Inhalt

VGH München, Beschluss v. 28.04.2025 – 1 ZB 24.1944
Titel:

Beseitigungsanordnung für Einfamilienhäuser

Normenketten:
BayBO Art. 69 Abs. 1, Art. 76 S. 1
BauGB § 35 Abs. 2, Abs. 3
GG Art. 3 Abs. 1
Leitsätze:
1. Wesentliche Merkmale für die Identität eines Bauvorhabens sind Standort, Grundfläche, Bauvolumen, Zweckbestimmung, Höhe, Dachform oder Erscheinungsbild. Ob eine Veränderung dieser Merkmale die Identität von genehmigten und errichteten Vorhaben aufhebt, hängt vom Umfang der Abweichungen und von der Bewertung ihrer Erheblichkeit im jeweiligen Einzelfall ab. Es kommt dabei entscheidend darauf an, ob durch die Änderung Belange neuerlich oder andere Belange erstmals so erheblich berührt werden, dass sich die Zulässigkeitsfrage neu stellt. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Den Wandhöhen kommt bei der Frage, ob ein Vorhaben der genehmigten Planung entspricht oder nicht, ein entscheidendes Gewicht zu, weil sich solche Veränderungen nicht mehr ohne ganz erhebliche Eingriffe in die Gebäudesubstanz einer anderslautenden Genehmigungsplanung anpassen lassen. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei der Feststellung eines Bebauungszusammenhangs ist eine nicht genehmigte Bebauung nur zu berücksichtigen, wenn sie in einer Weise geduldet wird, die keinen Zweifel daran lässt, dass sich die zuständigen Behörden mit dem Vorhandensein der Bauten abgefunden haben. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine Teilbeseitigung als milderes Mittel anstelle einer vollständigen Beseitigung kommt nur in Betracht, wenn durch sie zumindest im Wesentlichen rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beseitigungs- und Duldungsanordnungen, Planabweichende Bebauung, Erlöschen von (alten) Baugenehmigungen, Lage im Außenbereich, Beseitigungsanordnung, Abweichung vom Bauplan, Erlöschen der Baugenehmigung, Identität eines Bauvorhabens, Wandhöhe, Außenbereich, Bebauungszusammenhang, Duldung, Verhältnismäßigkeit, Teilrückbau
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 13.06.2024 – M 11 K 23.869
Fundstelle:
BeckRS 2025, 9170

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Von den Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger zu 1 6/7, die Klägerin zu 2 1/7.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 1.230.750,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger zu 1 wendet sich gegen die Beseitigungsanordnung für drei Einfamilienhäuser auf den Grundstücken FlNrn. …2, …2, …3 und …4, Gemarkung W (Vorhabengrundstücke), die Klägerin zu 2 gegen die angeordnete Duldung der Beseitigung der Einfamilienhäuser.
2
Die vormals unbebauten Vorhabengrundstücke liegen am Rande einer kleineren Ansiedlung des Stadtteils W , W ; ein Bebauungsplan besteht für das Gebiet nicht.
3
Mit Bescheid vom 23. März 2010 erteilte das Landratsamt den Rechtsvorgängern der Kläger zunächst einen Vorbescheid für die Errichtung von drei Wohngebäuden nebst Carports auf den damals ungeteilten Grundstücken FlNr. … und …, dann mit Bescheiden vom 10. und 12. September 2014 die Baugenehmigungen für die Errichtung von Einfamilienhäusern jeweils mit Carport auf den Vorhabengrundstücken („Haus 1“ auf dem jetzigen Grundstück FlNr. …2, „Haus 2“ auf dem jetzigen Grundstück FlNr. …2, und „Haus 3“ auf dem jetzigen Grundstück FlNr. …3). Das Hinterliegergrundstück „Haus 3“ wird über eine von der Straße I. abzweigende Zufahrt auf dem Grundstück FlNr. …4 erschlossen. In den Baugenehmigungen wurde ausgeführt, dass die Vorhaben aufgrund ihrer Außenbereichslage nach § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilen seien und die Entstehung bzw. Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten ließen. Mit der Erteilung des Vorbescheids sei aber ein Vertrauensverhältnis geschaffen worden, welches höher zu werten sei als die bestehenden rechtlichen Bedenken gegen den erteilten Vorbescheid. Die drei Einfamilienhäuser wurden in der Folge vom Kläger zu 1 planabweichend errichtet, insbesondere wurden jeweils die Wand- und Firsthöhen erhöht, das Gelände aufgeschüttet, die Dachneigung verändert, die Terrassenflächen erweitert, anstelle der Carports Doppelgaragen errichtet und die Baugrundstücke eingefriedet. Den im Jahr 2017 erlassenen Baueinstellungsverfügungen kam der Kläger zu 1 nicht nach und stellte die Vorhaben fertig. Die von ihm im gleichen Jahr beantragten Baugenehmigungen zur Legalisierung der errichteten Anlagen lehnte das Landratsamt mit Bescheiden vom 30. Mai 2018 ab. Die hiergegen gerichteten Klagen hat das Verwaltungsgericht mit Urteilen vom 10. Juni 2021 (M 11 K 18.3186, M 11 K 18.3315 und M 11 K 18.3384) abgewiesen, der Senat hat diese Entscheidung mit Beschluss vom 13. Mai 2022 (1 ZB 21.2603 und 1 ZB 21.2605) bestätigt. 2022 veräußerte der Kläger zu 1 die Baugrundstücke an die Klägerin zu 2.
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Die gegen die streitgegenständlichen Beseitigungs- und Duldungsanordnungen gerichteten Klagen hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Die Wohngebäude seien auch unter Zugrundlegung der nachgemessenen geringeren Wandhöhenüberschreitungen in Zusammenschau mit den Firsthöhenüberschreitungen und den übrigen Abweichungen nicht mehr durch die Baugenehmigungen von 2014 gedeckt. Der Kläger zu 1 habe jeweils ein anderes als die genehmigten Bauvorhaben („aliud“) ausgeführt, damit seien die Baugenehmigungen von 2014 erloschen. Die errichteten Wohngebäude seien aufgrund der Außenbereichslage der Vorhabengrundstücke nicht genehmigungsfähig. Für den Bebauungszusammenhang auf den Baugrundstücken seien weder die zwischenzeitlich errichteten Doppelhäuser auf den westlich gelegenen Grundstücken FlNrn. …1 u.a. relevant noch seien die von ihm errichteten Einfamilienhäuser zu berücksichtigen, weil sie formell illegal seien und das Landratsamt sich nicht auf Dauer mit dem Fortbestand der Gebäude abgefunden habe. Auch könne ein Bebauungszusammenhang nicht zum Zeitpunkt der Rohbaufertigstellung angenommen werden, weil ein solches Bauwerk nicht dem ständigen Aufenthalt von Menschen diene und die Gebäude bereits im Rohbau die baurechtswidrigen Wand- und Firsthöhen aufgewiesen hätten. Den nicht privilegierten Vorhaben ständen öffentliche Belange entgegen. Ermessensfehler seien nicht ersichtlich. Auch die Duldungsanordnungen seien nicht zu beanstanden.
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Mit den Anträgen auf Zulassung der Berufung machen die Kläger geltend, dass die Einordnung der errichteten Wohngebäude als aliud angesichts der nunmehr feststehenden geringeren Überschreitungen bei den Wand- und Firsthöhen unzutreffend sei. Die vorhandenen Wohngebäude seien von den Baugenehmigungen 2014 gedeckt. Um die genehmigte Wandhöhe zu erreichen, müsse lediglich das Dach angehoben, die maximal betroffenen 2 Mauersteinlagen entfernt und das Dach wieder aufgesetzt werden. Zum Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigungen 2014 habe Art. 59 BayBO (a.F.) keine Prüfung der Abstandsflächen vorgesehen; die Abstandsflächen würden – auch mit den tatsächlich ausgeführten Wandhöhen – ersichtlich eingehalten. Es handle sich um eine „zwangsläufige Unregelmäßigkeit im Zuge der Bauarbeiten“. Für die Frage, ob ein aliud vorliege, könne nicht auf die Nebenanlagen, die baulich-konstruktiv und visuell klar vom Hauptkörper zu unterscheiden seien, abgestellt werden. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der errichteten Wohngebäude richte sich nach § 34 BauGB, jedenfalls sei auch bei Annahme eines aliuds der Baubeginn bzw. der Baufortschritt bis zum Zeitpunkt der Überschreitung der genehmigten Wandhöhe in rechtmäßiger Weise erfolgt. Die Baumaßnahmen seien vor dem angenommenen Erlöschen der Baugenehmigungen im Jahr 2018 abgeschlossen worden. Der vorhandene Baubestand im Zeitpunkt des Rohbaus bzw. seiner Fertigstellung sei bis zu dem angenommenen Erlöschen der Baugenehmigungen in einer Art und Weise gefestigt gewesen, dass lediglich ein Teilrückbau hätte gefordert werden können; mit einer vollständigen Beseitigung des Vorhandenen sei nicht mehr zu rechnen gewesen. Diese prägende und die Innenbereichsqualität der Baugrundstücke begründende Wirkung habe auch zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bestanden, weil die Verfestigung nicht mit dem Erlöschen der Baugenehmigung ende und Bestandteil des grundrechtlich geschützten Eigentums sei. Auch bei Annahme einer Außenbereichslage fehle es an einer rechtserheblichen Beeinträchtigung öffentlicher Belange. Zudem lägen Ermessenfehler vor und das Verhalten des Landratsamts entspreche nicht den an die Verhältnismäßigkeit zu stellenden Anforderungen.
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Der Beklagte tritt den Zulassungsanträgen entgegen und trägt insbesondere vor, dass die erheblichen Überschreitungen der Wand- und Firsthöhen nicht ohne Eingriff in die Statik des bestehenden Gebäudes behoben werden könnten. Nach dem geltenden Normalformat für Mauersteine dürfte es sich um eine Wandhöhendifferenz von rd. 5 bis 6 Mauersteinlagen handeln. Bei der Prüfung der Erheblichkeit von Abweichungen bei einem aliud komme es weder darauf an, ob das Abstandsflächenrecht im konkreten Fall bei Erteilung der Baugenehmigung Bestandteil des Pflichtprogramms gewesen sei, noch auf die Grundstücksgröße; auch die Nebenanlagen könnten aufgrund der auf ein Gesamtvorhaben gerichteten Bauanträge nicht ausgeblendet werden. Für die bauplanerische Beurteilung müsse die auf den Vorhabengrundstücken realisierte Bebauung außer Betracht bleiben, insbesondere sei es für die Frage einer etwaigen dauerhaften Duldung durch die Behörde unerheblich, ob die errichteten Wohngebäude für einen gewissen Zeitraum bis zum Erlöschen der Baugenehmigungen von 2014 nur mit einer Teilrückbauanordnung hätten belegt werden können. Einen vorübergehenden Bestandsschutz gebe es – unabhängig davon, dass nur ein einheitliches Bauvorhaben genehmigt werde – nicht. Die Beseitigungsanordnungen seien frei von Ermessensfehlern, insbesondere sei ein Teilrückbau nach Erlöschen der Baugenehmigungen nicht mehr möglich. Der Kläger zu 1 könne die Verantwortung für die errichteten Schwarzbauten und die damit verbundenen Folgen nicht auf das Landratsamt abwälzen.
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Ergänzend wird auf die Gerichtsakten und die digital vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und der besonderen rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegen nicht vor bzw. werden nicht dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).
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1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 8.5.2019 – 2 BvR 657/19 – juris Rn. 33; B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Das ist nicht der Fall.
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1.1. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Beseitigungsanordnungen rechtmäßig sind.
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1.1.1. Das Verwaltungsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei den errichteten Wohngebäuden auch unter Zugrundelegung der nachgemessenen (geringeren) Wand- und Firsthöhen jeweils um andere als die 2014 genehmigten Vorhaben (sog. „aliud“) handelt, deren Genehmigungsfähigkeit im Ganzen neu beurteilt werden muss, und die ursprünglichen Baugenehmigungen vom 10. und 12. September 2014 wegen Zeitablaufs erloschen sind (Art. 69 Abs. 1 BayBO).
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Als für die Identität eines Bauvorhabens wesentliche Merkmale werden in der Rechtsprechung Standort, Grundfläche, Bauvolumen, Zweckbestimmung, Höhe, Dachform oder Erscheinungsbild herausgestellt. Ob eine Veränderung dieser für ein Vorhaben charakteristischen Merkmale die Identität von genehmigten und errichteten Vorhaben aufhebt, hängt vom Umfang der Abweichungen und von der Bewertung ihrer Erheblichkeit im jeweiligen Einzelfall ab. Es kommt dabei entscheidend darauf an, ob durch die Änderung Belange, die bei der ursprünglichen Genehmigung des Vorhabens zu berücksichtigen waren, neuerlich oder andere Belange erstmals so erheblich berührt werden, dass sich die Zulässigkeitsfrage neu stellt (vgl. HambOVG, B.v. 9.5.2023 – 2 Bs 41/23 – BauR 2023, 1504; BayVGH, B.v. 13.5.2022 – 1 ZB 21.2603 u.a – juris Rn. 15; U.v. 26.10.2021 – 15 B 19.2130 – juris Rn. 28 m.w.N.). Auf ein aliud kann auch hinweisen, dass ein Vorhaben ohne Zerstörung seiner Substanz oder wesentlicher Teile mit der ursprünglich erteilten Genehmigung nicht in Übereinstimmung gebracht werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 14.12.2020 – 1 ZB 18.1164 – juris Rn. 7).
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Diese Grundsätze hat das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zu Grunde gelegt und ist unter Verweis auf die Urteile der Kammer vom 10. Juni 2021 (M 11 K 18.3186 u.a.) und den Beschluss des Senats vom 13. Mai 2022 (1 ZB 21.2603 u.a.) aufgrund einer umfassenden Bewertung und der gebotenen Gesamtschau (weiterhin) zu der Einschätzung gelangt, dass der Kläger zu 1 auch bei Berücksichtigung der tatsächlichen Wandhöhenüberschreitungen im Vergleich zu den genehmigten Wandhöhen von 37 cm (Haus 1) bzw. 44 cm (Häuser 2 und 3), der Firsthöhenüberschreitungen von immerhin noch 13 cm bzw. 17 und 18 cm und den übrigen Abweichungen (Geländeaufschüttung, Veränderung der Dachneigung, Erweiterung der Terrassenflächen, Errichtung von Doppelgaragen anstelle von Carports und Einfriedung der Baugrundstücke) andere Vorhaben als die im Jahr 2014 genehmigten Vorhaben errichtet hat. Den Wandhöhen kommt bei der Frage, ob ein Vorhaben der genehmigten Planung entspricht oder nicht, ein entscheidendes Gewicht zu, weil sich solche Veränderungen nicht mehr ohne ganz erhebliche Eingriffe in die Gebäudesubstanz einer anderslautenden Genehmigungsplanung anpassen lassen. Der pauschale Einwand in der Zulassungsbegründung, dass es sich nunmehr nur um eine unerhebliche Abweichung handle, weil die Reduzierung der Wandhöhenüberschreitung lediglich die Anhebung des Dachs, die Entfernung von maximal 2 Mauersteinlagen und das erneute Aufsetzen des Dachs erfordere, überzeugt nicht. Denn der Umfang der Substanzzerstörung ist nur ein Aspekt, der für ein aliud sprechen kann. Unabhängig davon lässt die bloße Behauptung, die Korrekturarbeiten an dem Dach seien unter baulich-konstruktiven Gesichtspunkten unproblematisch, den zur Anpassung tatsächlich erforderlichen Eingriff in die Bausubstanz – auch im Hinblick auf das in der Eingabeplanung nicht vorhandene weitere „Spitzgeschoss“ – nicht erkennen. Die Höhenveränderung überschreitet, unabhängig davon, wie viele Lagen von Mauersteinen entnommen werden müssen, für sich genommen und in der Zusammenschau mit den Firsthöhenüberschreitungen von 13 cm bzw. 17 und 18 cm, die infolge der Veränderung der Dachneigung erfolgt ist, ersichtlich die Schwelle einer (nur) geringfügigen Veränderung. Es kann daher nicht mehr die Rede von einer lediglich „zwangsläufigen Unregelmäßigkeit im Zuge der Bauarbeiten“ sein. Soweit der Kläger zu 1 in diesem Zusammenhang geltend macht, dass die Bedeutung der Wandhöhe als maßgeblicher Parameter der baurechtlichen Prüfung, insbesondere im Hinblick auf die Prüfung der Abstandsflächen, vorliegend nicht tangiert sei, weil zum Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigungen am 10. und 12. September 2014 nach Art. 59 BayBO (a.F.) eine Prüfung der Abstandsflächen nicht vorgesehen gewesen sei, übersieht er, dass die Einschränkung des Prüfprogramms der Bauaufsichtsbehörde bezüglich der nicht geprüften Vorschriften nur dazu führt, dass insoweit keine Legalisierungswirkung durch die Baugenehmigung erfolgt (vgl. Decker in Busse/Kraus, BayBO, Stand Dezember 2024, Art. 76 Rn. 99). Die Einhaltung dieser bauordnungsrechtlichen Anforderungen bzw. sonstiger öffentlich-rechtlicher Vorschriften obliegt insoweit dem Bauherrn. Für die Beurteilung der Erheblichkeit von Abweichungen bei der Prüfung eines aliuds kommt es hingegen weder auf die Besonderheiten des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens noch auf die Grundstücksgröße an, sondern auf die Veränderungen zwischen dem genehmigten und dem errichteten Vorhaben. Das Verwaltungsgericht hat bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung des Erscheinungsbildes des Vorhabens auch zu Recht nicht nur isoliert auf die Wohngebäude abgestellt, sondern auch auf die Nebenanlagen wie z.B. die mit den Wohngebäuden verbundenen „Doppelgaragen“, die die Vorhaben mit dem überdachten Bereich zwischen Haus und Garage deutlich massiver als die genehmigte Planung erscheinen lassen. Denn mit den Bauanträgen, die den Baugenehmigungen von 2014 zu Grunde liegen, wurden jeweils Gesamtvorhaben für die Errichtung von Wohngebäuden mit Carports und Terrasse beantragt und genehmigt.
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1.1.2. Weiter hat das Verwaltungsgericht unter Verweis auf die vorgenannten Entscheidungen zu Recht angenommen, dass die Gebäude im Außenbereich liegen. Zwar ist bei der Feststellung eines Bebauungszusammenhangs im Anwendungsbereich des § 34 Abs. 1 BauGB grundsätzlich auf die tatsächlich vorhandene Bebauung abzustellen. Eine – wie hier – nicht genehmigte Bebauung ist jedoch nur dann zu berücksichtigen, wenn sie in einer Weise geduldet wird, die keinen Zweifel daran lässt, dass sich die zuständigen Behörden mit dem Vorhandensein der Bauten abgefunden haben (vgl. BVerwG, U.v. 17.5.2002 – 4 C 6.01 – NVwZ 2003, 211; B.v. 23.11.1998 – 4 B 29.98 – NVwZ-RR 1999, 364; U.v. 6.11.1968 – IV C 31.66 – BVerwGE 31, 22; BayVGH, U.v. 15.6.2021 – 1 B 19.221 – juris Rn. 16; U.v. 14.5.2021 – 1 B 19.2111 – juris Rn. 26; U.v. 9.9.2015 – 1 B 15.251 – juris Rn. 15). Da sich das Landratsamt, wie das anhängige Verfahren und das weitere Klageverfahren von Mietern gegen die Duldungsanordnungen zeigen, nicht dauerhaft mit dem Bestand der Gebäude abgefunden hat, müssen die planabweichend errichteten Gebäude auf den Vorhabengrundstücken für die bauplanerische Beurteilung unberücksichtigt bleiben. Gegenteiliges ergibt sich nicht aus dem Zulassungsvortrag, wonach der Baubeginn der streitgegenständlichen Wohngebäude sowie der weitere Baufortschritt bis zur Überschreitung der genehmigten Wandhöhe in rechtmäßiger Weise erfolgt sei und damit eine prägende Wirkung bis zum angenommenen Erlöschen der Baugenehmigungen von 2014 anzunehmen sei. Denn zu den Bauwerken, die für die angemessene Fortentwicklung der vorhandenen Bebauung maßstabbildend sind, zählen grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen (vgl. BVerwG, U.v. 30.6.2015 – 4 C 5.14 – BVerwGE 152, 275). Im Übrigen haben die Gebäude nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichts bereits im Rohzustand die baurechtswidrigen Wand- und Firsthöhen aufgewiesen (UA Rn. 39).
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1.1.3. Die Richtigkeit der Annahme des Verwaltungsgerichts, den nach § 35 Abs. 2 und Abs. 3 BauGB zu beurteilenden Vorhaben ständen öffentliche Belange entgegen, ist nicht ernstlich zweifelhaft.
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Die Bebauung stellt sich auch unter Berücksichtigung der nachgemessenen Wand- und Firsthöhen jedenfalls als eine siedlungsstrukturell zu missbilligende, nicht geordnete Ausweitung eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils in den Außenbereich im Sinn von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB dar. Eine durch verbindliche Bauleitplanung nicht geordnete Ausweitung eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils in den Außenbereich hinein ist ein Vorgang der städtebaulich unerwünschten, unorganischen Siedlungsweise, die zu vermeiden ein öffentlicher Belang im Sinn des § 35 Abs. 2 und Abs. 3 BauGB ist (vgl. BVerwG, B.v. 11.10.1999 – 4 B 77.99 – BauR 2000, 1175). Denn eine Ausweitung der Bebauung außerhalb des jeweiligen im Zusammenhang bebauten Ortsteils in den Außenbereich hinein soll planungsrechtlich unter dem Gesichtspunkt der Verhinderung einer Zersiedelung grundsätzlich nur auf der Grundlage eines Bebauungsplans bzw. ggf. einer Satzung nach § 34 Abs. 4 BauGB erfolgen. Das Zulassungsvorbringen, wonach eine Vorbildwirkung insbesondere aufgrund der Tatsache, dass die Gebäude auf der Grundlage erteilter Baugenehmigungen errichtet wurden, nicht besteht, vermag eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Wie der Senat bereits in der Entscheidung vom 13. Mai 2022 (1 ZB 21.2603 u.a.) ausgeführt hat, muss sich der Kläger zu 1 im Zusammenhang mit § 35 Abs. 2 BauGB so behandeln lassen, als wenn er an den vorgesehenen Stellen erstmals ein Gebäude errichten wollte. Dass ein Vorhaben den Darstellungen eines Flächennutzungsplans entspricht, lässt diesen öffentlichen Belang nicht entfallen, da den Darstellungen eines Flächennutzungsplans unmittelbar keine solche positive Wirkung zukommt (vgl. BVerwG, U.v. 25.1.1985 – 4 C 29.81 – NVwZ 1985, 747). In Bezug auf die geltend gemachte Gleichbehandlung mit der behaupteten (teilweise) rechtswidrigen Bebauung auf den Nachbargrundstücken (Anwesen I.-spitz Nrn. 23 bis 23c) kann offen bleiben, ob angesichts einer auf diesen Grundstücken zuvor vorhandenen Bebauung eine vergleichbare Fallkonstellation vorliegt. Denn auch bei Annahme der Rechtswidrigkeit der Baugenehmigungen für diese Bebauung besteht kein Anspruch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 BV („keine Gleichheit im Unrecht“, vgl. BayVGH, U.v. 27.7.2018 – 15 B 17.1169 – BayVBl 2019, 849 m.w.N.).
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Da bei der Frage, ob ein Vorhaben nach § 35 Abs. 2 und Abs. 3 BauGB planungsrechtlich unzulässig ist, schon der Verstoß gegen einen der in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB beispielhaft genannten öffentlichen Belange ausreicht (vgl. BVerwG, B.v. 8.11.1999 – 4 B 85.99 – BauR 2000, 1171), kommt es nicht darauf an, ob die Vorhaben auch die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Alt. 4 BauGB).
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1.1.4. Die Beseitigungsanordnung ist weder ermessensfehlerhaft noch unverhältnismäßig.
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In Bezug auf die auf den Nachbargrundstücken errichteten Doppelhäuser hat der Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, dass diese Gebäude genehmigungskonform errichtet wurden, sodass ein bauaufsichtsrechtliches Einschreiten nicht in Betracht kommt.
20
Soweit das Zulassungsvorbringen geltend macht, dass während eines langen Zeitraums bis zum Erlöschen der Baugenehmigung 2014 die Anordnung eines Teilrückbaus möglich gewesen wäre, das Landratsamt diese Option und eine Duldung des vorhandenen Baubestandes jedoch nicht in seine Überlegungen einbezogen habe, lassen die Kläger unberücksichtigt, dass nach dem Erlöschen der Baugenehmigung 2014 ein Teilrückbau rechtlich nicht mehr möglich war. Eine Teilbeseitigung als milderes Mittel anstelle einer vollständigen Beseitigung kommt nur dann in Betracht, wenn durch sie zumindest im Wesentlichen rechtmäßige Zustände hergestellt werden können (vgl. BayVGH, B.v. 4.6.2018 – 1 ZB 16.1905 – juris Rn. 13; B.v. 26.3.2008 – 15 ZB 07.3194 – juris Rn. 13). Nachdem sich die Vorhabengrundstücke im Außenbereich befinden und eine Bebauung bauplanungsrechtlich unzulässig ist, war das Landratsamt nicht gehalten, die unzulässigen Vorhaben weiter hinzunehmen. Es kommt daher nicht entscheidungserheblich darauf an, aus welchen Gründen der Kläger zu 1 den ihm – auch nach Ablehnung der Bauanträge zur Legalisierung – noch möglichen Teilrückbau nicht in Betracht gezogen und die Bauvorhaben fertiggestellt hat. Aus den vorliegenden Akten ergibt sich jedenfalls, dass der (damalige) Prozessbevollmächtigte des Klägers zu 1 das Landratsamt mit Schreiben vom 1. April 2019 gebeten hatte, auf den Erlass einer Rückbauanordnung (auch Teilrückbau) zu verzichten (S. 154 der Behördenakte). Ebenso kommt es nicht auf die Frage der Möglichkeit der bautechnischen Ausführung eines Teilrückbaus an. Soweit im Zulassungsvorbringen eine unvollständige Berücksichtigung der Belange der Mieter, z.B. im Hinblick auf ihre soziale Einbindung, gerügt wird, werden die Kläger dadurch nicht in eigenen Rechten berührt. Im Übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts verwiesen.
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1.2. Auch die in entsprechender Anwendung des Art. 76 Satz 1 BayBO erlassene Duldungsanordnung gegen die Klägerin zu 2 als (neue) Grundstückseigentümerin ist daher nicht zu beanstanden.
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2. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor. Die im Zulassungsvorbringen gestellten Fragen zur Berücksichtigung eines genehmigten, aber baugenehmigungsabweichend errichteten Bauvorhabens für die Begründung eines bauplanungsrechtlichen Innenbereichs sowie die etwaige Berücksichtigung einer zuvor möglichen Teilrückbauanordnung bei einer Beseitigungsanordnung sind nach den vorstehenden Ausführungen unter Nummer 1 nicht klärungsbedürftig.
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3. Die Rechtssache weist auch keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Soweit die besonderen Schwierigkeiten der Rechtssache im Wesentlichen in den Fragen, die auch zu dem Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel behandelt wurden, gesehen werden, sind die Fragen aus den vorstehenden Erwägungen unter 2 nicht klärungsbedürftig und die Streitsache wirft aus den vorstehenden Erwägungen unter 1 keine über das normale Maß hinausgehenden Schwierigkeiten auf. Allein die unterschiedliche Bewertung der vorliegenden Sachverhalte durch das Verwaltungsgericht und den Kläger genügt nicht für die Darlegung von besonderen rechtlichen Schwierigkeiten.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Die Quotelung trägt dem Umstand Rechnung, dass für die Beseitigungsanordnungen ein höherer Streitwert als für die Duldungsanordnungen anzusetzen war.
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Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.
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Mit der Ablehnung der Zulassungsanträge wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).