zu übersenden seien. Am 3. Januar 2023 ging beim Amtsgericht ein Schreiben vom 2. Januar 2023 (Bl. 271 d. Akte des Amtsgerichts) ein, in dem der Sachverständige mitteilte, dass er wie erbeten eine Kopie, „hier auf CD“, eines Teils der genannten Unterlagen übersende. Die weiteren Unterlagen könne er nicht zusenden, weil er sie vor Ort gesichtet und zusammengefasst habe; dies sei in dem Gutachten auch so angegeben. Mit weiterem Schreiben vom 12. Januar 2023 (Bl. 272/274 d. Akte des Amtsgerichts) übermittelte der Sachverständige die erbetene Literaturliste.
9
Mit Beschluss vom 24. Februar 2023 erachtete das Amtsgericht die zur Begründung des Antrags auf Erteilung eines Erbscheins vom 20. Dezember 2021 erforderlichen Tatsachen für festgestellt, setzte die sofortige Wirkung aus und stellte die Erteilung des Erbscheins bis zur Rechtskraft des Beschlusses zurück. Zur Begründung führte es aus, die Erbeinsetzung des weiteren Beteiligten beruhe auf dem letzten, gültigen Testament des Erblassers vom 26. August 2014. Beim Erblasser habe bei Abfassung des Testaments „nicht nachweisbar eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit i. S. v. § 2229 Abs. 4 BGB“ vorgelegen. Das Gericht folge der Einschätzung des Sachverständigen. Am 21. April 2023 erteilte das Amtsgericht einen Erbschein, der den weiteren Beteiligten als Alleinerben nach dem Erblasser ausweist.
10
Am 3. April 2024 beantragte die Antragstellerin Einsicht in die Nachlassakte. Zur Begründung führte sie aus, der in dem übermittelten Testament als Erbe bestimmte weitere Beteiligte beanspruche nunmehr Schadensersatz von dem der Kanzlei angehörenden Rechtsanwalt … und mache geltend, die Übersendung des Testaments sei verspätet erfolgt. Hieraus begründe sich ein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht, um die gebeten werde, um die damaligen zeitlichen Abläufe, eine Höhe eines etwaigen Schadens, die Frage der Wirksamkeit des Testaments etc. prüfen zu können.
11
Die vom Rechtspfleger angehörte weitere Beteiligte erklärte mit Schriftsatz vom 25. April 2024, es könne nicht beurteilt werden, ob ein rechtliches Interesse bestehe. Es sei zutreffend, dass der weitere Beteiligte aufgrund der verspäteten Testamentsübersendung Schadensersatzansprüche geltend gemacht habe. Zwar werde durch ein Akteneinsichtsgesuch die Höhe des Schadens nicht bestimmbar werden, aber es könnten die zeitlichen Abläufe nachvollzogen werden. Daher stehe dem Akteneinsichtsgesuch nichts entgegen.
12
Mit handschriftlicher Verfügung vom 29. April 2024 (Bl. 363 d. Akte des Amtsgerichts), die keiner der Beteiligten übermittelt wurde, bewilligte der Rechtspfleger die Akteneinsicht „ohne Unterhefte u. ohne Gutachten“.
13
Mit Schreiben vom 19. September 2024 bat die Antragstellerin um Nachreichung „der Sachverständigengutachten“. Zur Begründung führte sie aus, ihr sei zwar antragsgemäß Einsicht in die Nachlassakte gewährt worden, allerdings seien vor deren Übersendung „die neurologischen Sachverständigengutachten“ entfernt worden, die Bestandteil der Akte seien. Ihr Gesellschafter Rechtsanwalt … werde inzwischen vom Erben gerichtlich auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Zur Begründung des erforderlichen rechtlichen Interesses werde darauf verwiesen, dass vom Ergebnis „dieser Sachverständigengutachten“ die Erbenstellung des weiteren Beteiligten abhänge und damit die Frage, ob er aktivlegitimiert für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen sei.
14
Die neuerlich angehörte weitere Beteiligte erklärte mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2024, die Aktivlegitimation ergebe sich aus dem Erbschein, der der Antragstellerin bereits im Rahmen der Klage zugestellt worden sei. Aus diesem sei auch das Ergebnis des Sachverständigengutachtens abzuleiten. Ein Sachverständigengutachten weise keine Aktivlegitimation aus.
15
Mit „Beschluss“ des Rechtspflegers vom 23. Januar 2025, Az. …, wurde der Antrag der Antragstellerin vom 19. September 2024 auf ergänzende Akteneinsicht zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Rechtspfleger aus, das Gericht habe bei der zunächst gewährten Akteneinsicht „die im Verfahren erstellten Gutachten“ zurückbehalten. Der weitere Beteiligte habe seine Erklärung mit Schreiben vom 2. Oktober 2024 zutreffend damit begründet, dass bereits aus der Tatsache der Erteilung des Erbscheins abzuleiten sei, was in „den Gutachten“ stehe. Zur Abwehr eventueller Schadensersatzansprüche der Erbin sei es nicht nötig, Einsicht in „die Gutachten“ zu nehmen. Hierfür reiche die schon gewährte Akteneinsicht aus. Es sei davon auszugehen, dass die Antragstellerin „daraus“ alle für ihre Verteidigung notwendigen Informationen habe entnehmen können. Die Einsicht in die Gutachten sei nicht erforderlich. Ein berechtigtes Interesse bestehe nicht.
16
Nach der dem Beschluss beigefügten Rechtsbehelfsbelehrungfinde gegen die Entscheidung das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde statt, die binnen einer Notfrist von zwei Wochen beim Amtsgericht … oder beim Oberlandesgericht München einzulegen sei.
17
Mit an das Bayerische Oberste Landesgericht gerichtetem Schriftsatz vom 11. Februar 2025, eingegangen am selben Tag, hat die Antragstellerin gegen die Entscheidung vom 23. Januar 2025 Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. In der Begründung führt sie aus, inhaltlich handele es sich bei dem angefochtenen Beschluss um einen Justizverwaltungsakt. Ein berechtigtes Interesse könne nicht ernsthaft zweifelhaft sein. Das Nachlassgericht und der weitere Beteiligte würden verkennen, dass der Erbschein gemäß § 2353 BGB lediglich ein Zeugnis über das Erbrecht darstelle, jedoch das Erbrecht nicht begründe. Im Rahmen des Erbscheinsverfahrens sei lediglich über die Ausstellung dieses Zeugnisses zu entscheiden gewesen, hingegen sei keine materiellrechtliche Entscheidung über das Erbrecht getroffen worden. Diese Entscheidung sei der streitigen Gerichtsbarkeit vorbehalten. Daher hänge die Aktivlegitimation des weiteren Beteiligten im anhängigen Schadensersatzverfahren von der Wirksamkeit des vorgelegten Testaments ab und diese wiederum von der Testierfähigkeit des Erblassers. „Die angeforderten psychiatrischen Gutachten“ könnten über die Testierfähigkeit Aufschluss geben.
18
Die Antragstellerin beantragt,
die gerichtliche Entscheidung gemäß § 23 Abs. 1 EGGVG gegen den fälschlich als „Beschluss“ bezeichneten Justizverwaltungsakt des Rechtspflegers am Nachlassgericht … vom 23. Januar 2025, mit welchem der Antrag der Antragstellerin auf Gewährung ergänzender Akteneinsicht kostenpflichtig zurückgewiesen worden ist.
19
Zudem beantragt sie „verbunden mit dem Antrag“ „gemäß § 23 Abs. 2 EGGVG“,
das Nachlassgericht am Amtsgericht … zu verpflichten, der Antragstellerin die beantragte ergänzende Akteneinsicht durch Nachreichung der in den Nachlassakten befindlichen psychiatrischen Gutachten zu gewähren.
20
Der Antragsgegner beantragt,
den Beschluss des Amtsgerichts … vom 23. Januar 2025 auf den Antrag der Antragstellerin hin aufzuheben und anzuordnen, dass der Antragstellerseite ergänzende Einsicht in die Nachlassakte des Amtsgerichts …, Az. …, durch Übersendung des begehrten medizinischen Gutachtens zu gewähren ist.
21
Er beantragt ferner,
die notwendigen Auslagen der Antragstellerseite von der Staatskasse zu erstatten.
22
Zur Begründung führt der Antragsgegner aus, die Argumentation des Amtsgerichts sei falsch. Es sei mitnichten so, dass der Erbschein die Erbenstellung unwiderlegbar vermute oder durch den Erbschein ein nicht erschütterbarer Rechtsschein hinsichtlich der Erbenstellung entstünde. Nach der entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 292 ZPO gelte die Rechtsvermutung des § 2365 BGB hinsichtlich des im Erbschein ausgewiesenen Erbrechts bis zum Beweis des Gegenteils als bewiesen. Es treffe aber nicht zu, dass die Rechtsvermutung nicht oder nur im Erbscheinsverfahren vor dem Nachlassgericht widerlegt werden könne. Den Beweis des Gegenteils könne jeder führen und sich dabei jeden Beweismittels, namentlich in einem Rechtsstreit, bedienen. Sei der Beweis des Gegenteils erbracht, sei das Prozessgericht an die Entscheidung des Nachlassgerichts nicht gebunden. Einen solchen Gegenbeweis wolle die Antragstellerin offenbar im Rechtsstreit mit dem Erbscheinserben führen. Ob er gelinge, möge fraglich sein, doch dürfe es vorliegend nicht um die Erfolgsaussichten des von der Antragstellerin avisierten Vorgehens im Zivilverfahren gegen den Erbscheinserben gehen. Vielmehr komme es darauf an, dass die Antragstellerin an der Testierfähigkeit des Erblassers zweifle und hierfür Kenntnis vom Inhalt des in Auftrag gegeben Gutachtens benötige. Nachdem die Sache spruchreif sei, sei den gestellten Anträgen vollumfänglich zu entsprechen. Die ergänzende Akteneinsicht sei demnach zu gewähren. Die Auslagen seien gemäß § 30 Abs. 1 EGGVG zu erstatten. Es sei unbillig, die Antragstellerin mit der Tragung ihrer notwendigen Auslagen im erfolgreichen Rechtsmittelverfahren zu belasten.
23
Der weitere Beteiligte ist der Auffassung, dass der Antrag zurückzuweisen und die ergänzende Akteneinsicht nicht zu gewähren seien. Das „Ergebnis“ des Sachverständigengutachtens sei bereits aus der erfolgten Akteneinsicht ersichtlich gewesen. Die Wirksamkeit des Testaments ergebe sich bereits aus dem Erbschein. Zudem sei in dem Beschluss des Amtsgerichts vom 24. Februar 2023 festgestellt worden, dass der Erblasser testierfähig gewesen sei.
24
Die Antragstellerin habe von der Geschäfts- und Testierfähigkeit des Erblassers Kenntnis, denn sie habe den Erblasser im maßgeblichen Zeitraum vertreten und diesen sehr wohl für testier- und geschäftsfähig gehalten. Es sei ein Anwaltsvertrag zustande gekommen. Drei Tage vor der Erstellung der ersten letztwilligen Verfügung habe ein Besprechungstermin der Antragstellerin mit dem Erblasser stattgefunden. Die Antragstellerin könne daher kaum an der Testierfähigkeit zweifeln.
25
Soweit die Antragstellerin darauf verweise, dass der Erbschein kein Erbrecht begründe, verkenne sie, dass dies auch für das Sachverständigengutachten gelte. Das Sachverständigengutachten werde auch im Zivilverfahren keine Änderungen herbeiführen, da es feststelle, dass der Erblasser testierfähig gewesen sei. Die Antragstellerin könne die Testierfähigkeit im Zivilverfahren auch ohne Sachverständigengutachten bestreiten.
26
Zudem stünden die schutzwürdigen Interessen des weiteren Beteiligten entgegen. Dies könne auch für den Freistaat Bayern gelten, da die Antragstellerin suggeriere, dass das Amtsgericht fehlerhaft gehandelt habe.
II.
27
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23 ff. EGGVG führt zur Aufhebung des angefochtenen Bescheids und zur Zurückverweisung an den Antragsgegner.
28
1. Der Antrag ist zulässig.
29
a) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG ist der statthafte Rechtsbehelf gegen die vom Nachlassgericht nach § 13 FamFG getroffene Entscheidung über die Nichtgewährung von Einsicht in eine Nachlassakte für Dritte – hier die Antragstellerin – bei einem abgeschlossenen Verfahren (BGH, Beschluss vom 15. November 2023, IV ZB 6/23, NJW-RR 2024, 672 Rn. 13, 17; vgl. BayObLG, Beschluss vom 9. Dezember 2024, 102 VA 138/24, juris Rn. 15; Beschluss vom 28. Juni 2024, 102 VA 232/23, juris Rn. 23 f.). Mit der Erteilung des Erbscheins an den weiteren Beteiligten war das Nachlassverfahren abgeschlossen; eine spruchrichterliche Tätigkeit fand in der Hauptsache nicht mehr statt. Der rechtlichen Qualifizierung als Justizverwaltungsakt steht nicht entgegen, dass die Entscheidung als „Beschluss“ bezeichnet ist und die Rechtsbehelfsbelehrungunzutreffend die sofortige Beschwerde als den statthaften Rechtsbehelf nennt.
30
b) Auch die sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen sind erfüllt.
31
Das Bayerische Oberste Landesgericht ist gemäß § 25 Abs. 2 EGGVG i. V. m. Art. 12 Nr. 3 AGGVG für Entscheidungen in den Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG zuständig.
32
Die Antragstellerin hat insbesondere auch die Frist des § 26 Abs. 1 EGGVG gewahrt, die erst mit Bekanntgabe des Bescheids vom 23. Januar 2025 zu laufen begonnen hat. Die Entscheidung vom 29. April 2024 ist ein Internum geblieben, da sie den Verfahrensbeteiligten nicht übermittelt wurde.
33
2. Der Antrag hat nur insoweit Erfolg, als mit ihm neben der Aufhebung des angefochtenen Bescheids jedenfalls die Verpflichtung zur Neubescheidung verfolgt wird. Der Rechtspfleger des Amtsgerichts hat rechtsfehlerhaft ein berechtigtes Interesse der Antragstellerin als Dritte auf Gewährung von Einsicht in das Sachverständigengutachten gemäß § 13 Abs. 2 FamFG verneint.
34
a) Soweit in dem Antrag auf Akteneinsicht und der angegriffenen Entscheidung zum Ausdruck gebracht wird, es existierten mehrere Sachverständigengutachten, enthält die Nachlassakte lediglich ein Sachverständigengutachten des psychiatrischen Sachverständigen, welches zur Testierfähigkeit des Erblassers eingeholt und vom Sachverständigen durch Übermittlung der von einer Verfahrensbeteiligten erbetenen Unterlagen ergänzt worden ist. Das missverständliche Vorbringen der Antragstellerin ist daher dahin auszulegen, dass sie sich auf das am 21. November 2022 beim Amtsgericht eingegangene Sachverständigengutachten vom selben Tag, die mit Schreiben des Sachverständigen vom 2. Januar 2023 übersandten Dokumente sowie das mit Schreiben des Sachverständigen vom 12. Januar 2023 übermittelte Literaturverzeichnis bezieht.
35
b) Ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 13 Abs. 2 FamFG muss sich nicht auf ein bereits vorhandenes Recht stützen, es geht über ein rechtliches Interesse hinaus und ist anzunehmen, wenn ein vernünftiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse besteht, das auch tatsächlicher, etwa wirtschaftlicher oder wissenschaftlicher Art sein kann und im Allgemeinen dann vorliegen wird, wenn ein künftiges Verhalten des Antragstellers durch Kenntnis vom Akteninhalt beeinflusst werden kann. Es wird nicht durch den Gegenstand des Verfahrens, dessen Akten eingesehen werden sollen, begrenzt. Ein berechtigtes Interesse liegt regelmäßig vor, wenn Rechte des Antragstellers durch den Streitstoff der Akten auch nur mittelbar berührt werden können und Kenntnis vom Inhalt der Akten für ihn zur Verfolgung von Rechten oder zur Abwehr von Ansprüchen erforderlich ist. Die Entscheidung über die Akteneinsicht steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Die Ermessensausübung hat aufgrund einer Abwägung zu erfolgen, der eine mehrstufige Prüfung vorauszugehen hat. Zunächst ist festzustellen, ob der Dritte ein berechtigtes Interesse dargelegt hat. Erforderlich ist im nächsten Schritt eine Glaubhaftmachung. Weiter dürfen keine schutzwürdigen Interessen eines Beteiligten oder Dritten entgegenstehen. Sodann sind gegebenenfalls die unterschiedlichen Interessen abzuwägen (BGH NJW-RR 2024, 672 Rn. 24 m. w. N.; vgl. Pabst in Münchener Kommentar zum FamFG, 4. Aufl. 2025, § 13 Rn. 17; Ahn-Roth in Prütting/Helms, FamFG, 6. Aufl. 2023, § 13 Rn. 23 f.).
36
c) Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs hat die Justizverwaltung ein berechtigtes Interesse der Antragstellerin rechtsfehlerhaft mit der Begründung verneint, der Antragstellerin sei aus der bereits vollzogenen Teilakteneinsicht das Ergebnis des Sachverständigengutachtens bereits bekannt, so dass es nicht erforderlich sei, auch noch Einsicht in das Gutachten selbst zu nehmen. Die Antragstellerin hat ein berechtigtes Interesse an der Einsicht.
37
aa) Nach ihren Angaben erwägt die Antragstellerin, in dem von dem weiteren Beteiligten unstreitig gegen sie geführten Schadensersatzprozess wegen verspäteter Abgabe der Testamente beim Nachlassgericht die Aktivlegitimation des weiteren Beteiligten mit der Begründung zu bestreiten, dieser sei nicht Erbe, da der Erblasser zum Zeitpunkt der Abfassung der letztwilligen Verfügungen nicht testierfähig gewesen sei. Damit hat die Antragstellerin ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 13 Abs. 2 FamFG dargelegt. Die Kenntnis vom konkreten Inhalt des Sachverständigengutachtens kann, da sich der Sachverständige bei seiner Beurteilung auf ärztliche Atteste im Betreuungsverfahren sowie ärztliche Unterlagen und Krankenhausberichte aus der Zeit der psychiatrischen Behandlung des Erblassers gestützt hat (vgl. bereits die der Antragstellerin bekannten Ausführungen des Amtsgerichts im Beschluss vom 24. Februar 2023), Anhaltspunkte für die von der Antragstellerin zu ihrer Rechtsverteidigung in Erwägung gezogene Einwendung fehlender Testierfähigkeit liefern, auch wenn der Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt ist, dass beim Erblasser im August 2014 keine so weit ausgeprägte Symptomatik einer geistigen Erkrankung bestanden habe, dass von Testierunfähigkeit ausgegangen werden könne (vgl. auch insoweit die der Antragstellerin bereits bekannten Ausführungen im Beschluss vom 24. Februar 2023). Durch den Streitstoff der maßgeblichen Aktenbestandteile werden die Rechte der Antragstellerin jedenfalls mittelbar berührt und die Einsicht ist auch erforderlich.
38
Soweit der weitere Beteiligte der Antragstellerin entgegenhält, im Schadensersatzprozess reiche es aus, die Testierfähigkeit zu bestreiten, führt dies zu keiner abweichenden Bewertung. Das berechtigte Interesse besteht darin, dass die ergänzende Akteneinsicht der Antragstellerin zunächst eine eigenständige Prüfung anhand des vorliegenden Gutachtens ermöglichen soll, ob der Erblasser zum maßgeblichen Zeitpunkt testierfähig war. Zur Abwehr des gegen sie gerichteten Anspruchs ist es nach dem glaubhaften Vorbringen der Antragstellerin von Interesse, aufgrund welcher konkreten Erwägungen der Sachverständige zu seiner Bewertung gelangt ist. Maßgeblich ist, dass die Antragstellerin noch nicht über die erbetenen Informationen verfügt und nicht erkennbar ist, dass die Akteneinsicht nicht zu weitergehenden Erkenntnissen führen wird. Ein berechtigtes Interesse liegt im Allgemeinen bereits dann vor, wenn ein künftiges Verhalten des Antragstellers durch die Kenntnis vom Akteninhalt beeinflusst werden kann (vgl. BGH NJW-RR 2024, 672 Rn. 24 m. w. N.; Beschluss vom 21. September 1993, X ZB 31/92, NJW-RR 1994, 381 [juris Rn. 14]; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 11. März 2010, 20 WF 20/10, FamRZ 2010, 1467 Rn. 3]); dies schließt beispielsweise auch die Möglichkeit ein, dass die Antragstellerin nach Einsicht in das Gutachten keine Zweifel an der Testierfähigkeit mehr hegt.
39
Auch die Vermutung der Richtigkeit des Erbscheins steht der Bewertung, dass die Antragstellerin ein berechtigtes Interesse an der Einsicht in die Nachlassakte dargelegt hat, nicht entgegen. Nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs (NJW-RR 2024, 672 Rn. 26 m. w. N.) bezieht sich die Vermutungswirkung des § 2365 BGB zum einen auf das Bestehen des Erbrechts; positiv wird vermutet, dass dem Erbscheinserben das bezeugte Erbrecht zusteht. Zum anderen wird negativ vermutet, dass der Erbscheinserbe nicht durch andere als die angegebenen Anordnungen beschränkt ist. Diese Rechtsvermutung kann jedoch beseitigt werden. Die im Erbschein getroffenen Feststellungen erwachsen nicht in materielle Rechtskraft; durch den Erbschein wird nicht mit Rechtskraft die erbrechtliche Stellung der dort genannten Personen festgestellt (BGH a. a. O.). Der Antragstellerin bleibt es daher unbenommen, in dem gegen sie geführten Rechtsstreit klären zu lassen, wer Erbe ist. Dem steht der gemäß § 352e Abs. 2 FamFG ergangene Beschluss des Nachlassgerichts vom 24. Februar 2023 nicht entgegen. Die Antragstellerin war im Erbscheinsverfahren bereits nicht beteiligt und auch nicht potenziell Beteiligte im Sinne des § 345 Abs. 1 Satz 2 FamFG (vgl. Grziwotz in Münchener Kommentar zum FamFG, 3. Aufl. 2019, § 352e Rn. 47, 69 ff.); der im Erbscheinsverfahren ergangene Beschluss kann formelle Rechtskraft nur gegenüber den Schwestern des Erblassers als Beteiligten des Nachlassverfahrens sowie allen, die in ihren Rechten beeinträchtigt sind (§ 59 Abs. 1 FamFG), entfaltet haben.
40
bb) Die im Antrag auf Akteneinsicht vorgebrachte Behauptung der inneren Tatsache, die Antragstellerin habe Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers, ist hinreichend glaubhaft gemacht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Vorbringen des weiteren Beteiligten, dass es der Antragstellerin im Hinblick auf eine anwaltliche Vertretung des Erblassers zum Zeitpunkt der Abfassung der Testamente kaum möglich sein könne, an dessen Testierfähigkeit zu zweifeln, als hinreichendes Bestreiten zu bewerten ist. Eine Behauptung ist glaubhaft gemacht, sofern eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sie zutrifft (BGH, Beschluss vom 11. September 2003, IX ZB 37/03, BGHZ 156, 139 Rn. 8 m. w. N.). Das ist im Hinblick auf die von der Antragstellerin vorgetragene, gegenwärtige rechtliche Bewertung der Testierfähigkeit des Erblassers der Fall.
41
cc) Die Ablehnung des Akteneinsichtsgesuchs erweist sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig.
42
(1) Der aus der Garantie der Menschenwürde folgende Schutz des postmortalen Persönlichkeitsrechts des Erblassers steht der Einsicht in das Sachverständigengutachten nicht entgegen, denn das postmortale Persönlichkeitsrecht ist vorliegend nicht betroffen. Die Schutzwirkungen des postmortalen Persönlichkeitsrechts sind nicht identisch mit denen, die sich aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG für den Schutz lebender Personen ergeben. Postmortal geschützt wird zum einen der allgemeine Achtungsanspruch, der dem lebenden Menschen als solchem zusteht und den Verstorbenen davor bewahrt, herabgewürdigt oder erniedrigt zu werden. Zum anderen ist der sittliche, personale und soziale Geltungswert geschützt, den die Person durch ihre eigene Lebensleistung erworben hat. Insoweit wird der Verstorbene gegen schwerwiegende Entstellungen seines Lebensbildes, gegen die er sich nicht mehr selbst verteidigen kann, auf Verlangen seiner Angehörigen geschützt. Der Schutzbereich der ideellen Anteile des postmortalen Persönlichkeitsrechts erschöpft sich dementsprechend im Schutz des sogenannten Wert- und Achtungsanspruchs (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2007, 1 BvR 1533/07, AfP 2008, 161 Rn. 8; BGH, Urt. v. 29. November 2021, VI ZR 248/18, juris Rn. 20; Urt. v. 16. September 2008, VI ZR 244/07, NJW 2009, 751 Rn. 16; BVerwG, BVerwGE 159, 194 Rn. 53; OLG Köln, Urt. v. 30. November 2017, 15 U 68/17, juris Rn. 52). Dieser ist hier nicht berührt, denn es ist grundsätzlich nicht entehrend, krank, gebrechlich oder aus anderen Gründen gehandicapt zu sein. Ein Makel, Schuldvorwurf oder Unwerturteil haftet weder der Anordnung einer Betreuung, der eine schicksalhafte Erkrankung des Betreuten zugrunde liegt, noch einer Begutachtung durch einen psychiatrischen Sachverständigen auf Testierfähigkeit an (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2012, XII ZB 404/12, NJW-RR 2013, 195 Rn. 12; BayObLG, Beschluss vom 29. Juni 2001, 3Z BR 150/01, FamRZ 2001, 1645, 1646). Auch eine Darstellung der typischen Folgen einer Erkrankung, zu denen auch Einschränkungen der körperlichen wie der intellektuellen Leistungsfähigkeit und Persönlichkeitsveränderungen gehören können, ist nicht geeignet, das Ansehen einer Person negativ zu beeinträchtigen, da diese dem Einfluss des Betroffenen entzogen sind und sich der Wert einer Person im Rahmen des dem Grundgesetz zugrundeliegenden Menschenbildes gerade nicht nach ihrer natürlichen Leistungsfähigkeit beurteilt (vgl. OLG Köln, Urt. v. 30. November 2017, 15 U 68/17, juris Rn. 52 und Rn. 57).
43
(2) Dass die Antragstellerin durch Einsicht in das Sachverständigengutachten Informationen über gemäß Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte personenbezogene Daten Verfahrensbeteiligter – insbesondere der Schwestern des Erblassers – oder Dritter erlangen kann, steht der Bewilligung von Einsicht nicht ohne weiteres entgegen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 2. September 2021, 101 VA 100/21, juris Rn. 29). Denn das in der Verfassung wurzelnde Recht auf informationelle Selbstbestimmung verleiht keine unbeschränkte Rechtsposition. Vielmehr muss der Einzelne eine Beschränkung seines Rechts auf gesetzlicher Grundlage und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgebots hinnehmen (vgl. BVerfG, Urt. v. 19. September 2018, 2 BvF 1/15 – Zensus 2011, BVerfGE 150, 1 Rn. 220; Beschluss vom 9. Januar 2006, 2 BvR 443/02, NJW 2006, 1116 Rn. 20; Beschluss vom 14. September 1989, 2 BvR 1062/87 – Tagebuchaufzeichnung, BVerfGE 80, 367 [373, juris Rn. 14]; je m. w. N.). Deshalb kann er es zu dulden haben, wenn personen- oder unternehmensbezogene Daten durch eine Akteneinsicht Dritten zugänglich gemacht werden. Wollte man stets einen Vorrang des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung gegenüber dem Einsichtsinteresse dritter Personen annehmen, liefe deren rechtlich geschütztes Interesse an einer Akteneinsicht leer (vgl. BGH, Beschluss vom 5. April 2006, IV AR [VZ] 1/06, NZI 2006, 472 Rn. 23; zur erforderlichen Güterabwägung im Rahmen der vom Amtsgericht zu treffenden Ermessensentscheidung vgl. die Ausführungen unter 3.).
44
3. Da der Bescheid rechtswidrig ist und dadurch die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt, ist er aufzuheben (§ 28 Abs. 1 Satz 1 EGGVG). Die Sache ist noch nicht spruchreif und es ist die Verpflichtung der Justizbehörde auszusprechen, die Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu bescheiden (§ 28 Abs. 2 Satz 2 EGGVG), weil der Senat nicht sein Ermessen an die Stelle des dem aktenführenden Gericht als Justizbehörde durch § 13 Abs. 2 FamFG eröffneten (Rechtsfolge-)Ermessens setzen kann. Der Senat kann über das Akteneinsichtsgesuch nicht abschließend entscheiden, denn aus der Bejahung des berechtigten Interesses an der Akteneinsicht folgt noch kein Anspruch auf diese. Das Vorliegen des berechtigten Interesses eröffnet vielmehr erst den Weg für eine Ermessensentscheidung der Justizverwaltung auf der Rechtsfolgenseite nach § 13 Abs. 2 FamFG. Der Antrag hat daher keinen Erfolg, soweit er darauf gerichtet ist, dass der Senat selbst der Antragstellerin die begehrte Akteneinsicht gewährt oder die Verpflichtung des Amtsgerichts dazu ausspricht.
45
Nachdem die Antragstellerin ergänzend Einsicht lediglich in das Sachverständigengutachten beantragt hat, wird die Justizbehörde auch nur insoweit ihr durch § 13 Abs. 2 FamFG eröffnetes Ermessen hinsichtlich der Gewährung von Akteneinsicht auszuüben haben. Etwaige schutzwürdige Interessen eines im Erbscheinsverfahren Beteiligten oder Dritter sind mit dem berechtigten Interesse der Antragstellerin abzuwägen (vgl. die Ausführungen unter 2. c] cc] [2]; Ahn-Roth in Prütting/Helms, FamFG, § 13 Rn. 23, 13); mit Blick auf das zu beachtende Verhältnismäßigkeitsprinzip sind die Geeignetheit der begehrten Einsicht zur Verfolgung des berechtigten Interesses, deren Erforderlichkeit sowie die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne im Hinblick auf den Inhalt des Sachverständigengutachtens im Einzelnen zu berücksichtigen, wobei vorliegend an der Geeignetheit und Erforderlichkeit entgegen der Annahme des Rechtspflegers – wie oben ausgeführt – keine Zweifel bestehen; erfordert es die Verfolgung des berechtigten Interesses nicht, Einsicht in das gesamte Sachverständigengutachten zu nehmen, so kommt die Gewährung von Einsicht in Teile dieser Unterlagen in Betracht, außerdem die Schwärzung sensibler Informationen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 2. September 2021, juris Rn. 29, 31 und 33 m. w. N.).
46
Dem Umstand, dass die Antragstellerin gegen den Antragsgegner Amtshaftungsansprüche in Betracht zöge, wie die weitere Beteiligte meint, käme im Rahmen der durchzuführenden Ermessensausübung keine Bedeutung zu.
III.
47
1. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Für einen (teilweise) erfolgreichen Antrag fallen keine Gerichtsgebühren an (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 19 GNotKG, § 25 Abs. 1 GNotKG, Nr. 15300 KV GNotKG und Nr. 15301 KV GNotKG). Mithin bedarf es auch keiner Geschäftswertfestsetzung.
48
Der Senat sieht auch keine hinreichenden Gründe dafür, nach § 30 Abs. 1 Satz 1 EGGVG eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin aus der Staatskasse anzuordnen. Der Umstand, dass ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung (teilweise) Erfolg hat, reicht hierfür nicht aus. Vielmehr muss hinzutreten, dass der Justizbehörde ein offensichtlich oder grob fehlerhaftes oder gar willkürliches Verhalten zur Last zu legen ist (vgl. BayObLG, Beschluss vom 8. Mai 2024, 101 VA 18/24, NJOZ 2024, 634 Rn. 35 [juris Rn. 37]; KG, Beschluss vom 3. Juli 2018, 5 VAs 6/18, juris Rn. 6 m. w. N.; Köhnlein in BeckOK GVG, 26. Ed. Stand: 15. Februar 2025, EGGVG § 30 Rn. 8; Mayer in Kissel/Mayer, GVG, 11. Aufl. 2025, EGGVG § 30 Rn. 5). Eine derartige Pflichtverletzung kann hier mit Blick auf die Verneinung des berechtigten Interesses nicht festgestellt werden.
49
2. Die Voraussetzungen, unter denen gemäß § 29 Abs. 2 EGGVG die Rechtsbeschwerde zuzulassen ist, liegen nicht vor.