Titel:
Rechtsschutzbedürfnis bei fehlender ladungsfähiger Anschrift
Normenketten:
VwGO § 82 Abs. 1 S. 1, § 124a Abs. 5 S. 4, § 152 Abs. 1, Abs. 2, § 173 S.1
ZPO § 130 Nr. 1
GKG § 47 Abs. 1, 3, § 52 Abs. 2, § 63 Abs. 2 S. 1
Leitsatz:
Die Pflicht zur Angabe der ladungsfähigen Anschrift entfällt nur, wenn deren Erfüllung ausnahmsweise unmöglich oder unzumutbar ist. Solches wird nur dann angenommen, wenn der Angabe der Anschrift unüberwindliche oder nur schwer zu beseitigende Schwierigkeiten oder ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse entgegenstehen (stRspr des Senats zuletzt zB VGH München BeckRS 2024, 26731; BeckRS 2024, 20314; BeckRS 2023, 15590 jeweils mwN). (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Unzulässigkeit wegen fehlender ladungsfähiger Anschrift, Ablehnung, Abschiebung, Antrag auf Zulassung der Berufung, Zulassung der Berufung, ladungsfähige Anschrift, Prozessbevollmächtigter, unbekannter Aufenthalt, Rechtsschutzbedürfnis, Angabe des Wohnortes
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 06.06.2024 – M 27 K 22.686
Fundstelle:
BeckRS 2025, 9149
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Gründe
1
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger, ein irakischer Staatsangehöriger, seine in erster Instanz erfolglose Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 10. Januar 2022, mit dem er aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen, ein befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet und seine Abschiebung angedroht wurde, weiter.
2
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist bereits unzulässig.
3
Die Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Rechtsmittels sind in jedem Stadium des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen. Dem Kläger fehlt für einen Antrag auf Zulassung der Berufung das Rechtsschutzbedürfnis, denn für ihn liegt entgegen § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO keine aktuelle ladungsfähige Anschrift (mehr) vor. Selbst wenn also die geltend gemachten Zulassungsgründe vorliegen würden, erwiese sich das Urteil des Verwaltungsgerichts im Ergebnis als richtig, weil die Klage unzulässig geworden ist (BayVGH, B.v. 16.9.2024 – 10 ZB 24.952 – juris Rn 3; BayVGH, B.v. 15.7.2019 – 10 ZB 18.1175 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 9.5.2016 – 10 ZB 15.677 – juris Rn. 3 ff.; BayVGH, B.v. 3.2.2016 – 10 ZB 15.1413 – juris Rn. 3 ff.).
4
Gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO muss die Klage den Kläger bezeichnen. Zur Bezeichnung eines Klägers gehört nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 130 Nr. 1 ZPO auch die Angabe seines Wohnortes. Die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift, unter der der Kläger tatsächlich zu erreichen ist, ist erforderlich, um ihn zu individualisieren und seine Erreichbarkeit für das Gericht sicherzustellen. Es soll darüber hinaus dadurch auch gewährleistet werden, dass er nach entscheidungserheblichen Tatsachen befragt werden kann und sich im Falle seines Unterliegens seiner Kostentragungspflicht nicht entziehen kann. Das gilt auch für ein verwaltungsgerichtliches Verfahren unter Mitwirkung eines Prozessbevollmächtigten oder wenn sich während des Verfahrens die ladungsfähige Anschrift ändert. Die Pflicht zur Angabe der Anschrift entfällt nur, wenn deren Erfüllung ausnahmsweise unmöglich oder unzumutbar ist. Solches wird nur dann angenommen, wenn der Angabe der Anschrift unüberwindliche oder nur schwer zu beseitigende Schwierigkeiten oder ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse entgegenstehen (stRspr des Senats, zuletzt z.B. BayVGH, B.v. 16.9.2024 – 10 ZB 24.952 – juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 1.8.2024 – 10 CE 24.1299 – juris Rn. 15 ff.; BayVGH, B.v. 21.6.2023 – 10 CE 23.962 – juris Rn. 6 ff., jew. m.w.N.).
5
Im vorliegenden Fall hat der Beklagte mit Schreiben vom 17. März 2025 mitgeteilt, dass der Kläger nicht mehr an der bisher bekannten Anschrift wohnhaft sei; er sei seit 20. Oktober 2024 als unbekannten Aufenthalts gemeldet.
6
Entspricht die Klage nicht den Anforderungen des § 82 Abs. 1 VwGO, hat das Gericht den Kläger zu der erforderlichen Ergänzung aufzufordern. Die Klägerbevollmächtigten wurden daher mit gerichtlichen Schreiben vom 5. März 2025 und vom 2. April 2025 aufgefordert, eine ladungsfähige Anschrift, unter der sich der Kläger tatsächlich aufhält, mitzuteilen. Die Bevollmächtigten haben mit Schreiben vom 14. April 2025 mitgeteilt, der Kläger habe die Bundesrepublik Deutschland und auch die Europäische Union Anfang März 2025 verlassen; eine neue ladungsfähige Anschrift wurde nicht übermittelt. Damit ist die gebotene Vervollständigung der Klage unterblieben, der Antrag ist damit bereits aus diesem Grund unzulässig.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
8
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, 3, § 52 Abs. 2 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).