Inhalt

VGH München, Urteil v. 26.03.2025 – 16a D 20.6
Titel:

Aberkennung des Ruhegehalts wegen reichsbürgertypischen Verhaltens

Normenketten:
BayDG Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 lit. b, Art. 11, Art. 13, Art. 14 Abs. 2 S. 2, Art. 56, Art. 63 Abs. 1 S. 1,
BeamtStG § 33 Abs. 1 S. 3, § 47 Abs. 2 S. 1
BayBG Art. 77
GG Art. 5 Abs. 1
StGB § 20, § 21
Leitsätze:
1. Die Pflicht zur Verfassungstreue wirkt als beamtenrechtliche Kernpflicht gegenüber dem Staat auch über das Ende des Beamtenverhältnisses hinaus, solange der frühere Beamte aufgrund des beendeten aktiven Beamtenverhältnisses finanzielle Leistungen erhält. (Rn. 59) (redaktioneller Leitsatz)
2. Agitationen, die die freiheitliche demokratische Grundordnung herabsetzen, verfassungsrechtliche Wertentscheidungen und Institutionen diffamieren und zum Bruch geltender Gesetze auffordern – mithin nicht den Staat und seine Staatsorgane lediglich kritisieren, sondern deren Legitimität in Frage stellen – sind als Betätigungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bewerten. (Rn. 63) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Verletzung der Pflicht zur Verfassungstreue ist so schwerwiegend, dass bei der Maßnahmebemessung grundsätzlich von der höchsten Maßnahme, der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, auszugehen ist. (Rn. 95) (redaktioneller Leitsatz)
4. Das Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit setzt keine juristisch genauen Kenntnisse der verletzten Rechtsvorschriften voraus. Es genügt, wenn der Beamte Umfang und Inhalt seiner auf diesen Regelungen beruhenden Dienstpflichten im weitesten Sinne erfasst. (Rn. 73) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Disziplinarrecht, Aberkennung des Ruhegehalts, Polizeihauptmeisterin a.D. (BesGr. A 9), Betätigung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, Äußerung staatsleugnender Ansichten (sog. „Reichsbürgerideologie“), Keine Einschränkung der Schuldfähigkeit trotz diagnostizierter Psychose, Polizeibeamte, Ruhestand, Dienstvergehen, Disziplinarverfahren, freiheitliche demokratische Grundordnung, Verfassungstreuepflicht, Reichsbürger, Schuldfähigkeit, Berufung
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 06.11.2019 – AN 13b D 18.529
Fundstelle:
BeckRS 2025, 9159

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Tatbestand

1
Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 6. November 2019, mit welchem das Verwaltungsgericht der Beklagten das Ruhegehalt aberkannt hat.
2
Dem Urteil des Verwaltungsgerichts liegt der Vorwurf zugrunde, dass sich die Beklagte die Ideologie und Denkweise der sogenannten Reichsbürgerbewegung zu eigen gemacht und diese gegenüber Behörden vertreten habe. Hierdurch habe sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigt.
3
Die 1965 geborene Beklagte absolvierte zuerst erfolgreich die Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten und arbeitete in diesem Beruf beim Landratsamt H. und bei der Stadt R.. Im November 1987 trat die Beklagte als Kriminalanwärterin unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf in den Dienst der Bayerischen Polizei ein.
4
Am 21. Mai 1987 wurde die Beklagte über ihre Pflicht zur Verfassungstreue belehrt und sie erklärte, dass sie die Grundsätze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bejahe und dazu bereit sei, sich jederzeit durch ihr gesamtes Verhalten zu dieser Grundordnung zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten. Am 2. November 1987 wurde sie vereidigt.
5
Die Beklagte wurde 1988 zur Kriminaloberwachtmeisterin ernannt. 1990 bestand sie die Anstellungsprüfung für den mittleren Polizeivollzugsdienst mit der Gesamtprüfungsnote 3,87 („ausreichend“, Platz 31 von 32 erfolgreichen Prüfungsteilnehmern), woraufhin sie zur Kriminaloberwachtmeisterin unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe und noch im gleichen Jahr zur Kriminalhauptwachtmeisterin ernannt wurde. 1991 erfolgte die Ernennung zur Kriminalmeisterin und 1992 die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit. 1994 wurde die Beklagte zur Kriminalobermeisterin und 1998 zur Kriminalhauptmeisterin befördert.
6
Bis 2002 war die Beklagte bei der Kriminaldirektion N. zunächst im Diebstahlskommissariat und anschließend über zehn Jahre als Sachbearbeiterin beim Kriminaldauerdienst (zuständig u.a. für Leichensachbehandlungen, Tatort-Spurensicherungen, Sexualdelikte, Raub-/Einbruchskriminalität, Vermisstenfälle) tätig. Zum 1. September 2002 wurde die Beklagte zur Grenzpolizeistation Sch./Bahnhof versetzt.
7
Die bis dahin in ihren dienstlichen Beurteilungen als freundliche, hilfsbereite und ausgeglichene Beamtin beschriebene Beklagte ohrfeigte 2005 einen Kollegen und drohte einem weiteren Ohrfeigen an. Das Strafverfahren wegen Körperverletzung wurde mit Verfügung vom 30. Juni 2006 eingestellt. Ein Disziplinarverfahren wurde wegen des Verfahrens zur Ermittlung der Dienstfähigkeit der Beklagten nicht durchgeführt.
8
Wegen gezeigter Verhaltensauffälligkeiten erfolgten ab März 2005 zahlreiche polizei- und fachärztliche Untersuchungen der Dienst- und Verwendungsfähigkeit der Beklagten sowie u.a. ambulante und stationäre psychiatrische Therapiemaßnahmen.
9
Die Landgerichtsärztin bei dem Landgericht Hof stellte in ihrem Gutachten zur Schuldfähigkeit der Beklagten am 10. April 2006 fest, dass sich für eine vollständige Aufhebung der Steuerungsfähigkeit wie auch für eine nur erhebliche Herabsetzung der Unrechtseinsichtsfähigkeit keine Hinweise erkennen ließen. Die Kriterien für das Vorliegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung i.S.d. §§ 20, 21 StGB seien nicht erfüllt.
10
In einem Schreiben des Ärztlichen Dienstes der Polizei vom 18. April 2007 teilte Dr. L. mit, dass bei der Beklagten eine schwerwiegende psychische Erkrankung (Psychose) vorliege, für die ihr die Krankheitseinsicht fehle.
11
Dr. Dr. N., Leiter der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum Nürnberg diagnostizierte in einem umfassenden, die bisherigen Begutachtungen einschließenden und auf einer persönlichen Begutachtung der Beklagten beruhenden psychiatrischen Gutachten vom 12. Juni 2008 eine Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis mit Symptomen wie Affektisolierung sowie Störungen des formalen und inhaltlichen Denkens. Bei der Beklagten bestehe Geschäftsfähigkeit. Einsichtsfähigkeit und Steuerungsfähigkeit bzgl. der Durchführung notwendiger Behandlungen sei herabgesetzt, jedoch nicht aufgehoben. Die Beklagte lebe in einem pathologischen Erlebniszusammenhang, sei aber, bis auf ihre Arbeitstätigkeit, sozial angepasst.
12
In einem am 11. August 2008 erstellten Gesundheitszeugnis stellte Dr. L. fest, dass sowohl laut der externen Begutachtung als auch nach der polizeiärztlichen Auffassung bei der Beklagten eine symptomarme Psychose des schizophrenen Formenkreises vorliege, die sich in skurrilem, unberechenbarem Verhalten, einer Vielzahl von Klagen über körperliche Beschwerden und Krankheitsuneinsichtigkeit äußere. Überwiegend bestehe ein depressionsähnliches Zustandsbild mit massivem Erschöpfungsgefühl, innerer Anspannung, Ängsten und Auffälligkeiten im Kontaktverhalten.
13
Mit Ablauf des 31. Dezember 2008 wurde die Beklagte wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt.
14
In einem am 6. Dezember 2010 zum Zweck der Reaktivierungsprüfung erstellten Gesundheitszeugnis gelangte Dr. L. zu der Beurteilung, dass die Beklagte weiterhin an einer Psychose des schizophrenen Formenkreises leide, weshalb die Voraussetzungen für eine Reaktivierung nicht gegeben seien.
15
Die ledige und kinderlose Beklagte war bislang weder disziplinar- noch strafrechtlich vorbelastet.
16
Am 9. Februar 2017 übermittelte die Beklagte dem Finanzamt H. Außenstelle N. mit einem von ihr verfassten handschriftlichen Telefaxschreiben zur Begründung der von ihr am 30. September 2016 gegen Steuerbescheide für die Jahre 2010, 2011 und 2012 eingelegten Einsprüche eine zweiseitige, maschinenschriftlich gefertigte und von ihr unterschriebene „sofortige Beschwerde wegen Legitimationsmängeln und groben Formfehlern“. In diesen Schreiben behauptete die Beklagte u.a. wortreich, dass es keine gültige Abgabenordnung gebe und dass die Bundesrepublik Deutschland eine Feindstaatenposition zum Staat und damit kein Recht habe, Gesetze auszufertigen. Den Bund bezeichnete sie als Parteikonstrukt, so dass es an Finanzgerichten keine gesetzlichen Richter gebe.
17
Mit einem weiteren handschriftlichen Telefaxschreiben vom 14. März 2017 teilte die Beklagte dem Finanzamt mit, dass die Einsprüche vom 30. September 2016 aufrechterhalten würden. Auch diesem Schreiben war eine maschinenschriftlich erstellte und von der Beklagten unterschriebene Erklärung beigefügt. Hierin führte sie aus, dass sie nicht damit einverstanden sei, dass das Finanzamt sich an der Gesetzgebung, vor allem an „§ 50 EGBGB vorbeimogele“. Die Beklagte behauptete, einige Behörden würden durch die Alliierten verbotene Gesetze aus dem Dritten Reich anwenden. Bezüglich der Geltung von Bundesrecht bezeichnete sie den Bund wiederum als Parteienkonstrukt. Ferner widersprach sie ihrer Bezeichnung als Reichsbürgerin.
18
Mit Schreiben vom 9. April 2017 wandte sich die Beklagte an den Bundesfinanzhof in M.. Darin behauptete sie, dass sie durch die Anwendung des durch das Bundesbereinigungsrecht aufgehobenen Anwaltszwangs und die Anwendung nationalsozialistischer Gesetze, die den Anwaltszwang eingeführt hätten, genötigt werde. Alle Anwälte unterständen durch Beitritt der Bundesanwaltskammer der Organisation der IBA (bar association in England), die sie als anrüchig bezeichnete.
19
Mit Schreiben vom 13. April 2017 wandte sich die Beklagte erneut an das Finanzamt; einen Abdruck hiervon schickte sie an das Landesamt für Finanzen, Dienststelle A. , Bezügestelle Versorgung. Die vom Finanzamt zugesandte Pfändungs- und Einziehungsverfügung sei offensichtlich nicht staatlichen Ursprungs und damit grob rechtswidrig im Sinne der Gesetzgebung der Bundesrepublik Deutschland. Eine solche Verfügung dürfe nicht von einer Firma erlassen werden, sondern nur von einer erkennbaren Behörde, ansonsten seien die Tatbestände der Amtsanmaßung und, da es um Geld- bzw. Privatvermögen gehe, auch der „Plünderung im Feindstaat“ nach Art. 46 der Haager Landkriegsordnung erfüllt. Sämtliche Finanzbehörden Bayerns seien keine staatlichen Behörden, sondern im UPIK (Unique Partner Identifikation Key) gelistete Firmen. Zudem seien alle Beamtenverhältnisse am 8. Mai 1945 durch die Amerikaner aufgehoben worden. Wer sich dem nicht gefügt habe, sei erschossen worden. Weil der Ersteller der Pfändungs- und Einziehungsverfügung noch lebe, könne er gar kein Beamter sein. Die Beklagte zog außerdem in Zweifel, ob Bundespräsident Gauck wirklich ein Amt innehatte. Sie nahm für sich in Anspruch, die von ihr als Scheinbeamte bezeichneten Personen militärstrafrechtlich anzeigen zu können.
20
Das Polizeipräsidium O. setzte das Polizeipräsidium M. – Disziplinarbehörde – mit Schreiben vom 31. März 2017 von diesen Schreiben der Beklagten in Kenntnis. Es sei davon auszugehen, dass sich die Beklagte mit der Ideologie der Reichsbürgerbewegung identifiziere.
21
Mit Schreiben vom 25. April 2017 leitete die Disziplinarbehörde gegen die Beklagte disziplinarrechtliche Ermittlungen ein. Der Beklagten wurden ihre oben wiedergegebenen Äußerungen aus den Schreiben vom 9. Februar 2017 und 14. März 2017 zur Last gelegt. Auf Grund des dargestellten Sachverhalts bestehe der Verdacht, dass sie ein Dienstvergehen begangen habe, indem sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigt habe. Der Beklagten wurde Gelegenheit gegeben, sich innerhalb eines Monats mündlich oder schriftlich zu äußern. Sie wurde darauf hingewiesen, dass es ihr freistehe, sich zu äußern oder nichts zur Sache auszusagen. Sie könne sich jederzeit, auch schon vor der Äußerung, eines Bevollmächtigten oder Beistands bedienen.
22
Mit Schreiben vom 17. Mai 2017 dehnte die Disziplinarbehörde das Disziplinarverfahren auf die Schreiben der Beklagten vom 9. und 13. April 2017 aus. Auch diesbezüglich bestehe der Verdacht, dass die Beklagte ein Dienstvergehen begangen habe, indem sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigt habe.
23
Die Beklagte nahm mit handschriftlichem Telefaxschreiben vom 29. Mai 2017, welches sie mit Schreiben vom 30. Mai 2017 ergänzte, Stellung. Diesem Schreiben wurden maschinenschriftlich gefertigte und von der Beklagten unterschriebene Ausführungen beigefügt. Die Beklagte wirft der Sachbearbeiterin der Disziplinarbehörde wortreich eine Verletzung des Grundgesetzes und die Verwirklichung von Straftatbeständen und ein Dienstvergehen vor, wobei sie auf eine angeblich anstehende Entscheidung des russischen Parlaments, die Haager Landkriegsordnung und ein Kontrollratsgesetz Bezug nahm.
24
Mit Schreiben vom 13. Juni 2017 dehnte die Disziplinarbehörde das Disziplinarverfahren erneut aus. Auf Grund des Inhalts des Schreibens der Beklagten vom 29. Mai 2017 in der Fassung vom 30. Mai 2017 bestehe der Verdacht, dass die Beklagte ein Dienstvergehen begangen habe, indem sie sich erneut und fortgesetzt gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigt habe. Die Beklagte wurde erneut belehrt und ihr eine Frist zur Äußerung von einem Monat eingeräumt.
25
Sie äußerte sich mit Telefaxschreiben vom 17. Juli 2017, dem wiederum eine maschinenschriftliche Stellungnahme beigefügt war. Die Beklagte behauptete, sie trete für absolute Rechtsstaatlichkeit ein. Sie warf dem Kläger vor, rechtswidrig zu handeln, und forderte u.a. eine Staatsgründungsurkunde des Freistaates Bayern, der neuen Bundesländer oder der Bundesrepublik Deutschland vorzulegen.
26
Mit Schreiben vom 3. August 2017 hörte die Disziplinarbehörde die Beklagte unter Bekanntgabe des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen abschließend zur der beabsichtigten Einbehaltung von bis zu 30% des Ruhegehalts und zur beabsichtigten Erhebung der Disziplinarklage mit dem Ziel der Aberkennung des Ruhegehalts an.
27
Mit Schreiben vom 5. und vom 25. September 2017 äußerte sich der damalige Bevollmächtigte der Beklagten. Er machte im Wesentlichen geltend, dass die der Beklagten zur Last gelegten Schreiben nicht von dieser stammten. Sie sei nicht in der Lage gewesen, Briefe, Schreiben und Zustellungen zur Kenntnis zu nehmen, denn sie habe unter Schmerzen gelitten, die ihre Arbeitskraft und Konzentration lahmgelegt hätten. Ein Bekannter habe angeboten, die Sache in die Hand zu nehmen. Seine Schreiben seien erst in letzter Minute vor Fristablauf fertiggestellt worden, so dass sie diese nur auf das Fax legen und absenden habe können. Sie habe keine Möglichkeit gehabt, vor der Absendung davon Kenntnis zu nehmen und weitere Schreiben zu verhindern. Dies zeige sich schon darin, dass die Schreiben aus unterschiedlichsten Textbausteinen zusammengesetzt worden seien. Die Beklagte habe ihrem Schreiber blindlings vertraut. Sie hätte fachlich keine Ahnung von den Inhalten der Schreiben gehabt und habe daher aus dieser Sicht darauf keinen Einfluss genommen. Für die Beklagte stellte er klar, dass die Schreiben nicht ihren Ansichten entsprächen, sie sich an ihren Diensteid von 1987 und an die Vorschriften der Beamtenstatusgesetze gebunden fühle. Sie distanziere sich von den Schreiben in jeder Hinsicht und bedauere diese. Sie könne sich hierfür nur entschuldigen.
28
Mit Schreiben vom 26. September 2017 teilte die Beklagte ihrem Bevollmächtigten und dem Kläger mit, dass die Schriftsätze ihres Bevollmächtigten vom 5. und 25. September 2017 nicht den Tatsachen entsprächen. Der Bevollmächtigte habe ohne ihr Einverständnis inhaltliche Aussagen gemacht, die weder dem Prozesserfolg dienten, noch ihrem Auftrag entsprochen hätten. Der Kläger meine, er könne folgenlos Recht und Gesetz beugen, Teile ihres Schriftsatzes unterschlagen sowie Zitate und Fakten unterlaufen und die darin gemachten Aussagen verfälschen und völlig verworrene Anklagen formulieren, die ihr als eigene Meinung vorgeworfen würden. Sie habe das Ziel klarzustellen, was in diesem Land wirklich gelte und welchen rechtlichen Status eine Behörde habe, wenn diese den Richtervorbehalt bei Pensionskürzungen oder bei eidesstattlicher Versicherung zu unterlaufen anfange und deshalb Recht und Gesetz nicht eingehalten würden. Der Bevollmächtigte werde aufgefordert, die ungenehmigten Schriftsätze vom 5. und 25. September 2017 unverzüglich zurückzuziehen. Die Beklagte führte wiederum wortreich dazu aus, dass der Begriff „Reichsbürger“ verleumderisch verwendet würde. Sie selbst habe sich rechtstreu und gegenüber ihrem Dienstherrn loyal verhalten.
29
Mit Schreiben vom 27. September 2017 legte der Bevollmächtigte der Beklagten das Mandat nieder und bat darum, seine beiden Schriftsätze als gegenstandslos zu betrachten, obwohl diese exakt den ursprünglichen Informationen bei Mandatsübernahme entsprochen hätten.
30
Die Beklagte äußerte sich mit Schreiben vom 17. Oktober 2017 erneut, behauptete, dass sich neben den Mitarbeitern des Finanzamtes auch drei Bedienstete (Frau L., Frau H. und Frau B.) seitens des Klägers strafbar gemacht hätten und stellte Strafantrag. U.a. bestehe der Verdacht auf Amtsanmaßung, sofern der Aussteller (Unterzeichner) „des Bescheids“ nachweislich kein staatlicher Beamter sei. In ihren weiteren Ausführungen vertrat die Beklagte die Auffassung, dass die Reichsbürgerideologie eine bloße Erfindung zur Ablenkung von Rechtsbrüchen sei. Die Beklagte berief sich außerdem darauf, dass der Gerichtshof der Europäischen Union der Bundesrepublik Deutschland die Fähigkeit abgesprochen hätte, ein effektiver Rechtsstaat zu sein. Gestützt auf einen Verweis auf das „staatliche allgemeine Landrecht (pr ALR)“ beantragte die Beklagte eine Entschädigungszahlung (Schmerzensgeld) in Höhe von drei Feinunzen Gold, was mindestens 300 kaiserlichen Mark im staatlichen Recht entspräche.
31
Mit einem weiteren auf den 31. Oktober 2017 datierten Fax äußerte sich die Beklagte zu „Formalien bei Fristen“, zur Geltung von Dienstordnungen unter Verweis auf § 352 RVO und dazu, dass „jede politische Verdächtigung als Reichsbürger auch eine Verleumdung nach BRD-Recht“ sei. Außerdem kündigte sie an „früher oder später“ Schreibaufwand ihrer Verteidigung, eventuelle Kosten einer Kammerklage wegen Parteiverrat und die „erhöhte Selbstbeteiligung der RSV“ sowie die Erhöhung ihrer Rechtsschutzversicherung auf Grund des „willkürlichen“ Disziplinarverfahrens in Rechnung zu stellen, bis „der Beitrag der RSV wieder auf dem alten Level angekommen“ sei. Das sei der Schadensersatz nach der RVO. Dem Kläger warf sie vor: „Ihre Akte ist nichts weiter als Prozessbetrug und Verstoß gegen § 353 RVO sowie § 354 (5) RVO“.
32
Mit Schreiben vom 9. Februar 2018 teilte die Staatsanwaltschaft M. I dem Bayerischen Landeskriminalamt mit, dass den Strafanzeigen der Beklagten gegen Frau L., Frau B. und Frau H. gemäß § 152 Abs. 2 StPO keine Folge gegeben werde. Anhaltspunkte für ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten seien weder bei den angezeigten Polizeibeamten, den Mitarbeitern des Finanzamtes noch bei sonstigen beteiligten Mitarbeitern ersichtlich.
33
Mit Verfügung vom 8. März 2018 ordnete das Polizeipräsidium M. die Einbehaltung von 30 v.H. des Ruhegehalts der Beklagten und der jährlichen Sonderzahlung an.
34
Mit Schriftsatz vom 8. März 2018 hat der Kläger vor dem Verwaltungsgericht Ansbach gegen die Beklagte Disziplinarklage erhoben mit dem Antrag, der Beklagten das Ruhegehalt abzuerkennen. Die Disziplinarklage ist der Beklagten mit der Belehrung nach Art. 53 Abs. 2 und Art. 56 Abs. 2 BayDG am 21. März 2018 zugestellt worden.
35
In der Disziplinarklage wird der Beklagten ihr Verhalten bzgl. des Einspruchsschreibens vom 9. Februar 2017, des Telefax vom 14. März 2017, des Schreibens vom 9. April 2017 an den Bundesfinanzhof, des Schreibens vom 13. April 2017 an das Finanzamt H. und ihrer Äußerung vom 29. Mai 2017 im Disziplinarverfahren zur Last gelegt. Der Kläger sieht im Verhalten der Beklagten ein Dienstvergehen i.S.v. § 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG. Die Beklagte habe sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung betätigt. Mit ihren Äußerungen habe sie diese herabgesetzt, verfassungsrechtliche Wertentscheidungen und Institutionen diffamiert und zum Bruch geltender Gesetze aufgefordert. Sie zweifle die Legimitation von Richtern und die Existenz von Beamten an. Bei ihren Äußerungen handele es sich nicht um bloße Kritik an Staat oder Gesellschaft, sondern um deren Leugnung unter Zugrundelegung falscher Behauptungen. Die Beklagte habe mit ihren Schreiben versucht, nachhaltig und gezielt auf verschiedene staatliche Einrichtungen und Amtsträger einzuwirken. Unter Berücksichtigung des Umfangs der Pflichtverletzung und der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit sei die Aberkennung des Ruhegehalts der Beklagten geboten. Eine mildere disziplinarrechtliche Ahndung der Pflichtwidrigkeit sei nicht veranlasst.
36
Die Beklagte hat sich mit einem auf den 31. März 2018 datierten Telefaxschreiben, welches damit eingeleitet wird, dass das Schreiben „keine Einlassung in ein verbotenes Ausnahmegericht im Sinne 101 GG und keine Zustimmung zum FamFG“ darstelle geäußert. Darin hat sie von dem Gericht einen Nachweis gefordert, dass es sich um den gesetzlichen Richter handele. Andernfalls gehe sie vom Versuch einer privaten Scheingerichtsbarkeit (Firma) und Befangenheit aus. Dem Kläger warf sie Prozessbetrug vor. Der Polizeipräsident sei befangen, weil er Geld von Freimaurern für eine Polizeistiftung angenommen habe, was den Tatbestand der Bestechlichkeit erfülle. Sie beantrage deshalb die sofortige Aufhebung der Verfügung und Anordnung der Fortzahlung der Pension mit zusätzlich 20.000,00 Euro Schadensersatz wegen rechtswidriger Verfolgung als Reichsbürger, Mobbing, seelischer Folter in Verbindung mit Pensionsentzug und wegen körperlicher Leiden durch dienstliche Unfälle. Zudem berufe sie sich auf ihr Recht der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG.
37
Mit weiterem Schreiben vom 5. Mai 2018 hat die Beklagte beantragt, wegen Verletzung von „§ 7(10) VStGB und § 354 RVO grundsätzlich rechtswidrige Disziplinarverfahren“ unverzüglich einzustellen und den gekürzten Teil der einbehaltenen Pension sofort in voller Höhe auszuzahlen. Sie verlange Aufwendungs- und Schadensersatz. Der Kläger solle es zukünftig unterlassen, die Beklagte als Reichsbürgerin zu verleumden. Die Beklagte sehe sich als Staatsangehörige und nicht als Reichsbürger.
38
Mit weiteren Schreiben, datiert auf den 21. und 22. Mai 2018 hat die Beklagte Angaben zur ihren wirtschaftlichen Verhältnissen eingereicht. Außerdem macht sie auf 19 Seiten verschiedene Ausführungen u.a. dazu, dass die Behauptungen des Klägers zur Reichsbürgerbewegung falsch seien, weil z.B. das Kaiserreich immer noch der rechtmäßige Staat sei und „der Feindstaat und der Besatzer“ sich nicht als Staat ausgeben dürften, um zu plündern und Recht zu beugen. Ferner vertritt die Beklagte die Auffassung, dass das BayDG und das (geplante) BayPAG verfassungswidrig seien.
39
In einem weiteren Fax der Beklagten, datiert auf den 30. Juni 2018, führt die Beklagte u.a. aus, dass „die aktuelle Bundesregierung, die mit der falschen nationalsozialistischen Staatsangehörigkeit gewählt wurde,“ eine verfassungswidrige „Reichsbürgerbewegung von gleichgeschalteten Blockparteien“ sei.
40
Nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung hat die Beklagte mit Telefaxschreiben vom 21. März 2019 „Herrn K., Presseagentur und Menschenrechtsorganisationen“, Vollmacht erteilt, ihr Rechtsbeistand zu sein. Dieser hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht einen 30-seitigen Schriftsatz mit allgemeinen wortreichen Ausführungen und der Überschrift „Besetzungsrüge, Befangenheitsantrag und Anzeige fataler Verfahrensmängel“ vorgelegt.
41
In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte auf Frage des Gerichts erklärt, dass die im gerichtlichen Verfahren maschinenschriftlichen Unterlagen von ihr zusammen mit ihrem Beistand gemeinsam erstellt worden seien. Die Frage des Gerichts (die unter Bezugnahme auf die diagnostizierte schwere psychische Erkrankung gestellt worden ist), ob diese Ausführungen ihre Überzeugung darstellten, hat die Beklagte nicht beantwortet. Ebenso hat sie nicht auf die Frage geantwortet, ob sie bereit sei, an der Erstellung eines fachpsychiatrischen Gutachtens mitzuwirken, um zu klären, ob bei ihr weiterhin eine krankhafte seelische Störung vorliege, und sie in Folge dieser in der Schuldfähigkeit erheblich vermindert sei.
42
Nach Vertagung, Ablehnung des Befangenheitsantrags und einem weiteren Schreiben des Bevollmächtigten der Beklagten mit ähnlichem Inhalt ist der Beklagten mit gerichtlichem Schreiben vom 21. Juni 2019 mitgeteilt worden, im Hinblick auf die zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung diagnostizierte Psychose des schizophrenen Formenkreises bestünden zumindest Anhaltspunkte, dass ihre Schuldfähigkeit zum Zeitpunkt des ihr zur Last gelegten Dienstvergehens erheblich vermindert gewesen sein könnte. Es sei beabsichtigt, ein ärztliches Sachverständigengutachten zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB einzuholen. Hierzu würde die Beklagte von dem noch auszuwählenden Sachverständigen ärztlich untersucht. Den Beteiligten ist Gelegenheit eingeräumt worden, sich hierzu binnen 14 Tagen zu äußern. Zudem sei beabsichtigt, den rechtlichen Beistand, Herrn K., zurückzuweisen.
43
Der Kläger hat hierauf geäußert, dass er ein ärztliches Sachverständigengutachten zur Überprüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 21 StGB nicht für notwendig halte. Erheblich verminderte Schuldfähigkeit setze voraus, dass die Fähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, wegen einer Störung i.S.v. § 20 StGB bei Tatbegehung erheblich eingeschränkt gewesen sei. Für die Steuerungsfähigkeit komme es darauf an, ob das Hemmungsvermögen so stark herabgesetzt gewesen sei, dass der Beamte den Anreizen erheblich weniger Widerstand als gewöhnlich entgegenzusetzen vermochte. Vorliegend sei nicht davon auszugehen, dass ein solches schuldausschließendes bzw. erheblich schuldminderndes Merkmal bei der Beklagten bei Tatbegehung vorgelegen habe.
44
Die Beklagte hat ihre Besetzungsrüge, den Befangenheitsantrag und die Anzeige „fataler Verfahrensmängel“ wiederholt und laut ihren Angaben in Kopie an die amerikanische Botschaft gesandt. Sie fordere die freie Wahl ihres rechtlichen Beistandes. Ihr sei im laufenden Verfahren durch die von der bayerischen Justiz aufgezwungene Nazi-Gesetzgebung bereits einmal ein Rechtsanwalt aufgenötigt worden, der einen Prozessbetrug gegenüber der Beklagten begangen habe.
45
Mit Beschluss vom 16. Oktober 2019 hat das Verwaltungsgericht Herrn K. als Beistand zurückgewiesen. Dieser erfülle nicht die rechtlichen Voraussetzungen des § 67 Abs. 2 VwGO. Zudem sei den im Internet über ihn abrufbaren Informationen u.a. zu entnehmen, dass er der Reichsbürgerszene zuzuordnen sein solle.
46
In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 6. November 2019 hat die Beklagte beantragt, dass sich das Gericht legitimiere. Vor einem Ausnahmegericht äußere sie sich nicht. Sie hat u.a. vorgetragen, dass die nach dem 5. März 1933 erlassenen Gesetze ungültig seien. Es sei das Recht der Alliierten anzuwenden. Auf Nachfrage des Gerichts hat sie mitgeteilt, dass die Schriftsätze mit ihrem Einverständnis verschickt worden seien. Sie habe damals schon unter massiven gesundheitlichen Problemen gelitten und sei nicht in der Lage gewesen, selbst Schriftsätze in einem solchen Umfang zu fertigen und auch nicht, diese Schriftsätze durchzulesen. Sie habe damals an starken Schmerzen gelitten. Soweit sie in der Lage gewesen sei, habe sie die Schriftsätze gelesen. Auf Nachfrage des Gerichts zu ihrer persönlichen Auffassung hat die Beklagte geantwortet, dass aus ihren Beobachtungen folge, dass die noch verbleibenden Gesetze „Klopapier“ darstellten. Aufgrund des Verhaltens des Gerichts gehe sie davon aus, dass der Inhalt der Schriftsätze korrekt sei. Ferner hat die Beklagte auf eine bei der „Militärstaatsanwaltschaft“ eingereichte Klage verwiesen, bestritten, an einer psychischen Erkrankung zu leiden, und sich gegen eine ärztliche Untersuchung ausgesprochen. Sie stimme dieser nur zu, wenn es sich um einen von der Militärstaatsanwaltschaft bestimmten Arzt handle, nicht um einen Arzt, dem wiederum Lug und Betrug vorgeworfen werden müsste.
47
Mit Urteil vom 6. November 2019 hat das Verwaltungsgericht der Beklagten das Ruhegehalt aberkannt. Die Disziplinarklage weise keine formellen Mängel auf. Der der Beklagten in der Disziplinarklage zur Last gelegte Sachverhalt sei erwiesen. Sämtliche Schreiben seien von der Beklagten unterschrieben und dieser deshalb zuzurechnen. Die Beklagte habe durch das ihr zur Last gelegte und nachgewiesene Verhalten als Ruhestandsbeamtin gegen ihre Verpflichtung nach § 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG verstoßen. Sie habe sich Gedankengut der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zu eigen gemacht und sich durch die ihr zur Last gelegten schriftlichen Äußerungen gegenüber dem Finanzamt, dem Bundesfinanzhof sowie im Disziplinarverfahren gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung betätigt. Die Äußerungen überschritten die Grenzen der Meinungsfreiheit. Es komme nicht darauf an, dass die Beklagte wiederholt betont habe, kein „Reichsbürger“ zu sein. Es werde der Beklagten nicht vorgehalten, dass sie Reichsbürger im Sinne des von ihr zitierten Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes sei, sondern dass sie das Gedankengut der sog. „Reichsbürgerbewegung“ verinnerlicht und aktiv nach außen getragen habe. Ihre Äußerungen, dass sie die Rechtsordnung der Bundesrepublik anerkenne und sich stets gesetzestreu und ihrem früheren Dienstherrn gegenüber loyal verhalten habe, entsprächen nicht ihrem tatsächlichen Verhalten. Sie habe ein schwerwiegendes Dienstvergehen begangen. Es sei ihrem früheren Dienstherrn nicht zuzumuten, eine Beamtin, die sich aktiv gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung betätigt habe und sich nach wie vor mit der Ideologie der Reichsbürgerbewegung identifiziere, weiterhin besoldungsrechtlich zu alimentieren. Milderungsgründe lägen nicht vor. Die Beklagte habe es abgelehnt, sich einer Begutachtung durch einen gerichtlich bestellten ärztlichen Sachverständigen zu unterziehen. Die Voraussetzungen für eine Anordnung der Unterbringung der Beklagten gegen ihren Willen zur Vorbereitung eines (psychiatrischen) Gutachtens seien zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht erfüllt. Bei fehlender Bereitschaft des Betroffenen zur Mitwirkung sei eine Unterbringung nur verhältnismäßig, wenn ein verwertbares Ergebnis zu erwarten sei. Außerdem sei das Gericht zu der Einschätzung gelangt, dass ein ärztliches Sachverständigengutachten zur Überprüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 21 StGB nicht notwendig sei. Selbst wenn man von einer fortbestehenden Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis und einer deshalb bestehenden eingeschränkten Schuldfähigkeit der Beklagten ausgehen würde, wäre eine daraus resultierende Verminderung der Schuldfähigkeit der Beklagten rechtlich nicht erheblich im Sinne des § 21 StGB. Eine – vorliegend zudem nicht erfolgte – Berufung auf eine „erheblich verminderte Schuldfähigkeit“ im Hinblick auf das Erfordernis der Verfassungstreue gehe von vornherein ins Leere, da der Begriff der Verfassungstreue eine dauerhaft bestehende Einstellung voraussetze, die per se keinen Ansatzpunkt für die Bejahung eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB („einer krankhaften seelischen Störung“) bieten könne. Eine Betätigung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes stelle gerade für eine ehemalige Polizeibeamtin einen leicht einsehbaren Pflichtenverstoß dar. In diesem Fall könne von ihr erwartet werden, dass sie – selbst bei einer unterstellten verminderten Schuldfähigkeit – noch genügend Widerstandskraft aufbringe, um ihrer Verpflichtung, sich nicht gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu betätigen, nachzukommen.
48
Die Beklagte hat am 19. Dezember 2019 gegen das Urteil Berufung eingelegt und diese folgendermaßen begründet. Ihre Psychose, die zur Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit geführt habe, sei nicht berücksichtigt worden. Bei einer derartigen Erkrankung könne von ihr nicht erwartet werden, dass sie nur Äußerungen tätige, die sinnvoll, vernünftig und normal erschienen. Das Urteil setze sich nicht damit auseinander, inwiefern die vertretenen Auffassungen und die Art und Weise ihres Vorbringens Ergebnisse der Psychose seien. Es könne der Beklagten nicht entgegengehalten werden, dass sie sich nicht begutachten lassen wolle. Das Misstrauen einer Person, die als schizophren diagnostiziert worden sei, gegenüber Gutachtern sei nicht verwunderlich. Eine Begutachtung auf Grundlage des vorhandenen Materials sei auch ohne Mitwirkung der Beklagten möglich. Ferner argumentiert die Beklagtenseite, dass der Vorwurf gegen sie nur ein Verhalten gegenüber Behörden betreffe. Schriftverkehr mit Behörden könne man nicht als eine Betätigung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung einordnen bzw. als Treuepflichtverletzung einstufen. Dabei handele es sich um internes Verhalten ohne Außenwirkung. Die Beklagte besitze auch nicht die Qualifikation, um die aus dem Internet stammenden Argumentationsmuster zu verstehen. Außerdem sei die verwendete Argumentation nicht vollkommen falsch. Mit der Richtigkeit der Argumentation habe sich das Gericht nicht auseinandergesetzt. Dies sei erforderlich, weil nur eine falsche Rechtsauffassung negative Folgen für die Beklagte haben dürfe. Außerdem stehe Herr K. hinter den Schreiben. Das Urteil definiere den Begriff Reichsbürgerbewegung nicht. Staatliche Stellen würden eine Vielzahl an Personen als Reichsbürger diffamieren. Dabei gebe es zwischen diesen keine Struktur. Eine Reichsbürgerbewegung gebe es gar nicht. Daher könne man die Beklagte nicht einer solchen als zugehörig ansehen.
49
Die Beklagte beantragt,
50
das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 6. November 2019 abzuändern und auf die Disziplinarmaßnahme der Kürzung des Ruhegehalts für die Dauer von 5 Jahren um 20 v. H. zu erkennen.
51
Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,
52
die Berufung zurückzuweisen.
53
Der Senat hat am 26. März 2025 mündlich zur Sache verhandelt. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen.
54
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und auf die Disziplinar- und Personalakte der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben.

Entscheidungsgründe

I.
55
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht auf die Disziplinarmaßnahme der Aberkennung des Ruhegehalts (Art. 13 BayDG) erkannt.
56
Die Beklagte hat ein Dienstvergehen i.S.v. § 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG begangen, das bei Abwägung aller disziplinarrechtlich relevanten Gesichtspunkte mit der Aberkennung des Ruhegehalts zu ahnden ist.
57
1. Die vom Verwaltungsgericht festgestellten Sachverhalte, die die Grundlage für die der Beklagten in der Disziplinarklage zur Last gelegten Anschuldigungspunkte bilden, stehen zur Überzeugung des Senats fest. Sie ergeben sich unmittelbar aus den vorgelegten Akten, die die Schreiben der Beklagten enthalten, welche Gegenstand des ihr zur Last gelegten Verhaltens sind. Die Beklagte stellt nicht in Abrede, diese Schreiben unterzeichnet und abgesendet zu haben. Sie ließ insoweit lediglich vortragen, dass nur die handschriftlichen Schreiben von ihr selbst verfasst worden seien, während die maschinengeschriebenen Schreiben von Herrn K. angefertigt und von ihr nur unterzeichnet und abgesendet worden seien. Die Beklagte hat nicht bestritten, dass sie die in den ihr vorgeworfenen Schreiben zum Ausdruck kommenden Ansichten vertrete. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 6. November 2019 hat sie sich vielmehr selbst in einer Weise geäußert, die inhaltlich den ihr vorgeworfenen Schreiben entspricht, indem sie die Gesetze als „Klopapier“ und das Verwaltungsgericht als Ausnahmegericht bezeichnet sowie auf die Geltung des „Rechts der Alliierten“ und auf eine Klage vor der Militärstaatsanwaltschaft verwiesen hat.
58
2. Durch das festgestellte Fehlverhalten hat die Beklagte vorsätzlich und schuldhaft gegen ihre Pflicht als Ruhestandsbeamtin verstoßen, sich nicht sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu betätigen (§ 47 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BeamtStG). Die von ihr nach ihrem Eintritt in den Ruhestand begangenen Handlungen werden der Ruhestandsbeamtin als (fiktives) Dienstvergehen nach dem Bayerischen Disziplinargesetz (Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BayDG) zur Last gelegt.
59
2.1 Die Pflicht zur Verfassungstreue wirkt als beamtenrechtliche Kernpflicht (BVerwG, U.v. 12.3.1986 – 1 D 103.84 – juris Rn. 32; BayVGH, U.v. 16.1.2019 – 16a D 15.2672 – juris Rn. 27) gegenüber dem Staat auch über das Ende des Beamtenverhältnisses hinaus, solange der (frühere) Beamte aufgrund des beendeten aktiven Beamtenverhältnisses finanzielle Leistungen erhält. Allerdings besteht in disziplinarrechtlicher Hinsicht ein gradueller Unterschied zwischen den gesetzlichen Anforderungen an die Verfassungstreuepflicht von aktiven Beamten einerseits und Ruhestandsbeamten andererseits. Einem Ruhestandsbeamten verbietet § 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG insbesondere, sich durch aktives Handeln verfassungsfeindlich zu betätigen. Hingegen verpflichtet § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG aktive Beamten dazu, dass sie sich „durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten“. Aus dem für einen Ruhestandsbeamten verminderten Pflichtenrahmen folgt jedoch nicht, dass von ihm ein geringeres Maß an Verfassungstreue erwartet wird; ihm sollen aber schon aus Altersgründen keine weitreichenden aktiven Handlungspflichten auferlegt werden können (Zängl in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: April 2024, BeamtStG § 47 Rn. 132).
60
Eine – wie hier – erst nach Eintritt in den Ruhestand gezeigte verfassungsfeindliche Betätigung eines Ruhestandsbeamten wird vom Beamtenstatusgesetz als fiktives Dienstvergehen (§ 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG: „gilt“) behandelt, weil ein (inner- oder außer-)dienstliches Verhalten im Ruhestand in Ermangelung einer fortbestehenden Dienstleistungspflicht nicht denkbar ist (BayVGH, U.v. 20.5.2015 – 16a D 14.1158 – juris Rn. 37). Dennoch soll der Ruhestandsbeamte, der die freiheitliche demokratische Grundordnung aktiv bekämpft, keine Alimentation durch den Staat erwarten dürfen (Schachel in Schütz/Maiwald, Beamtenrecht-Kommentar, Stand: Juni 2022, § 47 BeamtStG Rn. 29).
61
2.2 Die Beklagte hat sich durch das ihr vorgeworfene Verhalten in feindseliger Weise gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung i.S.v. § 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG betätigt.
62
2.2.1 „Betätigen“ in diesem Sinne bedeutet das Begehen einer aktiven verfassungsfeindlichen Handlung (Kohde in v. Roetteken/Rothländer, BeamtStG, Stand: Oktober 2009, BeamtStG § 47 Rn. 38). Verlangt wird eine gesteigerte Aktivität des Ruhestandsbeamten, einmalige Handlungen ohne Außenwirkung und ohne Hinzutreten weiterer Faktoren können regelmäßig nicht als Betätigung gewertet werden (OVG RhPf, U.v. 11.3.2022 – 3 A 10615/21 – BeckRS 2022, 5144 Rn. 114). Denn die Betätigung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eines Ruhestandsbeamten (§ 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG) muss wie bei aktiven Beamten von besonderem Gewicht sein (BVerwG, U.v. 2.12.2021 – 2 A 7.21 – juris Rn. 28). Nur dann müssten sie, wären sie noch im Dienst, aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden (Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BayDG).
63
Meinungsäußerungen können, müssen aber nicht in jedem Fall den Charakter von gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes gerichteten Aktivitäten feindseliger Art haben. Solange sie sich darin erschöpfen, im Vertrauen auf die Überzeugungskraft des Arguments Kritik an bestehenden Zuständen zu üben oder bestehende rechtliche Regelungen in Gesetzen oder in der Verfassung in dem dafür vorgesehenen verfassungsrechtlichen Verfahren zu ändern, erfüllen sie nicht den genannten Tatbestand eines Dienstvergehens. Dagegen stellen Agitationen, die die freiheitliche demokratische Grundordnung herabsetzen, verfassungsrechtliche Wertentscheidungen und Institutionen diffamieren und zum Bruch geltender Gesetze auffordern – mithin nicht den Staat und seine Staatsorgane lediglich kritisieren, sondern deren Legitimität in Frage stellen – Betätigungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes dar (BVerfG, B.v. 22.5.1975 – 2 BvL 13/73 – juris Rn. 46; BVerwG, U.v. 14.6.2023 – 2 WD 11.22 – juris Rn. 19).
64
2.2.2 Der Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes beinhaltet die zentralen Grundprinzipien, die für den freiheitlichen Verfassungsstaat schlechthin unentbehrlich sind (BVerfG, U.v. 17.1.2017 – 2 BvB 1/13 – BVerfGE 144, 20 Rn. 535; BVerwG, U.v. 1.12.2022 – 2 WD 1.22 – juris Rn. 32). Die Anerkennung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes setzt voraus, die Existenz, die Geltung und die Legitimität des Grundgesetzes und des hiernach verfassten Staates anzuerkennen.
65
2.2.3 Gemessen an diesem Maßstab stellen an Behörden und Gerichte adressierte, d.h. in den Rechtsverkehr entäußerte und dadurch mit Außenwirkung vorgenommene schriftliche und mündliche Äußerungen, die die rechtliche Existenz und Legitimität der Bundesrepublik Deutschland in Abrede stellen, Aktivitäten dar, die in feindseliger Art gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes gerichtet sind (BVerwG, U.v. 2.12.2021 – 2 A 7.21 – juris Rn. 28 und 31), auch wenn sie nicht gegen Strafgesetze verstoßen und vom Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) umfasst sind. Die in der Bejahung der Pflichtverletzung liegende Einschränkung der Meinungsfreiheit steht in einem angemessenen Verhältnis zur bezweckten Gewährleistung der Verfassungstreue des Beamten (BayVGH, U.v. 10.12.2021 – 16a D 19.1155 – juris Rn. 68). Äußerungen, die im Rechtsverkehr mit einer Behörde oder einem Gericht abgegeben werden, sind zudem eine Betätigung von erheblichem Gewicht (BVerwG, U.v. 2.12.2021 a.a.O. Rn. 31; BayVGH, U.v. 20.3.2024 – 16a D 23.143 – juris Rn. 21).
66
Wer bei Sachverhalten seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland auf Verhältnisse vor dieser Zeit abstellt, behauptet, die Bundesrepublik Deutschland sei ein Parteikonstrukt, stehe in einer Feindstaatposition zum Staat und habe kein Recht, Gesetze zu erlassen, sowie wer die Legitimation von Amtsträgern generell anzweifelt, bestreitet damit die rechtliche Existenz und die Handlungsbefugnisse der Bundesrepublik Deutschland. Er negiert damit zugleich die Grundlagen seines Beamtenverhältnisses und verletzt seine Verfassungstreuepflicht in schwerwiegender Weise.
67
Mit ihrem Verhalten hat sich die Beklagte im Rechtsverkehr gegenüber mehreren staatlichen Institutionen und den dort Tätigen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigt, indem sie offensiv kundgetan hat, dass sie die Bundesrepublik Deutschland, ihre Gesetze und staatlichen Kompetenzen und ihre Amtswalter nicht anerkennt. Mit den ihr vorgeworfenen schriftlichen Äußerungen hat sie bewusst gegenüber staatlichen Stellen – und damit nach außen erkennbar gegenüber den Adressaten ihrer Schreiben (BayVGH, U.v. 20.3.2024 a.a.O. Rn. 21; U.v. 28.7.2021 – 16a D 19.989 – juris Rn. 61) – ihre Gesinnung mitgeteilt und dadurch verfassungsfeindlich gehandelt, dass sie mit dem Inhalt ihrer Schreiben, insbesondere mit den darin enthaltenen Drohungen bzgl. einer behaupteten strafrechtlichen Verfolgung, versucht hat, das amtliche Handeln der Adressaten in ihrem Sinne zu beeinflussen, damit diese die Anwendung geltenden Rechts unterlassen. Hierzu hat die Beklagte in ihrem Schreiben vom 9. Februar 2017 an das Finanzamt der Bundesrepublik Deutschland die Legitimation zum Erlass von Gesetzen abgesprochen. Dies diente im Zusammenhang mit ihren steuerrechtlichen Einsprüchen erkennbar dem Ziel, sich der eigenen Steuerpflicht zu entziehen. Überdies unterstellte die Beklagte der Bundesrepublik Deutschland eine „Feindstaatenposition“. Durch die Bezeichnung als „Parteikonstrukt“, die sie auch im Schreiben vom 14. März 2017 verwendete, weigerte sich die Beklagte die Staatseigenschaft der Bundesrepublik Deutschland anzuerkennen. Ferner behauptete sie, dass es an Finanzgerichten keine gesetzlichen Richter gebe. Im Schreiben vom 14. März 2017 berief sich die Beklagte darauf, dass einige Behörden durch die Alliierten verbotene Gesetze anwenden würden. Damit brachte sie zum Ausdruck, dass sie die Souveränität der Bundesrepublik Deutschland und die Geltung jedenfalls einiger ihrer Gesetze nicht anerkennt. In ihrem Schreiben vom 9. April 2017 an den Bundesfinanzhof in München unterstellte die Beklagte die Anwendung nationalsozialistischer Gesetze. Hierdurch brachte sie wiederum ihre fehlende Bereitschaft zum Ausdruck, geltende Gesetze (hier konkret den Anwaltszwang vor einem Bundesgericht) zu respektieren. Das an mehrere Behörden versandte Schreiben vom 13. April 2017 leugnet den „staatlichen Ursprung“ einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung unter Verwendung der Behauptung, dass sämtliche Finanzbehörden Bayerns keine staatlichen Behörden und die handelnden Amtswalter keine Beamten wären. Sie zweifelte sogar die Amtswaltereigenschaft des früheren Staatsoberhauptes der Bundesrepublik Deutschland an. Mit ihrer Bezugnahme auf eine „militärstrafrechtliche“ Anzeige bestritt sie erneut die Souveränität der Bundesrepublik Deutschland. Letzteres ist auch ihrer Äußerung vom 29. Mai 2017 zu entnehmen, wenn sie hinsichtlich staatlicher, auf Bundes- und Landesrecht beruhender Maßnahmen auf eine vermeintliche Entscheidungskompetenz des russischen Parlaments und die vermeintliche Einschlägigkeit der Haager Landkriegsordnung und eines Kontrollratsgesetzes Bezug nimmt.
68
Dass die Schreiben der Beklagten an Behörden und ein Bundesgericht gerichtet waren, führt nicht dazu, dass ihrem Verhalten keine Außenwirkung beizumessen wäre. Abgesehen davon, dass die Beklagte zu keinem Zeitpunkt bei diesen staatlichen Stellen beschäftigt war, bedeutet Außenwirkung in diesem Sinne, dass die innere Einstellung anderen Personen gegenüber zum Ausdruck gebracht wird. Die Schreiben der Beklagten erreichten gewolltermaßen eine Vielzahl anderer Personen. Für ein Handeln nach außen würde bereits ein Auftreten im Kreise Gleichgesinnter ausreichen (BayVGH, U.v. 10.12.2021 – 16a D 19.1155 – juris Rn. 42 m.w.N.). Die Beklagte handelte zusammen mit Herrn K., so dass sie ihre Einstellung auch ihm gegenüber und insoweit nach außen erkennbar vertrat. Durch das Zusammenwirken unterstützte sie zugleich Herrn K. in seiner gleichgerichteten Einstellung und gab ihm die Gelegenheit, durch das Verfassen von Schreiben für die Beklagte, seine Auffassung zu verschriftlichen. Durch das Versenden der Schreiben ermöglichte die Beklagte Herrn K., dass die von ihm und der Beklagten vertretene Auffassung mit den von ihm gewählten Worten gegenüber staatlichen Einrichtungen und den dort Beschäftigten zum Ausdruck gebracht wurde.
69
Das Verhalten der Beklagten entspricht der von dem Bundesamt für Verfassungsschutz definierten Szene der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“. Hiernach sind „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Begründungen – unter anderem unter Berufung auf das historische Deutsche Reich, verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder ein selbst definiertes Naturrecht – die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen, den demokratisch gewählten Repräsentanten und Repräsentantinnen die Legitimation absprechen oder sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend definieren (Bundesamt für Verfassungsschutz (Hrsg.), Broschüre „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“, Stand Juni 2023, S. 7). Die Bezeichnung „Reichsbürger“ oder „Selbstverwalter“ ist ebenso wie die Zuordnung zu dieser Szene für das Vorliegen des beschriebenen Dienstvergehens jedoch irrelevant. Entscheidend ist allein, dass das Verhalten der Beklagten ihre beamtenrechtliche Verfassungstreuepflicht verletzt.
70
2.3 Die Beklagte hat schuldhaft gehandelt.
71
Ein Dienstvergehen liegt nur vor, wenn der Beamte die ihm obliegenden Pflichten schuldhaft verletzt. Unter Schuld in diesem Sinne ist subjektive Vorwerfbarkeit zu verstehen. Neben dem Verschuldensgrad (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) ist das Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit und die Schuldfähigkeit i.S.d. Verantwortlichkeit für das pflichtwidrige Verhalten festzustellen.
72
Hinsichtlich der Versendung der Schreiben, die Gegenstand des disziplinarrechtlichen Vorwurfs sind, handelte die Beklagte vorsätzlich, da sie laut ihren Angaben den wesentlichen Inhalt der Schreiben, insbesondere ihre Zielrichtung, kannte und sie die von ihr unterzeichneten Schreiben bewusst und gewollt versendet hat.
73
2.3.1 Dabei handelte die Beklagte mit Unrechtsbewusstsein, d.h. ihr war zur Tatzeit bewusst, dass ihr Handeln pflichtwidrig ist. Das Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit setzt keine juristisch genauen Kenntnisse der verletzten Rechtsvorschriften voraus. Es genügt, wenn der Beamte Umfang und Inhalt seiner auf diesen Regelungen beruhenden Dienstpflichten im weitesten Sinne erfasst. Davon ist im Regelfall aufgrund der Ausbildung des Beamten und im vorliegenden Fall aufgrund der Belehrung der Beklagten über ihre Pflicht zur Verfassungstreue auszugehen. Sofern die Beklagte meinen sollte, dass sie sich verfassungstreu verhalten habe, befindet sie sich in einem Rechtsirrtum über das Bestehen, den Umfang und den Inhalt dienstlicher Pflichten. Ein solcher Verbotsirrtum schließt die Schuld aber nur aus, wenn er unvermeidbar war (vgl. § 17 Satz 1 StGB). Die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums bestimmt sich nach der von dem Beamten nach seiner Amtsstellung und seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten zu fordernden Sorgfalt unter Berücksichtigung ihm zugänglicher Informationsmöglichkeiten. Dass sich ein Beamter, auch ein Beamter im Ruhestand, nicht gegen seinen Dienstherrn wenden darf, indem er seine Existenz oder Legitimität infrage stellt, ist eine derart leicht einzusehende Pflicht, dass nichts dafürspricht, dass ein Irrtum über diese Pflicht für die Beklagte unvermeidbar gewesen wäre.
74
2.3.2 Der Senat hat auch keine Zweifel an der Schuldfähigkeit der Beklagten. Ein Beamter ist schuldfähig, wenn er fähig ist, die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens einzusehen (Einsichtsfähigkeit) und nach dieser Einsicht zu handeln (Steuerungsfähigkeit). Bei einem Erwachsenen ist von Schuldfähigkeit auszugehen, solange nicht aufgrund besonderer Umstände des Einzelfass Zweifel bestehen, dass der Beamte zur Tatzeit aus biologischen oder psychologischen Gründen schuldunfähig gewesen sein könnte. Solchen Zweifeln ist von Amts wegen oder auf Antrag durch weitere Sachverhaltsaufklärung im Rahmen einer Beweisaufnahme nachzugehen. Ein Gericht kann aus eigener Sachkunde die Frage der Schuldfähigkeit eines Beamten im Disziplinarverfahren beurteilen, wenn keine Anhaltspunkte vorhanden sind, die Zweifel an der Schuldfähigkeit im Tatzeitraum begründen können. Andernfalls ist das Gericht verpflichtet, auf einen entsprechenden Beweisantrag ein Sachverständigengutachten einzuholen (Hess-StGH, U.v. 21.1.2009 – P.St. 2187 – juris Ls.). Bestehen tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die Schuldfähigkeit des Beamten bei Begehung der Tat erheblich gemindert war, muss das Gericht die Frage einer Minderung der Schuldfähigkeit des Beamten aufklären (BVerwG, B.v. 26.9.2014 – 2 B 23.14 – juris Rn. 5).
75
Zur Beurteilung der Frage, ob die Voraussetzungen für eine erheblich geminderte Schuldfähigkeit vorliegen, bedarf es in der Regel besonderer ärztlicher Sachkunde. Für die in Rede stehenden medizinischen Fachfragen gibt es keine eigene, nicht durch entsprechende medizinische Sachverständigengutachten vermittelte Sachkunde des Richters (BVerwG, B.v. 26.9.2014 a.a.O. Rn. 6 f. m.w.N.). Dies gilt erst Recht für die Frage, ob die Schuldfähigkeit wegen seelischer Störungen fehlt.
76
Liegt bereits ein Gutachten vor, ist die Einholung zusätzlicher Gutachten nur dann erforderlich, wenn die vorliegenden Gutachten ihren Zweck nicht zu erfüllen vermögen, dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. Liegen dem Gericht bereits sachverständige Äußerungen zu einem Beweisthema vor, muss es ein zusätzliches Gutachten nur ausnahmsweise einholen (BVerwG, B.v. 26.9.2014 a.a.O. Rn. 8 m.w.N.).
77
Der Bevollmächtigte der Beklagten hat zwar nicht förmlich beantragt, aber letztlich angeregt zu untersuchen, inwiefern die von der Beklagten vertretenen Auffassungen und die Art und Weise des Vorbringens auf der bei ihr diagnostizierten Psychose beruhen. Der Senat sieht jedoch ausgehend von den vorliegenden zahlreichen Gutachten zu der psychischen Erkrankung der Beklagten keinen Anhaltspunkt, der Zweifel an ihrer Schuldfähigkeit (weder i.S.e. Schuldunfähigkeit gemäß § 20 StGB noch einer verminderten Schuldfähigkeit i.S.v. § 21 StGB) im Tatzeitraum begründen würde.
78
Gemäß § 20 StGB ist von einer Schuldunfähigkeit des Beamten auszugehen, wenn dieser bei der Begehung des Dienstvergehens wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung, wegen Schwachsinns oder wegen einer anderen schweren seelischen Abartigkeit unfähig ist, das Unrecht des Dienstvergehens einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Unter das Merkmal der krankhaften seelischen Störungen fallen z.B. (endogene) Psychosen, d.h. Störungen aus dem Formenkreis der Schizophrenie sowie bipolare Störungen mit oder ohne Wahn-Symptome. Bei dem Merkmal der tiefgreifenden Bewusstseinsstörung steht demgegenüber der nicht krankheitsbedingte Zustand eines hochgradigen Affekts im Vordergrund. Das Merkmal der anderen schweren seelischen Abartigkeit betrifft seelische Fehlanlagen und Fehlentwicklungen, die zwar keine krankhaften seelischen Störungen als solche darstellen, aber zu Veränderungen der Persönlichkeit führen. Diese müssen in ihrer Gesamtheit das Leben des Beamten vergleichbar schwer und mit ähnlichen – auch sozialen – Folgen stören, belasten oder so einengen wie krankhafte seelische Störungen. Hierbei sind der Ausprägungsgrad der Störung und ihr Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Beamten von Bedeutung (Gansen in: Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, Stand Juli 2024, § 2 BDG Rn. 53).
79
Die seinerzeit zur Versetzung der Beklagten führende Diagnose einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis mit Symptomen wie Affektisolierung sowie Störungen des formalen und inhaltlichen Denkens führt nicht zu Zweifeln an ihrer Schuldfähigkeit. Der Standpunkt des Prozessbevollmächtigten der Beklagten, dass abnormales Verhalten bei einer Person mit einer solchen Diagnose zu erwarten sei, d.h. dass stets von einem Zusammenhang zwischen Erkrankung und Verhalten auszugehen sei, trifft nicht zu. Ein solche generelle Annahme wäre stigmatisierend und nicht gerechtfertigt.
80
Das Verhalten der Beklagten stellt zwar ein sonderbares, abnormes Verhalten dar. Die wortreichen Schreiben sind von Gedankensprüngen gekennzeichnet und oft nur schwer nachvollziehbar. Es entspricht u.a. weder üblichem Verhalten, die geltende Rechts- und Staatsordnung vehement abzulehnen, noch sich auf die Unterstützung von ausländischen Staaten oder Institutionen zu berufen, die offensichtlich die behaupteten oder erwarteten Handlungen nicht vornehmen werden.
81
Allerdings kann allein aus diesem Verhalten, das der o.g. Szene typisch ist, noch nicht auf das Vorliegen einer psychischen Erkrankung geschlossen werden. Denn hierfür sind die Motive für dieses Verhalten zu unterschiedlich. Insbesondere die „Vielschreiberei“ – die bei den umfangreichen Schreiben, die die Beklagte verwendet hat, vorliegt – kann eine Strategie darstellen (Bundesamt für Verfassungsschutz, Broschüre „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“, Stand Juni 2023, S. 19).
82
Gegen einen die Beklagte zu ihren Handlungen veranlassenden Wahn spricht insbesondere, dass die verwendeten Gedanken nicht von der Beklagten stammen. Sie bedient sich vielmehr fremder Denkschablonen. Ihr Prozessbevollmächtigter hat selbst darauf hingewiesen, dass die Schreiben Argumentationsmuster aus dem Internet enthalten. Außerdem wurde von der Beklagtenseite vorgetragen, dass die maschinengeschriebenen Schreiben nicht von der Beklagten selbst verfasst wurden. D.h. der wirre Duktus dieser Schreiben ist derjenige des Herrn K., nicht derjenige der Beklagten, weshalb hieraus kein unmittelbarer Rückschluss auf den Geisteszustand der Beklagten möglich ist.
83
Den vorliegenden ärztlichen Gutachten ist zu entnehmen, dass bei der Beklagten trotz der bei ihr diagnostizierten Diagnose keine relevante Einschränkung der Schuldfähigkeit vorliegt. Zwar wurde bei der Beklagten ein skurriles, unberechenbares Verhalten festgestellt. Die diagnostizierte Psychose des schizophrenen Formenkreises wird jedoch insgesamt als symptomarm beschrieben. Die Beklagte lebe in einem pathologischen Erlebniszusammenhang, sei aber, bis auf ihre Arbeitstätigkeit, sozial angepasst. Dass die bei der Beklagten diagnostizierte Psychose eine erhöhte Beeinflussbarkeit nach sich ziehe, ist den vorliegenden ärztlichen Gutachten hingegen nicht zu entnehmen.
84
Hinsichtlich der Einsichts- und der Steuerungsfähigkeit der Beklagten stellte Dr. Dr. N. in seinem psychiatrischen Gutachten vom 12. Juni 2008 ausdrücklich fest, dass ihre Einsichtsfähigkeit und Steuerungsfähigkeit (nur) bzgl. der Durchführung notwendiger Behandlungen herabgesetzt, jedoch nicht aufgehoben sei. Die Geschäftsfähigkeit der Beklagten wurde ausdrücklich bejaht. Vor diesem Hintergrund ergeben sich aus der diagnostizierten Erkrankung keine Anzeichen, dass die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit der Beklagten hierdurch gänzlich aufgehoben wäre. Die Landgerichtsärztin bei dem Landgericht Hof hat in ihrem Gutachten vom 10. April 2006 festgestellt, dass sich für eine vollständige Aufhebung der Steuerungsfähigkeit wie auch für eine erhebliche Herabsetzung der Unrechtseinsichtsfähigkeit keine Hinweise erkennen ließen. Die Kriterien für das Vorliegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung i.S.d. §§ 20, 21 StGB seien nicht erfüllt.
85
Zudem war die Beklagte in der Lage, in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht selbst aufzutreten. Dort vertrat sie ihre – mit dem Inhalt der ihr vorgeworfenen Schreiben übereinstimmende – Einstellung gegenüber staatlichen Institutionen und Gesetzen mit eigenen, prägnanten Worten.
86
Zwischen der Beklagten und Herrn K. ist auch kein besonderes Abhängigkeitsverhältnis erkennbar. Nach den Angaben ihres Prozessbevollmächtigten lebt Herr K. als Hausmeister auf dem landwirtschaftlichen Hof der Beklagten (S. 2 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 26.3.2025). Eine persönliche Bindung ist nicht erkennbar.
87
Insgesamt erscheint es zwar nicht ausgeschlossen, dass sich bei der Beklagten eine psychische Erkrankung entwickelt hat, die die Ursache des ihr vorgeworfenen Verhaltens ist. Es sind aber keine Anhaltspunkte erkennbar, dass es sich hierbei um die ca. zehn Jahre vor der ersten Tathandlung diagnostizierte Psychose handelt. Weder den vorliegenden ärztlichen Unterlagen noch allgemein zugänglichen Quellen ist zu entnehmen, dass es sich bei einer Psychose (allgemein bzw. im speziellen Fall der Beklagten) um eine progrediente Erkrankung handelt. Der Verlauf einer Psychose ist bei jeder Person individuell. D.h. es ist hinsichtlich des ihr vorgeworfenen Verhaltens nicht wahrscheinlicher als bei jeder anderen Person, dass die Ursache für das Fehlverhalten eine psychische Erkrankung ist. Eine dahingehende gerichtliche Aufklärung durch eine ärztliche Begutachtung würde deshalb ins Blaue hinein erfolgen. Da keine tatsächlichen Anhaltspunkte vorhanden sind, die Zweifel an der Schuldfähigkeit im Tatzeitraum begründen können, besteht diesbezüglich keine gerichtliche Aufklärungspflicht. Der Beklagten werden keine dem Gericht selbst obliegenden Aufklärungsmaßnahmen aufgebürdet, wenn für eine von ihr gewünschte Beweiserhebung vorausgesetzt wird, dass sie (z.B. durch die Vorlage eines ärztlichen Attests) Tatsachen benennt, die die eigenen Zweifel an ihrer Schuldfähigkeit im Tatzeittraum begründen sollen.
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3. Im Rahmen der dem Gericht obliegenden Maßnahmebemessung stellt die Aberkennung des Ruhegehalts die gebotene Maßnahme dar (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 Satz 2 BayDG).
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3.1 Welche Disziplinarmaßnahme erforderlich ist, richtet sich gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten. Aus den gesetzlichen Vorgaben folgt die Verpflichtung, die Disziplinarmaßnahme aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu bestimmen. Dies entspricht dem Zweck der Disziplinarbefugnis als einem Mittel der Sicherung der Funktion des öffentlichen Dienstes. Danach ist Gegenstand der disziplinarrechtlichen Betrachtung und Wertung die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrechtzuerhalten (BVerwG, U.v. 2.12.2021 – 2 A 7.21 – juris Rn. 46).
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Gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BayDG wird einem Ruhestandsbeamten das Ruhegehalt aberkannt, wenn er, wäre er noch im Dienst, aus dem Beamtenverhältnis hätte entfernt werden müssen. Für Ruhestandsbeamte, die nach Eintritt in den Ruhestand ein Dienstvergehen i.S.v. § 47 Abs. 2 BeamtStG bzw. Art. 77 BayBG begangen haben (Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BayDG), gelten für diese Dienstvergehen dieselben Maßstäbe wie für aktive Beamte. Der Eintritt in den Ruhestand ist kein Grund, unabhängig davon, ob er in einem sachlichen oder zeitlichen Zusammenhang mit dem Disziplinarverfahren steht, die Dienstvergehen anders zu beurteilen (BayVGH, U.v. 20.5.2015 – 16a D 14.1158 – juris Rn. 51). Inwiefern die Pflichten eines Ruhestandsbeamten hinter denen eines Beamten zurückbleiben, ist eine Tatbestands- und keine Bemessungsfrage (vgl. Weiß in Fürst, GKÖD, Bd. II, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, Stand 2022, § 13 BDG Rn. 136).
91
Bei der Gesamtwürdigung sind die im Einzelfall bemessungsrelevanten Tatsachen nach Maßgabe des Art. 63 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 56 BayDG zu ermitteln und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Bewertung einzubeziehen. Als maßgebendes Bemessungskriterium ist die Schwere des Dienstvergehens richtungsweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Das bedeutet, dass das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des Art. 6 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahme zuzuordnen ist. Davon ausgehend kommt es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Disziplinarmaßnahme geboten ist (BVerwG, U.v. 2.12.2021 – 2 A 7.21 – juris Rn. 47).
92
Ein endgültiger Verlust des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit i.S.v. Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG ist anzunehmen, wenn aufgrund der prognostischen Gesamtwürdigung auf der Grundlage aller im Einzelfall bedeutsamen be- und entlastenden Gesichtspunkte der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig in erheblicher Weise gegen seine Dienstpflichten verstoßen oder die durch sein Fehlverhalten herbeigeführte Schädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums sei bei einer Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht wiedergutzumachen. Unter diesen Voraussetzungen muss das Beamtenverhältnis im Interesse der Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und der Integrität des Berufsbeamtentums beendet werden (BVerwG, U.v. 2.12.2021 – 2 A 7.21 – juris Rn. 48).
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Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich dabei zum einen nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte (BVerwG, B.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 16).
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3.2 Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Aberkennung des Ruhegehalts die gebotene Maßnahme, weil die Beklagte, wäre sie noch im Dienst, aus dem Beamtenverhältnis hätte entfernt werden müssen (Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BayDG).
95
Die Verletzung der Pflicht zur Verfassungstreue ist so schwerwiegend, dass bei der Maßnahmebemessung nach Art. 14 BayDG grundsätzlich von der höchsten Maßnahme, der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (Art. 11 BayDG), auszugehen ist. Dies folgt aus der Unverzichtbarkeit der Verfassungstreue im Beamtenverhältnis. Die Verfassungstreue ist ein Eignungsmerkmal für Beamte. Personen, die sich nicht zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und nicht für deren Erhaltung eintreten, kann von den Bürgern nicht das für die Wahrnehmung des öffentlichen Amtes berufserforderliche Vertrauen entgegengebracht werden (BVerwG, U.v. 2.12.2021 – 2 A 7.21 – juris Rn. 51 m.w.N.).
96
Die Äußerungen der Beklagten sind gerade deshalb von erheblichem Gewicht, weil sie im Rechtsverkehr abgegeben wurden (BayVGH, U.v. 20.3.2024 – 16a D 23.143 – juris Rn. 21). Hierdurch hat sie sich nachdrücklich in feindseliger Weise gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes gestellt. Mit den in den Schreiben vom 13. April 2017 und vom 29. Mai 2017, ergänzt mit Schreiben vom 30. Mai 2017, enthaltenen haltlosen Vorwürfen strafbaren Verhaltens und mit der Androhung von Strafanzeigen und den damit jedenfalls verbundenen Unannehmlichkeiten, war eine Einwirkung auf staatliche Bedienstete intendiert, vom Vollzug geltenden Rechts gegenüber der Beklagten abzusehen. D.h. die Beklagte hat nicht nur offensiv ihre Einstellung geäußert, dass sie die staatliche Ordnung nicht anerkennt. Sie hat überdies Amtswalter mit Nachdruck zu gesetzeswidrigem Verhalten aufgefordert bzw. versucht, sie vom Vollzug geltender Gesetze abzuhalten.
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Als zusätzlich belastenden Umstand sieht der Senat die Fortsetzung dieses Verhaltens während des Disziplinarverfahrens. Die Einleitung des Disziplinarverfahrens und das Einbehalten von Teilen ihres Ruhegehalts hat bei der Beklagten keine Verhaltensänderung bewirkt und selbst im gerichtlichen Disziplinarverfahren hat die Beklagte ihr Verhalten mit unverminderter Intensität fortgesetzt. Obwohl sie darüber belehrt wurde, dass es ihr freistehe, sich zur Sache zu äußern, hat sie ihre innere Einstellung nicht für sich behalten. Dadurch lässt die Beklagte erkennen, dass sie trotz der mit der Einleitung des Disziplinarverfahrens verbundenen Pflichtenmahnung nicht zu einer Verhaltensänderung bereit ist. Zugleich hat die Beklagte hierdurch, insbesondere durch ihre persönlichen Äußerungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht, einen hohen Grad der Verfestigung ihrer verfassungsfeindlichen Einstellung zum Ausdruck gebracht.
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3.3 Dem stehen keine durchgreifenden Milderungsgründe gegenüber.
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3.3.1 Der Senat sieht aus den bereits genannten Gründen keine Anhaltspunkte für eine verminderte Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB. Selbst wenn eine solche vorläge, würde diese aber nicht dazu führen, dass auf eine mildere Disziplinarmaßnahme als die Aberkennung des Ruhegehalts zu erkennen wäre.
100
3.3.2 Zugunsten der Beklagten ist zu berücksichtigen, dass sie bislang nicht einschlägig vorbelastet ist. Dieser Umstand kann sich aber angesichts der Schwere des Verstoßes gegen die Verfassungstreuepflicht, unter Berücksichtigung der Dauer, Häufigkeit und Intensität des Fehlverhaltens und vor dem Hintergrund, dass eine Pflichtenmahnung durch eine mildere Disziplinarmaßnahme keine Verhaltensänderung verspricht, nicht derart auswirken, dass von der Höchstmaßnahme abzusehen wäre.
101
3.3.3 Die lange Verfahrensdauer kann nicht mildernd berücksichtigt werden. Ergibt – wie im vorliegenden Fall – die für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme erforderliche Gesamtwürdigung aller erschwerenden und mildernden Umstände des Dienstvergehens, dass die Aberkennung des Ruhegehalts geboten ist, kann davon nicht abgesehen werden, weil das Disziplinarverfahren unangemessen lange gedauert hat. Die Dauer des Disziplinarverfahrens ist nicht geeignet, das von dem Beamten zerstörte Vertrauensverhältnis wiederherzustellen. Auch Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK steht dem nicht entgegen (stRspr, BVerwG, B.v. 9.12.2024 – 2 B 9.24 – juris Rn. 15 m.w.N.; BayVGH, U.v. 24.5.2017 – 16a D 15.2267 – juris Rn. 191). Wegen der nach Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BayDG gebotenen fiktiven Vergleichsbewertung gilt dies auch für Beamte, die nach dem Dienstvergehen in den Ruhestand getreten sind (BVerwG, U.v. 28.2.2013 – 2 C 62.11 – juris Rn. 68-71).
102
3.4 Die Höchstmaßnahme ist unter Abwägung aller für und gegen die Beklagte sprechenden Umstände verhältnismäßig.
103
Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastender Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zu seinem Verschulden stehen (vgl. BVerwG, B.v. 11.2.2014 – 2 B 37.12 – juris Rn. 18). Abzuwägen sind dabei das Gewicht des Dienstvergehens einerseits und die mit der Verhängung der Höchstmaßnahme einhergehende Belastung andererseits. Ist das Vertrauensverhältnis – wie hier – endgültig und grundlegend zerstört, erweist sich die Höchstmaßnahme als angemessene Reaktion auf das Dienstvergehen. Disziplinarmaßnahmen gegenüber Ruhestandsbeamten verfolgen neben der Pflichtenmahnung die Zwecke der Generalprävention, der Gleichbehandlung und der Wahrung des Ansehens des öffentlichen Dienstes. Ist der durch das Gewicht des Dienstvergehens eingetretene Vertrauensschaden mangels Milderungsgründen so erheblich, dass bei aktiven Beamten die Entfernung aus dem Dienst geboten ist, erweist sich die Höchstmaßnahme gegenüber dem Ruhestandsbeamten als geeignete und erforderliche Maßnahme, den aufgezeigten Zwecken von Disziplinarmaßnahmen gegenüber Ruhestandsbeamten Geltung zu verschaffen. So verhält es sich regelmäßig bei Kernpflichtverletzungen von Polizeibeamten. Die Auflösung des Dienstverhältnisses beruht auf der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Beamten und ist diesem als vorhersehbare Rechtsfolge bei derartigen Pflichtverletzungen zuzurechnen (BVerwG, U.v. 8.3.2005 – 1 D 15.04 – juris Rn. 49; U.v. 14.10.2003 – 1 D 2.03 – juris Rn. 49).
104
Dies trifft angesichts der für die Beklagte leicht einsehbaren Bedeutung der Verfassungstreue als beamtenrechtliche Kernpflicht, der Intensität ihres Pflichtenverstoßes und der durch ihr Verhalten während des Disziplinarverfahrens zum Ausdruck gekommenen Verfestigung ihrer verfassungsfeindlichen Einstellung auf den vorliegenden Fall zu. Die darin liegende Härte für die Beklagte ist nicht unverhältnismäßig. Sie beruht auf dem ihr zurechenbaren Fehlverhalten, wobei es für sie vorhersehbar war, dass sie hiermit ihre Versorgung aufs Spiel setzte. Die Beklagte hat es sogar während des behördlichen Disziplinarverfahrens ausdrücklich abgelehnt, die von ihrem damaligen Verfahrensbevollmächtigten vorgebrachte Distanzierung für sich in Anspruch zu nehmen. Stattdessen hat sie die Behauptung, dass die überwiegende Verantwortung für die von ihm verfassten und von ihr unterzeichneten und abgesandten Schreiben bei Herrn K. liege, widerrufen lassen. Daher hält es der Senat auch nicht für überzeugend, dass sich die Beklagte ihrem Prozessbevollmächtigten gegenüber in Bezug auf die Vorwürfe der Disziplinarklage reuig zeige (s. S. 3 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 26.3.2025).
II.
105
Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG.
106
Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig geworden (Art. 64 Abs. 2 BayDG).