Inhalt

VGH München, Beschluss v. 02.05.2025 – 4 ZB 24.703, 4 ZB 24.704
Titel:

Abgrenzung zwischen einer zweitwohnungssteuerfreien reinen Kapitalanlage und einer zweitwohnungssteuerpflichtigen Vorhaltung einer Wohnung

Normenketten:
BayKAG Art. 2, Art. 3
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3
GG Art. 105 Abs. 2a
Leitsätze:
1. Der örtliche Normgeber darf beim Erlass einer Zweitwohnungssteuersatzung generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Da das Innehaben einer Wohnung auch für Zwecke der privaten Lebensführung bereits dann anzunehmen ist, wenn sich der Eigentümer der betreffenden Räumlichkeiten die Möglichkeit der Eigennutzung offenhält, kann die steuererhebende Gemeinde in einem solchen Fall grds. vom Vorliegen einer Zweitwohnung ausgehen, solange keine besonderen Umstände ersichtlich sind, die diese tatsächliche Vermutung erschüttern. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Wegen des Grundsatzes „keine Gleichheit im Unrecht“ können sich aus einem etwaigen satzungswidrigen Vollzugsmangel keine subjektiven Rechte eines Steuerpflichtigen in Bezug auf seine Heranziehung zur Zweitwohnungssteuer ergeben. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
4. Da es bei der Prüfung, ob eine zeitweise nicht genutzte Wohnung eine reine Kapitalanlage darstellt, auf eine umfassende Würdigung aller objektiven Umstände des Einzelfalles ankommt, kann auch die Frage, „wie ein sehr lange vorliegender Leerstand definiert wird und wann ausweislich dieser Definition das Hauptkriterium bei der Frage der Kapitalanlage als erfüllt anzusehen ist“, keiner allgemeingültigen Klärung iSd § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugeführt werden. (Rn. 20 – 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zweitwohnungssteuer, Schätzung der Jahresnettokaltmiete, längerer Leerstand, geringer Strom- und Wasserverbrauch, Offenhalten der Eigennutzungsmöglichkeit, Abgrenzung der Wohnnutzung zur reinen Kapitalanlage, keine Berufung auf fehlerhaften Satzungsvollzug, Zulassung der Berufung, Bemessungsgrundlage, Zweitwohnungssteuersatzung, Vermietungsbemühungen, Kapitalanlage, Aufwandsteuer, persönliche Lebensführung
Vorinstanz:
VG Augsburg, Urteil vom 14.03.2024 – Au 2 K 21.1746, Au 2 K 21.1722
Fundstelle:
BeckRS 2025, 9183

Tenor

1. Die Zulassungsverfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
2. Die Anträge auf Zulassung der Berufung werden abgelehnt.
3. Die Kläger tragen jeweils als Gesamtschuldner die Kosten der Zulassungsverfahren.
4. Der Streitwert wird im Verfahren 4 ZB 24.703 auf 4.450,11 Euro und im Verfahren 4 ZB 24.704 auf 1.808,17 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die mit Hauptwohnsitz in W. lebenden Kläger, denen bis zum 30. Juni 2023 eine Wohnung im Gemeindegebiet des Beklagten gehörte, wenden sich gegen ihre Heranziehung zur Zweitwohnungssteuer für die Jahre ab 2018.
2
Auf der Grundlage seiner am 17. September 2020 rückwirkend zum 1. Januar 2018 erlassenen Zweitwohnungssteuersatzung (ZwStS) zog der Beklagte die Kläger mit Bescheiden vom 23. Juni 2021 für die Jahre 2018 und 2019 (Az. 4 ZB 24.704) und vom 24. Juni 2021 für die Jahre ab 2020 (Az. 4 ZB 24.703) zur Zweitwohnungssteuer heran (2018: 897,16 Euro; 2019: 911,01 Euro; 2020 und Folgejahre: jeweils 1.483,37 Euro).
3
Die Kläger erhoben hiergegen jeweils Klage mit den Anträgen, die Bescheide vom 23. und 24. Juni 2021 aufzuheben. Sie hätten die Wohnung nicht für Zwecke der persönlichen Lebensführung inne, sondern hielten sie als reine Kapitalanlage vor. Nachdem dort zuletzt bis zum 31. Dezember 2016 ein Mieter mit Erstwohnsitz gewohnt habe, hätten sie in den Jahren 2017 bis 2019 erfolglos nach einem Nachmieter gesucht. In den Jahren 2018 und 2019 habe es mehrere Besichtigungstermine gegeben, die eine befreundete Familie durchgeführt habe. Im Oktober 2020 seien die Kläger fast entschlossen gewesen, die Wohnung zu verkaufen. Dies sei aber daran gescheitert, dass angeblich eine Nutzung als Zweitwohnsitz nur noch genehmigt werde, wenn an mehr als der Hälfte des Jahres eine Vermietung an Touristen nachgewiesen werde. Im Jahr 2021 sei die Wohnung per E-Mail dem Landkreis zur Unterbringung von Migranten angeboten worden. Bei einer reinen Nutzung als Kapitalanlage sei keine Zweitwohnungssteuer zu erheben; dafür genüge ein Nachweis der ganzjährigen Vermietungsbemühung. Eine kurzfristige Eigennutzung von zwei Wochen löse noch keine Steuerpflicht aus. Die dem Beklagten übermittelten Beweise zur Nichtnutzung von Wasser und Strom seien als Nachweis ausreichend. Der Wasserverbrauch sei wegen Legionellenspülungen notwendig gewesen. Bis 2018 sei der Stromverbrauch auf Einbruchsschutz durch Beleuchtung und Rollladensteuerung, teilweise Kühlschrankverbrauch und Wohnzimmerbeleuchtung ab Einbruch der Dunkelheit mit Zeitschaltuhr zurückzuführen. Die Kläger seien weder zu Eigentümerversammlungen noch für Verbrauchsmengenablesungen in der Wohnung gewesen.
4
Der Beklagte beantragte jeweils, die Klagen abzuweisen. Die Kläger hätten ihre rechtliche und tatsächliche Verfügungsgewalt nicht aufgegeben. Daran dürfe die Vermutung des Vorhaltens für Zwecke der persönlichen Lebensführung geknüpft werden, solange der Wohnungsinhaber keine Umstände vortrage, die diese Vermutung erschütterten. Die subjektive Zweckbestimmung müsse nach außen in Erscheinung treten und anhand nachprüfbarer Umstände beurteilt werden. Die Kläger hätten ganzjährige Vermietungsbemühungen nicht ausreichend bewiesen. Die Wohnung sei die einzig leerstehende Wohnung im Objekt, so dass das Argument der schwer vermietbaren Wohnlage nicht glaubhaft sei. Die Kläger hätten durch die Aufstellung des Strom- und Wasserverbrauchs keinen langjährigen Leerstand nachgewiesen. Sie hätten keine objektiven Nachweise zu den Verbrauchsdaten vorgelegt. Nach der vorgelegten Aufstellung sei der Wasserverbrauch in den vermieteten Jahren 2015 und 2016 sogar geringer gewesen als in den Jahren 2019 und 2020; zudem sei im Jahr 2020 wiederum ein Stromverbrauch aufgetreten. Darüber hinaus genüge auch ein dreijähriger Leerstand nicht zur Widerlegung der Vermutung. Zeiten eines Wohnungsleerstandes, für die eine Eigennutzungsmöglichkeit rechtlich nicht ausgeschlossen sei, seien der Wohnungsvorhaltung für Zwecke des persönlichen Lebensbedarfs zuzurechnen. Gerade der Leerstand der Zweitwohnung lasse in der Regel auf die der Besteuerung zugrundeliegende Leistungsfähigkeit des Wohnungsinhabers schließen.
5
Nachdem die Beteiligten auf mündliche Verhandlung verzichtet hatten, wies das Verwaltungsgericht jeweils im schriftlichen Verfahren mit Urteilen vom 14. März 2024 die Klagen ab. Die Kläger hätten in den streitgegenständlichen Zeiträumen eine Zweitwohnung im Sinne des § 2 ZwStS zu ihrer persönlichen Lebensführung oder der ihrer Familienangehörigen innegehabt. Für die Abgrenzung zwischen einer zweitwohnungssteuerfreien reinen Kapitalanlage und einer zweitwohnungssteuerpflichtigen Vorhaltung der Wohnung auch zur privaten Lebensführung sei nicht die unüberprüfbare innere Absicht des Inhabers maßgeblich. Vielmehr sei diese innere Tatsache nur auf der Grundlage objektiver, nach außen in Erscheinung tretender, verfestigter und von Dritten nachprüfbarer Umstände zu beurteilen. Für die Erfüllung des Steuertatbestandes sei auch nicht erforderlich, dass der Inhaber die Wohnung tatsächlich nutze; vielmehr genüge es, wenn er sie auch für den eigenen Lebensbedarf oder den seiner Angehörigen vorhalte, sich also die Möglichkeit der Eigennutzung offenhalte. Anhand einer umfassenden Würdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls sei zu prüfen, ob sich daraus mit der gebotenen Sicherheit die subjektive Zweckbestimmung der Zweitwohnung entnehmen lasse. Dabei könne die steuererhebende Gemeinde wegen des bestehenden Nutzungsrechts an der Wohnung und der offengehaltenen Nutzungsmöglichkeit des Zweitwohnungsinhabers zunächst grundsätzlich davon ausgehen, dass die Wohnung auch für Zwecke der persönlichen Lebensführung vorgehalten werde, solange der Inhaber keine Umstände vortrage, die diese tatsächliche Vermutung erschütterten, wie z.B. die Übertragung der Vermietung an eine überregionale Agentur unter Ausschluss der Eigennutzung und unter Nachweis ganzjähriger Vermietungsbemühungen oder die Lage der Hauptwohnung innerhalb desselben Feriengebiets. Die Vermutung könne auch durch einen nachgewiesenen langjährigen Leerstand in Zusammenschau mit weiteren objektiven Umständen erschüttert werden. Ein Leerstand allein reiche nicht, da gerade der Leerstand trotz rechtlich bestehender Nutzungsmöglichkeit in der Regel auf die der Besteuerung zugrundeliegende Leistungsfähigkeit des Wohnungsinhabers schließen lasse. Hiernach komme das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Wohnung der Kläger nicht als reine Kapitalanlage anzusehen sei, sondern auch zum Zwecke der persönlichen Lebensführung vorgehalten werde. Es fehle schon an einem langjährigen Leerstand. Aus den vorgelegten Verbrauchsdaten für Strom und Wasser ergebe sich zwar ein sehr geringer oder gänzlich fehlender Verbrauch. Jedoch habe ein Leerstand frühestens ab dem 1. Januar 2017 vorgelegen, so dass der Leerstand nicht langjährig gewesen sei. Erst ein sehr langer Leerstand in der Vergangenheit könne einen wichtigen Anhaltspunkt für das Verhalten in der Zukunft bieten, weil sich daraus ersehen lasse, ob die in der Wertsteigerung des Grundstücks liegende Kapitalanlageabsicht plausibel sei. Der Leerstand frühestens ab dem Jahr 2017 habe hier noch kein solches Gewicht, dass dies ein Anhaltspunkt für das Verhalten in der Zukunft wäre. Auch in der Vergangenheit habe nach dem Vortrag der Kläger für einige Jahre (1998 bis 2004) eine Eigennutzung bestanden. Deshalb könne dahinstehen, ob der Leerstand durch die Verbrauchsdaten ausreichend nachgewiesen sei. Für ein Vorhalten für die persönliche Lebensführung spreche jedenfalls, dass die Wohnung möbliert geblieben sei. Es seien auch keine weiteren objektiven Umstände für den Leerstand nachgewiesen worden. Der Vortrag der erfolglosen Vermietungs- bzw. Verkaufsbemühungen greife nicht durch. Die Kläger hätten zwar eine zeitweise bestehende Vermietungs- bzw. Verkaufsabsicht bekundet, tatsächliche Bemühungen hierzu aber nur in sehr geringem Umfang vorgetragen. Ihre sehr vereinzelten Bemühungen, die Wohnung einer Vermietung oder einem Verkauf zuzuführen, seien, da sie dennoch die Möglichkeit zur Nutzung der Wohnung gehabt hätten, nicht geeignet, die tatsächliche Vermutung der Vorhaltung zur persönlichen Lebensführung zu erschüttern. Allein in der geltend gemachten Wertsteigerung der Wohnung seit 2017 liege kein Nachweis für eine reine Kapitalanlageabsicht. Der Vortrag, dass eine Vermietung diesen Wert wegen des „Herunterwirtschaftens“ der Wohnung durch potenzielle Mieter nur schmälern würde, stehe im Widerspruch zu den Vermietungsbemühungen.
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Gegen diese Urteile wenden sich die Kläger mit ihren Anträgen auf Zulassung der Berufung.
7
Der Beklagte tritt den Anträgen entgegen.
8
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
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1. Die Anträge auf Zulassung der Berufung haben keinen Erfolg.
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a) Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Urteile (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Kläger haben keinen einzelnen tragenden Rechtssatz und keine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt (zu diesem Maßstab vgl. BVerfG, B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 – BVerfGE 151, 173 Rn. 32 m.w.N.).
11
aa) Die Kläger machen insoweit geltend, die Zweitwohnungssteuersatzung des Beklagten sei ungültig, weil unter Missachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung anstelle eines Sachverständigengutachtens zur Nettokaltmiete eine Schätzung stattfinde. Entgegen der Annahme des Gerichts werde die streitgegenständliche Wohnung als reine Kapitalanlage gehalten. Die Kläger hätten Umstände vorgetragen, die die Vermutung des Vorhaltens für Zwecke der persönlichen Lebensführung nachdrücklich erschütterten. Es sei höchstrichterlich anerkannt, dass die Kapitalanlageabsicht u.a. durch nachgewiesenen langjährigen Leerstand belegt werden könne, insbesondere durch Vorlage objektiver Nachweise zu den Verbrauchsdaten. Das Verwaltungsgericht verkenne das Vorhandensein nach außen in Erscheinung tretender, verfestigter und von Dritten nachprüfbarer Umstände, die für die innere Absicht der Kläger sprächen. Es setze sich auch nicht mit der nachweislich zu geringen Erhebung der Zweitwohnungssteuer auseinander. Eine Nachbarin habe in derselben Immobilie bei gleicher Wohnungsgröße nur eine deutlich geringere Zweitwohnungssteuer zu entrichten.
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bb) Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Urteile zu begründen.
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(1) Die von den Klägern erhobenen Einwände gegen die in § 4 Abs. 3 Satz 2 ZwStS vorgesehene Methode der Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage greifen nicht durch. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, U.v. 29.1.2003 – 9 C 3.02 – Rn. 25 m.w.N.) und des Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 4.4.2006 – 4 N 04.2798 – juris Rn. 73) darf der örtliche Normgeber beim Erlass einer Zweitwohnungssteuersatzung generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen. Er darf daher die als geeignete Bemessungsgrundlage dienende (fiktive) Jahresnettokaltmiete bei einer vom Eigentümer genutzten Zweitwohnung auch im Wege einer Schätzung ermitteln, ohne etwa zur Einholung eines Sachverständigengutachtens oder zur Erstellung und Heranziehung eines örtlichen Mietspiegels verpflichtet zu sein (BayVGH, U.v. 2.5.2016 – 4 BV 15.2778 – juris Rn. 50; B.v. 4.3.2021 – 4 ZB 20.246 – juris Rn. 15 f.; U.v. 24.11.2022 – 4 N 21.1172 – juris Rn. 26 f.).
14
(2) Das Verwaltungsgericht hat auch zu Recht angenommen, dass die den Klägern gehörende Wohnung in den streitgegenständlichen Steuerjahren nach den gegebenen Umständen nicht als reine Kapitalanlage anzusehen war. Da das Innehaben einer Wohnung auch für Zwecke der privaten Lebensführung bereits dann anzunehmen ist, wenn sich der Eigentümer der betreffenden Räumlichkeiten die Möglichkeit der Eigennutzung offenhält (BVerwG, U.v. 10.10.1995 – 8 C 40/93 – juris Rn. 10), kann die steuererhebende Gemeinde in einem solchen Fall grundsätzlich vom Vorliegen einer Zweitwohnung ausgehen, solange keine besonderen Umstände ersichtlich sind, die diese tatsächliche Vermutung erschüttern (BVerwG, U.v.10.10.1995 – 8 C 40/93 – juris Rn. 12; BayVGH, U.v. 27.6.2013 – 4 B 13.592 – juris Rn. 20). Letzteres war hier nicht der Fall.
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Der bloße Umstand, dass nach der von den Klägern (ohne weitere Nachweise) vorgelegten Aufstellung der Verbrauchsmengen in den Jahren ab 2017 in ihrer Wohnung nur vergleichsweise wenig Strom und Wasser verbraucht worden ist, spricht noch nicht für die Annahme, dass die Wohnung in diesem Zeitraum lediglich als potentielles Vermietungs- oder Verkaufsobjekt betrachtet und nicht mehr – wie in den Jahren 1998 bis 2004 – auch zum Zweck der (zumindest gelegentlichen) privaten Nutzung vorgehalten wurde. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, lag bis zur Veräußerung der Wohnung am 30. Juni 2023 noch kein sehr langer Zeitraum des Leerstands vor, der schon für sich genommen die Vermutung der Eigennutzung hätte erschüttern können. Das sonstige Verhalten der Kläger, insbesondere ihre nur sehr sporadischen Bemühungen um einen Verkauf oder eine Vermietung bei gleichzeitigem Belassen der eigenen Möbel in der Wohnung, reichte ebenfalls nicht aus, um von einer endgültigen Aufgabe des Willens zur Eigennutzung auszugehen.
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(3) Ob der Beklagte, wie die Kläger unter Verweis auf eine angeblich niedrigere Steuerfestsetzung in einem vergleichbaren Fall behaupten, seine Zweitwohnungssteuersatzung teilweise nicht korrekt anwendet, bedarf in den vorliegenden Verfahren keiner weiteren Prüfung. Wie das Bundesverwaltungsgericht in einem vergleichbaren Fall klargestellt hat, können sich wegen des Grundsatzes „keine Gleichheit im Unrecht“ (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.1969 – 8 C 104.69 – BVerwGE 34, 278/284) aus einem etwaigen satzungswidrigen Vollzugsmangel keine subjektiven Rechte eines Steuerpflichtigen in Bezug auf seine Heranziehung zur Zweitwohnungssteuer ergeben (BVerwG, B.v. 15.6.1994 – 8 B 105.94 – juris Rn. 2).
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b) Die vorliegenden Rechtssachen weisen auch keine besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
18
aa) Die Kläger tragen diesbezüglich vor, es gelte zu klären, weshalb die Zweitwohnungssteuer zwar bei der Ermittlung der Steuerkraft nach Art. 4 FAG nicht berücksichtigt werde, zugleich aber nach Art. 3 FAG Personen mit Nebenwohnung bei der Ermittlung der maßgeblichen Einwohnerzahl Berücksichtigung fänden. Diese Regelung sei nachweislich rechtswidrig und systemwidrig. Bei der Beurteilung der aufgeworfenen Fragen spielten insbesondere Aspekte der Kompetenz des Verordnungsgebers und der Reichweite von Ermächtigungsgrundlagen eine Rolle.
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bb) Die damit aufgeworfenen Rechtsfragen können schon deshalb nicht zur Zulassung der Berufung führen, weil sie in keinem erkennbaren inneren Zusammenhang stehen mit der den Gemeinden in Art. 2, 3 KAG erteilten Ermächtigung, durch eine besondere Abgabensatzung eine örtliche Aufwandsteuer in Gestalt einer Zweitwohnungssteuer zu erheben.
20
c) Die Rechtssachen besitzen auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
21
aa) Zur Erläuterung dieses Zulassungsgrunds führen die Kläger aus, viele Gemeinden, die landesrechtlich zur Erhebung örtlicher Verbrauch- und Aufwandsteuern (Art. 105 Abs. 2a GG) ermächtigt seien, besteuerten de facto und de jure keine Zweitsondern Nebenwohnungen. Die Zulässigkeit dieser „Nebenwohnungsteuer“ sei juristisch umstritten. Es gebe hierzu viele, teilweise gegensätzliche Entscheidungen; eine höchstrichterliche Entscheidung stehe noch aus. Aufgrund der kommunalen Erhebung gebe es auch keine einheitlichen Regelungen zu dieser Steuer, sondern erhebliche Unterschiede bei der Definition der Wohnung, beim Steuersatz und bei den Befreiungsmöglichkeiten. Tatsächlich und rechtlich klärungsbedürftig sei insbesondere die Bemessungsgrundlage der Erhebung der Zweitwohnungssteuer anhand bloßer Schätzungen. Einer grundsätzlichen Klärung bedürfe ferner das Zusammenspiel in Bayern zwischen der Erhebung der Zweitwohnungssteuer und der Berechnung der Schlüsselzuweisungen im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs; aus Sicht der Kläger erfolge insoweit eine unzulässige Doppelheranziehung. Für grundsätzlich klärungsbedürftig hielten die Kläger die Frage, wie ein sehr lange vorliegender Leerstand definiert werde und wann ausweislich dieser Definition das Hauptkriterium bei der Frage der Kapitalanlage als erfüllt anzusehen sei, sowie die Frage, ob die Ermittlung der Bemessungsgrundlage durch Schätzung der Jahresnettokaltmiete als rechtmäßig anzusehen sei unter dem Gesichtspunkt von Abweichungen bis 25%.
22
bb) Aus diesem Sachvortrag ergibt sich keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Dieser Zulassungsgrund verlangt, dass eine Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich, bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist; die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen (BVerwG, B.v. 22.1.2019 – 5 B 1.19 D – juris Rn. 2; B.v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – BayVBl 2016, 104 Rn. 6 m.w.N.). Um den auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer (1.) eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, (2.) ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, (3.) erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist, und (4.) darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 02.8.2024 – 15 ZB 24.196 – juris Rn. 11). An diesen Voraussetzungen fehlt es hier.
23
Die Kläger legen nicht konkret dar, inwiefern der melderechtliche Begriff der Nebenwohnung (§ 21 Abs. 3 BMG), der in der Zweitwohnungssteuersatzung des Beklagten nicht verwendet wird, für die Auslegung und Anwendung dieser Satzung und damit für die vorliegenden Rechtsstreitigkeiten von Bedeutung sein könnte. Ihr Sachvortrag lässt auch nicht erkennen, inwiefern die auf der kommunalen Satzungshoheit beruhenden Unterschiede der in den einzelnen Gemeinden geltenden Regelungen zum (Zweit-)Wohnungsbegriff, zur Höhe des Steuersatzes und zu den jeweils gewährten Steuerbefreiungen rechtlich problematisch sein könnten. Dass die Feststellung der fiktiven Nettokaltmiete als Bemessungsgrundlage im Wege einer Schätzung ein in der Rechtsprechung seit jeher anerkanntes Verfahren darstellt und daher keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf aufwirft, ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen (s.o., II.1.a) bb)(1)). Inwiefern sich aus der im Finanzausgleichsgesetz vorgesehenen Berechnung der staatlichen Schlüsselzuweisungen an die Gemeinden (Art. 2 ff. FAG) für die Wohnungsinhaber, die einer gemeindlichen Zweitwohnungssteuer unterworfen sind, eine unzulässige Doppelheranziehung ergeben soll, wird von den Klägern nicht dargelegt und ist auch im Übrigen nicht ersichtlich. Da es bei der Prüfung, ob eine zeitweise nicht genutzte Wohnung eine reine Kapitalanlage darstellt, auf eine umfassende Würdigung aller objektiven Umstände des Einzelfalles ankommt (BVerwG, U.v. 15.10.2014 – 9 C 5/13 – NVwZ 2015, 376 Rn. 13 m.w.N.), kann auch die von den Klägern gestellte Frage, „wie ein sehr lange vorliegender Leerstand definiert wird und wann ausweislich dieser Definition das Hauptkriterium bei der Frage der Kapitalanlage als erfüllt anzusehen ist“, keiner allgemeingültigen Klärung zugeführt werden.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Höhe des Streitwerts ergibt sich jeweils aus § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG in Verbindung mit Nr. 3.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags werden die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).