Inhalt

VGH München, Beschluss v. 02.05.2025 – 9 ZB 24.1972
Titel:

Verwaltungsgerichte, Ausübung des Vorkaufsrechts, Klärungsbedürftigkeit, Streitwertfestsetzung, Sanierungssatzung, Gemeindliches Vorkaufsrecht, Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts, Beiladung, Sanierungsverfahren, Rechtsmittelführer, Kostenentscheidung, Verwaltungsgerichtsentscheidungen, Ernstliche Zweifel, Maßgeblicher Zeitpunkt, Außergerichtliche Kosten, Konkretisierung der Sanierungsziele, Darlegungsgebot, Verwaltungsgerichtsbarkeit, Angefochtenes Urteil, Zulassungsverfahren

Schlagworte:
Vorkaufsrecht, Allgemeinwohl, Sanierungsgebiet, Berufungszulassung, Darlegungspflicht, Rechtskraft
Vorinstanz:
VG Würzburg, Urteil vom 10.09.2024 – W 4 K 23.1172
Fundstelle:
BeckRS 2025, 9206

Tenor

I. Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 10. September 2024 – W 4 K 23.1172 – wird abgelehnt.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Klägerin (Käuferin) begehrt die Aufhebung eines Bescheides, mit dem der Beklagte ein gemeindliches Vorkaufsrecht ausgeübt hat.
2
Mit notariellem Kaufvertrag vom 10. Mai 2023 hat die Klägerin von der Beigeladenen das Grundstück mit der FlNr. 50 der Gemarkung F.. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich eines mit Satzung des Beklagten vom 4. Dezember 2013 förmlich festgelegten städtebaulichen Sanierungsgebiets. Mit Bescheid vom 18. Juli 2023 übte der Beklagte das Vorkaufsrecht an dem verkauften Grundstück aus.
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Der hiergegen gerichteten Klage der Klägerin gab das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 10. September 2024 statt. Zur Begründung führte es aus, die Ausübung des Vorkaufrechts sei nicht durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt, § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB.
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Mit Antrag vom 20. November 2024 beantragte der Beklagte die Zulassung der Berufung.
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Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil, die Beigeladenen äußerten sich nicht.
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Bezüglich der Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird ergänzend auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
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1. Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist bereits nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO entsprechenden Weise dargelegt und liegt im Übrigen nicht vor.
9
Ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was der Beklagte innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Das Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO erfordert eine substantielle Erörterung des in Anspruch genommenen Zulassungsgrunds sowie eine erkennbare Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs, vor allem eine substantielle Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil. Dazu muss der Rechtsmittelführer im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen die Annahmen des Verwaltungsgerichts ernstlichen Zweifeln begegnen. Daran fehlt es hier. Der Beklagte hat sich mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht auseinandergesetzt. Allein die Darstellung der eigenen Rechtsauffassung genügt dem Darlegungsgebot nicht (vgl. BayVGH, B.v. 30.11.2021 – 9 ZB 21.2366 – juris Rn. 11 ff.).
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Die Ausführungen des Beklagten in der Zulassungsbegründung sind auch inhaltlich nicht geeignet, das Urteil des Verwaltungsgerichts ernstlich in Zweifel zu ziehen. Die Ausübung des Vorkaufsrechts kann schon dann gerechtfertigt sein, wenn im Hinblick auf eine bestimmte gemeindliche Aufgabe überwiegende Vorteile für die Allgemeinheit angestrebt werden (BVerwG, B.v. 15.2.1990 – 4 B 245.89 – juris Rn. 9). Dies hat das Verwaltungsgericht zutreffend zugrunde gelegt, indem es davon ausgegangen ist, dass ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen den Anforderungen, die sich aus dem Tatbestandsmerkmal des Wohls der Allgemeinheit ergeben, und dem Stand der Konkretisierung der Sanierungsziele sowie dem Fortschritt bei der Verwirklichung der Sanierung bestehen muss (vgl. auch Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand November 2024, § 24 Rn. 70), da nur so die bestimmte gemeindliche Aufgabe definiert werden kann, § 24 Abs. 1 Nr. 3 BauGB. Unter Berücksichtigung der zum hier maßgeblichen Zeitpunkt fast zehn Jahre alten Sanierungssatzung ohne das Bestehen weiterer Anhaltspunkte zu deren Umsetzung hat das Verwaltungsgericht zu Recht die Ausübung des Vorkaufrechts nicht durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt angesehen. Darüber hinaus hat es darauf abgestellt, dass die behauptete Absicht des Beklagten, aus dem Grundstück einen Parkplatz machen zu wollen, vor dem Hintergrund der Einwohnerzahlen und dem aus gleichem Grund bereits anderweitig ausgeübtem Vorkaufsrecht nicht nachvollziehbar sei und von dem Beklagten auch nicht erklärt werden konnte. Für eine Abwägung war mangels erkennbarer gemeindlicher Aufgabe, die durch die Ausübung der Vorkaufsrechts erfüllt werden soll, kein Raum.
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2. Die Rechtssache hat auch nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass eine Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich, bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist; die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 22.1.2019 – 5 B 1.19 D – juris Rn. 2 m.w.N.; B.v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – BayVBl 2016, 104 Rn. 6 m.w.N.; BayVGH, B.v. 4.6.2018 – 14 ZB 17.390 – juris Rn. 14 m.w.N.). Um den auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer fristgerecht (1.) eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, (2.) ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, (3.) erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist, und (4.) darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 7.2.2017 – 14 ZB 16.1867 – juris Rn. 15 m.w.N.).
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Aus der vom Beklagten aufgeworfenen Frage, „inwieweit die Verwaltung des Beklagten angehalten ist, ihre Ziele konkreter festzuhalten, um mit dem Argument, dass das Wohl der Allgemeinheit, obwohl die Argumente auf der Hand liegen, ihre Vorkaufsrechtsausübungsbescheide nicht rechtfertigen könnte“, ist bereits nicht erkennbar, was genau der Klärung bedarf. Im Übrigen ist die Frage nach dem Konkretisierungsgrad der Sanierungsziele keiner allgemeinen Klärung zugänglich, sondern unter anderem abhängig von der jeweiligen Situation vor Ort, dem Alter der Sanierungssatzung oder der Dauer des Sanierungsverfahrens zu beurteilen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Ziffer 9.6.1 des Streitwertkatalogs für die für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 und entspricht der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
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4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).