Titel:
Vorbescheid für Wohnanlage mit Tiefgarage – Abgrenzung Außenbereich
Normenketten:
BayBO Art. 71
BauGB § 34 Abs. 1, § 35 Abs. 2, Abs. 3
VwGO § 86 Abs. 1
Leitsätze:
1. Ebenso wie ein Bebauungszusammenhang nicht unmittelbar mit dem letzten Baukörper zu enden braucht, verbietet sich umgekehrt die Annahme, dass notwendigerweise das letzte Grundstück in seinem gesamten Umfang vom Zusammenhang erfasst wird. Wie weit der Bebauungszusammenhang im Einzelfall reicht, kann stets nur das Ergebnis einer Bewertung des konkreten Sachverhalts sein. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die einen Bebauungszusammenhang iSv § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB kennzeichnenden Begriffe „Geschlossenheit“ und „Zusammengehörigkeit“ sollen eine gewisse – trotz Lücken – bestehende räumliche Verklammerung der bestehenden Gebäude kennzeichnen. Es soll damit zum Ausdruck gebracht werden, dass das unbebaute Grundstück – gedanklich – übersprungen werden kann, weil es ein verbindendes Element gibt, nämlich die Verkehrsanschauung, die das unbebaute Grundstück als eine sich zur Bebauung anbietende Lücke erscheinen lässt. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3. Darstellungen eines Flächennutzungsplans können wegen veränderter tatsächlicher Verhältnisse funktionslos werden, wenn die (tatsächliche) Entwicklung des Baugeschehens den Darstellungen des Flächennutzungsplans in einem sowohl qualitativ wie quantitativ so erheblichen Maß zuwiderläuft, dass die Verwirklichung der ihnen zugrundeliegenden Planungsabsichten entscheidend beeinträchtigt ist. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vorbescheid, Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit, Abgrenzung Innenbereich, Außenbereich, Bebauungszusammenhang, Topografische Besonderheit (Hangkante) (verneint), Eindruck der Geschlossenheit, Baulücke, Funktionslosigkeit der Darstellungen eines Flächennutzungsplans, Beweisantrag
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 18.07.2023 – M 1 K 20.6217
Fundstelle:
BeckRS 2025, 9168
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Klageverfahren – insoweit unter Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses – und das Zulassungsverfahren wird auf jeweils 110.000,-- Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die Klägerin begehrt die Erteilung eines Vorbescheids für die Errichtung einer Wohnanlage mit Tiefgarage auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung … (im Folgenden: Vorhabengrundstück).
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Das ca. 3.280 m2 große, unbeplante Vorhabengrundstück ist in seinem nordwestlichen Bereich mit einem zweigeschossigen Einfamilienhaus und einer nördlich davon gelegenen Garage bebaut. Es grenzt im Norden an die Straße „A. “ und im Westen an die T. Straße an; die entlang dieser Straßen dem Vorhabengrundstück gegenüberliegenden Grundstücke sind bebaut. Südlich und östlich des Bestandsgebäudes auf dem Vorhabengrundstück schließt sich zunächst eine als Garten genutzte Fläche an, die noch auf dem Vorhabengrundstück in beiden Richtungen in eine waldartige Fläche übergeht. Diese setzt sich auf den östlich und südlich angrenzenden Nachbargrundstücken fort und grenzt schließlich an die von Südwesten nach Nordosten verlaufende Ortsdurchfahrt der Staats straße St … an.
3
Mit am 1. August 2019 bei der Beklagten eingegangenem Antrag beantragte die Klägerin die Erteilung eines Vorbescheids für die Errichtung von zwei Mehrfamilienhäusern mit elf Wohnungen und Tiefgarage unter Abbruch des Bestands auf dem Vorhabengrundstück. Der Vorbescheidsantrag bezieht sich auf einen in west-östlicher Richtung verlaufenden dreigeschossigen Baukörper im nordwestlichen Grundstücksbereich sowie einen südlich davon geplanten, in nord-südlicher Richtung verlaufenden dreigeschossigen Baukörper, die unterirdisch mit einer Tiefgarage verbunden werden sollen. Abgefragt wurde u.a. für die beiden Baukörper getrennt die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nach der Art, dem Maß und der überbaubaren Grundstücksfläche.
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Mit Bescheid vom 6. November 2020 beantwortete die Beklagte lediglich die Frage nach der geplanten Art der baulichen Nutzung für den nördlichen Baukörper positiv. Zum geplanten südlichen Baukörper wurden die Vorbescheidsfragen u.a. dahingehend beantwortet, dass dieser sich im Außenbereich nach § 35 BauGB situiere und als nicht privilegiertes Vorhaben nach § 35 Abs. 2 und 3 BauGB bauplanungsrechtlich unzulässig sei.
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Die dagegen erhobene, auf Erteilung eines – soweit bislang nicht erfolgt – positiven Vorbescheids gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht nach Einnahme eines Augenscheins mit Urteil vom 18. Juli 2023 ab. Zur Begründung wurde darauf abgestellt, dass die Voraussetzungen für eine positive Beantwortung der Frage betreffend die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des südlichen Baukörpers an der im Plan dargestellten Lage auf dem Vorhabengrundstück nicht gegeben seien, weil sich das Vorhaben insoweit nach § 35 BauGB beurteile und im Außenbereich unzulässig sei.
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Mit ihrem Zulassungsantrag macht die Klägerin geltend, dass ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestünden. Es beschreibe und bewerte die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse auf dem Vorhabengrundstück unvollständig und fehlerhaft, weshalb die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens zu Unrecht verneint worden sei. Aus denselben Erwägungen weise die Rechtssache besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten auf. Schließlich fehlten Feststellungen zu der Frage, ob die aus dem Aktenbestand ablesbaren Darstellungen die Realitäten vor Ort zutreffend wiedergäben; dies stelle einen Verfahrensmangel dar.
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Die Beklagte tritt dem Zulassungsvorbringen entgegen.
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Ergänzend wird auf die Gerichtsakten sowie die übermittelten Behördenakten Bezug genommen.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) sowie eines der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) liegen nicht vor bzw. wurden nicht den Anforderungen von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt.
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1. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines Urteils, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 8.5.2019 – 2 BvR 657/19 – juris Rn. 33; B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – NVwZ-RR 2004, 542).
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Das ist vorliegend nicht der Fall. Nach dem Zulassungsvorbringen erscheint es nicht ernstlich zweifelhaft, dass die Klägerin, wie vom Verwaltungsgericht angenommen, keinen Anspruch auf Erteilung des begehrten Vorbescheids hat, soweit er von der Beklagten abschlägig beschieden worden ist (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO i.V.m. Art. 71 Satz 4, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO). Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass die Voraussetzungen für eine positive Beantwortung der Frage betreffend die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des südlichen Baukörpers an der im Plan dargestellten Lage auf dem Vorhabengrundstück nicht gegeben seien, weil sich das Vorhaben insoweit nach § 35 BauGB beurteile und im Außenbereich unzulässig sei.
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1.1 Ohne Erfolg wendet sich die Klägerin gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass der geplante Standort für den südlichen Baukörper dem Außenbereich nach § 35 BauGB zuzuordnen sei, weil kein Bebauungsplan bestehe und nicht von einer Zugehörigkeit zum Innenbereich nach § 34 BauGB ausgegangen werden könne. Ein in einem nicht im Sinn des § 30 Abs. 1 BauGB qualifiziert überplanten Bereich geplantes Vorhaben liegt im Außenbereich, wenn es nicht Bestandteil eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinn des § 34 Abs. 1 BauGB ist. Ein Bebauungszusammenhang im Sinn von § 34 Abs. 1 BauGB ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anzunehmen, soweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche diesem Zusammenhang angehört. Die Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich lässt sich dabei nicht nach geografisch-mathematischen Maßstäben, sondern nur aufgrund einer umfassenden Würdigung der gesamten örtlichen Gegebenheiten, insbesondere der optisch wahrnehmbaren topografischen Situation und der Umgebungsbebauung bestimmen Der Bebauungszusammenhang endet regelmäßig am letzten Baukörper. Örtliche Besonderheiten können es im Einzelfall aber ausnahmsweise rechtfertigen, ihm noch bis zu einem Geländehindernis, einer Erhebung oder einem Einschnitt (Damm, Böschung, Graben, Fluss, Waldrand o.ä.) ein oder mehrere Grundstücke zuzuordnen, die unbebaut sind oder trotz des Vorhandenseins von Baulichkeiten sonst nicht zur Prägung der Siedlungsstruktur beitragen. Maßgeblich ist dabei, ob diese besonderen topografischen oder geografischen Umstände den Eindruck der Geschlossenheit bzw. Zugehörigkeit einer Fläche zum Bebauungszusammenhang vermitteln. Das betreffende Grundstück muss selbst einen Bestandteil des Zusammenhangs bilden, also selbst am Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit teilnehmen. Ebenso wie ein Bebauungszusammenhang nicht unmittelbar mit dem letzten Baukörper zu enden braucht, verbietet sich umgekehrt die Annahme, dass notwendigerweise das letzte Grundstück in seinem gesamten Umfang vom Zusammenhang erfasst wird. Wie weit der Bebauungszusammenhang im Einzelfall reicht, kann stets nur das Ergebnis einer Bewertung des konkreten Sachverhalts sein (vgl. BVerwG, B.v. 8.10.2015 – 4 B 28.15 – ZfBR 2016, 67; U.v. 30.6.2015 – 4 C 5.14 – BVerwGE 152, 275; B.v. 17.1.2005 – 4 B 3.05 – juris Rn. 7 m.w.N.; U.v. 12.12.1990 – 4 C 40.87 – NVwZ 1991, 879).
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Gemessen an diesen Maßstäben ist das Verwaltungsgericht zu Recht auf der Grundlage der im Rahmen eines Ortstermins getroffenen Feststellungen im Ergebnis nachvollziehbar zu der Einschätzung gelangt, dass die Fläche, auf der der südliche Baukörper der geplanten Wohnanlage realisiert werden soll, dem bauplanungsrechtlichen Außenbereich gemäß § 35 BauGB zuzuordnen ist. Es ist im Einklang mit der dargestellten Rechtsprechung davon ausgegangen, dass die Fläche, auf der der südliche Baukörper der Wohnanlage geplant ist, nicht mehr durch die umliegende Bebauung geprägt wird. Das Verwaltungsgericht hat die für die Einzelfallbeurteilung erforderliche Gesamtschau vorgenommen und sowohl die Fläche des Vorhabengrundstücks als auch die gesamten Freiflächen sowie die topografischen Gegebenheiten in den Blick genommen; weiter hat es auf die vorhandene Bebauung in der Umgebung abgestellt.
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Soweit die Klägerin geltend macht, dass die T. Straße keine trennende Wirkung habe, kann diese Frage offenbleiben. Denn das angegriffene Urteil erweist sich hinsichtlich der Annahme, dass der geplante Standort für den südlichen Baukörper dem Außenbereich nach § 35 BauGB zuzuordnen ist, unabhängig von einer trennenden Wirkung der T. Straße im Ergebnis als offensichtlich zutreffend (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – NVwZ-RR 2004, 542). Die Beklagte hat in der Erwiderung des Zulassungsantrags zu Recht darauf hingewiesen, dass der südliche Teil der beantragten Bebauung auch dann dem Außenbereich zuzurechnen wäre, wenn die T. Straße keine trennende Wirkung hätte. Die Bebauung westlich der T. Straße vermag auch unter Berücksichtigung des bestehenden Wohngebäudes auf dem Vorhabengrundstück der dort zur Bebauung angedachten Fläche für den südlichen Baukörper jedenfalls nicht den Eindruck zu vermitteln, dass diese bislang unbebaute Fläche selbst, wie von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB vorausgesetzt, als Baulücke am Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit teilnimmt und insofern einen Bestandteil des Bebauungszusammenhangs bildet. Die einen Bebauungszusammenhang im Sinn von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB kennzeichnenden Begriffe „Geschlossenheit“ und „Zusammengehörigkeit“ sollen eine gewisse – trotz Lücken – bestehende räumliche Verklammerung der bestehenden Gebäude kennzeichnen. Es soll damit zum Ausdruck gebracht werden, dass das unbebaute Grundstück – gedanklich – übersprungen werden kann, weil es ein verbindendes Element gibt, nämlich die Verkehrsanschauung, die das unbebaute Grundstück als eine sich zur Bebauung anbietende Lücke erscheinen lässt (vgl. BVerwG, U.v. 19.9.1986 – 4 C 15.84 – BVerwGE 75, 34; BayVGH, U.v. 16.6.2015 – 1 B 14.2772 – juris Rn. 19). Als eine derartige Lücke erscheint der auf dem Vorhabengrundstück geplante Standort für den südlichen Baukörper auch unter Berücksichtigung der Bebauung westlich der T. Straße, insbesondere auch der auf dem Grundstück FlNr. … errichteten Gebäude T. Straße 19a bis 19d, nicht. Da östlich und südlich des geplanten Standorts keine Bebauung vorhanden ist, führen sowohl der gedankliche Sprung über den geplanten Standort für den südlichen Baukörper nach Osten als auch der gedankliche Sprung nach Süden gleichsam ins Leere. Dies belegen auch die vorliegenden Fotos, Lagepläne und (Luft-)Bildaufnahmen aus dem GeoPortal BayernAtlas sowie aus Google Earth. Damit kommt die Annahme einer sich zur Bebauung anbietenden Lücke nicht in Betracht.
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Soweit die Klägerin meint, dass die im Bereich des Vorhabengrundstücks befindliche Hangkante als natürliche Grenze dazu führen würde, dass die unbebaute Fläche des Vorhabengrundstücks ausnahmsweise noch dem Bebauungszusammenhang zuzurechnen wäre, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Das Verwaltungsgericht ist aufgrund des vor Ort gewonnenen Eindrucks zu der Einschätzung gekommen, dass sich an das bestehende Wohngebäude auf dem Vorhabengrundstück im Osten und Süden keine Bebauung anschließt, sondern diese Grundstückfläche Teil eines unbebauten Bereichs ist, der sich bis zur Ortsdurchfahrt der Staats straße St … erstreckt; das Vorhabengrundstück selbst breite sich fast eben Richtung Süden bis hin zur südlichen Grundstücksgrenze, teilweise darüber hinaus aus und falle in östlicher Richtung ebenfalls erst im östlichsten Bereich ab. Die insofern bestehende Hangkante hat es aufgrund der örtlichen Gegebenheiten, d.h. der flächenmäßig größtenteils ebenen Ausdehnung des Vorhabengrundstücks sowie der vorhandenen Bebauung des Hangs nördlich der Straße „A. “, nicht als natürliche Grenze des Bebauungszusammenhangs angesehen. Auf die im Zulassungsantrag vorgelegte Berechnung, wonach aufgrund des stark abfallenden Geländes nur rund 55 Prozent der ebenen Fläche des Gesamtgrundstücks bebaubar seien, kommt es nicht entscheidend an, weil diese geografisch-mathematischen Größen alleine keine Aussagekraft haben. Das Verwaltungsgericht hat mit dem Aspekt der möglichen Unterbringung weiterer Bauplätze zutreffend auf die Größe der westlich und nördlich der als topografische Besonderheit in Betracht gezogenen Hangkante liegenden, unbebauten, weitgehend ebenen Fläche und den insofern bestehenden, optisch wahrnehmbaren Abstand zum nächst gelegenen Gebäude abgestellt. Bei einer größeren Entfernung zwischen einer topografischen Besonderheit und der vorhandenen Bebauung – wie hier – kann ein Bebauungszusammenhang nur ausnahmsweise angenommen werden und setzt ein solcher regelmäßig weitere besondere Umstände voraus (vgl. BVerwG, B.v. 1.8.1994 – 4 B 203.93 – juris Rn. 7). Solche sind vorliegend nicht vorgetragen. Soweit die Klägerin unter Nennung konkreter Höhen- und Längenangaben vorträgt, dass das Gelände im Bereich der Bebauung nördlich der Straße „A. “ nach Osten wesentlich geringer abfalle als auf dem Vorhabengrundstück und der Hang vorliegend stark bewaldet sei, wird die Ergebnisrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung ebenfalls nicht ernstlich in Zweifel gezogen. Unabhängig davon, dass sich auch insoweit geografisch-mathematische Maßstäbe verbieten, konnte das Verwaltungsgericht die von der Zulassungsbegründung in der Sache behauptete klare Zäsur zwischen dem (noch den für den südlichen Baukörper geplanten Standort umfassenden) Bebauungszusammenhang und den für eine Bebauung ungeeigneten Hangflächen durch die Hangkante nach seinem Eindruck aufgrund der Ortseinsicht nicht erkennen. Dass dieser Eindruck aufgrund der Bewaldung des Hangs fehlerhaft sein soll, erschließt sich nach dem Zulassungsvorbringen nicht. Um einen Waldrand als Grenze zwischen Innen- und Außenbereich handelt es sich hier nicht (vgl. BVerwG, B.v. 8.10.2015 – 4 B 28.15 – ZfBR 2016, 67).
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1.2 Hinsichtlich der Richtigkeit der Annahme des Verwaltungsgerichts, das nach § 35 Abs. 2 und 3 BauGB zu beurteilende Vorhaben beeinträchtige öffentliche Belange, bestehen ebenfalls keine ernstlichen Zweifel. Obwohl der Flächennutzungsplan der Beklagten für den Bereich des Vorhabengrundstücks, wie von der Klägerin zutreffend gerügt, tatsächlich keine Fläche für die Landwirtschaft darstellt, erweist sich das angegriffene Urteil hinsichtlich der Annahme, dass der geplante südliche Baukörper den Darstellungen des Flächennutzungsplans im Sinn von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB widerspricht, im Ergebnis als offensichtlich zutreffend (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – NVwZ-RR 2004, 542). Die Beklagte hat, wie bereits im Vorbescheid vom 6. November 2020 näher begründet (dort Seite 5), in der Erwiderung des Zulassungsantrags zu Recht darauf hingewiesen, dass der Flächennutzungsplan an dem für den südlichen Baukörper vorgesehenen Standort eine öffentliche Grünfläche ausweist und der geplante südliche Baukörper in diese Grünfläche hineinragt. Die Annahme eines insofern bestehenden Widerspruchs zu den Darstellungen des Flächennutzungsplans ist entgegen dem Zulassungsvorbringen nicht dadurch ausgeschlossen, dass das geplante (Gesamt-)Vorhaben die Größe der im Flächennutzungsplan für den nördlichen Teil des Vorhabengrundstücks dargestellten Wohnbaufläche nicht ausschöpft und die Größe der als Grünfläche vorgesehenen Fläche daher (im Ergebnis) nicht verringert wird, weil § 35 Abs. 2 i.Vm. Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB eine rein rechnerische Bilanzierung der Flächen unter Veränderung der mit den Darstellungen des Flächennutzungsplans erfolgten Zuweisung bestimmter Nutzungsarten zu bestimmten Standorten nicht erlaubt (vgl. grundlegend BVerwG, U.v. 29.4.1964 – I C 30.62 – BVerwGE 18, 247). Ebenso wenig wird ein Widerspruch zu den Darstellungen des Flächennutzungsplans dadurch ausgeschlossen, dass sich das Vorhabengrundstück seit jeher im Privatbesitz befindet. Zwar können entsprechend den für Bebauungspläne entwickelten allgemeinen Grundsätzen Darstellungen eines Flächennutzungsplans wegen veränderter tatsächlicher Verhältnisse ebenfalls funktionslos werden, so dass ihnen auch Vorhaben im Sinn von § 35 Abs. 2 BauGB nicht mehr gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB widersprechen können (vgl. BVerwG, B.v. 31.10.1997 – 4 B 185.97 – juris Rn. 7 m.w.N.; BayVGH, U.v. 24.7.2014 – 2 B 14.896 – BauR 2015, 85). Dies gilt dann, wenn die (tatsächliche) Entwicklung des Baugeschehens den Darstellungen des Flächennutzungsplans in einem sowohl qualitativ wie quantitativ so erheblichen Maß zuwiderläuft, dass die Verwirklichung der ihnen zugrundeliegenden Planungsabsichten entscheidend beeinträchtigt ist (vgl. BVerwG, B.v. 31.10.1997 a.a.O.). Dafür gibt es vorliegend jedoch keine Anhaltspunkte. Der südliche Teil des Vorhabengrundstücks ist baulich nicht genutzt; er ist tatsächlich eine – wenngleich nicht öffentliche – Grünfläche. Eine Umwandlung in eine öffentliche Grünfläche ist durch die Entwicklung des Baugeschehens weder ausgeschlossen noch erschwert.
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Da bei der Frage, ob ein Vorhaben nach § 35 Abs. 2 und 3 BauGB planungsrechtlich unzulässig ist, schon der Verstoß gegen einen der in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB beispielhaft genannten öffentlichen Belange ausreicht (vgl. BVerwG, B.v. 8.11.1999 – 4 B 85.99 – BauR 2000, 1171), kann dahinstehen, ob der auf dem Vorhabengrundstück geplante südliche Baukörper auch, wie vom Verwaltungsgericht angenommen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigt (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB), oder, wie von der Klägerin vorsorglich ablehnend erläutert, die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB).
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2. Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich zugleich, dass die Rechtssache – anders als die Zulassungsbegründung annimmt – keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufweist, die eine Zulassung der Berufung erforderlich machen würden. Die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen lassen sich, wie gezeigt, ohne Weiteres anhand der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und der Rechtsprechung bereits im Zulassungsverfahren klären. Allein die unterschiedliche Bewertung des vorliegenden Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht und die Klägerin genügt nicht für die Darlegung besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten (vgl. BayVGH, B.v. 14.9.2020 – 1 ZB 20.260 – juris Rn. 13; B.v. 30.7.2018 – 9 ZB 16.1068 – juris Rn. 14).
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3. Die Berufung ist schließlich auch nicht wegen eines der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) zuzulassen.
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Die Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO erfordert u.a. die Darlegung, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, aber auch im vorbereitenden Verfahren, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätte aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, B.v. 29.7.2015 – 5 B 36.14 – juris Rn. 7; B.v. 25.1.2005 – 9 B 38.04 – NVwZ 2005, 447). Ein Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein Beteiligter nicht ausdrücklich beantragt hat (§ 86 Abs. 2 VwGO). Insofern hätte die Klägerin, die im erstinstanzlichen Verfahren keinen förmlichen Beweisantrag gestellt hat, im Zulassungsvorbringen darlegen müssen, weshalb sich dem Verwaltungsgericht aus seiner maßgeblichen materiell-rechtlichen Sicht die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung im Hinblick auf die Übereinstimmung der in den Akten enthaltenen Pläne und Bilder mit den Realitäten vor Ort und die Vergleichbarkeit der Hanglangen auf dem Vorhabengrundstück und im Bereich der Bebauung nördlich der Straße „A. “ hätte aufdrängen müssen. Denn die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um – vermeintliche – Versäumnisse eines Prozessbeteiligten, vor allem das Unterlassen des Stellens von förmlichen Beweisanträgen, zu kompensieren (vgl. BVerwG, B.v. 5.3.2010 – 5 B 7.10 – juris Rn. 9 m.w.N.; B.v. 18.12.2006 – 4 BN 30.06 – NVwZ-RR 2007, 285). Aus welchen Gründen sich dem Verwaltungsgericht vorliegend eine weitere Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen, ergibt sich aus der Begründung des Zulassungsantrags nicht und ist auch sonst nicht ersichtlich. In der Sache wendet sich die Klägerin mit der Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht gegen die aus ihrer Sicht unrichtige Bewertung des Sachverhalts. Hierauf kann ein Verfahrensfehler nicht gestützt werden.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 9.1.1.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, die Abänderungsbefugnis für die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts ergibt sich aus § 63 Abs. 3 GKG. Gegenstand des Vorbescheids ist insbesondere die Klärung wesentlicher bauplanungsrechtlicher Fragen zur Zulässigkeit einer Wohnanlage mit elf Wohnungen, so dass eine Reduzierung des Streitwerts nach Nr. 9.2 des Streitwertkatalogs nicht angezeigt ist.
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Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).